Bösingfeld (Gde. Extertal) (Galerie)

  • Nach einigen Wochen Pause folgt nun der dritte Teil meiner Reihe über die Flecken im ehemaligen Fürstentum Lippe.

    Bösingfeld wurde wie Alverdissen und Barntrup erst Mitte des 14. Jahrhunderts gegründet, und zwar von den Grafen zu Sternberg. Die Burg steht noch heute in markanter Berglage, liegt jedoch mitten im Wald und ist darum nur zu sehen, wenn man direkt davor steht. Sie liegt etwa 6 km außerhalb des Ortes, der allerdings ebenfalls erhöht angelegt wurde.

    Bösingfeld, heute der Hauptort der Gemeinde Extertal, kam mir zwar im Vergleich mit Alverdissen und Barntrup deutlich belebter vor, zumal es hier sogar so etwas wie eine Fußgängerzone (oder zumindest einer verkehrsberuhigten Straße) mit nicht wenigen Geschäften gibt, aber hier haben in den letzten 100 Jahren - vermutlich größtenteils sogar erst seit der Nachkriegszeit derart starke Veränderungen stattgefunden, dass (abgesehen vom Straßengrundriss) bis auf einen kleinen Teil im Süden nicht mehr viel historische Bausubstanz zu finden ist.

    Also dann, hinein ins Gruselkabinett "moderner" Kleinstädte.

    Auf den ersten Blick wird ersichtlich, dass im Vergleich zu Barntrup (16 Baudenkmale - 21 interessante Bauten) und Alverdissen (13 Baudenkmale - 24 interessante Bauten) deutlich weniger Häuser eingefärbt sind (10 rot gekennzeichnete Baudenkmale - 19 weitere gelb markierte interessante Bauten):

    Burg Sternberg ist ein buntes Konglomerat an Bauteilen aus verschiedenen Jahrhunderten. Die ältesten Bauteile dürften jedoch durchaus noch ins 14. Jahrhundert gehören:

    Hier saß mal ein Erker. Die Granitgewände des Fensters, das ihn ersetzt, dürften in dieselbe Zeit datieren wie die Fachwerk-Hofwand des Torbaues - in die 1930er:



    Auf der Nordseite wurde ein weiterer Erker entfernt. Den Abort daneben hat man aber dagelassen. Vielleicht wird er noch benutzt?

    Auf dem Weg von der Burg in den Ort kommt man (mit einem kleinen Umweg) an diesem traurigen Anblick vorbei:

    Noch ein kurzer Blick auf den jüdischen Friedhof (offenbar waren in den kleineren lippischen Orten die jüdischen Gemeinden im 19. und frühen 20. Jahrhundert sehr zahlreich und groß):

    Dann geht es hinein in die City. Zuerst kommt man an die Weggabelung Nordstraße/Mittelstraße. Hat durchaus ein gewisses Flair, auch wenn hier kein einziges historisches Gebäude mehr im Blickfeld ist:

    Ein Blick in die Mittelstraße zeigt, dass bis auf das Pfarramt rechts und die historistische Stadtpfarrkirche dahinter nahezu alle Gebäude in den letzten 60 Jahren erneuert oder bis zur Unkenntlichkeit verbaut wurden. Der hässliche dreistöckige Klotz links im Bild ist übrigens der Sitz der Stadtverwaltung. Die Verkehrsberuhigung und das Straßenpflaster sorgen aber dennoch für eine recht angenehme Atmosphäre. Wenn man sich hier allerdings eine geteerte Durchgangsstraße wie in Barntrup vorstellt, würde das Ortszentrum wirklich hässlich wirken:

    Mittelstraße 21 ist eines der wenigen historischen Häuser - zumindest stecken noch Reste eines solchen im Obergeschoss und im Giebel der Straßenfassade:

    Das schlichte spätklassizistische Rathaus:

    Die Bösingfelder Pfarrkirche. Angeblich stecken noch Reste des gotischen Vorgängerbaus in den Mauern des Langhauses:

    Einen kleinen Lichtblick gibt's am Ende der Mittelstraße. Einen netten Gründerzeitler - mit seltsam veränderter Durchfahrt:

    Mittelstraße 57 aus dem frühen 18. Jahrhundert zeigt als letzter Vertreter seiner Art, wie die Häuser in der Hauptstraße vermutlich bis Anfang des 20. Jahrhunderts gesehen haben:

    In der Nordstraße sieht es nicht viel anders aus:

    Nordstraße 2. "Runderneuert" wäre für dieses Haus von 1722 (wobei vermutlich einzig der Torbalken mit dieser Jahreszahl noch aus dem 18. Jahrhundert stammt) wahrscheinlich noch zu milde ausgedrückt:

    Nordstraße 19. Das passiert, wenn man Häuser nicht rechtzeitig unter Denkmalschutz stellt (wobei das möglicherweise auch mit Denkmalschutz passiert wäre):

    Zum Schluss noch die einzig schöne Straße des Ortes. In der Südstraße kommt zumindest noch ansatzweise historisches Flair auf. Hier stehen auch die ältesten erhaltenen Häuser:


    Südstraße 11 wurde 1649 erbaut und ist damit das älteste datierte Haus Bösingfelds. Und auch im einigermaßen guten Zustand, auch wenn mir die Sprossenfenster verdächtig nach Kunststoff aussehen:

    Bei Südstraße 13 hingegen (vermutlich ebenfalls noch 17. Jh.) stört vor allem die seltsame Garagen-Auslucht. Außerdem zerschneidet der allzu rustikal anmutende Torbogen die Inschrift:


    Zum Abschluss noch Südstraße 15 von 1811 - mit vermutlich ursprünglicher Verschieferung im Giebel:

    Tja, wie man sieht, sind weder Bösingfeld noch Barntrup oder Alverdissen Orte, die man nun unbedingt gesehen haben muss, aber zumindest Barntrup und Alverdissen haben noch das Potenzial, mit ein wenig Gestaltungsaufwand wieder zu schönen historischen Ortskernen mit viel Lokalkolorit zu werden. Bei Bösingfeld ist das leider kaum noch möglich, zu groß sind die Lücken im alten Baubestand.

    Dennoch denke ich, dass es wichtig ist, sich diesen kleinen, höchsten regionalgeschichtlich interessanten Orten auch verstärkt zuzuwenden, denn gerade im ländlichen Raum ist der Prozess der schleichenden Zerstörung historischer Bausubstanz nach wie vor nicht aufgehalten. Und während in einer größeren Stadt mal wieder ein Altbau für ein Einkaufszentrum plattgemacht wird, verschwinden in der gleichen Zeit wahrscheinlich fünf Bauern- oder Ackerbürgerhäuser auf den Dörfern, ohne dass jemand aufschreit.