• Auch, daß der Raschdorff noch gewaltig gestutzt wurde ebenso!

    Find ich eher schade. Der Ursprungsentwurf für den Berliner Dom von Raschdorff hätte ein gewaltiges und einmaliges Ensemble an dieser Stelle ergeben, das Westminster Palace, Budapester Parlament und sämtliche andere Ensembles der Zeit in die Tasche gesteckt hätte:

    Raschdorffs ältere Pläne hatten auch was:


    Ja, überladen und gewaltig, aber auch gewaltig imposant! Auch der römische Petersdom samt umgebenden Platzanlagen ist überladen und gewaltig und genau deswegen grandios (herrliche Panoramen hier!).

    Den campanile-artigen Glockenturm hatte das Stadtschloss ja schon früher einmal, der ist eine grandiose Idee. Auch den dreikuppeligen Dom finde ich stimmiger als den später gebauten. Die Seufzerbrücke zwischen Dom und Schloss ist herrlich, genauso wie die neu gestaltete Ostfassade in Neorenaissance á la Dresdner Residenzschloss.

  • Nein, so einen gewaltigen Turm neben das Barockschloß gestellt, hätte dieses förmlich erschlagen, gar noch im wahrsten Wortsinne bei den Gründungsproblemen, die das schon gemacht hatte und wahrscheinlich wieder schwierig geworden wäre.
    Nein und 3 identische nur größengestaffelte Kuppeln ist doch krass! Das nimmt der Hauptkuppel doch ganz und gar die Wirkung. Die Wirkung geht in die Breite und zerfließt und der Hochausturm saugt alles auf. Überdies verkommt Stülers Schloßkuppel daneben zu ner Pickelhaube. Das ist rücksichtlos dem Schloß gegenüber.
    Der Petersdom hat nur eine gewaltige Kuppel und die wirkt unvergleichlich. Das scheint mir der Unterschied zwischen Meistergenie und Baumeister zu sein! Die Konzentration auf das Wesentliche. Betradhtet man die Genese der etnwürfe für den Petersdom hatte Bramante aucheinen Entwurf abgeleifert, dem die energetische Konzentration auf das Zentrum fehlte, ganz zu schweigen von statischen Schächen . Erst Michelangelo hatte das erkannt und seinen Genieentwurf daraus gemacht. Darin strebt alles kraftvoll zur Kuppel hin und läßt sie emporwachsen.
    Raschdorff spielt mit Versatzstücken, wie aus einem Baukastensystem und meint durch additives Kombinieren und Monumentalisierung Wirkung erzielen und so den Kaiser für seinen Entwurf begeistern zu können. So wirkt das zumindest auf mich. Könnte das eine Schwäche historistischer Baumeister gewesen sein: Architekturelemente der Epochen zu kombinieren ohne auf eine verschmelzende Synthese zu achten, damit das Ganze mehr ist als die Summe der Teile!?
    Aber Erbse, als Architekturphantasien finde ich es auch toll! :thumbup:

    PS: Wie hoch hätte denn der Raschdorffturm werden sollen? Schätze mal bis zur Wetterfahne um die 180m. die Domkuppel ist ja schon heute noch 90 m hoch.
    Das ist doch der Wahn neben dem Schloß.
    Na ja, altes Zeug, reine Gedankenspiele ... :D

  • Nun, alles berechtigte Einwände, dennoch - manchmal muss es einfach knacken und knirschen in der Architektur. Berlin fehlte als sehr flächiger und flacher, von Traufhöhe dominierter Stadt mE schon immer die markante Höhendominante, das hat man dann ja erst Ende der 60er mit dem Fernsehturm ausgeglichen, der auch prompt zum dominierenden Wahrzeichen avancierte. Insofern hätt ich den Glockenturm schon gut gefunden, vielleicht auch einfach gegenüber dem Schloss auf der anderen Spreeseite, mit einigem Respektabstand.


    Hier nochmal eine schöne kolorierte Postkarte mit der Denkmalskirche am Dom:


    Berlin - Dom mit Friedrichsbrücke by Ireck Andreas Litzbarski, on Flickr

  • Ich finde den ursprünglichen Raschdorff-Entwurf auch super. Einzig allein die drei Kuppeln würde ich weglassen wollen und die derzeitige 1+4 Kuppel-Variante behalten - entsprechend der Proportionen vielleicht etwas größer. Der Turm wäre die zentrale Höhendominante Berlins gewesen, welche nun der Fernsehturm ist.

    Hätte, hätte, Fahrradkette. Mir reicht auch der typisch eingesparte Dom mit den ursprünglichen Kuppeln und der DDR-Laternenhaube oben drauf und die verträumte Renaissance-Ostflanke des Schlosses. :):)

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.

  • Dieser frühe Raschdorff-Plan hat in der Tat einige Mängel. Was mir jedoch gut gefällt, ist die Idee einer Brücke zwischen Dom und Schloss. Sie gibt dem Lustgarten wieder eine räumliche Geschlossenheit und greift zugleich das Motiv der mehrbogigen Spreebrücken auf.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Da der Petersdom erwähnt wurde - er wurde absichtlich durch Kniffe so gestaltet, dass er kleiner wirkt, als er eigentlich ist, um den menschlichen Maßstab beizubehalten, etwas worin die historischen Baumeister wahre Meister waren. Die Fassung des Vorplatzes mit Kolonnaden, nach oben hin leicht breiter werdende Säulen um das Auge zu täuschen und diese niedriger erscheinen zu lassen. So ist St. Peter in Rom zwar imposant, aber nicht erdrückend. Bereits der heutige evangelische "Dom", der somit eigentlich gar keiner ist, zu Berlin ist grenzwertig was das erdrückende Moment betrifft und der alternative Entwurf war wirklich scheußlich grob.

    Ich würde soweit gehen zu sagen, dass, abgesehen von der Bilderstürmerei der Sozialisten bei der Denkmalskirche, die Kuppel der DDR Rekonstruktion dem Bau mehr genutzt, als geschadet, hat. Sie hat ihm nachträglich die Eleganz verliehen, die der Petersdom oder auch St Pauls in London haben, auch wenn man über Details streiten kann und diese Eleganz dem Wilhelminismus zumindest beim Dom nun einmal fehlte.

    Die imposantesten Gotteshäuser Deutschlands sind und bleiben der Kölner Dom und das Ulmer Münster, Deutschlands Reichtum liegt gerade darin begründet, dass wir nicht alles in einer Stadt zusammen ballen. Das ist eben unser Weg. Und das ist gut so.

  • Dietrich Bonhoeffer Akademie!!!

    Lieber nicht, auch wenn ich in Berlin schon viel schlechtere Entwürfe gesehen habe. Zur Denkmalskirche gibt es m.E. keine echte Alternative. Was sich ohne die originalen Kuppelaufsätze noch negativer bemerkbar macht, sind die deutlich kleineren Türme zur Spree hin, wo die Stadt vor dem Krieg ja viel kleinteiliger war. Dieses Missverhältnis der Türme wird durch die fehlende Denkmalskirche und die fehlenden Laternen noch verstärkt.

    "Mens agitat molem!" "Der Geist bewegt die Materie!"

  • Irgendwann ist das Geschmackssache. Ich jedenfalls habe viele Besucher zum Dom geführt und unisono war das Gefallen groß, besonders die Kuppel scheint das unverstellte Auge des Laien zu entzücken, ebenso unisono sind alle sehr überrascht, wenn ich dann erzähle, dass es sich um eine Neugestaltung aus der DDR Zeit handelt. Das ist jedenfalls wesentlich stimmiger ausgefallen, als die "bewusst gesetzten Brüche zwischen Alt und Neu", die westdeutsche Architekten und Bauherren so liebten, siehe beispielsweise was man aus der Frankfurter Paulskirche oder dem Saarbrücker Schloss gemacht hat, wo es ganz offensichtlich darum ging die historische Schöpfung mit dem Holzhammer der Moderne zu vernichten Vs. die gekonnte Neuinterpretation der Kuppel des Berliner Dom, der man das keinesfalls vorwerfen kann.

  • ....die gekonnte Neuinterpretation der Kuppel des Berliner Dom....

    Und genau das ist die große Schwäche der Kuppel: Aus diesem Grund (Sie wird von der Mehrheit nicht als störend empfunden) wird eine zukünftige Rekonstruktion der Originalkuppel sehr erschwert, oder sogar für immer verhindert werden.
    Dieses Problem haben wir mit der Ostfassade des Schlosses zum Glück nicht, denn diese wird schon jetzt als störend empfunden.

  • Ich wage jetzt einfach mal zu spekulieren, dass es manchen Leuten um "Originale" als Selbstzweck geht und manche Diskussion identisch ablaufen würde, wenn unter Kaiser Wilhelm die heutige Kuppel errichtet worden wäre und die ursprüngliche Kuppel nach dem Krieg. Architektur ist nicht automatisch besser, nur weil sie älter ist (und auch nicht umgekehrt). Jedenfalls habe ich keine inhaltliche Erörterung gesehen, was an der aktuellen Kuppel schlechter sein soll. Ggf. ist das dann doch das falsche Forum für mich, wobei ich dann wohl nirgendwo richtig "dazu gehöre", da ich keiner Architektur einer bestimmten Epochen vorbehaltlos anhänge, sondern, simpel wie ich gestrickt bin, schlicht mag, "was mir gefällt".

    Da ich den Konsens, der historischen Kuppel nachzutrauern, nicht stören will, verlasse ich das Forum an der Stelle somit besser wieder. Einen schönen Tag miteinander!

  • Schade, dass du diesen eigentlich unerheblichen Dissens nicht ertragen möchtest. Ich bin mir nicht mal sicher, ob wirklich das ganze Forum die gegenwärtige Domkuppel verfehlt findet. Ich zum Beispiel erkenne in der Wiederaufbauleistung der DDR-Architekten eine achtbare, wohlproportinierte und bestens eingepasste Lösung, die durchaus original sein könnte. Lediglich die Laterne fand ich stets eine Spur zu modern und in der Gesamterscheinung störend. Ein genialer Architekt, der wie einst Günter Stache (?) sich nicht scheut, aus der Architektursprache des Doms heraus anderes, aber nicht weniger stimmiges zu schaffen, könnte mit einer stilistisch passenden Laterne durchaus das Gesamtbild heilen.

    Die neue Kuppelgestalt fügt sich bestens in das gewohnte Bild berühmter Kuppelkirchen europaweit, während die Raschdorff-Kuppel eine etwas übertreibende eklektizistische Neuinterpretation einer Kirchenkuppel darstellt, was auch für die Nebenkuppeln gilt. Man kann m.E. gut nachvollziehen, dass die Architekten des Wiederaufbaus davor zurückschreckten, diese üppige und dem Geschmacksempfinden der Wiederaufbauzeit zuwiderlaufende Kuppelgestalt zu rekonstruieren, was auch einen gewaltigen finanziellen Kraftakt erfordert hätte. Heute würde man wahrscheinlich anders entscheiden, aber sicher bin ich mir da nicht.

  • Da ich den Konsens, der historischen Kuppel nachzutrauern, nicht stören will, verlasse ich das Forum an der Stelle somit besser wieder. Einen schönen Tag miteinander!

    Das finde ich jetzt etwas divenhaft . . . grundsätzlich finde ich die jetzige Kuppel durchaus gut gelungen und ein gutes Beispiel für den Wiederaufbau. Ich kann damit leben. Die historische gefällt mir aber besser und ich finde sie passender - falls man den Dom jemals wieder komplett (mit Denkmalskirche) - rekonstruieren sollte. Ich bin auch gespannt, wie das Ensemble wirkt, wenn die Schlosskuppel daneben fertig ist.

    "Mens agitat molem!" "Der Geist bewegt die Materie!"

  • Das sehe ich dann wohl ein wenig anders, für mich ist die derzeitige Kuppel deutlich gelungenen als die historische, die gegenwärtige Kuppel ist auch konsequenter im Sinne eines Zentralbaus der Renaissance bzw. einem "Petersdom" des Nordens (vgl. Vorbild in Rom).
    Die alte Kuppel mit ihren Nebenkuppeln und den barocken Spitzentürmchen war einfach völlig überladen und ästhetisch und proportional in sich nicht stimmig. Der Dom wirkt m.E. ohne die wilhelminischen Pickelhauben deutlich harmonischer und monumentaler.

  • Ich glaube praktisch niemand hier im Forum findet den Wiederaufbau-Dom in aktueller Form völlig misslungen.
    Tatsächlich aber sind mE Kuppel und Laternen zu gedrückt und widerstreben so den Proportionen merklich. Man merkt, dass etwas fehlt, diese Schlichtheit und Geducktheit will nicht recht zum sonst ausladenden, aufstrebenden Bauschmuck des Kirchbaus passen. Und man kennt eben auch den Originaldom. Frag die Leute auf der Straße im Direktvergleich mal, Hackfleisch.

    Es war nunmal kein Petersdom und auch keine St. Paul's, sondern ein eindeutiger Ausdruck wilhelminischer Architektur des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Diese DDR-Purifizierung ist weder im Sinne des Bauherren noch des Architekten. Sie ist eine (wenn auch recht gut gemachte) geschmäcklerische Zutat einer Zeit, die den Historismus und die Kaiserzeit fast in Gänze ablehnte. Und diese Architektur allerorten abreißen, entstucken und verstümmeln ließ.

    Der Bau strebt empor, doch Kuppel und Laternen ducken sich plötzlich weg:


    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Berlin6572.JPG


    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:FW_Berliner_Dom_3.JPG


    Wenn eines Tages ohnehin diese Bauteile erneuert werden müssen, sollte man daher die Originale rekonstruieren, um dieses Bauwerk wieder besser begreifbar zu machen und im sonst zurückhaltenden klassizistisch-barocken Umfeld wieder den "gewissen Pomp" hinzuzufügen. Dieser war sonst im Berliner Stadtbild durch die Kaufhäuser und Geschäftsbauten der Gründerzeit allgegenwärtig, diese haben aber wohl wenig Aussicht auf Rückkehr. Diese Phase gehört untrennbar zum Aufstieg Berlins zur Weltstadt im späten 19. Jahrhundert, ist aber viel zu wenig ablesbar im heutigen Stadtbild.


    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Berl…eum-dom1900.jpg


    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bund…erliner_Dom.jpg

    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Berliner_Dom_1902.jpg


    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:1911…l_at_Berlin.png


    Siehe auch: https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:…erlin_Cathedral

  • Liebe Forumsmitglieder,

    die Meinung, dass die Neuschöpfung der Kuppel des Doms eine Bereicherung darstellt, weil durch diese eine elegantere Wirkung erzielt wurde, teile ich nicht und möchte dieser auch vehement widersprechen.

    Gerade die Laternen mit dazugehörigem Zierrat und vor allem der Kranz ließen die Kuppel meiner Meinung nach weit weniger plump und damit mönströs wirken.
    Gerade diese heute fehlenden Elemente verliehen dem Bau eine filigrane Eleganz.

    Das zumindest sagt mir mein laienhaftes Auge - jedesmal, wenngleich diese Wahrnehmung auch immer eine Frage des eigenen Geschmacks ist.

    Die Kuppel auf dem Reichstag wirkte gewiss auch weit weniger als Fremdkörper, wenn diese
    a: Die Grundform des Reichstags, nämlich das Quadrat aufgriffe und
    b: Einen Kranz und eine empor strebende Spitze besäße.

    Gruß aus Berlin.

  • Ich empfinde die ursprünglichen Kuppeln, Laternen und Wetterfahnen ebenfalls als überladen und kitschig. Weniger ist manchmal eben doch mehr, vor allem weil die umliegenden Bauwerke auch sehr harmonisch dekoriert waren/sind, selbst das barocke Stadtschloss. Die heutigen Kuppeln und Laterne geben dem Dom meiner Meinung nach mehr Würde und Ruhe und sie passen stilistisch besser zum Dom selbst und zur Umgebung.
    Wenn man mal genau hinschaut, ist die heutige Kuppel und ihre Gestaltung fast eins zu eins vom Petersdom inspiriert, worin ich eine gelungene Entscheidung sehe, denn an diesem sollte sich ja eigentlich der Orginalbau orientieren und messen.
    Allein die Proportion der krönenden Laterne stört mich etwas. Sie wirkt zu klein und etwas zu niedrig. Es wird auch nicht mehr die magische 100m Höhenmarke überschritten, die eine Kirche/einen Dom doch irgendwie adelt. (Der Dom ist heute mit 98m Höhe exakt gleich groß wie die Dresdener Frauenkirche.)

    Die Vergleichsbilder von Erbse und Karl sind übrigens etwas unfair, weil sie die Kuppelproportionen des neuen Doms von sehr nah zeigen und den alten Dom aus einigem Abstand. Kein Wunder, dass der neue Dom dann noch gedrungener wirkt.
    Hier die neue Domkuppel auch mal aus etwas Entfernung und als sie noch ganz neu war: