Barntrup (Galerie)

  • Einleitung

    Heute möchte ich einmal drei kleine Städtchen im ostwestfälischen Kreis Lippe vorstellen, der ohnehin reich an mittelalterlichen Städten ist: Mit Lemgo, Detmold, Bad Salzuflen, Blomberg, Horn, Lügde, Schwalenberg und Barntrup gibt es gleich acht richtige Städte im Kreis, während Alverdissen und Bösingfeld zwar einen stadtartigen Charakter haben, aber das Stadtrecht schon kurz nach der Gründung wieder verloren bzw. möglicherweise nie richtiges Stadtrecht hatten. Barntrup, der größte der drei Orte, hat sein Stadtrecht zwar seit der Stadtrechtsverleihung 1376 nie verloren, war aber bis auf die rechtliche Ebene trotzdem nie mehr als ein größerer Flecken.

    Dennoch haben alle drei Orte ein zumindest teilweise geschlossenes Stadtbild bewahrt, es gibt allerdings auch in allen Orten reichlich Bausünden, vor allem Bösingfeld war schon an der Grenze der Hässlichkeit. Trotzdem oder gerade deshalb möchte ich die zumindest lokal geschichtsträchtigen Orte hier vorstellen und bin auf die Kommentare gespannt - gerade zu den Bausünden und Verunstaltungen der alten Häuser.

    Barntrup

    Barntrup ist, wie die beiden anderen Orte, eine Gründung der Grafen von Sternberg (einer Nebenlinie der Grafen von Schwalenberg), die ihren Stammsitz auf der gleichnamigen Höhenburg in der Gemeinde Extertal hatten, zu der heute auch Bösingfeld gehört (Bilder von der Burg gibt's darum weiter unten). Um 1400 starben die Schwalenberger aus und ihre Besitztümer gingen als schaumburgisches Pfand an Lippe. Der lippische Adel hat darum sowohl in Barntrup als auch in Alverdissen und auf Burg Sternberg seine Spuren hinterlassen. Bis heute zeigt das Barntruper Stadtwappen übrigens auf der linken Seite einen halben Stern und auf der rechten Seite eine halbe lippische Rose.

    Alle drei Orte wurden übrigens planmäßig nach dem lippischen Drei-Straßen-Schema angelegt, das aus drei Längsstraßen besteht, die durch kleinere Quergassen verbunden sind und sich an den Stadtausgängen treffen. Wie in den drei hier vorgestellten Orten verlaufen die Straßen dabei immer von West nach Ost (Lemgo, Detmold, Horn), nur Lügde ist Nord-Süd orientiert (in Schwalenberg und Blomberg ist das Drei-Straßen-Schema nur teilweise ausgebildet, Bad Salzuflen hat erst im späten 15. Jahrhundert Stadtrechte erlangt und zählt darum nicht mehr zu den lippischen Gründungsstädten).

    So, genug der Vorrede, fangen wir an mit Barntrup, das im Osten des Kreises liegt und heute mitsamt der eingemeindeten Orte (darunter übrigens auch Alverdissen) etwa 9200 Einwohner hat und nach wie vor sehr ländlich geprägt ist.

    Auf dem folgenden Plan, auf dem ich in rot die Baudenkmale und in gelb die übrigen interessanten Gebäude des Stadtkerns eingetragen habe, sieht man, dass sich die sehenswerten Bauten auf die Südseite der Mittelstraße und die Südseite der Unteren Straße konzentrieren. Im Ostteil der Stadt ist der Stadtgrundriss nach einem Stadtbrand 1858 begradigt worden, weshalb die Untere und die Obere Straße dort heute im 90-Grad-Winkel auf die Mittelstraße zuführen. Was man auch sieht ist, dass leider immer noch die B 66 mitten durch den Stadtkern führt, was einen Aufenthalt auf der Mittelstraße nicht gerade gemütlich macht. Hier wäre eine Umgehungsstraße dringend nötig:

    Quelle des Katasterplans: http://www.boris.nrw.de\r
    http://www.boris.nrw.de

    Blick von Westen in die Mittelstraße. In der Bildmitte sind die größten und bedeutendsten Fachwerkhäuser der Altstadt zu sehen:

    Das ehemalige Postamt stammt aus den Nachkriegsjahren und ist noch ganz dem Heimatschutzstil verhaftet. Der vermutlich gründerzeitliche Vorgängerbau wurde gegen Kriegsende (vermutlich bei den Bodenkämpfen) zerstört:

    Mittelstraße 55 (erbaut 1646) und 57 (1661) sind zwei typische Ackerbürgerhäuser. Während Nr. 55 auch im Inneren noch gut den alten Zustand mit Mitteldiele erkennen lässt (leider mit hässlichen Einscheibenfenstern), ist die Diele bei Nr. 57 zweigeschossig durchgebaut.

    Das Haus Nr. 53 links daneben ist leider arg verunstaltet, die Inschrift im Giebel der reich beschnitzten Auslucht datiert es jedoch ins Jahr 1674.


    Besser erhalten, aber in den Untergeschossen ebenfall vielfach verändert ist Mittelstraße 45 aus der Mitte des 17. Jh.:

    Gegenüber dieses Häuser-Ensembles befindet sich ein weiteres Ensemble aus drei Gebäuden. Mittelstraße 38 ist ein weiteres Ackerbürgerhaus, leider mit übler Teerpappe verkleidet. Der Giebel scheint den Vorkragungen nach zu urteilen darunter aber noch erhalten zu sein. Das Haus könnte ebenfalls noch aus dem 17. Jahrhundert stammen:

    Rechts daneben befindet sich die Pfarrkirche, deren Turm und Chor noch aus der Gründungszeit der Stadt stammen (Mitte 14. Jh.). Das Kirchenschiff wurde den dreibahnigen Fenstern nach zu urteilen im 16. Jahrhundert neu gebaut und nach einem Brand 1636 noch einmal erneuert. Leider war das Innere wie so oft nicht zu besichtigen:



    Das Rathaus wurde 1907 in einer Mischung aus historisierenden und Jugendstilformen erbaut. Nett anzusehen, aber es kann trotzdem nicht über den Verlust des Renaissance-Rathauses (mit massivem Unterbau, reich verziertem Portal und Fachwerkgiebel) hinwegtäuschen, das kurz zuvor abgebrannt war:

    Mittelstraße 25 entstand nach dem Stadtbrand in spätklassizistischen Formen. Sicherlich einst ein ganz nettes Haus - bis irgendjemand in den Fünfzigern meinte, große Schaufenster einbauen zu müssen:

    In der Unterstraße lässt sich die typische Struktur einer Ackerbürgerstadt mit ihren dicht an dicht stehenden Giebelhäusern noch sehr gut erkennen. Leider wurden auch hier viele Häuser abgerissen, vor allem in den ach so tollen Wirtschaftswunderjahren:


    Untere Straße 7 liegt an der Stelle, wo die Straße den 90-Grad-Knick zur Mittelstraße macht. Es wurde 1859 nach dem großen Stadtbrand noch als ganz traditionelles Ackerbürgerhaus, aber mit von Anfang an massivem Unterbau errichtet:

    Die Inschrift auf der Giebelschwelle von Untere Straße 23 lässt eine Datierung ins späte 17./ frühe 18. Jh. zu. Ansonsten wurde das Haus aber leider völlig verunstaltet:

    Untere Straße 29 wurde 1614 erbaut, noch vor dem Dreißigjährigen Krieg...

    ... Nr. 33 sogar schon 1596 und ist damit das älteste erhaltene Bürgerhaus der Stadt:

    Von der Unteren Straße zweigt die kleine Braustraße ab, mit zwei bis auf die massiv erneuerten Torbereiche leidlich gut erhaltenen Handwerkherhäusern des 17. Jh.:

    In die gleiche Kategorie gehört auch Krumme Straße 2 aus dem 18. (?) Jh.:

    Nun noch ein paar weitere, ehemals sicher ganz ansehnliche Häuser des 17. und 18. Jh. aus der Unteren Straße - ohne Kommentar:



    In der Oberen Straße gibt es keine nennenswerte historische Bausubstanz mehr - lediglich ein Gebäude, das auch überregional von Interesse ist und sich hinter einer recht unscheinbaren, hohen Gartenmauer versteckt:

    Dahinter befindet sich nämlich das Kerssenbrocksche Schloss, Landsitz der gleichnamigen Adelsfamilie und eines der Hauptwerke der späten Weserrenaissance. Es war allerdings nie Residenz, denn die Burg Barntrup lag am Ostende der Stadt, wurde als solche jedoch nach dem Übergang der Stadt in lippische Hände bereits im 15. Jahrhundert aufgegeben. Danach war das Areal jedoch bis ins 19. Jh. als Meierei genutzt worden. Die letzten mittelalterlichen Reste sind vermutlich erst bei den Aufräumarbeiten nach dem Stadtbrand von 1858 verschwunden.

    Aber zurück zum Schloss im Nordwesten der Stadt. Es wurde 1584-1588 von Eberhard Wilkening aus Hameln errichtet. Die einflügelige Anlage besticht vor allem durch ihre zwei großen Schaugiebel sowie die Ecktürme mit Zwiebelhauben, die dem Gebäude einen durchaus wehrhaften Charakter geben, der jedoch nur symbolisch ist:





    Auch wenn die Stadt selbst mangels vielleicht keinen zweiten Blick wert ist, das Schloss anzuschauen lohnt sich auf jeden Fall. Innen kann man es leider nicht besichtigen, aber der Hof ist eigentlich immer offen.

    Alverdissen und Bösingfeld folgen dann in den nächsten Tagen.

  • Danke für die Bilder. Was soll man sagen? Schön, dass das den Krieg überstanden hat, traurig, wie wenig Wertschätzung es danach erfahren hat, und in welchem Zustand man dieses Erbe Generationen hinterlässt, die vielleicht wieder mehr Interesse an der historischen Bausubstanz ihrer Vorfahren haben.

    Zitat

    Das ist übrigens die übelste und rücksichtsloseste Verunstaltung eines Fachwerkhauses, die ich jemals gesehen habe. :weinenstroemen: Von der Originalsubstanz dieses Hauses, das sicher wenigstens ins 18., vielleicht auch ins 17. Jahrhundert zurückreicht (Balkenstärke der Originalsubstanz), sind hier ja nicht einmal die Eckpfosten geblieben.

  • Das gezeigte Beispiel liess ja immerhin den Oberteil des Gebäudes unangetastet. Das ist eine Praxis, die sich auch in vielen Gründerzeit-Stadthäusern findet und die optisch teils revidierbar ist. Insofern sehe ich einige andere Kandidaten, die es mit dem von "RMA" gezeigten Beispiel neidlos aufnehmen können bzw. die ich gar stärker verunstaltet empfinde.

    Zum Beispiel dies hier. Fachwerk ist da nur noch "Spolie"(?):

    Oder dies hier mit den tollen Fensterreihungen:

    Und bei diesen Häusern mag noch viel Originalsubstanz vorhanden sein, beim gegenwärtigen Zustand kann man sich davon aber auch nichts kaufen. Verunstaltung in Hochform:


    Generell muß ich aber sagen, daß die Ortschaft noch Potential hat. Dieses könnte durch Verkehrsberuhigung und Fassadensanierungen stärker aktiviert werden. Wenn manche Plattenverkleidungen abmontiert, mancher Putz abgeklopft wird, könnten noch einige Perlen zu neuem Leben erweckt werden.

    Einmal editiert, zuletzt von Heimdall (11. April 2011 um 19:15)

  • Bei diesem Haus...

    vermute ich, dass der Torbogen auf jeden Fall eine Spolie ist oder versetzt wurde. Denn der datiert ins Jahr 1714, wird allerdings von dem Haus rechts daneben halb versperrt, das nach den Schnitzereien auf den Füllhölzern zu urteilen durchaus noch ins späte 17. Jahrhundert gehören könnte und somit älter wäre.

    Die Bilder von Alverdissen habe ich gemäß dem Wunsch von Zeno in einen eigenen Strang ausgegliedert.

  • Ich bitte, gemäß dem Grundsatz

    "jede Gemeinde (auch ohne Stadtrechte) kriegt einen eigenen Strang"

    getrennte Stränge für Barntrup (mit Alverdissen) und Extertal (für Bösingfeld) zu machen.

  • Sehr regionalspezifische Ortsbilder. Lügde wäre in diesem Zusammenhang auch noch sehr interessant, das hat mich in dem Eck mit Abstand am meisten beeindruckt.
    Ebenso interessant finde ich die regionalspezifischen Nachkriegsmaterialien. Hier in Südbaden gibt es diese seltsamen Grau- und Kackbraunkleinklinker z.Bsp. überhaupt nicht.

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!