Alverdissen (Stadt Barntrup) (Galerie)

  • Im zweiten Teil meiner kleinen Bilderreihe möchte ich Alverdissen vorstellen, das seit der Gebietsreform Ende der Sechziger zur Stadt Barntrup eingemeindet wurde. Es liegt ziemlich genau zwischen Barntrup und Bösingfeld (je etwa 6 km Abstand, nicht viel für mittelalterliche stadtähnliche Siedlungen).

    Alverdissen wurde vermutlich etwas später als Barntrup und Bösingfeld gegründet (Stadtsiegel von 1396), wovon vor allem der deutlich kleinere Grundriss zeugt. Doch obwohl der historische Ortskern nur 77 Gebäude hat (Erweiterungen an den Ausfallstraßen ab Mitte des 19. Jh. sowie die Bebauung der Neuen Straße im Südosten, die nach einem Stadtbrand 1855 entstand, bereits mitgezählt), ist er der am geschlossensten erhaltene.

    Auf der Karte sieht man das typische lippische Drei-Straßen-Schema. Vor der Eingemeindung Alverdissens zur Stadt Barntrup hieß die Schlossstraße übrigens auch Mittelstraße. Nach der Gebietsreform wurde sie umbenannt, um Verwechslungen mit der Mittelstraße in der Barntruper Altstadt zu vermeiden.

    Was man auch sieht ist der deutlich dichtere Bestand an Baudenkmalen (rot) und meiner Meinung nach weiteren denkmalwürdigen und ortsbildbestimmenden historischen Fachwerkhäusern, aber auch einigen wenigen gründerzeitlichen Massivhäusern.

    So hat der historische Ortskern (der übrigens nie mit Stadtmauer befestigt war, aber vermutlich zwei Tore hatte, wie der "Torteich" im Osten nahelegt), 13 Baudenkmale (plus einen winzigen jüdischen Friedhof im Südwesten des Ortes am Südhagen) und 24 weitere historische Gebäude aufzuweisen, was immerhin knapp 50 Prozent des Gebäudebestands ausmacht. Immer noch recht viel, wenn man bedenkt, wie stark sich die ländlichen Regionen in den Wirtschaftswunderjahren gewandelt haben und was damals alles gnadenlos abgerissen wurde.

    Quelle des Katasterplans: http://www.boris.nrw.de">http://www.boris.nrw.de

    Die Schlossstraße ist zwar Hauptdurchgangsstraße, aber zum Glück keine Bundesstraße. Am Ostende ist der historische Baubestand recht ausgedünnt (links die klassizistische Kirche mit Westturm von 1555 - natürlich ebenfalls nicht zu besichtigen)...

    ...am Westende sieht's allerdings deutlich erfreulicher aus, obwohl es auch hier entstellende Umbauten und Verkleidungen gibt, wie bei Schlossstraße 21 und 33:



    Wenig auszusetzen (na ja, vielleicht die Blumenkästen vor den Obergeschossfenstern) gibt es bei Schlossstraße 19. Das älteste erhaltene Haus des Ortes datiert ins Jahr 1593:

    Schlossstraße 17 wurde nach einer (erneuerten) Inschrift 1740 erbaut. Die Schwelle des Haupt- und des Ausluchtgiebels sind übrigens ebenfalls mit Inschriften verziert, die allerdings teils stark verwittert und nicht farblich hervorgehoben sind. Zu den Untergeschossen sag ich jetzt mal nichts, da fehlen mir die Worte:

    Schöner kleinstädtischer Gründerzeitler aus Backstein:

    Der Turm der evangelischen Pfarrkirche. Daran angebaut eine reich verzierte Gruft aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts:



    Auch Alverdissen hat sein Schloss. Es wurde 1662/63 als Residenz einer lippischen Nebenlinie erbaut. Der schlichte Barockbau wurde um 1900 durch ein Zwerchhaus in Renaissanceformen ergänzt:

    Viel schöner als das Schloss ist allerdings das ehemalige Wachtmeisterhaus. Es wurde Anfang des 17. Jh. als Fachwerkbau in Spätrenaissanceformen errichtet, allerdings 1922 durch einen Massivbau ersetzt, wobei allerdings die Schnitzereien des alten Giebels teils wieder angebracht wurden:


    Nun kommen wir zur Vorderen Straße. Die Bausubstanz ist zwar recht stark verändert, aber dass es kein einziges denkmalwürdiges Haus in der Straße gibt, kann ich kaum glauben (in der offiziellen Denkmallliste ist jedenfalls kein Haus aus dieser Straße eingetragen):


    In der Hinteren Straße befindet sich eine ganze Reihe historischer Fachwerkhäuser des 17.-19. Jahrhunderts.

    Hintere Straße 30 aus der Zeit um 1700, ein Vierständer-Fachwerkhaus mit Mitteldeele, kann trotz späterer Veränderungen geradzu als Prototyp des Ackerbürgerhauses gelten:

    Geschmacksverirrungen gibt's aber auch hier (Hintere Straße 20) ...

    ... teils auch bei pseudohistorisierenden Neubauten (Hintere Straße 23):

    Hintere Straße 17 von 1740 steht in einer ganzen Reihe erhaltener Fachwerkhäuser auf der Südseite der Straße:

    Leider ist ein großer Teil von ihnen noch verkleidet.


    Schöner sieht es in der Neuen Straße aus. Sie wurde erst nach dem Brand 1855 angelegt und mit äußerst traditionellen giebelständigen Vierständer-Fachwerkhäusern mit großer Mitteldeele bebaut, die zum Glück auch größtenteils erhalten sind:




    Den größten Schock habe ich mir allerdings für den Schluss aufgehoben. Hintere Straße 4, ein kleines Fachwerkhäuschen aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, gehört zur ältesten Bausubstanz des Ortes. Umso schlimmer, dass es offenbar jüngst grausam zugerichtet wurde. Im Internet hab ich übrigens gelesen, dass es demnächst zwangsversteigert werden soll. Ob diese ganz und gar nicht denkmalgerechte Behandlung etwas damit zu tun hat?



  • Danke für die Bilder. Obwohl der Ort prinzipiell weitgehend erhalten sein dürfte und gar nicht einmal schlecht aussieht, offenbart sich hier das Trauerspiel unserer deutschen Wohlstandsgesellschaft. Der Umgang mit alter Bausubstanz ist teilweise erschreckend. Es bleibt zu hoffen, dass die Fehler der Vergangenheit erkannt werden und es zu keinen weiteren Abrissen kommt. Nötig wären wie so oft v. a. die Befreiung der Fassaden und Seitenwände von unpassenden Baumarktstoffen und ein anschließender Ersatz durch regionaltypische Materialen, eine Freilegung der Fachwerke, sofern vorhanden, Teilrekonstruktionen in den Erdgeschosszonen und eine konsequentere Verwendung von Sprossenfenstern. Bestünde der Wille, wären deutliche Verbesserungen gar kein allzu großes Problem...

    "Meistens belehrt uns der Verlust über den Wert der Dinge."
    Arthur Schopenhauer