Saarbrücken (Galerie)

  • Ab heute möchte ich euch ein paar Impressionen aus der saarländischen Landeshauptstadt Saarbrücken vorstellen. Ich hatte letzten Monat auf der Durchreise einen Zwischenstopp in Saarbrücken und trotz des miserablen Wetters Photos gemacht. Trotz der zum Teil recht schlechten Qualität möchte ich euch hiervon einige Aufnahmen präsentieren, die einen ersten, aber sicherlich ergänzungsbedürftigen Überblick verschaffen sollten.

    Ich muss auch betonen, dass die Aufnahmen nicht repräsentativ sind, sondern ich fast nur die ansehnlichen Ausnahmen in einer ansonsten eher durch triste Nachkriegsbebauung geprägten Stadt photographiert habe.

    Beginnen möchte ich mit Bildern des Stadtteils St. Johann östlich der Saar. Sankt Johann war lange eine eigenständige Stadt und wurde erst Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Alt-Saarbrücken genannten Stadt westlich der Saar zum heutigen Saarbrücken vereint wurde.

    Der nördliche Bereich von Sankt Johann wurde vorwiegend in der Gründerzeit ab 1880 bebaut, wobei Kriegszerstörungen zumindest die Johanniskirche und das Rathaus verschont haben. Hier der betrachtete Bereich:

    http://maps.live.de/LiveSearch.Loc…t=-90&alt=-1000

    Vom Hauptbahnhof kommend an trister Nachkriegsbebauung vorbei gelangt man zur Johanniskirche von 1898:

    Welche Geschichte das Gebäude rechts in den folgenden Bildern…

    … mit dem interessanten Dachaufbau hat, weiß ich leider nicht, im Hintergrund bereits das Rathaus zu erkennen…

    …das im neogotische Stil vom Grazer Architekten Hauberisser geschaffen wurde, der auch in München das Neue Rathaus am Marienplatz entworfen hat…

    …ein Blick zurück vom Rathausvorplatz zur Johanniskirche…

    Fortsetzung folgt…

  • Lieber MunichFrank, besten Dank für die Saarbrücken-Galerie. Ich kenne die Stadt - bis auf den Bahnhof - gar nicht, habe allerdings gesehen, dass es mit St. Johann sehr schöne Teile gibt. Wiederum andere Bilder zeigen eine Stadt der 1950er und 1960er Jahre, wie sie unwirtlicher nicht sein kann - insbesondere am Saarufer. Hier tun sich jedoch einige Dinge, u.a. Verlegung der Uferstraße in einen Tunnel .
    Wie ist Deine Einschätzung des Saarbrücker Stadtbildes? Wendet es sich insgesamt zum Positiven oder schreibt man die Stadt der 1950er und 1960er Jahre weiter?

  • Weiter geht es mit dem Altstadtbereich Rund um den Sankt Johanner Markt:

    http://maps.live.de/LiveSearch.Loc…t=-90&alt=-1000

    Hier zwei typische Ansichten der Gegend…

    …, deren Hauptsehenswürdigkeit die Basilica Minor St. Johann von 1758 ist. Die Kirche wurde vom Baumeister Friedrich Joachim Stengel (http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich-Joachim_Stengel ) geplant, der wie kein anderer mit seinen barocken Bauten das Stadtbild Saarbrückens geprägt hatte und zum Teil auch heute noch prägt:

    …hier die neobarocke Sakristei im Osten…

    …und nun als moderne Zutat von 1986, das sehenswerte bronzene Hauptportal des Saarbrücker Künstlers Ernst Alt…

    …, mit diesen Händen als Symbole der unterschiedlichen Alterstufen an den Seiten des Portals…

    Sofern ich richtig informiert bin, wurde das verloren gegangene barocke Interieur der Kirche erst in den 1970er Jahren wieder umfassend rekonstruiert.

    Zu späteren Stunde der Vorplatz vor der Kirche, rechts eines der ganz wenigen Hauser mit Sichtfachwerk in der Stadt…

    Weiter geht es Richtung Johanner Marktplatz…

    …, and dem sich unter anderem dieses durch Graffiti verschandelte barocke Portal eines Kaufmannshauses …

    …und der dekorative, ebenfalls von Stengel entworfene Marktbrunnen befindet…

    Nun noch zwei Ansichten der Gasse, die zur Alten evangelischen Kirche von 1727 führt…

    Fortsetzung folgt…

  • Berolina, fundierte Auskünfte kann ich dir leider nicht geben. Aber Saarbrücken ist schon eine Stadt mit argen Kontrasten und einer Unmenge von (von mir nicht photographiertem) Nachkriegsschrott. Ob sich da mittlerweile was ändert kann ich nicht genau sagen. Sicherlich weiß unserer Saarbrücker JimPanse mehr. Aber zugute halten muß man der Stadt, dass sie zumindest die im 2. WK stark beschädigten barocken Hauptsehenswürdigkeiten von Stengel im Laufe der Jahre meist vorbildlich rekonstruiert hat.

  • Vorbei am vom mir nicht photographierten Staatstheater aus den 1930er Jahren geht es über die Alte Brücke und die Stadtautobahn zum östliche der Saar gelegenen Alt-Saarbrücken…

    http://maps.live.de/LiveSearch.Loc…t=-90&alt=-1000

    …das Ende des 17. Jahrhunderts fast vollständig von den Franzosen zerstört und anschließend im Barockstil bebaut wurde. Nach starken Zerstörungen des 2. WK wurden wohl die wichtigsten Barockgebäude wiederhergestellt.

    Zuerst die spätgotische Schlosskirche aus den 1470er Jahren…

    …, an der es vorbei bergauf…

    …zum Schlossplatz geht, der in weiten Teilen durch wiederum von Stengel geplante Gebäude geprägt ist. Das bedeutendste Gebäude ist das Residenzschloss aus den 1740er Jahren, das in den Revolutionskriegen 1793 and im 2. WK stark beschädigt wurde und als modernistische Zutat den durchaus akzeptablen Mittelrisalit von Gottfried Böhm von 1988 umfasst:

    Neben dem derzeit eingerüsteten neubarocken Kreisständehaus wird der Schlossplatz vor allem noch von dem sehenswerten barocken Alten Rathaus von Stengel…

    …und ein paar weiteren Barockgebäuden geprägt…

    Fortsetzung folgt….

  • "Mittelrisalit von 1988": Das sieht für meine Begriffe nicht gut aus.

    Und daneben der "Neustart". Diese Blechtonne erinnert an das Nibelungenmuseum in Worms, Fischerpförtchen 10. In beiden Fällen sieht man auf den ersten Blick, dass es moderne Zutaten sind.

    Ansonsten hoffe ich, dass die trübe Stimmung nur jahreszeitlich bedingt ist und durch die bekannte Tatsache, dass es im Winter früher dunkel wird.

  • @ Berolina:

    Nun ja, Saarbrücken (ich bin in der Nähe geboren) hinterlässt in der Tat einen zwiespältigen Eindruck.

    Die Stadt war vor der Industrialisierung nicht viel mehr als das winzige Residenzstädtchen einer winzigen Grafschaft des Reiches. Insofern ist die Altstadt ohnehin relativ klein und bescheiden.
    Zudem ist sie nicht besonders alt, da Saarbrücken Ende des 17. Jahrhunderts von französischen Truppen niedergebrannt wurde. Die Altstadt stammt dementsprechend im wesentlichen aus der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts.

    Im 2. Weltkrieg blieb die Altstadt zu größeren Teilen unbeschädigt. Die beschädigten Teile, insbesondere die Ludwigskirche mit der wunderschönen, sie einfassenden frühklassizistischen Platzanlage aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts, wurden größtenteils vorbildlich renoviert oder sogar rekonstruiert. Nachkriegsbebauung gibt es im Bereich der Altstadt daher nur marginal.

    Ein weitgehender Totalverlust waren dagegen die repräsentativen großbürgerlichen Gründerzeitviertel zwischen Bahnhof und Altstadt, damals wie heute das Geschäftszentrum der Stadt. Dieser Teil Saarbrückens ist einfach nur grauenhaft, mit billigster 50'iger und 60'iger-Jahre-Architektur "wiederaufgebaut".

    Der Rest der Stadt sind hauptsächlich unspektakuläre gründerzeitliche Arbeiterviertel, eines davon allerdings mit viel Charme (Nauwieser Viertel nördlich der Altstadt; sowas wie das "Kreuzberg Saarbrückens"). Andere dagegen auch zerstörungsbedingt mit viel Nachkriegsbebauung durchsetzt.

    Das ergibt insgesamt ein recht uneinheitliches Bild: eine hübsche, weitgehend erhaltene, aber seeeehr kleine Altstadt mit allenfalls zwei highlights (Ludwigsplatz und Schlossplatz), gepaart mit eher unspektakulären Arbeitervierteln, einem "Klein-Kreuzberg" und gräßlichster Nachkriegsbebauung im Geschäftszentrum.

    Tja, was haltet ihr von so einer Mischung; mich macht Saarbrücken immer etwas ratlos....

  • Nun zum Höhepunkt der Saarbrücker Architektur, dem barocken Ludwigsplatz, dessen Bebauung bis ins Detail von 1762-1775 von Stengel geplant und errichtet wurde und in dessen Zentrum die protestantische Ludwigskirche steht:

    http://maps.live.de/LiveSearch.Loc…t=-90&alt=-1000

    Der Platz ist von Stengel in Anlehnung an den Typ der französischen Place Royal geplant und zum größten Teil auch realisiert worden und weist Dank eines (damals wohl durchaus sehr umstrittenen) rekonstruierenden Wiederaufbaus ab den 1950er Jahren wieder eine barocke Einheitlichkeit auf, wie sie heute in Deutschland nur noch selten zu finden ist.

    Den größten Eingriff in die Platzgestaltung nach dem 2. WK stellt der Bau der vierflügligen Staatskanzlei dar, die in obigem Live Maps Link am unterem Bildrand zu erkennen ist. Aufgrund der zurückversetzten Lage des Baus stört er allerdings das Gesamterscheinungsbild des Platzes nur wenig. Die Lücke zwischen den Bauten rechts im Bild stellt übrigens den Vorplatz zur Staatskanzlei dar:

    Die Ludwigskirche als Zentrum des Platzes ist ein kreuzförmiger Bau, dessen Äußeres seit dem 19. Jahrhundert seinen weißen Anstrich verloren hat (deshalb bestehen die Außenwände der Kirche aus unterschiedlich hellen Bausteinen, da sie ursprünglich eh überputzt wurden)…

    Es gibt Überlegungen auch diesen weißen Anstrich wiederherzustellen, um sich dem ursprünglichen Zustand des Platzes noch ein bisschen mehr anzunähern. Dem Turm „fehlt“ übrigens keine Kuppelhaube, sondern der wurde bereits so wie heute wieder sichtbar geplant…

    Wie erwähnt wird auch die Ludwigskirche bis in unsere heutigen Tage vorbildlich rekonstruiert, da nach dem Krieg im wesentlichen nur noch Teil der Umfassungsmauern erhalten und die Kirche nach und nach, so in den 70er Jahren erst der Innenstuck, in den 80er dann das Hauptausstattungsstück, die im folgenden leider nur teilweise zu sehende Trias aus Orgel, Kanzel und Altar, rekonstruiert wurde…

    Um die Kirche herum…

    … gruppieren sich die wunderbaren Barockpalais, die heute zumeist in öffentlicher Nutzung stehen und die Ludwigskirche herrlich umrahmen…

    Das war´s.

  • Philon und MunichFrank, besten Dank für Bilder und umfangreiche Erläuterungen. Ich habe mir Saarbrücken soeben in Maps Live Search und in Google Maps einmal von oben betrachtet und gesehen, dass die erhaltene Substanz der Stadt durchaus beträchtlich ist. Zwar sind die Reste Alt-Saarbrückens um den Ludwigplatz marginal, St. Johann ist jedoch umfangreich und geht an der West- und an der Nordseite in Gründerzeitviertel über.
    Problembereiche scheinen m.E. das Quartier zwischen Berliner Promenade und Bahnhof, der Brückenkopf St. Johann mit achtspuriger Betonbrücke und entsprechender Kaufhausbebauung sowie die Südseite des Saarufers unterhalb des Schlossfelsens zu sein. Es bedarf vor allem eines Rückbaus der breiten Saarufer-Autobahn 620 sowie weiterer Schneisen.
    Dies ist auchbereits angedacht und in Planung. Es handelt sich um zwei Projekte: Zum einen eine Umgestaltung der Berliner Promenade, jener hochgelegenen Saaruferstraße der 1960er Jahre, die für ein "fortschrittliches" Saarbrücken stehen sollte, heute jedoch heruntergekommen zu sein scheint. Zum anderen um die "Eintunnelung" der Saarufer-Autobahn unterhalb des Schlossfelsens, deren Fläche in einen attraktiven Uferpark ("Stadtmitte am Fluss") umgestaltet werden soll. Den entsprechenden Wettbewerb gewann letztes Jahr das Berliner Gartenplaner-Büro Loidl, Stephan Braunfels aus München soll die Brückengestaltung übernehmen.

    Hier ein Link zur Stadtentwicklungsabteilung des Saarbrücker Rathauses, der die besten Informationen zu beiden Projekten - "Berliner Promenade" und "Stadtmitte am Fluss" - bereit stellt:

    http://www.saarbruecken.de/de/rathaus/sta…tmitte_am_fluss

    Hier das Luftbild, das die städtebauliche Situation klärt:
    http://maps.google.de/maps?f=q&sourc…z=16&iwloc=addr

    Ergo: Die Stadt wendet sich in den nächsten Jahren entschieden dem Fluss zu und verzahnt damit die beiden derzeit offenbar noch stark getrennten Hälften. Ähnlich wie zuvor in Köln oder Düsseldorf dürfte dieses Unternehmen zu einer beträchtlichen Attraktivitätssteigerung führen, die mittelfristig weitere bauliche Maßnahmen und Umgestaltungen, vor allem sicherlich im Bereich der Berliner Promenade und dem Viertel zwischen Bahnhof und dieser, nach sich ziehen wird.

  • Berolina, Danke für die Infos. Die geplante Ufergestaltung gefällt mir leider gar nicht. Viel zu steril, glatt und geradlinig, kurz zu modernistisch. Aber eine Verbesserung der dezeitigen Situation wird es allemal bewirken.

  • Die Renderings sind zugegebenermaßen sehr steril, ich denke aber doch, dass die Attraktivität sehr steigen wird. Vor allem ist mir die Materialität der Stützmauer - hier im gelb dargestellt - unklar. Handelt es sich um eine Steinverkleidung, wäre hier viel gewonnen.

    Hier noch der Direktlink zur Berliner Promenade (merke: die Bebauung existiert bereits, es geht lediglich um die Ufergestaltung):
    http://www.saarbruecken.de/de/rathaus/sta…liner_promenade

  • Das sieht doch alles gar nicht mal schlecht aus. Auch die Nachricht, dass große Teile der Altstadt verschont geblieben sind und es stattdessen die gründerzeitlichen Erweiterungen erwischt hat, erleichert - das ist immer tausendmal besser als andersrum (wie leider meistens der Fall). Einige Häuser wirken etwas vernachlässigt, irreversible Schäden scheinen jedoch nicht vorzuliegen. Die Ludwigskirche würde ich aus dem Bauchgefühl heraus lieber nicht weiß übertünchen. Die jetzige Farbigkeit wirkt angenehm und bildet in meinen Augen einen stimmigen Kontrast zu den umliegenden Palaisbauten.

    "Meistens belehrt uns der Verlust über den Wert der Dinge."
    Arthur Schopenhauer

  • Georg Friedrich: sehe ich auch so, dass der verloren gegangene weiße Anstrich der Ludwigskirche nicht sehr stört. Allerdings nimmt er dem Gesamtensemble des Platzes ein wenig von seiner ursprünglichen einheitlich Wirkung. Natursteinsichtigkeit scheint nun mal kein Wesensmerkmal des klassizistisch anmutenden Spätbarocks Stengelscher Prägung gewesen zu sein. Die Stengels Basilika St Johann in Saarbrücken hatte z.B. ursprünglich ebenfalls einen farbigen Anstrich.
    Spontan weiß ich nicht, ob die bedeutenden Barockkirchen, die heute natursteinsichtig erscheinen (Dresdner Frauenkirche, Vierzehnheiligen, Weingarten, etc.), früher verputzt bzw. bemalt waren oder nicht? Wäre interessant zu erfahren.

  • Zitat von "Georg Friedrich"

    Auch die Nachricht, dass große Teile der Altstadt verschont geblieben sind und es stattdessen die gründerzeitlichen Erweiterungen erwischt hat, erleichert - das ist immer tausendmal besser als andersrum (wie leider meistens der Fall).


    Je nach Geschmack halt. Und die prächtigen gründerzeitlichen Geschäftsviertel sind eben nicht meistens davon gekommen - ganz im Gegenteil. Meistens sind doch gerade die ehemals gründerzeitlichen Geschäftszonen verkommen (Hannover, Frankfurt, Ulm,...) - und dafür eher noch ein kleines Stückchen Altstadt erhalten. Es geht ja hier nicht um gründerzeitliche Arbeiterviertel, sondern um kuppelbekrönte Prachtzentren der Jahrhundertwende! Wo gibt es die in Deutschland jetzt doch gleich so zahlreich? Also Altstädte könnte ich Dir Einige aufzählen..

    Nein, ich finde es gerade schade um die verkommene Fußgängermeile zwischen Hauptbahnhof und der in meinen Augen recht unspektakulären Mini-Altstadt Saarbrückens. In dieser breiten Nachkriegszone halten sich tagsüber die meisten Menschen auf, sie ist Dreh- und Angelpunkt der Stadt, nicht etwa der heutige Schloßplatz. Touristen steigen am Hauptbahnhof aus und werden dort zu Tode erschreckt - was für ein Mist, dass es gerade mal wieder den lebendigen Kern der Stadt getroffen hat!

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Ich gebe zu, bei sämtlichen gründerzeitlichen Erweiterungen außerhalb der alten Mauern einer Stadt - seien es "Arbeiterviertel", "Geschäftsviertel" o. ä. - nicht großartig zu differenzieren. Das Szenario, dass von den Gründerzeitbeständen größere geschlossene Areale überlebten, während die Altstadt mitunter zu 90% oder gar noch mehr verglühte, trat leider Gottes viel zu oft ein (Köln, Hannover, Frankfurt, Stuttgart, Berlin etc. etc.). Das ist auch gar nicht verwunderlich, wenn man sich den bloßen flächenmäßigen Anteil der Gründerzeitviertel einer Großstadt im Vergleich zur dagegen winzigen Altstadt und die Tatsache vergegenwärtigt, dass zumindest die britischen Luftangriffe meist gezielt ins dichtbebaute historische Zentrum einer Stadt geflogen wurden. Für mich macht die Identität einer Stadt jedoch unbedingt eben jener vorindustrielle Kernbereich aus, mag er auch noch so klein und unscheinbar sein, und nicht die im Hauruckverfahren innerhalb weniger Jahrzehnte hochgezogenen Bauten des Historismus, mögen sie auch noch so verführerisch auf viele Betrachter wirken.

    Dass sich mit Beginn der Industrialisierung neue Zentren pulsierenden Lebens abseits der Altstädte herausbildeten, ja dass letztere womöglich gar zu einer Art Arme-Leute-Viertel degenerierten, ist ein hinlänglich bekanntes Phänomen, das aber natürlich nichts am Wert der jeweils vorzufindenden Architektur und der Bedeutung ihres Verlusts zu ändern vermag.

    "Meistens belehrt uns der Verlust über den Wert der Dinge."
    Arthur Schopenhauer

  • Zitat

    Für mich macht die Identität einer Stadt jedoch unbedingt eben jener vorindustrielle Kernbereich aus, mag er auch noch so klein und unscheinbar sein, und nicht die im Hauruckverfahren innerhalb weniger Jahrzehnte hochgezogenen Bauten des Historismus, mögen sie auch noch so verführerisch auf viele Betrachter wirken.

    Genau so ist es!

    Deshalb würde ich auch für einen erhaltenen gotischen Straßenzug in Köln oder Frankfurt den gesamten Gründerzeitbestand opfern.

  • Zitat von "Philon"

    Deshalb würde ich auch für einen erhaltenen gotischen Straßenzug in Köln oder Frankfurt den gesamten Gründerzeitbestand opfern.

    [Off-topic ON:] Ich nicht. Alter und Seltenheit allein sehe ich nicht als entscheidendes Kriterium an, deshalb halte ich auch nichts von der Zeitschichtentheorie. Für mich zählt vor allem der ästhetische Wert eines Gebäudes (über den sich natürlich vortrefflich streiten lässt). Es ist zwar richtig, dass im Zeitalter des Historismus, bedingt durch starkes Bevölkerungswachstum und ermöglicht durch technischen Fortschritt, die Anzahl an Neubauten geradezu exponentiell gestiegen ist. Dies hat unweigerlich auch zu einer drastischen Zunahme weniger erhaltenswerter Bauten geführt (wobei mir die meisten drittklassigen Gründerzeitler noch sehr viel lieber sind als fast alle modernistischen Bauten). Aber es gibt auch historistische Bauten, wie den Berliner Dom in seiner ursprünglichen Form oder den Dresdner Kaiserpalast, die auch für mich trotz ihres vergleichsweise geringen Alters zu den herausragenden Schöpfungen der deutschen Architektur gehören. Und diese Gebäude würde ich, um deine überspitzte Formulierung aufzugreifen, auch ohne weiteres gegen eine Reihe zweit- oder drittklassiger (von mir ansonsten sehr geschätzter) Barockbauten eintauschen. Wie gesagt, Alter allein ist für mich kein Kriterium [Off-topic OFF:]

  • Zitat von "Georg Friedrich"

    Ich gebe zu, bei sämtlichen gründerzeitlichen Erweiterungen außerhalb der alten Mauern einer Stadt - seien es "Arbeiterviertel", "Geschäftsviertel" o. ä. - nicht großartig zu differenzieren.


    Das ist schade. Zeil und Zschochersche befinden sich für Dich also im selben Suppentopf - das macht die Argumentation natürlich leichter.

    Erfurter Anger oder südl. KaJo Freiburg - auch dieses Spektrum gehörte zu deutschen Großstädten.
    In so ziemlich Allen ging es verloren und wird dank des allgemeinen unreflektierten Historismushasses anders als manche Altstadt auch nie wieder kommen. :augenrollengruen:

    Ansonsten hat MunichFrank meine Antwort vorweggenommen. :zwinkern:

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Die gotische Stiftskirche St. Arnual mit den sehenswerten Grabmälern der Grafen von Saarbrücken findet man nicht weit vom Zentrum entfernt in einem idyllischen Viertel:

    http://de.wikipedia.org/w/index.php?ti…=20080807161809
    http://de.wikipedia.org/wiki/Sankt_Arnual

    Ein aktuelles Rekonstruktionsprojekt in Saarbrücken ist die Wiederherstellung des Fürstenstuhls, der barocken Fürstenloge in der Ludwigskirche. Die Wiederherstellung, die 250 000 Euro kosten soll, wird ausschließlich durch Spenden, Sponsorengelder und Erlöse aus Verkaufsaktionen finanziert. Die Denkmalpflege des Saarlands unterstützt das Anliegen. Noch in diesem Jahr soll das Projekt abgeschlossen werden.
    Ab sofort ist die Ludwigskirche übrigens auf 30 Millionen als Sonderprägung erscheinenden 2 Euro-Münzen zu sehen.

    http://www.ludwigskirche.de/html/projekt_fuerstenstuhl.html
    http://www.diewoch.de/index.php?id=202&doc=97243&ar=

  • Zitat von "Philon"

    Deshalb würde ich auch für einen erhaltenen gotischen Straßenzug in Köln oder Frankfurt den gesamten Gründerzeitbestand opfern.

    Ich halte auch den vorindustriellen Kernbereich der Städte - gemeinhin Altstadt genannt - für sehr wichtig hinsichtlich der historischen Identitätsfindung und des sinnlichen Bewußtseins für naturverbundenere Lebensformen.

    Gleichwohl ist "Philons" Äußerung dann im Eifer des Gefechts zu extrem geraten. Was wären das für Städte, die zwar einen herausgeputzten gotischen Straßenzug aufweisen, sonst aber nur Plattenbauten oder Investorenkomplexe? Das wäre wahrlich ein Stück architekturpädagogischer Freizeitpark in der totalen modernistischen Öde. Nein, die historistischen Quartiere sind ein Segen für viele Städte. Und sie stehen ja auch überhaupt nicht in Widerspruch zu den Bemühungen, Altstadtkerne zu erhalten, zu sanieren oder zu rekonstruieren.

    Saarbrücken jedenfalls erscheint mir ausbaufähig, noch keinesfalls verloren.