Einkaufscenter vs. Altstadt

  • Zeit ein kleines Zwischenfazit zu diesem Thread zu erstellen. Die schlimmsten Befürchtungen wurden in den letzten drei Jahren bei weitem übertroffen. Wie sagte doch z.B. Otto (ECE) 2009: "je mehr ein Center zähle, desto attraktiver sei es. Er spricht von "marktführenden Häusern", die man künftig auch gezielt in Mittelstädten bauen will. Die Großstädte sind voll. "(Zitat aus Brand Eins 10/09)

    Und so war es auch. Stadt für Stadt wurde abgeklopft. Am Ende übrig blieben für die Immobilien-Entwickler nur noch historische Altstädte, die noch kein Einkaufscenter in ihrer Mitte hatten wie Schwerin, Weinheim, Hameln, Wetter, Oldenburg.

    Weitere Planungen und Umsetzungen für Einkaufscenter gibt es u.a. für:
    - Schwäbisch Gmünd (Ledergasse) Schwäbisch Gmünd - Ledergasse,
    - Bautzen (Lauencenter)
    Bautzen - Abrissplanungen wegen Einkaufscenterplanung (Lauencenter),
    - Fürth (Neue Mitte)
    Fürth - Neue Mitte,
    - Meißen (Neumarkt)
    Meißen,
    - Bamberg
    (Quartier an der Stadtmauer) Bamberg - Quartier an der Stadtmauer
    und als besonders krasser Fall das sich als UNESCO-Weltkulturerbe bewerbende
    - Görlitz
    (EKZ Berliner Str.) Görlitz - Einkaufszentrum Berliner Straße 39 - 43, Salomonstraße 9 - 18 .

    Kleinstädte wie Leer führen einen verzweifelten Kampf gegen Einkaufscenter in der Stadtmitte, denn der Nutzen für die örtliche Wirtschaft ist mehr als gering. Zitat von der BI „Leer braucht Leer“ unter Fakten zum Thema ECE in Leer: Bürgerinitiative Leer braucht Leer : "Und was hat die Leeraner Wirtschaft davon? In Hameln ging an örtliche Unternehmen nur der Abbruch vorhandener Gebäude (sowie die Lieferung von Sand, Kies und Beton). Die eigentlichen Bauarbeiten wurden von Bauunternehmen aus Osteuropa durchgeführt. Die Bauarbeiter wohnten im Containerdorf. Noch während der Bauphase wurde das Center an einen Investmentfond verkauft."

    Eines von vielen traurigen Kapiteln für die letzten halbwegs intakten Altstadkerne in Deutschland.

    Edit: Im Juli 2012 wird vermeldet dass zumindestens der Kampf in Leer zum Erfolg führte - das dort geplante EKZ wird nicht gebaut.

    ...

    21 Mal editiert, zuletzt von Wikos (26. Juli 2012 um 16:29)

  • Vorletzte Woche war ich im Wertheim Village Outlet in der Nähe von Würzburg. Ich gebe auch zu, mir dort etwas gekauft zu haben. Ich brauchte ein Hemd und Schuhe. Natürlich ist das "Village" nur eine Attrappe. Dennoch spricht es eben in dieser kleinteiligen Erscheinungsform offenbar die Bedürfnisse vieler Menschen an. Leider wird aber verhindert, diese Erkenntnis ausreichend auch in den realen städtischen Raum zu übertragen. Eine solche Siedlung, die aus echten Häusern bestände, also auch für reale Wohnzwecke genutzt würde, wäre durchaus interessant als städtebauliches Modell. Alle Gebäude sind sehr individuell gestaltet und bilden dennoch so etwas wie ein Ensemble. In Wertheim fielen mir zudem die zahlreichen Anspielungen an den Jugendstil auf, die mich durchaus überraschten. Tja, schade, dass so etwas nur als Kulisse in der Konsumwelt Geltung haben darf, aber die Grundideen nicht für den Wohnungsmarkt aufgegriffen werden.
    Ich hatte nur mein Handy dabei, deshalb keine gute Bildqualität. Aber dennoch möchte ich ein paar der Aufnahmen nicht vorenthalten.

  • Ja, das ist die Stilrichtung die ich mir wünsche! :thumbup:
    Vielleicht weniger für Münster aber sicherlich für Berlin und andere Mega-Städte. baby2000:)

    Der Wind gedreht
    Albtraum verweht
    Zum Schluss jetzt das Glück
    Das Schloss kommt zurück!

  • Eine solche Architektur bedarf aber regionaltypischer Elemente, um nicht ähnlich austauschbar zu wirken wie trendige Globalstile. Wie Reinhard schon sagte, für Münster könne er sich das nicht vorstellen. M.E. passt es aber ebensowenig nach Würzburg oder Berlin. In Disneyland (oder vielleicht jugendstilaffinen Orten wie Budapest?) wäre es evtl. nett... razz:)

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Lassen wir mal Disneyland außen vor. razz:) Aber "youngwoerth" hat natürlich vollkommen recht. Es bedarf einer regionaltypischen Verfeinerung. Wie gesagt, ich halte diese Outlet-Sache ja grundsätzlich für hochproblematisch. Aber interessant ist doch immerhin, dass hier sehr frei und kreativ mit Architekturelementen und städtebaulichen Strukturen gespielt werden kann, die derzeit im Wohnungsbau noch kaum Beachtung finden. Dort herrscht immer noch das monotone "Würfelhusten" (Zitat "youngwoerth") aus monotonen Flachdachanreihungen vor.

  • Ja, das sieht (etwas) besser aus.

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  • Der Baustil dieser Einkaufszentren gefällt mir. Wirklich akzeptabel. Regionaltypisch verfeinert könnte man so ganze Stadtviertel von kriegszerstörten deutschen Stadtzentren verschönern und teilrekonstruieren. Schade, so ein Ding in Fachwerkverblendung in Hildesheim auf altem Straßengrundriss, und Hildesheim gewönne ein Stück alte Altstadtatmosphäre zurück. Aber die Arneken-Passage wird eher einem Gefängnistrakt ähneln; soweit sind die dortigen Verantwortlichen in den Ämtern noch nicht in ihrem Denken, dass sie dort eine einmalige Chance einer Rückgewinnung des alten Flairs vertan haben ...

  • Vielleicht mal die Schmähtiraden auf Amerika etwas zurückfahren, hm? Dort wird wesentlich traditioneller gebaut als bei uns... das funktionale Bauen wurde in Deutschland erfunden. Auf beides schimpfen ist etwas bigott.

  • Ja in den Vororten, und gleichzeitig ist um die Downtown nicht selten ein Gürtel der von Verfall und Abriss geprägt ist. Also an Amerika brauch man sich städtebaulich dieser Tage wirklich nichts abgucken.

  • Was hat Verfall und Abriss mit Baukultur zu tun? Mal abgesehen davon, dass es ersteren auch hier zu Lande en masse gibt? Was in den Staaten der mittlere Westen sind bei uns die neuen Bundesländer.

  • Baukultur ist auch Stadtplanung. Was nützt ein schönes neues Haus in einem Vorort von Detroit wenn par Kilometer weiter Richtung City die alten Häuser zusammenfallen?

    Den Vergleich mit den neuen Bundesländern halte ich gleichsam für absurd. Die Zeiten der extremen Suburbanisierung sind weitghend vorbei. Zwickau bspw. verzeichnet mittlerweile wieder ein positives Saldo in der Innestadt.
    Solche massiven staatlichen Programme wie Stadtumbau Ost und so weiter und so fort sucht man in Amerika ebenfalls vergebens. Das Ergebnis ist dementsprechend deprimierend.

  • Traditionell werden in den USA vor allem nur kleine Wohngebäude errichtet. Im Privaten ist der Rückgriff auf das alte Farmhaus oder die klassizistische Villa also mehrheitsfähig. Ganz anders sieht das bei den Gewerbe- und Einkaufsarealen aus. Man fahre mal beispielsweise eine Ausfallstraße von New York durch New Jersey. Da sieht man exemplarisch, wo auch die Vorbilder hiesiger Ausfallstraßen liegen. Einkaufscenterkolosse, Schnellimbissrestaurants mit grellleuchtenden Reklametafeln, Schuppen, Tankstellen - eine völlig wirre, unzusammenhängende Aneinanderreihung von größeren und kleineren Buden, garniert mit penetranter Reklame. Das ist eben, was Amerika weitenteils ausmacht: Das Fehlen jedes organischen Wachstums. Bis hin zu den faktisch ungeplanten Hochhauskonglomeraten in den Innenstädten. Das funktionale Bauen mag in Deutschland erfunden worden sein. Doch wenig zeitversetzt wurden diese Ansätze ja auch in Amerika und Frankreich aufgegriffen. Dass die Erfindung aber zur Massenware werden konnte hat auch viel mit den ökonomischen Strukturen zu tun, für die Amerika Vorbildfunktion besaß. Das amerikanische Stadt- und Ortsbild mag manch einer beeindruckend finden (auch ich bin schon ihrem kurzfristigen Reiz erlegen), ebenso wie Ableger dieses Modells (z.B. Dubai), indes wird diese Herrlichkeit ihr jähes Ende mit der Verknappung der fossilen Brennstoffe finden, auf deren immensen Verbrauch diese städtebaulichen Strukturen einzig basieren.

  • Städtebaulich gesehen wäre das allerdings eines der konstruktiveren ECEs geworden, soweit ich das aus den wenigen Ansichten beurteilen kann.

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