• In Elbing, Stettin etc. entstehen im Zentrum Neubauten, die die Formensprache der ursprünglichen historischen Bebauung aufgreifen. Warum ist das in Polen möglich und in Deutschland muss es unbedingt immer modern-abstrakt sein?

    ...

  • Vorbildliche Sanierungen und Stadtbildpflege gibt es nicht nur in Polen. Die Wiesbadener Stadtverordneten sollten sich auf Usedom informieren, wie man ein wertvolles Gründerzeitstadtbbild mit Neubauten in traditioneller Formensprache ergänzt und somit den Ensemblecharakter erhält. Deine ganz aktuellen, eindrucksvollen und sehr treffend kommentierten Usedom-Bilder, Schlossgespenst, könnten auch für Wiesbaden zu einer wertvollen Anregung werden, wenn die richtigen Leute sie in die Hände bekämen! Immerhin will Wiesbaden als - intaktes - Gründerzeitensemble Weltkulturerbe werden. 8)

  • Zitat

    Innerhalb kürzester Zeit habe man einen “Mini-Wettbewerb" für das Millionen-Projekt durchgezogen, fünf Architekten waren aufgefordert, ihre Ideen zu skizzieren. In einem Kolloquium wurden sie gebrieft. Mittlerweile sind die Ergebnisse den Vertretern von Stadtplanung, Denkmalpflege und SEG vorgestellt worden. Das Gremium war sich über seinen Favoriten schnell einig, verlangt allerdings noch so einige Änderungen. Der Kurier verrät dazu an dieser Stelle nichts. Denn es darf gerätselt werden.


    Jetzt hat der Wiesbadener Kurier die Katze aus dem Sack gelassen: Laut einem Artikel aus der heutigen Ausgabe haben Nummer 5 und Nummer 2 "eindeutig die Nase vorn". Man muß wohl schon froh sein, daß 1 und 3 aus dem Rennen sind.

  • Zitat von "Schloßgespenst"


    Nicht unmittelbar vom Abriß bedroht, aber gefährdet ist dieses denkmalgeschützte Haus in der Oranienstraße:

    Hintergrund: Es handelt sich um das ehemalige Beamtenwohnhaus des Landgerichts. Wie in der ersten Folge berichtet, zieht das Gericht zum Jahresende um, und in das umgebaute und erweiterte Gerichtsgebäude wird die neugeründete juristische Fakultät ("Law School") der European Business School (EBS) einziehen. Finanzminister Weimar will als Bauherr das alte Gebäude abreißen, das Landesamt für Denkmalpflege ist dagegen.

    Nun kommt es auf das Ergebnis des soeben ausgeschriebenen Architektenwettbewerbs an: Gelingt es dem Sieger, das alte Gebäude zu integrieren und gleichzeitig alle anderen Anforderungen zu erfüllen, wäre das Haus gerettet. Angeblich soll im Zweifel ein auf Abriß verzichtender Entwurf bessere Siegchancen haben.

    Schlechte Neuigkeiten: Es kam, wie es kommen mußte - der siegreiche Entwurf sieht so aus, und - noch schlimmer: Das denkmalgeschütze ehemalige Wohnhaus wird tatsächlich abgerissen.

    In der heutigen FAZ heißt es dazu:

    Zitat

    Die Architekten hatten den Auftrag, auch einen unter Denkmalschutz stehenden Anbau des Gerichts, das sogenannte Beamtenwohnhaus, in den gesamten Komplex zu integrieren. Im Laufe des aus zwei Phasen bestehenden Wettbewerbs gelangte die Jury allerdings übereinstimmend zu der Auffassung, dass dies nicht in einer zufriedenstellenden Weise möglich sei. Für den Abriss hat nach den Vorgaben der Jury auch das Landesamt für Denkmalpflege votiert. Die Fraktionen von Grünen und Bürgerliste hatten sich für den Erhalt ausgesprochen.

    Dazu fällt mir nichts mehr ein... :kopfwand:

    Auf der Website der EBS heißt es:

    Zitat

    Der Architektenwettbewerb zur Umgestaltung des alten Gerichtskomplexes an der Gerichtsstraße für die Ansiedlung der rechtswissenschaftlichen Fakultät (Law School) der European Business School (EBS) ist entschieden. Der mit 55.000 Euro dotierte 1. Preis geht an den Entwurf des Büros Eller + Eller GmbH Architekten, Düsseldorf/Berlin. Das hochkarätig besetzte Preisgericht unter Vorsitz des renommierten Berliner Architekten Volker Staab hat seine Entscheidung einstimmig getroffen und die preisgekrönte Arbeit zur Realisierung empfohlen. Neben dem Siegerentwurf wurden drei weitere Arbeiten prämiert. Der 2. Preis wurde der Zinterl Architekten ZT GmbH Graz/Lissabon zuerkannt, mit dem dritten Preis wird das Büro 3XN A/S aus Arhus (DK) ausgezeichnet, der 4. Preis geht an Nieto Sobejano Arquitectos, Madrid/Berlin.


    "Hochkarätig" - was für ein rhetorischer Bückling gegenüber Stadtzerstörern... :?

    Immerhin gibt es auch kritische Stimmen:

    Zitat


    Die Oppositionsfraktionen von SPD und Bürgerliste Wiesbaden (BLW) empören sich über den Siegerentwurf für den Neubau der privaten Hochschule EBS in der Moritzstraße. Dieser erinnere an die Parkhäuser des Luisenforums oder von Karstadt, finden der SPD-Stadtverordnete Kai-Christofer Burghard und BLW-Fraktionschef Michael von Poser.

    "So ziemlich alles, was uns versprochen wurde, ist nicht eingehalten worden", kritisiert SPD-Mann Burghard. "Eine riesige, abgeschottete Kubatur, deren Außenfassade doch stark an das Karstadt-Parkhaus erinnert und die sich dem umliegenden Quartier in keiner Weise anpasst", lautet sein Urteil. Die BLW sieht das ähnlich und spricht von einem "öden Kasten mit klobigen Proportionen".

    Bei allen Neubauten vom Stadtmuseum über das Luisenforum bis hin zu den Dernschen Höfen brächten die Architektenwettbewerbe "immer den gleichen monströsen Bau zum Vorschein", bilanziert von Poser, der wegen dieser Vorfestlegungen die Jury für den EBS-Wettbewerb verlassen hatte. Weltkulturerbe werde die Stadt mit solcher Architektur nicht, prophezeit er.


    Doch diese kritischen Stimmen werden auch diesmal kein Gehör finden. Michael von Poser ist so ziemlich der einzige Kommunalpolitiker, der sich regelmäßig öffentlich gegen modernistische Neubauten äußert - aber leider auch jemand, der so polternd auftritt, daß er bei der Stadt Wiesbaden und Politikern anderer Parteien auf wenig Respekt stößt. Der Vergleich mit dem genannten Wiesbadener Parkhaus ist gar nicht so abwegig.

  • Dass dieses relativ kleine und für Wiesbadener Verhältnisse schmucklose Gebäude verschwinden soll, ist ja gar nicht mal das Schlimmste. Viel schlimmer ist, dass der Neubau - wie man auf dem Schrägluftbild erkennen kann - sich überhaupt nicht in die fast geschlossene Gründerzeitbebauung einfügt. Dieser Glaskasten wirkt wie ein Fremdkörper und zeigt einmal mehr, wie fahrlässig die Stadt Wiesbaden mit seinem außergewöhnlichen historischen Stadtbild umgeht: hier ein Ufo namens [url=http://www.wiesbadener-kurier.de/fm/819/thumbna…jpg.7162357.jpg]Luisenforum[/url] in den Gründerzeitblock gesetzt, dort einen unproportionierten Neubau anstelle des alten Polizeipräsidiums am Dernschen Gelände, am Schlossplatz einen zwar für sich genommen gelungenen Kindergarten-Neubau, aber diesem (Bild 6 und 7) Vorkriegszustand in keinster Weise gerecht werdend und dieser viel zu lange Riegel verbessert die trostlose Situation am Platz der deutschen Einheit auch nicht wirklich.

    Das positive am geplanten Neubau der EBS ist einzig, dass er die Blockrandbebauung aufnimmt und der westliche 60-Jahre (?)-Anbau verschwindet. Aber das Material Glas zu verwenden ist dabei einfach der falsche Weg. Dabei wäre es eigentlich so einfach, das alte großartige dreiflügelige Gerichtsgebäude durch ein spiegelbildlich auf der anderen Seite des Blocks angeordneten angepassten Neubau zu ergänzen, der vielleicht mit gläsernen Übergängen an den Altbau angeschlossen wird. Da der zum Abriss stehende Altbau ziemlich in der Mitte der einen Seite des Blocks steht, wäre es doch m E. auch sehr einfach, diesen als Verbindungsbau umzufunktionieren.

    Was übrigens im Zusammenhang mit dem EBS-Neubau nicht unerwähnt blieben darf, ist die Tatsache, dass die Millionen-Unterstützung mit Steuergeldern für eine - wohlgemerkt - private Elite-Uni doch in der Stadt auf großen Widerstand oder zumindest Unverständnis stößt, da gleichzeitig die städtischen Schulen mehr und mehr verkommen. Hier geht es allein darum, der Landeshauptstadt den Titel "Universitätsstadt" zu verschaffen - und dem Wähler wird es dann als löbliche Investition in das wertvolle Gut "Bildung" verkauft... :kopfschuetteln:

  • Ich halte sowohl den Abriss (mit Zustimmung des Denkmalschutzes!) als auch die geplante Neubebauung für eine Schweinerei ersten Ranges.
    Wie ein aus aufrecht gestellten Streichhölzern gebildtes Modell aus talentfrei-experimentellen Schülertagen mutet das ganze an.

    Man führe sich noch einmal folgendes zu Gemüte:

    Zitat von "Frankfurter Rundschau vom 10. Juni 2009"

    Mit dem das Stadtbild prägende historischen Gerichtsgebäude hätten das Land als Eigentümerin, die private European Business School (EBS) als künftige Nutzerin und die Stadt wegen des Umfeldes eine "besondere Verantwortung", sagt Hessens Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) einerseits. Das mehr als 100 Jahre alte Gerichtsgebäude steht samt dem Inventar des großen Sitzungssaals unter Denkmalschutz. Auch das an der Oranienstraße angrenzende einstige "Beamtenhaus" aus Rohziegeln und der sich anschließende Rest der früheren Gefängnismauer stehen wegen künstlerischer und geschichtlicher Bedeutung unter Denkmalschutz.

    Das freilich beeindruckt Weimar andererseits überhaupt nicht. Seiner Meinung nach können Beamtenhaus und Mauer fallen: "Das wäre sinnvoll", signalisierte der Minister. Ein Abriss eröffne mehr Gestaltungsfreiheit auf dem gesamten Terrain. Denn auf der gegenüberliegenden Seite, an der Moritzstraße, wird ja auch der Bau aus den 1950er Jahren abgerissen, um einem Neubau für die EBS Platz zu machen.


    Neben der erheblichen finanziellen Beteiligung der öffentlichen Hand, ist auch der hess. Justizminister Vorsitzender des Gründungskuratoriums der EBS (zu FM Weimar: s. o.) - da weiß man, wie das Spiel gelaufen ist und wer/wie die Hebel in Kamingesprächen beim Schöppchen in Bewegung gesetzt hat. :augenrollen:
    Die LAW SCHOOL der universitätslosen Landeshauptstadt Wiesbaden! Darn international we are, buddies!

    Hier noch eine erläuternde Galerie der FR:
    http://www.fr-online.de/_em_cms/_multi…5&em_src=790135

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Und schon wieder ein tolles Beispiel dafür, wieviel der Denkmalschutz noch wert ist. :boese:

    Mir fehlen echt die Worte...

    Dafür erhält das Denkmalschutzamt also sein Geld. Die Situation erinnert mich an den geplanten Abriss eines denkmalgeschützten Gebäudes in meiner Stadt.

    Ich hoffe, dass der "ach so tolle" Neubau noch irgendwie verhindert werden kann.

    Aber dass dort die "LAW SCHOOL" einziehen soll passt ja zu dem, was ich vor einiger Zeit gelesen habe: http://www.vds-ev.de/presse/pressem…/2010_01_11.php

    So, wieder zurück zum Thema.

    Ich drücke die Daumen für den Erhalt.

  • Zitat von "Schloßgespenst"

    Nun kommt es auf das Ergebnis des soeben ausgeschriebenen Architektenwettbewerbs an: Gelingt es dem Sieger, das alte Gebäude zu integrieren und gleichzeitig alle anderen Anforderungen zu erfüllen, wäre das Haus gerettet. Angeblich soll im Zweifel ein auf Abriß verzichtender Entwurf bessere Siegchancen haben.
    ...

    In der heutigen FAZ heißt es dazu:

    Zitat

    Die Architekten hatten den Auftrag, auch einen unter Denkmalschutz stehenden Anbau des Gerichts, das sogenannte Beamtenwohnhaus, in den gesamten Komplex zu integrieren. Im Laufe des aus zwei Phasen bestehenden Wettbewerbs gelangte die Jury allerdings übereinstimmend zu der Auffassung, dass dies nicht in einer zufriedenstellenden Weise möglich sei.Für den Abriss hat nach den Vorgaben der Jury auch das Landesamt für Denkmalpflege votiert. Die Fraktionen von Grünen und Bürgerliste hatten sich für den Erhalt ausgesprochen.

    ... dass dies nicht in einer zufriedenstellenden Weise möglich sei. O wirklich? Wenn jemand etwas nicht erreichen WILL und sich darum von vornherein keine Muehe gibt wird es in der Tat als unmoeglich erscheinen. :augenrollen:

  • Eine Barberei und ein kultureller Frevel ersten Ranges. In meinen Augen ein absoluter Skandal. Danke noch einmal der Jury des Landesamtes für Denkmalpflege. So stellt man sich eine "Anwaltschaft" für Denkmäler vor. Wer noch etwas zur EBS lesen möchte, dem empfehle ich das Buch "Gestatten Elite" von Julia Friedrichs. Schön, dass in diesem Land nicht die Intelligentesten, Kreativsten und Tüchtigsten gefördert werden, sondern die mit dem größten Geldbeutel. Nun kommt noch das passende Gebäude, auf Kosten des Steuerzahlers, hinzu.

    ...

  • Zitat von "Palantir"


    Neben der erheblichen finanziellen Beteiligung der öffentlichen Hand, ist auch der hess. Justizminister Vorsitzender des Gründungskuratoriums der EBS (zu FM Weimar: s. o.) - da weiß man, wie das Spiel gelaufen ist und wer/wie die Hebel in Kamingesprächen beim Schöppchen in Bewegung gesetzt hat.

    [ironie] Man weiß bei der CDU-Landesregierung IMMER, wie das Spiel gelaufen ist. Leider darf ja nur die SPD in Hessen nicht lügen. Dass die Hälfte des Kabinetts Koch schon einmal wegen diverser Vergehen die Staatsanwaltschaft am Hals hatte, hindert die blöden Hessen ja leider nicht, diesen Leuten bei jeder Wahl immer wieder hinterherzulaufen. [/ironie]

    Wäre wirklich sehr schade, wenn dieser Plan durchginge. Zumal die Neubebauung zu den übelsten Entwürfen zählt, die Wiesbaden in den letzten Jahren zu sehen bekam.

  • Für diejenigen, die schriftlich protestieren und den Erhalt des Gründerzeitbaus fordern möchten, an dieser Stelle einige Adressen:

    Stadtplanungsamt Wiesbaden
    Leitung: Herr Metz
    Telefon: 0611 31-6470
    Fax: 0611 31-3917
    E-Mail: mailto:stadtplanung@wiesbaden.de">stadtplanung@wiesbaden.de
    Postanschrift
    Postfach 3920
    65029 Wiesbaden

    Oberbürgermeister Dr. Helmut Müller
    Telefon: 0611 31-2921
    Fax: 0611 31-3945
    E-Mail: mailto:oberbuergermeister@wiesbaden.de">oberbuergermeister@wiesbaden.de
    Postanschrift
    Postfach 3920
    65029 Wiesbaden

    Stadtparlament:

    CDU-Fraktionsvorsitzender
    Bernhard Lorenz
    Flachstraße 66
    65197 Wiesbaden
    Tel.: 06 11 - 31 21 59
    mailto:lorenz@cdu-rathausfraktion.de">lorenz@cdu-rathausfraktion.de

    Stadtverordnetenfraktion der SPD Wiesbaden
    Vorsitzender: Axel Imholz
    Geschäftsführer: Marc Paffenholz
    Telefon: 06 11/31 33 37
    Telefax: 06 11/31 59 20
    E-Mail: mailto:spd.stadtverordnetenfraktion@wiesbaden.de">spd.stadtverordnetenfraktion@wiesbaden.de
    Rathaus Wiesbaden
    Schloßplatz 6

    Fraktion Bündnis 90/ Die GRÜNEN im Rathaus Wiesbaden
    Schlossplatz 6, 65183 Wiesbaden
    Fon: 0611/31-4715, Fax: 0611/31-5915
    E-Mail: mailto:gruene.stadtverordnetenfraktion@wiesbaden.de">gruene.stadtverordnetenfraktion@wiesbaden.de
    65183 Wiesbaden

    FDP Stadtverordnetenfraktion Wiesbaden
    Rathaus, Zimmer 314a
    Schloßplatz 6
    65183 Wiesbaden
    Telefon: 0611 / 31-5422
    Telefax: 0611 / 31-5912
    E-Mail: mailto:information@fdp-rathaus.de">information@fdp-rathaus.de
    Internet: http://www.fdp-rathaus.de">http://www.fdp-rathaus.de

    Die Republikaner Fraktion Wiesbaden
    Fraktionsvorsitzender RA Mark Olaf Enderes
    Postfach 2043
    65029 Wiesbaden
    Telefon: 0611/313116
    E-Post: mailto:mark-olaf.enderes@wiesbaden.de">mark-olaf.enderes@wiesbaden.de

    Fraktionsbüro der Linken Liste Wiesbaden
    Rathaus Wiesbaden,Schlossplatz 6
    Zimmer 305
    65183 Wiesbaden
    Telefon 0611 - 31 54 26
    Fax 0611 - 31 59 17
    Mail: mailto:lili.fraktion@wiesbaden.de">lili.fraktion@wiesbaden.de

    Fraktion Bürgerliste Wiesbaden
    Schloßplatz 6 / Rathaus
    65183 Wiesbaden
    Fax: 0611 - 31 69 26
    E-Mail: mailto:BLW-Fraktion@Wiesbaden.de">BLW-Fraktion@Wiesbaden.de

  • @ Heimdall: Danke!

    Im Moment strömt ein städteplanischer Zeitgeist durchs Land, der stark an die Stadtzerstörungen der siebziger Jahre erinnert. Der Fall in Wiesbaden steht in einer Kette von Vorfällen, bei der historische Bebauung ohne Not geopfert wird. Dabei wird, mit Zustimmung der Denkmalämter, immer wieder dem Bauherren & Architekten leichtes Spiel gemacht. Statt die Vorgabe zu machen: "Du darfst hier bauen, musst aber das Denkmal integrieren", wird es optioniert in "Du darfst hier bauen und kannst wenn möglich das Denkmal integrieren". Diesen Satz verstehen dann Investoren und Bauherren als Aufforderung keine Rücksichten auf die bestehenden Gegebenheiten zu nehmen. Was dann in der Mehrheit entsteht, sind überproportionierte mit viele Glas verkleidete monotone Gebäuderiegel oder Solitäre, die sich wie Fremdkörper ins Stadtgefüge schieben.

    Die meisten Menschen besitzen ein Gefühl für Gebäudeproportionen, für harmonische Farben und Werkstoffe. Deswegen ist Stadtgestaltung keine Geschmacksfrage, sondern eine Mehrheit der Bürger kann ganz genau sagen, ob etwas schön und gelungen ist. Warum dieser Sinn für Ästhetik und für ein menschenwürdiges bauliches Umfeld vielen Architekten, Gestaltungskommissionen, Bauherrren und Stadtverordneten immer wieder abhanden kommt, bleibt derweil ein ungelüftetes Geheimnis.

    ...

  • Und weitere Attacken auf das Stadtbild der Bäderstadt durch die apokalyptischen Speerspitzen der Einfalt - aber es gibt Widerstand...

    Zitat


    "So einen Investor brauchen wir hier nicht"
    Bürgerliste sieht monotone Waben als Krebszellen der Maximalausnutzung/SPD kann keinen städtebaulichen Gewinn erkennen

    Schwere Kritik an den vorliegenden Entwürfen zu einer möglichen Kureck-Bebauung äußert Michael von Poser für die Wiesbadener Bürgerliste: "Die neuen Gestaltungsvorschläge sind allesamt erschreckend. Sie zeigen, dass hier auf keinen Fall eine Gestaltung zustande kommen wird, wie sie der Abschluss der Wilhelmstraße verlangt. Egal, ob Hochhaus oder nicht, die Architektur bleibt menschenunfreundlich und charakterlos. Die Gebäude werden aus monotonen Waben aufgebaut, die beliebig vermehrbar sind - es sind die Krebszellen der Maximalausnutzung. Mit Baukunst hat das nichts zu tun und auch nichts mit der Besonderheit Wiesbadens."[...]


    Quelle und Volltext: Wiesbadener Tageblatt

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Zurück zum Architektenwettbewerb Altes Gerichtsgebäude:

    Zunächst der Siegerentwurf von Eller + Eller in seiner ganzen "Schönheit" - die Ansicht von der Moritzstraße aus, wo bislang der 50er-Jahre-Anbau steht:

    Der Innenhof:

    Und noch mal die Version für die Modelleisenbahn daheim:


    2. Preis: Zinterl aus Graz


    Festhalten, jetzt wird's abgefahren: Der Entwurf des Büros aus dem dänischen Aarhus namens 3 XN A/S - und so sieht das Ding auch irgendwie aus...

    Und dafür gab's den 3.Preis. :schockiert:



    Der ganze Innenhof wird mit einer Art Zelt überspannt. Innen käme ich mir eher wie in einem Museum vor als wie in einer Uni...


    Der 4. Preis: Sieht ein bißchen aus wie von Massimiliano Fuksas - aber ist von Nieto Sobejano aus Madrid:


    Davon möge WI verschont bleiben.... :augenrollen:


    Es folgen weitere Wettbewerbsbeiträge, die - wie üblich - zeigen werden, daß es deutlich bessere Entwürfe gab, daß es aber auch noch schlimmer hätte kommen können...

    Meiner Ansicht nach klar besser ist der Entwurf von Baumschlager & Eberle:

    Nicht nur wegen der Fassade, sondern auch weil sowohl die historische Mauer (links im Bild)...

    ...als auch das alte Beamtenwohnhaus (das Backsteingebilde im Hintergrund) erhalten geblieben wären.


    Beitrag von Auer + Weber mit Michel + Wolf, beide aus Stuttgart:

    Entwurf von Max Dudler:

    Innenhof:


    Gatermann & Schossig: Die Mauer bliebe zumindest zum Teil stehen...

    ...wie auch bei Meyer Schmitz-Morkramer:

    bgf nennt sich dieses Büro. Der Entwurf erinnert mich irgendwie an ein Kaufhaus - aber ein Vorkriegskaufhaus; insgesamt gar nicht so übel.

    von Gerkan, Marg und Partner (die, die eigentlich immer dabei sind, aber diesmal nicht gewonnen haben) - bemerkenswert: das Beamtenwohnhaus - zumindest die Fassade ohne Dach - bliebe erhalten, sowie die gesamte Mauer.

    Von innen finde ich den Entwurf auch gar nicht so uninteressant:


    MGF Architekten aus Stuttgart: Die Mauer bleibt.


    Den Namen dieses Büros weiß ich nicht mehr: Nix dolles, aber immer noch besser als der Sieger...


    Das wiederum halte ich für völlig deplaziert zwischen Moritz- und Oranienstraße...

  • Ja, es gibt bessere und schlechtere Entwürfe. Angesichts des Grauens, das ich da teils präsentiert bekomme, ist sogar der Siegerentwurf noch auf der besseren Seite und akzeptabel. Mehr aber auch wirklich nicht. Letztlich sind alle Entwürfe sachliche Klötze oder selbstverliebte modernististische Spielereien. Eine Aneinanderreihung von Fensteröffnungen. Kein Zauber liegt in den Modellen, und die Architekten scheint es auch gar nicht zu stören, mit solchen Geistesprodukten ihr Leben zu verbringen. Seltsame Zeit.
    Wirklich schade ist es natürlich um das Beamtenhaus, wenn da nicht noch Einspruch erhoben wird.

  • Das sog. Pfeifen-Haus in der Kirchgasse, 2009

    Zitat von "Schloßgespenst"


    Mai 2010: Weg ist weg.


    Amen.



    Der rückwärtige Gebäudeteil - man kann zumindest sagen, daß es in WI noch häßlichere Büroklötze gibt.


    Nicht schön, aber bunt: Das dazugehörige Parkhaus. Aber - irgendwie fällt die Ähnlichkeit auf zu irgendeinem anderen Wettbewerbssieger. Was war das doch gleich...


    ...ach ja, der Neubau der Wiesbadener Law School! Ein Parkhaus, das wie eine Hochschule aussieht oder eine Hochschule im Parkhaus-Look?

  • Zum Alten Gerichtsgebäude:

    Zitat

    Festhalten, jetzt wird's abgefahren: Der Entwurf des Büros aus dem dänischen Aarhus namens 3 XN A/S - und so sieht das Ding auch irgendwie aus...

    Und dafür gab's den 3.Preis.

    :totlachen: Ganz genau: 3mal 'n Ar***...

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Was ist im letzten halben Jahr in der hessischen Landeshauptstadt "bau/sanierungs/abrißmäßig" passiert?


    Ein neuer Abrißkandidat: Der ehemalige Schlachthof Wiesbaden

    Das 1884 erbaute und 1990 stillgelegte Gebäude gehört zwar nicht zu den architektonischen Glanzlichtern Wiesbadens; der vor einigen Wochen beschlossene Abriß erhitzt dennoch die Gemüter und ist mehr als umstritten. Denn der Schlachthof ist seit den 90er Jahren ein beliebtes und renommiertes Kulturzentrum und Veranstaltungsort für Partys, und außerdem Konzerthalle für Pop- und Rockkonzerte; hier spielten neben vielen weniger bekannten Gruppen auch die unterschiedlichsten erfolgreichen Bands wie Motörhead, Sisters of mercy, Sportfreunde Stiller, Gossip oder die Fantastischen Vier.

    Das seit kurzem geschlossene Kulturzentrum soll auch bleiben, aber die alten Hallen sollen durch Neubauten ersetzt werden. Die Gegner dieser Lösung argumentieren, daß Abriß und Neubau länger dauern als eine Sanierung und daß nach der langen Bauzeit möglicherweise die Szene weitergezogen sein wird; außerdem böte ein Neubau nicht mehr den leicht schrottigen Charme der alten Hallen. Ein Bürgerbegehren läuft, auf Facebook bekennen sich Tausende gegen den Abriß - bald haben wir hier unser eigenes Miniatur-Stuttgart 21.

    Immerhin ist eine Sanierung und Einbeziehung des zu dem Ensemble gehörenden und seit längerem vor sich hingammelnden Wasserturms im Gespräch.


    Inzwischen restauriert ist das benachbarte Mahnmal zur Deportation der Juden:

    2009 sah es noch so aus - zum Fremdschämen. (noch schlimmer: http://www.architekturforum.net/viewtopic.php?f=7&t=2215&start=24)
    Der Bodensatz hat eben vor gar nichts Respekt; was will man erwarten, wenn schon wieder in den Zeitungen zu lesen ist, daß das Schimpfwort "Jude" in manchen Schulen wieder gebräuchlich wird...


    Im Zuge der Sanierung wurde diese Anlage mit Bäumen davorgesetzt (die im Sommer natürlich einen freundlicheren Eindruck macht - aber im Grunde ist "freundlich" hier gar nicht unbedingt angebracht).


    Demselben Thema widmet sich die nächste Baustelle: Die künftige Gedenkstätte am früheren Standort der Wiesbadener Synagoge am Michelsberg:

    So sah die Synagoge aus, die nach Plänen von Philipp Hoffmann in den Jahren 1869 fertiggestellt, 1938 niedergebrannt und 1939 abgerissen wurde.

    1998 wurde die Synagoge von Studenten der Wiesbadener Fachhochschule virtuell rekonstruiert, zu sehen hier und hier .

    Wie in anderen deutschen Städten war man auch in Wiesbaden nach dem Krieg so sensibel, daß man in den 50er Jahren auch noch den stehengebliebenen Sockel der Synagoge beseitigte. Seitdem fahren die Autos direkt durch den Gebetsraum. In den 70er Jahren klotzte man dann auch noch diese Hochbrücke drüber, die 2002 gottlob wieder abgerissen wurde. Später waren die Umrisse der Synagoge auf dem Asphalt der den Standort durchschneidenden Coulinstraße eingezeichnet.

    Die neue Gedenkstätte wird auf beiden Straßenseiten die Umrisse der Synagoge nachzeichnen; die Straße wir dann sogar ein Stück verlegt. An einer Seitenwand wird in die Mauer eine Glasscheibe eingelassen, auf der ein Bild der Synagoge in ihrem ursprünglichen Zustand eingraviert ist, außerdem ein weißes Band aus Basaltstein, auf dem die Namen von 1.507 Opfern zu lesen sein werden.


    Fast fertig ist das bereits hier gezeigte Projekt Dernsche Höfe (Um- und Anbau des gründerzeitlichen Polizeipräsidiums)

    Hier noch mal die Situation vor dem Krieg und vor Teilabriß und Neubau.

    Ebenso ungewöhnlich wie erfreulich bei so einem Beton-Neubau ist die Tatsache, daß das neue Dach auf dem Altbau mit Holz gedeckt wurde, wie man auf diesem Bild vom September sehen kann.

    Und sogar die rekonstruierte kleine Kuppel ist aus Holz.


    In diesem Jahr abgeschlossen wurde die Sanierung dieser beiden Häuser in der Luisenstraße:

    Sie wirken wie neu, und das sind sie auch mehr oder weniger. Der bauliche Zustand war relativ desolat, so daß die Gebäude regelrecht auseinandergepflückt wurden. Die Fassaden sind dabei abgeschlagen und originalgetreu rekonstruiert worden.

    Ich habe leider kein "Vorher-Foto", aber von außen war der Zustand vor der Sanierung in etwa der des Nachbargebäudes rechts im Bild.

    Ohne den unhistorischen Mittelteil ging es leider nicht. Die Häuser gehören zum Justizministerium und werden als Bürogebäude genutzt, und auch vorher gab es schon einen Verbindungsbau (aus den 60er oder 70er Jahren).