Potsdam - Quartier Synagoge und Acht-Ecken-Kreuzung

  • Einspruch. Wir wollen uns doch hier nicht mit Mittelmaß zufriedengeben. Regelmäßig wird mit Nachdruck beschrieben, wie stark in Potsdams Altstadt alles auf einander bezogen und austariert ist (ein Geschoss zu hoch, ein Dreiecksgiebel hier, ein Fries dort). Dann sollte man seine Kritik auch daran ausrichten, ob des neuen Straßenquerschnitts ohnehin alle Gebäude anders als früher aufeinander bezogen sind.

  • Bin nicht enttäuscht und alles sieht nett aus. Aber immer wieder Bauten die stark vom Original abweichen (und nicht zum Gute). Charm und Reiz sollen immer betrachtet werden bei Neuschöpfungen oder Neu-Interpretationen von Albauten wie hier in Potsdam. Zierlich und Filigran sollen Bauten sein, nicht grob oder klotzig. Nach tüchtigen und sensibelen Wiederaufbau is die Architektur seit 1955 noch immer nicht balanciert und ausgewogen. Die schöne Bilder von Andreas Hummel werden offenbar nicht genützt and dass ist schade.

  • Den neuen Einsiedler kann ich auch nur als sehr seltsam wahrnehmen. Anders als bei der neuen Alten Post, wo die Proportionen in sich stimmig sind (wenn auch anders als beim Original), sind dieselben hier ziemlich entgleist.

    Der Giebel ist viel zu wuchtig, er schreit einem geradezu entgegen, dass er nur vorgesetzt ist, der Abschluss des Daches ist zu kräftig und disharmoniert mit dem Giebel, die Gauben kommen ästhetisch aus einer wieder ganz anderen Ecke, die Farben wirken altbacken wie vom Ende der 80er. Am Ende sind alle Details schlechter als im Wettbewerbsentwurf, welcher noch akzeptabel gewesen wäre, wenn auch schlechter als das Original.

  • „In dubio pro Reko“ müsste die allgemeine Devise werden in Sachen Rückgewinnung innerstädtischer Städtebauens! Zumindest solange, bis unsere Gesellschaft wieder eine ansprechende Architektursprache entwickelt hat, die an die Baukunst unserer Vorfahren wieder anknüpft.

  • Aus dieser Perspektive sieht man recht schön, warum es kein kleines Problem ist, dass der Einsiedler nicht als Leitbau deklariert und soweit wie möglich rekonstruiert wurde:

    Quelle: Mitteschön

    Wenn die Leitbauten aus Block III fertig sind, werden sie sicher zur Verbesserung der Situation beitragen. Dennoch läuft der Blick des Auges eben natürlicherweise vom alten Markt auf den Einsiedler zu... Wie schade, dass der Entwurf von Peter Eingartner nicht gewonnen hat! Nicht nur wäre der Giebel Richtung F.-E.-Straße fast so gut wie das Original gewesen. Auch die Fassade der Schlossstraße, die auf zwei Fensterachsen verzichtet, dafür aber (nehme ich an) die restlichen Achsen in originaler Breite belässt, ist ungleich besser. Ganz zu schweigen von dem viel besseren Mittelrisalit und den schöneren Fledermausgauben...

  • Ehrlich gesagt, sieht der neue Einsiedler aus der Ferne gar nicht mal so schlimm und besser als aus der Nähe aus.
    Es ist so ein bisschen wie das mit der Fernsicht in Videospielen, dem sogenannten LOD (level of detail), gehalten ist. Videospiel-Konsolen und Gaming-PCs sind in einem 3D-Spiel bisher nicht fähig alle Umgebungsobjekte, wie z.B. ein Haus, auch in der Ferne mit vollem Detailgrad darzustellen. Das braucht man aber auch nicht, weil diese Objekte eben weit vom Spieler/der Kamera entfernt sind und man sie nicht so genau sieht und deren Details verschwimmen oder verschwinden. Der neue Einsiedler erscheint mir wie das vereinfachte Modell eines klassizistischen Hauses.
    In Videospielen wird das vereinfachte Modell allerdings durch das detaillierte Modell ersetzt, wenn man sich diesem nähert. Der neue Einsiedler tut das natürlich nicht, er bleibt in dieser vereinfachten, auf Fernsicht ausgerichteten, Version stecken. :(

  • Ich würde mich über diese vereinfachte Form des Einsiedlers im Südwesten freuen. Ich erwähne es immer wieder. Hier baut man immer noch gerne im 0815-Klötzchen-Format, mit wenig Bezug zum Oberrhein/Schwarzwald.

  • Lieber Amroth2 , natürlich hast Du damit vollkommen recht. Ich selbst betone das ja auch immer wieder in meinen Beiträgen.

    Aber, wie zu letzt auch im Strang über das Neubauquartier III diskutiert, das hier ist ein Architekturforum. Und da gilt es, Unstimmigkeiten in der Gestaltung auch zu benennen, wenn sie da sind. Selbst wenn ein Bau zu 90% oder vielleicht sogar 98% besser ist als alles andere, was derzeit in Deutschland gebaut wird. Denn mit so einer Argumentation kann man letztlich nur verlieren. Beispiel: "Ja, lasst sie doch die Schinkelsche Bauakademie in Berlin irgendwie nachhaltig und im Optimalfall mit Backstein, aber ohne große Anlehnung an das Original, wieder aufbauen - ist immer noch besser als das Loch was da derzeit ist / die Plattenbauten, die vorher neben dran standen / die billigen Investorenkästen, die überall sonst in Deutschland gebaut werden."

    Anspruch muss doch sein, immer das Optimum anzustreben und anzumahnen, bzw. dafür einzutreten. Ich glaube, nur dadurch kann letztlich ein "Wandel" zum schönen Bauen erreicht werden. Und dann kommt auch eine vollständige Rekonstruktion der Bauakademie, nur um dieses Beispiel hier nochmal positiv abzuschließen. :zwinkern:

  • Es ist halt nur schade, daß von manchen Foristen keine zweite Meinung akzeptiert und man direkt zum Verlassen des Forums aufgefordert wird.

    Die Häuser, die da jetzt in Potsdam gebaut werden, sind ja bereits auf dem Weg zu einer besseren Architektur. Eine Art Evolution von Schrott zu Gold. Doch man kann vielleicht auch damit leben, daß noch nicht alles perfekt ist und mit dem Ergebnis erstmal zufrieden sein. Vergleichbar mit dem Gründungsviertel in Lübeck. Da sind auch nicht alle Häuser perfekt. Aber man freut sich, daß mal nicht nur die üblichen Kisten gebaut werden. Die Bauweise ist ein Schritt in die gewünschte Richtung.

    Die Häuser am Alten Markt hätten auch locker so werden können wie in der Hamburger HafenCity. Also darf es doch bitte gestattet sein, wenn man über das Erreichte nicht nur jammert.

    Demnächst steht in Duisburg die Bebauung des so genannten Mercator-Viertels an. Da wäre ich wirklich glücklich über Häuser, die eine ähnliche Qualität haben wie die Füllbauten in Potsdam. Das soll aber nicht bedeuten, daß man nicht noch eine Schippe drauflegen kann. Niemand hat etwas gegen gerechtfertigte Kritik.

    Das Beispiel mit der Berliner Bauakademie hinkt hier aber etwas. - Wenn man eine Rekonstruktion fordert/erwartet, kann man auch nur mit einer Rekonstruktion zufrieden sein. Niemand hier wird im Fall der Bauakademie sagen, "Egal, Hauptsache eckig und rot".

    In Lübeck war aber von Anfang an klar, daß es ein Neubauquartier wird, und keine Rekonstruktionsfläche. Jetzt sind die meisten Mitschreiber hier im Forum recht begeistert vom Gründungsviertel. Die Erwartungen waren eben entsprechend angepasst.

  • Ich verstehe natürlich, dass man mehr erreichen möchte, ein Optimum wie du es beschreibst. Selbstverständlich! Ich meinte nur, dass man im Osten schon einen gewaltigen Schritt weiter ist, was dad „Verständnis“ für schönes Bauen betrifft. Ich würde mir wünschen, dass man dies im Südwesten genauso umsetzt. Ich komme aus der Gegend zwischen Baden-Baden und Freiburg. Die Neubauten sind hier meist Fremdkörper (z.b. das Rée-Careé in Offenburg). Es gibt ja nicht mal einen Versuch Gebäude zu errichten, die zur Geschichte und Umgebung passen. Ich kann ja auch nicht annähernd mit eurem Fachwissen mithalten, aber ich sehe im Osten mehr Engagement für diese Projekte, welches im Südwesten nicht annähernd so vorhanden ist.

  • Aus dieser Perspektive sieht man recht schön, warum es kein kleines Problem ist, dass der Einsiedler nicht als Leitbau deklariert und soweit wie möglich rekonstruiert wurde

    Eieiei. Vielleicht kann man in einigen Jahren zumindest die markante Ecke des Einsiedlers wieder stärker an den historischen Zustand führen.

  • Nun, auch diese Ecke "müssen wir aushalten", und das werden wir auch schaffen, denn Treverers Argumentation ist nifch so ohne. Allerdings ist es einfach ein sinnlos vertane Chance, denn es bestand offenbar kein vernünftiger Grund, auf dieses wichtige Gebäude zu verzichten. Es ist ein wenig wie mit der Ungerschen Post. Daher besteht zu Ärger jeglicher Anlass.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Eieiei. Vielleicht kann man in einigen Jahren zumindest die markante Ecke des Einsiedlers wieder stärker an den historischen Zustand führen.

    Ich hätte mir gewünscht dass die "Neue Post" und auch der "Einsiedler" ein Leitbau gewesen wären. Es gab ja für die "Neue Post" einen Investor der "Alte Post" rekonstruieren wollte aber sich nicht durchsetzen konnte.

    Das man an einem Neubau in einigen Jahren Korrekturen vornimmt, kann ich mir nicht vorstellen. Ich bin froh über das Erreichte in Potsdam und finde die Mitte jetzt schon ansprechender als vor einigen Jahren.

    Lasst die Figuren auf dem Stadtschloss aufsetzen, den Neptunbrunnen vervollständigen, den Turm der Garnisonkirche stehen, den Stadtkanal kommen (inkl. der Brücken), den Staudenhof verschwinden, den Langen Stall zurückkommen und wir haben wieder eine ganz andere Stadtmitte.

  • Der Eingartner Bau war richtig schön!!

    Aber doch sehr froh dass Potsdam im Zukunft gewiss beser aussieht dann in 2006 wann ik da (einmal nur) war

    Kann mich mein Entsetzen noch errinnern wenn ich die Staudenhof Bunker sah...... ;(

  • Ein paar Bilder von heute. Bitte entschuldigt die schlechte Bilderqualität, aber ich brauche noch eine Weile, um mit der Spiegelreflex klar zu kommen und musste nun erstmal auf die Kamera meines Tastenhandys zurück greifen.

    Zum Einsiedler muss ich sagen, dass mir dieser sehr gut gefällt. Ich hatte ein wenig Sorge, dass die Fassade in Natura billig wirken könnte. Doch ich muss sagen, dass ist wirklich ein in meinen Augen schönes Gebäude geworden.

    Einziger Negativpunkt in meinen Augen ist das Treppenhaus. Ich hätte mir gewünscht, dass der moderne Teil neben dem rekonstruierten Acht-Ecken-Haus einfach direkt in den Einsiedler übergeht.

    Bis auf den Sockel, welcher noch fehlt, scheinen die Arbeiten auch langsam dem Ende zu zu gehen.

    Die Bilder sind von mir und dürfen verwendet werden.

  • Sehr interessant, das Entstehende. :thumbup:

    Graf Cylinar,für welche schlechte Bilderqualität entschuldigen Sie sich? Ich finde die Fotos sind doch super.Alles ist doch klar und deutlich zu sehen.

    Und vielen Dank Graf Cylinar,das Sie uns immer mit aktuellen Fotos vom Baugeschehen in der Potsdamer Mitte auf dem laufenden halten.

  • Ich finden den "neuen" Einsiedler nicht schlecht. Nachdem aber im oberen Giebel ein Fenster eingesetzt worden ist, wird das Relief nicht mehr zurückkommen und auch der Schriftzug Zum Einsiedler. Das finde ich sehr schade.

  • Einige Fotos vom Quartier rund um die Acht-Ecken-Häuser mit Einsiedler und neuer Synagoge.

    Bilder von heute von mir:

    Potsdam

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    Hofansichten der Synagoge, des Einsiedler und des rekonstruierten Acht-Ecken-Haus:

    Potsdam

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    Blick zum Baufeld III mit dem als Erinnerungsbau gedachten südöstlichen Acht-Ecken-Haus:

    Potsdam

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