Synagogen in Deutschland

  • Naja, die Leute, die das damals entschieden haben, waren ja zum Teil noch diesselben, die 10 Jahre vorher die Synagogen abgebrannt haben.

    Generell bin ich stark dafür, architektonisch bedeutsame Synagogen zu rekonstruieren. Ich bin immer wieder fasziniert über diese Schönheit und Pracht, die diese Gebäude ausstrahlen und dabei auch noch sehr exotisch wirken.
    Dennoch würde mich erst einmal auch interessieren, wie die jüdischen Gemeinden zu dem Thema stehen. Generell schien auch damals schon ein Interesse an der Moderne zu bestehen, wie z.B. die jüdische Trauerhalle in Essen-Steele oder die Plauener Synagoge zeigt.

    Die Synagogenneubauten aus neuester Zeit sind zum Teil nicht uninteressant, auch wenn sie städtebaulich sicherlich nicht so schön passend sind wie die historischen Synagogen. Aber vielleicht sind sie ja genau das, was ein jüdisches Gotteshaus heute sein muss? Ich kann das nicht beurteilen.

    Die schönsten historischen Synagogen waren meiner Meinung nach die Dortmunder, die Hannoveraner, die Kölner (Glockengasse) und die Münchener Synagoge.
    Aber immerhin gibt es noch die Westendsynagoge in Frankfurt, die Synagoge an der Roonstraße in Köln, die Augsburger und Görlitzer Synagoge, mehrere Berliner Synagogen, die Alte Synagoge in Essen und noch einige mehr.

    Btw.: Ich hab mal vor längerer Zeit gelesen, dass in Polen eine im 3. Reich zerstörte Synagoge rekonstruiert werden sollte... ist dazu jemandem etwas bekannt?

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • In Herford wird momentan eine neue Synagoge gebaut, die sich äußerlich sehr stark an die in der Reichsprogromnacht zerstörte Vorgängersynagoge anlehnt.
    http://www.jg-hf-dt.de/Neubau.htm
    Ein wie ich finde sehr schönes Vorhaben. Insgesamt dürfen wir uns ja über eine wieder wachsende jüdische Gemeinde in Deutschland freuen. Vielleicht wird es noch weitere solche Projekte geben.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Danke für den Link, ein sehr schönes Projekt! Generell habe ich mich schon länger gefragt, wieso sich kaum einmal eine Gemeinde zu einem Neubau in klassischer Architektursprache entschließt.

    Nach Israel haben wir in Deutschland die am stärksten wachsende jüdische Gemeinde!
    Das ist schon wahrlich erstaunlich. Aber nach all dem Terror der Vergangenheit dürfte das heutige Deutschland für einen Juden wohl einer der sichersten Orte auf der Welt sein.
    Leider begegnet diesen Menschen ja vielerorts noch sehr viel Hass. Aber darum soll es hier ja nicht gehen.


    Die Zeit ist reif für die Rekonstruktion historischer Synagogen! Betätigungsfelder bieten sich da ja etliche: Hannover, Hamburg, Mannheim, Kassel, Erfurt (Große Synagoge), Braunschweig (Neue Syn.), Potsdam (wohl wenig aussichtsreich, da schon ein Neubau in der Pipeline), Gotha, Breslau & Königsberg gar, oder die Synagogen von Lemberg, Danzig (!) und Warschau.
    Die Bandbreite ist schier unerschöpflich, in nahezu jeder Stadt fehlt doch eine historische Synagoge.

    Ach, was haben uns die Nazis damals alles an wunderbarer architektonischer und menschlicher Kultur genommen :(

  • Wenn man Dresden, München, Potsdam (ne Reko wär echt knorke) und auch die älteren Neubauten betrachtet. Wobei diese eigentlich häufig ganz passabel sind und sich zumindest stilistisch an das alte anlehnen. Aber ohne Bedarf, bringts ja wohl kaum was, eine neue zu bauen, in welchem Stil auch immer. Häufig reicht eben ein Raum im Gemeindehaus.

    A propos, Liebeskind baut ne neue in München ...
    http://www.bild.de/BILD/lifestyle…xt=9925860.html


    @Mirowi
    Dauert wohl noch etwas. Der Messias hat grad wieder seine große Chance verpasst.

  • Zitat von "erbsenzaehler"

    Die Zeit ist reif für die Rekonstruktion historischer Synagogen! Betätigungsfelder bieten sich da ja etliche: Hannover, Hamburg, Mannheim, Kassel [...]

    Leider ist in Kassel dieser Zug erstmal abgefahren, und vielleicht ist die Situation sogar ein wenig symptomatisch:
    An der Stelle der Synagoge steht seit Jahrzehnten eine Kindertagesstätte, und der jetzige, kleinere Standort (seit 1965) liegt knapp 100m weiter um die Ecke; vor 9 Jahren wurde dort bereits ein Neubau eingeweiht (anstelle des 60er-Jahre-Kastens). Ich fand es damals schon schade, daß man sich nicht auf die alte Synogoge bezogen hat, die ja immerhin einer der ersten derartigen Großbauten und Vorbild zahlreicher anderer Synagogen v.a. in Süddeutschland war. Aber es kommen wohl zwei Punkte zusammen: Die Gemeinde ist zwar stark gewachsen, im Verhältnis zum 19. Jh. jedoch immer noch klein (800 Mitglieder) und nicht sehr finanzkräftig; alleine die dauerhafte Unterhaltung eines solchen Gebäudes mit 800 Plätzen (21m*37,4m) dürfte ihre Mitglieder vor größere Probleme stellen, und schon der gegenwärtige kleinere Neubau konnte weitgehend nur durch eine breite Beteiligung von Stadt, Landkreisen, Land Hessen, den christlichen Kirchen sowie zahlreichen Spendern ermöglicht worden. (Dagegen hatte sich an dem Altbau immerhin der Frankfurter Bankier Rothschild mit 300 Louis d'or beteiligt!) Vor allem aber scheinen sich auch die Ansprüche der jüdischen Gemeinde an eine Synagoge gewandelt haben, zumindest soweit man das als Außenstehender beurteilen kann; im Gegensatz zum repräsentativen Altbau, der im Prinzip ja einer christlichen Kirche entsprach und das jüdische Selbstbewußtsein nach der Emanzipation widerspiegelte, ist es jetzt eher ein Gemeindezentrum mit Betsaal, der an antike jüdische Vorbilder anknüpfen will.

    Hier mal ein paar Bilder der alten und der neuen Synagoge:

    http://www.alemannia-judaica.de/kassel_synagoge.htm (Die Bilder stehen so ziemlich am Ende des Artikels, der Text zur Synagoge beginnt nach dem ersten Viertel. - Den Anfangstext des Artikels bitte mal überlesen - zum 13./14 Jh. steht da einiger Unfug.)

    http://www.hessen.de/irj/RPKS_Inter…00000005003.htm

    Sehr schade finde ich aber, daß die alte Kasseler Synagoge nicht in dasVisualisierungsprojekt aufgenommen ist.

  • Hier kann jeder einmal einen Blick auf die älteste Synagoge in Deutschland werfen, die im Moment noch als Brauerei genutzt wird. Da die Brauerei allerdings ihre Tore schließt, stellt sich die Frage, ob sie nicht wieder für die Öffentlichkeit nutzbar gemacht werden könnte?

    http://www.faz.net/s/Rub8D05117E1AC946F5BB438374CCC294CC/Doc~EA84FF926C391402D8A21B1031C0BC4F4~ATpl~Ecommon~Scontent.html\r
    http://www.faz.net/s/Rub8D05117E1AC946F ... ntent.html

  • Die Alte Synagoge in Erfurt ist wohl noch älter als diejenige in Miltenberg (um 1290), ja sie wird in ihrem Wikipedia-Artikel sogar als älteste Synagoge Europas angesprochen. Ihre ältesten Bauteile wurden dendrochronologisch auf 1094 datiert, der Großteil des Bauwerks stammt aus der Zeit um 1270.

    "Meistens belehrt uns der Verlust über den Wert der Dinge."
    Arthur Schopenhauer

  • Wahnsinn, was es in Erfurt alles gibt, eine Stadt der Superlative...
    hab ich natürlich nicht gekannt, geschweige denn gesehen...

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Zitat von "Georg Friedrich"

    Die Alte Synagoge in Erfurt ist wohl noch älter als diejenige in Miltenberg (um 1290), ja sie wird in ihrem Wikipedia-Artikel sogar als älteste Synagoge Europas angesprochen. Ihre ältesten Bauteile wurden dendrochronologisch auf 1094 datiert, der Großteil des Bauwerks stammt aus der Zeit um 1270.


    Die zweite Synagoge wurde dann offenbar zu Beginn des 19. Jahrhunderts in einem Wohnhaus eingerichtet, welches 1840 einem weiteren Synagogenbau (sog "Kleine Synagoge") weichen musste. Dieser Bau diente der jüdischen Gemeinde bis 1884, und wurde anschliessend zu einem Lagerhaus, später zu einem Wohnhaus umgebaut. Erst in den 1990er Jahren wurde die "Kleine Synagoge" wieder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt, und wird seither als Begegnungsstätte genutzt.

    Als Bauwerk wurde es also "rück-rekonstruiert" - immerhin eine Rekonstruktion, wenn auch nicht ganz gemäss dem Titel dieses Threads. Diese Angaben kann man der kurz und bündigen, aber sehr informativen Webseite Jüdisches Leben in Erfurt entnehmen.

  • Zitat

    In der Kuppel scheinen die Sterne
    Herfords neue Synagoge verbindet Rekonstruktion und Illusion
    Es ist bei weitem nicht die größte oder die spektakulärste aller neuen Synagogen in Deutschland. Aber vielleicht eine der sonderbarsten. Wenn am Sonntag der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers(CDU) und die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, das neuerbaute Gotteshaus der jüdischen Gemeinden von Herford und Detmold in der Herforder Innenstadt betreten, stehen sie in einem Bau, der nur zwei Millionen Euro gekostet hat und doch Besonderheiten besitzt, die welteinmalig sind. Aus dem nachtblauen Tonnengewölbe über dem Betsaal im Obergeschoß blitzen 248 LEDs und bilden exakt die Stellung der Sterne über Jerusalem zu Rosch ha Schana, der jüdischen Neujahrszeit, im jüdischen Jahr 5770 nach.[...]


    Ein neuer Guratzsch aus der Welt


    Der bemerkenswerte Synagogen-Neubau in Herford:

    Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Synagoge_Herford

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Einfach herrlich. So stell ich mir eine würdige Wiedergutmachung, wenns denn geht, vor. Wär das schön, wenn andere deutsche Städte, besonders die großen, sich diesen Umgang zum Vorbild nähmen und ihrerseits verlorengegangene Synagogen rekonstruieren würden, gerne auch mit modernen Elementen.

  • @Palantir


    Einfach genial! Danke für diese Info bezügklich dieser Rekonstruktion! So eine Lösung wie in Herford hätte ich mir auch für die Dresdner Semper-Synagoge gewünscht.

    (Eine Passage wurde entfernt, Mod)

  • Eine Synagoge habe ich bisher nicht erwähnt gefunden:

    Die Synagoge Augsburg (Augsburger Synagoge – Wikipedia)

    Sie hat leider keinerlei stadtbildprägende Wirkung, weil sie von hohen Bürogebäuden aus den 70ern bzw. 80ern in unmittelbarer Nachbarschaft quasi verdeckt wird und zudem, was bei den Fotos im Wikipedia-Artikel nicht herauskommt, Teil einer Blockrandbebauung ist. Die Nazi-Zeit hat sie nicht gänzlich unbeschadet überstanden, wurde aber nach dem Krieg rekonstruiert (die Substanz war noch weitgehend erhalten).

  • Eine schöne Synagoge, die die Zerstörung dank eines couragierten Polizeipräsidenten unbeschadet überstanden hat, ist die in Offenbach am Main. Sie diente nach dem Krieg als Theater, heute als Veranstaltungort für Konzerte (u. a. der Jungen Philharmonie Frankfurt). Die jüdische Gemeinde nutzt einen Neubau gegenüber.

    Link: http://www.imagebanana.com/view/wcgw96lx/ehem.Synagoge.JPG

    5 Mal editiert, zuletzt von winnetou (30. Dezember 2011 um 19:03)

  • Wer in Offenbach oder im sonstigen Hessen wohnt, sollte die Kunstausstellung "Painting to Remember - Zerstörte deutsche Synagogen" im Haus der Stadtgeschichte nicht verpassen.

    Zitat

    Der Berliner Architekturmaler Alexander Dettmar hat 40 der zerstörten jüdischen Gotteshäuser in seinen Bildern rekonstruiert. Die Schau läuft vom 14. Juli bis zum 11. August 2013 und wird anschließend nach Bremen verlagert.


    http://www.shortnews.de/id/1038080/off…scher-synagogen

    In der Altstadt die Macht, im Kneiphof die Pracht, im Löbenicht der Acker, auf dem Sackheim der Racker.

    Hätt' ich Venedigs Macht und Augsburgs Pracht, Nürnberger Witz und Straßburger G'schütz und Ulmer Geld, so wär ich der Reichste in der Welt.

  • Ohne den generellen Wert der Ausstellung als Erinnerung an den Untergang dieser Gemeinden und historischen Gebäude schmälern zu wollen, aber wenn die Bilder alle so aussehen wie auf dem Foto neben dem Artikel, dann weiß ich nicht, ob man da viel verpasst.

  • Die alte Synagoge von Dessau, welche 1908 nach Plänen von Cremer und Wolffenstein errichtet wurde.
    Dessau-Synagoge.jpg
    1938 wurde der Bau zerstört.

    Nun soll ein Neubau erfolgen, allerdings gibt es erst eine Projektstudie samt Entwurf und noch keine Finanzierung.

    Kurt-Weill-Gesellschaft in Dessau, Neubau einer Synagoge - Mitteldeutsche Zeitung
    Dessau will eine Synagoge - Jüdische Allgemeine

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)