• Heidelberg hat eine hervorragend gepflegte Altstadt, von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen. Vergammelte Häuser kenne ich ehrlich gesagt vll eine Handvoll. Und man sollte wissen, dass ich aufgrund meiner Arbeit sowie meines Studiums jeden Tag in der Altstadt unterwegs bin. Ein wirklich vergammeltes Gebäude wäre das kleine Haus am Neckarmünmzplatz, dass seit Jahren leersteht. Ein anderes das mir einfällt befindet sich in der Bussemergasse. Am Richard Hauser Platz wird gerade ein enormes Barockgebäude saniert. Weitere schwer vergammelte Häuser kommen mir spontan nicht in den Sinn. Ha, halt, da wäre noch das "Nektar", eine Bar am Neckar, Obere Neckarstraße. Das könnte auch mal eine Sanierung gebrauchen. Sein Nachbargebäude sowie die Alte Neckarschule wurden jüngst erst komplett saniert. Der Wormser Hof in der Hauptstraße steht seit Anfang des Jahres leer und die Eingänge sind vernagelt. Das sieht etwas heruntergekommen aus. Das Karlstor sowie das Brückentor bedürfen dringend einer Sanierung, was auch schon im Gespräch ist. Bisher tut sich da aber nichts. So, das wars.


    Großartig, danke für die Auflistung. Falls dir noch weitere Objekte auffallen, immer gern aufführen. Mich hat dieses Thema (und besonders deine famose Fotoexkursion, Johan) derart an eine wunderschöne Zeit meines Lebens erinnert, dass ich in Kürze für ein langes Wochenende nach Heidelberg fahre. Es soll mir eine Freunde sein, die von dir erwähnten Objekte zu begutachten.

    Heidelberg ist für mich wie eine edle Frau auf einer Sommerwiese, drapiert auf Seidentuch, einen Marienkäfer auf der Fingerspitze studierend. Sprich: natürliche Schönheit. Sagenhaft in der Dramaturgie. Würde ein Maler dies originär ersinnen, würde manch einer vielleicht denken: "Absurd, so viel Schönheit verdichtet, pure Fiktion."

    Grün blüht Pracht auf Hügelkron', blau pulsiert im Tal der Strom, rot wacht Schloss auf hohem Thron.

  • Bin neu hier im Forum und möchte Grimminger zu seiner eindrucksvollen Verteidigungsrede Heidelbergs und Johan zu seinen Fotos beglückwünschen. Auch mir hat die Stadt immer gut gefallen.

    Könnte es sein, dass die Heidelberg-Kritiker der Stadt ihre Beliebtheit bei amerikanischen Touristen übelnehmen? Vielleicht spielt auch eine Rolle, dass der Stadt eine gewisse historische Tiefe abzugehen scheint. Die Brandschatzung durch die Franzosen liegt immerhin schon ein paar Jahrhunderte zurück.

    Heidelberg ist einfach nur "schön". Wo gibt es das sonst noch in Deutschland?

  • Natürlich ist Heidelberg schön. Begeistert hat es mich nun mal nicht. Das hat mehrere Gründe. Einigen Häusern sieht man den "westdeutschen Luder" an. Kein Verfall wie im Osten, aber halt schlecht saniert, lieblos. Vielen Gründerzeithäusern fehlen die richtigen Fenster.

    Von der landschaftlichen Einbettung hab ich in der Altstadt selbst nicht allzu viel. Durch Erfurt mäandern sich die Arme der Gera, das hat eindeutig mehr Flair als der Neckar in Heidelberg. Ansonsten ist Heidelberg halt sehr durchbarockisiert, was mir jetzt auch nicht unbedingt zusagt. Was mich am meisten gestört hat, war eher dieser Nachkriegsmüll um die Altstadt herum. Das sollte man eigentlich trennen können aber so ganz funktioniert es dann doch nicht immer.

    Man sollte nicht immer alles als Generalangriff auf Heidelberg verstehen. Deutschland hat vielfältige Altstadtbilder zu bieten. Das in Heidelberg ist sehr gut überliefert, aber es ist halt nicht das, welches mir persönlich am meisten zusagt.

    Einmal editiert, zuletzt von Saxonia (26. Juni 2015 um 17:50)

  • Man sieht Heidelberg sehr stark diese recht schlichte, reduziert-barocke Wiederaufbauarchitektur an. Die ist auch nicht so ganz mein Ding, davon gibts auch dermaßen viele doch recht ähnliche Varianten in Europa, dass es mich nicht sehr reizt. Da ist mir ein vorbarockes oder gut durchmischtes Stadtbild wie in Görlitz, Lübeck, Goslar oder Wismar einfach lieber.

  • Das stimmt, der Heidelberger Arme-Leute-Barock hat keine absoluten Glanzperlen von Weltruf hervorgebracht. Aber das was Heidelberg letzten Endes ausmacht ist das geschlossene Stadtbild, die kleinen, feinen, lieblichen Details, Hauszeichen, Oberlichter. Und das Einzigartige, Schöne ist, dass trotz dieser geschlossenen Monotonität an barocken Häusern kein langweiliges Stadtbild entsteht, sondern ein herrlich aufgelockertes, farbenfrohes. Jedes Haus variiert in Farbgebung, Breite, Höhe, Bauschmuck etc. Dadurch ergibt sich trotzdem alles aus der gleichen Zeit stammt und alles im selben Stile gehalten ist diese unverwechselbare Schönheit des Stadtbildes.
    Was hier noch hinzukommt ist, dass Heidelberg eine unfassbar lebendige Stadt ist. Vor allem jetzt im Sommer sitzen die Leute bis spät abends vor den Häusern, auf den Straßen, vor den Kneipen. Und Kneipen gibt es einige. Für mich ist Heidelberg eigentlich eher italienisch als deutsch. Meine Schwester meinte einmal: Immer wenn ich in Heidelberg bin, fühlt es sich für mich an wie Urlaub.

  • Südwestdeutschland ist eben auch klimatisch recht begünstigt. Wobei ich dann doch eine erfrischende und gesunde Meeresbrise vorziehe. ;)

    Es ist in der Gesamtheit eine sehr reizvolle Stadt. Sie zeigt ja eigentlich auch eindrucksvoll die Richtigkeit des Stadtbild-Mottos: Architektur für den Menschen. Es bringt schon enorme Lebensqualität, wenn eine Stadt kleinteilig bebaut ist, mit liebevollen Details aufwartet und sich an klassische Maßstäbe hält. Da braucht es dann nicht unbedingt eine Architekturperle nach der anderen, damit das Ensemble funktioniert und überzeugt. Aber gerade wir als Architekturfreunde haben dann besonders gern eine hohe Anzahl von Perlen in der Schatzkiste. :)

  • Johan fragte nunmal in erster Linie nach der Kombination Lage & Altstadt, und ich habe Beispiele genannt. Heidelberg ist schon sehr bekannt. Als "prototypischer" für die deutsche Altstadt wird aber eindeutig eher Rothenburg wahrgenommen. Heidelberg als Barockstadt bietet ja so gut wie kein Sichtfachwerk.

    Im globalen Architekturforum Skyscrapercity stellte ich fest, dass viele bei deutschen Altstädten häufig als erstes an Dresden denken. Insofern erstaunlich, als dass man dort ja nur einen sehr komprimierten, wiederaufgebauten Altstadtteil in einer Art städtebaulicher Wüste hat. Aber die Ausstrahlung der Rekonstruktionsprojekte ist schon enorm, im weltweiten Maßstab.

    Ich wollte eigentlich fruher auf dein Antwort eingehen - fur ein klassische Ami ist Heidelberg - Rothenburg - Munchen eine die beliebtese Routen auf dem weg durch Europa - max drei Tagen und dann ab nach Paris oder Rom. Heidelberg ist Romantik, Rothenburg ist mittelalter und Munchen ist bier, bier und Trachten.

    Wir sind beruflich in Heidelberg (durch die Uni). Leider sind die meiste Unigebaude ausserhalb die Altstadt (und auch tothasslich).

  • So meine Tagliche Heidelberg update - Ich wollte eigentlich die letzte Teil von Untere Strasse zeigen plus die Neckarbrucke - aber die kommt auf ein andere Tag.

    Blick richtung Untere Strasse und Fischmarkt

    Gasse richtung Neckar

    Heiligeiststrasse

    Und ganz versteckt in diese enge Gasse findest man diese kleine Uberraschungei - Schmitthennerhaus

  • Natürlich ist Heidelberg schön. Begeistert hat es mich nun mal nicht. Das hat mehrere Gründe. Einigen Häusern sieht man den "westdeutschen Luder" an. Kein Verfall wie im Osten, aber halt schlecht saniert, lieblos. Vielen Gründerzeithäusern fehlen die richtigen Fenster.

    Von der landschaftlichen Einbettung hab ich in der Altstadt selbst nicht allzu viel. Durch Erfurt mäandern sich die Arme der Gera, das hat eindeutig mehr Flair als der Neckar in Heidelberg. Ansonsten ist Heidelberg halt sehr durchbarockisiert, was mir jetzt auch nicht unbedingt zusagt. Was mich am meisten gestört hat, war eher dieser Nachkriegsmüll um die Altstadt herum. Das sollte man eigentlich trennen können aber so ganz funktioniert es dann doch nicht immer.

    Man sollte nicht immer alles als Generalangriff auf Heidelberg verstehen. Deutschland hat vielfältige Altstadtbilder zu bieten. Das in Heidelberg ist sehr gut überliefert, aber es ist halt nicht das, welches mir persönlich am meisten zusagt.

    Klar, die Geschmack ist wie die Po geteilt. Trotzdem muss ich sagen dass die Kernzone vom Altstadt ist deutlich uber die (west) Deutsche durchschnitt. Schaut mal die wunderbare Fenstern an in meine Gallerie. Diese Teil von Altstadt hat dabei schon uberzeugt.

  • So jetzt kommt mein Update fur Untere Neckarstrasse plus Fischmarkt und Neckarbrucke

    Untere Neckarstrasse

    Fischmarkt

    Haus Zum Ritter

    Zum Neckar

    Zum Brucke

    Heiliggeist Kirche

  • Neckarbrucke - nicht schlecht oder?

    Vor die Brucke

    Superblick

    Gasse zuruck zum Marktplatz

  • Hauptstrasse richtung Markt

    Richtung Haus zum Ritter

    Haus am Markt

    Rathaus

    Richtung Rathaus

    Haus zum Ritter

  • Der rote Sandstein ist schon eine Pracht. In Sachen Robustheit dem Backstein vielleicht unterlegen, aber hinsichtlich der gestalterischen Möglichkeiten passenderweise haushoch überlegen...

  • Ich werde es in wenigen Tagen selbst genießen :foto: . Und bleibe dabei: In seiner landschaftlichen Dramaturgie, baukonzeptionellen Reinheit, individuellen wie regionalen Note und zeitlosen Schönheit ist Heidelberg im gesamtdeutschen Raum ein Solitär. Es wäre fast interessant, diesen roten Sandstein an einem anderen Ort zu verwenden.

  • Zumindest der Pellerhof wird in rotem Sandstein vervollständigt, daher ist anzunehmen, dass dieses Material auch die Fassade dominierte. Überhaupt gehört Nürnberg zu den deutschen Städten, die weithin in diesem Material errichtet wurden, stadtbildprägend ist dieses Material in Mainz, Frankfurt, Darmstadt, Mannheim und vielen kleineren Städten. Was aber Heidelberg gegenüber diesen auszeichnet, ist die Fülle der unzerstörten Sandsteinbauten, die noch gesteigert wird durch eine seit Jahrzehnten zu beobachtende Gepflogenheit: Vor allem im ältesten Teil der Stadt wurden zunehmend auch Putzbauten in den Farbklang Weiß/Weißgrau-Dunkelrot (zurück-)versetzt. So entstand der Ausnahmefall unter deutschen Städten, dass eine historische Stadt von beachtlicher Ausdehnung weithin von einem Farbton dominiert wird - ein Phänomen, das wir sonst nur von ausländischen Städten kennen (nach meiner Erinnerung in ungewöhnlicher Konsequenz in den schweizerischen Städten Bern und Neuenburg).

  • Korrekt, das Nürnberger Stadtbild weist ähnliche Sandsteinbauten auf, wenngleich weit ungepflegter und teilweise schon fast porös wirkend. Der Verfall dieser architektonisch ein wenig tragischen Stadt nimmt vielerlei Formen an. Roter Sandstein im Norden ist mir nebenbei bemerkt gar nicht bewusst.

  • Sorry, ich meinte nicht diese Monströsitäten, sondern die Neubauten auf der Ostseite des Bismarckplatzes. Leider weiß ich den Namen des m.W. in den siebziger Jahren entstandenen Altstadt-Sanierungsobjekts nicht mehr. Es war ein Pilotprojekt in dem Unterfangen, ein Sanierungs- bzw. Umwandlungsprojekt altstadtverträglich zu gestalten, gewissermaßen ein Vorgriff auf die Postmoderne.


    Tut mir leid, aber "Altstadtsanierung" als Synonym für Flächenabrisse von historischen Bauten ist einer der widerwärtigsten Euphemismen, die ich kenne. Das Wort "Sanierung" kommt bekanntlich von lat. sanare = heilen. Heilt man einen Menschen, indem man ihn umbringt? Heilt man - Achtung, jetzt wird's grenzwertig - die Menschheit, indem man einige ausgewählte Menschen abmurkst? Genauso wenig "heilt" man ein gewachsenes Stadtviertel, indem man diverse Gebäude abreißt, nicht einmal wenigstens die Fassaden stehenlässt.

    Unter einer Sanierung verstehe ich, dass man die Gebäudesubstanz erhält bzw. da, wo das nicht mehr möglich ist, erneuert, so dass im Ergebnis das Stadtviertel nach Abschluss der Maßnahmen wieder so aussieht wie vorher, nur eben in einem besseren Zustand. Da war sogar der von den Nazis in Frankfurt verwendete Begriff der "Altstadtgesundung" noch näher an der Wahrheit, denn dort hatte man lediglich die dunklen, dichtbebauten Hinterhöfe ausgekernt, aber die stadtbildprägenden Häuser an der Straße natürlich unversehrt gelassen.

    Was man in HD gemacht hat, war keine Sanierung, sondern eine partielle Stadtzerstörung. Der einzige Unterschied war, dass man an einigen wenigen Stellen Neubauten hingesetzt hat, die erträglich aussehen. Aber das macht sie doch nicht zu Bauten, deren Errichtung positiv zu sehen ist! Sie sind und bleiben der Lückenfüller für historische Gebäude, die vorher dort standen und, obwohl unversehrt, abgerissen wurden.

    Ich messe einen Neubau an dem, was vorher an der Stelle stand. Und wenn dafür ein ansehnlicher Altbau abgerissen wurde, dann kann ich mich dafür nicht begeistern, nur weil der Neubau nicht ganz so schlimm ist wie manch anderer. Wie manch anderer auch in Heidelberg - wir hatten ja schon die Beispiele Kaufhof in der Hauptstraße/Plöck, Bismarckplatz und Hauptbahnhof, wo man nicht nur munter teilweise prachtvolle Altbauten plattgemacht, sondern auch maßstabslose häßliche Klötze hingesetzt hat. Und am rückwärtigen Teil des Darmstädter-Hof-Zentrums (Ja, das Ding das eigentlich gar nicht so schlecht aussieht), kann man an den mediokren Neubaufassaden immer mal wieder einige eingefügte Spolien der Vorgänger sehen, die erahnen lassen, was für schöne Häuser dort bis Ende der 70er gestanden haben.

  • Und die Einschätzung, die viele teilen, Heidelberg sei nur mittelmäßig, da ja "nur" Barock und total eintönig, die kann ich schon gar nicht verstehen


    Ich auch nicht. Heidelberg ist großartig und wunderschön. Aber leider haben in den 70er Jahren einige Idioten der Schönheit ein paar Narben zugefügt, die man nicht mehr wegbekommt.