Einkaufscenter vs. Altstadt

  • Naja, im Fall wertheim wäre es wahrscheinlich schwierig ein solches Angebot in der Altstadt zu schaffen. Die Alternative wäre dass die Zielgruppe eben woanders hinfährt.

    Bei diesem Projekt finde ich gut dass es nicht so Disney-artig daherkommt wie das Village, sondern in ordentlichem Maßstab- und außerdem dass man offenbar eigene Gebäude entworfen hat und keine "Best of Brandenburg"-Miniaturen o.ä..
    Das ist schon astreiner "Neo-Historismus", kein postmodernes Schlumpfhausen wie Wertheim Village.

  • Ich finde zwei Aspekte daran bemerkenswert:

    1. Es existiert bei den Menschen das Bedürfnis nach Kleinteiligkeit und Altstadt-Gassen-Gemütlichkeit. Die Geschäftswelt macht sich dies hier zu nutze, bedient es, obwohl sie in der Realität gerade die gegenläufige Entwicklung fördert - hin zu Monostrukturen, zu kultureller Angleichung, zu Automatisierung, zu Modernisierung (fit für Konsum) usw.
    Diese putzigen Einkaufscenter sind insofern eine optische Täuschung. Sie spiegeln Kleinteiligkeit, kulturelle Einbettung vor, wo in realitas das Gegenteil läuft.

    2. Das Schweigen der Architekten und Anti-Reko-Brüller. Hier nun könnten sie sich endlich richtig über "Disneyland" auslassen, doch sie bleiben bemerkenswert ruhig. Ganz anders, als wenn jemand in einer Stadt ein originales Fachwerkhaus rekonstruieren möchte. Dieses Verhalten ist verdächtig.

    Warum? Sie alle stecken drin im internationalistischen System, sind Teil desselben, sind von ihm verblendet oder profitieren kurzfristig davon. Sie alle sind mit dabei auf dem Zug in Richtung einer kulturlosen "Weltgesellschaft", die nur noch geschichtslose "Menschen" und "Konsumenten" sehen will. Die netten Einkaufscenter stehen dem Trend nicht wirklich entgegen, sie wirken einfach nur kompatibel für die zurückgebliebenen Massen, die eben noch nicht ganz so weit für den großen Sprung in die Hypermoderne sind. Sie dienen nur als behutsamer Schritt. Eine echte rekonstruierte Altstadt aber wäre ein Rückschritt, würde sie den Menschen doch erneut vermitteln, daß es noch eine andere, eine eigene Kultur und Geschichte gibt. Und dass man Entwicklungen rückgängig machen kann. Das aber gilt es, so gut dies möglich ist, zu verhindern bzw. durch "Brüche", "Kontraste" usw. zu stören.

  • Zitat

    2. Das Schweigen der Architekten und Anti-Reko-Brüller. Hier nun könnten sie sich endlich richtig über "Disneyland" auslassen, doch sie bleiben bemerkenswert ruhig. Ganz anders, als wenn jemand in einer Stadt ein originales Fachwerkhaus rekonstruieren möchte. Dieses Verhalten ist verdächtig.

    Vielen Dank Heimdall für diesen Hinweis! Ich hatte diesen Aspekt des Schweigens seitens der Architekten auch an anderer Stelle herausgestellt. Er bleibt meines Wissens in der bisherigen Rekonstruktionsdebatte weitgehend unberücksichtigt!

  • Zitat von "Heimdall"

    Sie alle stecken drin im internationalistischen System, sind Teil desselben, sind von ihm verblendet oder profitieren kurzfristig davon. Sie alle sind mit dabei auf dem Zug in Richtung einer kulturlosen "Weltgesellschaft", die nur noch geschichtslose "Menschen" und "Konsumenten" sehen will. Die netten Einkaufscenter stehen dem Trend nicht wirklich entgegen, sie wirken einfach nur kompatibel für die zurückgebliebenen Massen, die eben noch nicht ganz so weit für den großen Sprung in die Hypermoderne sind. Sie dienen nur als behutsamer Schritt. Eine echte rekonstruierte Altstadt aber wäre ein Rückschritt, würde sie den Menschen doch erneut vermitteln, daß es noch eine andere, eine eigene Kultur und Geschichte gibt. Und dass man Entwicklungen rückgängig machen kann. Das aber gilt es, so gut dies möglich ist, zu verhindern bzw. durch "Brüche", "Kontraste" usw. zu stören.

    :applaus: Genau so ist es!!

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Zitat von "Heimdall"

    Ich finde zwei Aspekte daran bemerkenswert:

    1. Es existiert bei den Menschen das Bedürfnis nach Kleinteiligkeit und Altstadt-Gassen-Gemütlichkeit. Die Geschäftswelt macht sich dies hier zu nutze, bedient es, obwohl sie in der Realität gerade die gegenläufige Entwicklung fördert - hin zu Monostrukturen, zu kultureller Angleichung, zu Automatisierung, zu Modernisierung (fit für Konsum) usw.
    Diese putzigen Einkaufscenter sind insofern eine optische Täuschung. Sie spiegeln Kleinteiligkeit, kulturelle Einbettung vor, wo in realitas das Gegenteil läuft.

    2. Das Schweigen der Architekten und Anti-Reko-Brüller. Hier nun könnten sie sich endlich richtig über "Disneyland" auslassen, doch sie bleiben bemerkenswert ruhig. Ganz anders, als wenn jemand in einer Stadt ein originales Fachwerkhaus rekonstruieren möchte. Dieses Verhalten ist verdächtig.

    Warum? Sie alle stecken drin im internationalistischen System, sind Teil desselben, sind von ihm verblendet oder profitieren kurzfristig davon. Sie alle sind mit dabei auf dem Zug in Richtung einer kulturlosen "Weltgesellschaft", die nur noch geschichtslose "Menschen" und "Konsumenten" sehen will. Die netten Einkaufscenter stehen dem Trend nicht wirklich entgegen, sie wirken einfach nur kompatibel für die zurückgebliebenen Massen, die eben noch nicht ganz so weit für den großen Sprung in die Hypermoderne sind. Sie dienen nur als behutsamer Schritt. Eine echte rekonstruierte Altstadt aber wäre ein Rückschritt, würde sie den Menschen doch erneut vermitteln, daß es noch eine andere, eine eigene Kultur und Geschichte gibt. Und dass man Entwicklungen rückgängig machen kann. Das aber gilt es, so gut dies möglich ist, zu verhindern bzw. durch "Brüche", "Kontraste" usw. zu stören.

    Ein weiterer bemerkenswerter Beitrag von Dir. Du triffst es mal wieder auf dem Punkt. :applaus:

    ...

  • Die modernistische Architektenschaft fordert eben gezielt die Bereiche für sich ein, die die Jahrhunderte hindurch die größte Bedeutung innehatten und wo die breiteste öffentliche Wirkung erzielt werden kann, d. h. die innersten Stadtkerne. In die übrigen Gebiete sekundärer Bedeutung müssen dagegen weniger Energien gesteckt werden. Anders lässt sich ein solches Schweigen bei derartigen Projekten auf der grünen Wiese nicht erklären.

    "Interessant" ist auch, dass eine relativ kleinteilige Bebauung den Zielen der Projektentwickler hier offenbar nicht im Wege steht, während in den Innenstädten oftmals auf Kosten bestehender Altbauten große Center errichtet werden mussten und müssen.

    "Meistens belehrt uns der Verlust über den Wert der Dinge."
    Arthur Schopenhauer

  • IMO weniger ein Problem der -stetig fluktuierenden- kapitalistischen Nutzungsverhältnisse, sondern des außerordentlich bewußten Veränderungs- und Verletzungswillens der Architektenschaft. Ein kurzer Gang durch die Kernstadt v. Erfurt, was mit miesesten Betonwürfeln derzeit ähnlich geschunden wird wie Heidelberg in den Siebzigern, läßt den Betrachter an die unheilvollen Launen charakterschwacher Feudalherren denken.

    Man schämt sich für diesen Berufsstand.

    Nein, die werden gedünstet

  • Zitat von "Wissmut"

    Ein kurzer Gang durch die Kernstadt v. Erfurt, was mit miesesten Betonwürfeln derzeit ähnlich geschunden wird wie Heidelberg in den Siebzigern


    Da ich schon ähnliches in Weimar beobachtet habe, würde ich Dir sehr dankbar sein, wenn Du das nächste mal in EF bist, einige Dinger mal abzulichten. Würde mich sehr interessieren.

  • In Dortmund macht die ECE ebenfalls kurzen Prozess mit Altbauten:

    http://www.westline.de/nachrichten/ar…4&jahrgang=2009

    Das angesprochene Gebäude ist eines von 3 noch bestehenden Vorkriegsgebäuden im westlichsten Teil des Westenhellweges. Ich fand eine Entkernung schon skandalös. Stattdessen jetzt Komplettabriss und Neubau. Hinter dem Gebäude stehen neben der Thier-Brauerei auch noch 2 schlichte Gründerzeitler, die ebenfalls abgerissen werden für ein Einkaufszentrum, dass hier niemand braucht. Echt schade, dass ausgerechnet ECE nicht von der Wirtschaftskrise ausgeknockt wurde.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Die erst 2002 wieder hergestellte Fassade soll also abgerissen werden, um sie dann wieder neu herzurichten... Und hier schreit natürlich kein Anti-Reko-Vertreter etwas von Kosten und Geldern, die an anderer Stelle fehlen.

  • Wenigstens wird hier die Fassade originalgetreu wiederhergestellt, in Stuttgart ( Hotel Silber) wird ja nichtmal das gemacht.

    Daß so ein prächtiges Gebäude wie das Berlet-Haus ausgerechnet im weitgehend "modern" geprägten Dortmund nicht unter
    Denkmalschutz gestellt wird, will mir nicht in den Kopf.

    In dubio pro reko

  • Zitat

    Wenigstens wird hier die Fassade originalgetreu wiederhergestellt, in Stuttgart ( Hotel Silber) wird ja nichtmal das gemacht.

    Ist es denn schon sicher, daß das Hotel Silber in Stuttgart abgerissen wird? Es handelt sich doch um das Gebäude nahe dem Schillerplatz?

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Zitat von "Booni"

    Ich fand eine Entkernung schon skandalös.


    Deshalb steht das Berlet oder Brinkmann Kaufhaus ja auch nicht unter Denkmalschutz! :zwinkern:

    Zitat von "Booni"

    ein Einkaufszentrum, dass hier niemand braucht


    Der gesammte Westenhellweg und überhaupt die Dortmunder Innenstadt ist doch ein einziges EKZ!

    Zitat von "Booni"

    Echt schade, dass ausgerechnet ECE nicht von der Wirtschaftskrise ausgeknockt wurde.


    Diese Bauten sind doch nur die "Totengräber" eines Konsumsystems, welches nicht mehr lange existieren wird. Es wird jetzt noch gebaut, was das die Städte hergeben. In der Biologie gibt es ein ähnliches Phänomen, die "Panikblüte": Kurz vor dem Exitus, wird noch einmal alle Energie in eine üppige Blütenpracht gesteckt, um so viele Nachkommen wie möglich zu erzeugen. Dies wiederum verbraucht die letzten Reserven aus dem Baum, sodaß er abstirbt.

    Mehr zum Thema:
    http://www.derwesten.de/nachrichten/st…386/detail.html
    DAF Strang mit einigen Visualisierungen:
    http://www.deutsches-architektur-forum.de/forum/showthread.php?t=6739&page=4

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Zitat

    Daß so ein prächtiges Gebäude wie das Berlet-Haus ausgerechnet im weitgehend "modern" geprägten Dortmund nicht unter
    Denkmalschutz gestellt wird, will mir nicht in den Kopf.

    An dem Berlet-Haus scheinen nur noch die Säulen original aus der Vorkriegszeit zu sein. Ansonsten ist die Fassade 2002 neu errichtet worden, das Innere stammt wahrscheinlich ebenso aus der Nachkriegszeit. Da ist es verständlich, dass es nicht unter Denkmalschutz steht. Ich nehme an, dass diese Säulen wieder an den jetzigen Neubau drankommen.


    Aedificium, es gibt sicher gute Gründe, gegen Shopping Malls zu sein, aber ständig aus der Luft gegriffene Untergangsprophezeihungen sind auf Dauer auch ermüdend.

  • Oh es tut mir sehr Leid, mit kritischen Gedanken zu langweilen... :zwinkern:

    Der drastische Anstieg neuer EKZ z.B. im Ruhrgebiet, hat sicherlich nichts damit zu tun, dass die Kauf- und Wirtschaftskraft hier besonders hoch ist. Im Gegenteil werden hier große EKZs mit nicht einmal 10 km Abstand voneinander gebaut. Das mag in anderen Regionen anders sein, aber hier entwickelt es sich so. Welchen anderen Grund könnte es für ein solches Phänomen geben, außer dem Abschöpfen letzter Wirtschaftsreserven?
    Ich für meinen Teil finde es logisch und nachvollziehbar, dass die EKZ-Dichte evtl. auch etwas mit dem zukünftigen Wirtschafts-und Gesellschaftswandelwandel zu tun haben könnte.
    Für andere Erklärungsmodelle, dass ausgerechnet in Zeiten von Wirtschafts- und Finanzkriesen, vom Erreichen der maximalen Ölfördermenge, usw. auffallend viele gleichartige EKZ gebaut werden, bin ich durchaus offen.

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Zitat

    Daß so ein prächtiges Gebäude wie das Berlet-Haus ausgerechnet im weitgehend "modern" geprägten Dortmund nicht unter Denkmalschutz gestellt wird, will mir nicht in den Kopf.

    An dem Berlet-Haus scheinen nur noch die Säulen original aus der Vorkriegszeit zu sein. Ansonsten ist die Fassade 2002 neu errichtet worden, das Innere stammt wahrscheinlich ebenso aus der Nachkriegszeit. Da ist es verständlich, dass es nicht unter Denkmalschutz steht. Ich nehme an, dass diese Säulen wieder an den jetzigen Neubau drankommen.


    Über den Abriss des Berlet-Hauses bin ich entsetzt. Ich lese es jetzt zum ersten Mal. Ich sollte mal den ziemlich umfangreichen Artikel aus der Zeitschrift Westfalen vom ehemaligen Landeskonservator Eberhard Grunsky (Münster) aus den 80er Jahren auszugsweise hier einstellen.

    Das Gebäude ist eines der wenigen verhältnismäßig gut erhaltenen Kaufhausbauten Westfalens. Die Fassaden sind bis jetzt komplett erhalten und entsprechen bis auf das EG dem Originalzustand, auch der Dachabschluß). Die Frontfassade zum Westenhellweg war in den 50er (oder 30er?) Jahren mit Natursteinplatten verkleidet worden. Die Schmalseite war immer sichtbar geblieben und hatte den Zierrat erstaunlicher Weise bewahrt, zuletzt dunkelgrau wie im Osten. Als das Kaufhaus Brinkmann 2002 auszog und Berlet einzog, wurde die jüngere vorgehängte Natursteinfassade abgenommen. (Das habe ich selbst gesehen.) Aufgrund der ganzen Schäden durch die Fassadenbefestigung usw. musste die Fassade Westenhellweg größtenteils neu profiliert werden, was man auch gut ausgeführt hat.
    Das Erdgeschoss wurde nicht rekonstruiert. Trotzdem war diese Kaufhaussanierung 2002 der einzige denkmalpflegerische Lichtblick der letzten Jahre in der Dortmunder Innenstadt. Unglaublich, dass das jetzt alles zu Nichte gemacht wird.

    Und wenn ich die Artikel richtig gelesen habe, ist das Hauptargument für den kompletten Abriss, dass man nicht 2 Jahre lang eine Stahlkonstruktion auf dem Westenhellweg stehen haben will, an der die Fassade hängen bleibt. Unglaublich kleinlich,solche Argumente. [lexicon='Leipzig'][/lexicon] hat es beim Karstadt-Neubau einfach so gemacht und im Gegenzug eines der schönen Karstadt-Häuser erhalten, die ich kenne.
    Dass das Berlet-Haus kein Baudenkmal ist, kann ich nicht glauben. Das haben die Beteiligten bestimmt einvernehmlich aus der Denkmalliste gelöscht.

    Kann jemand noch mal schöne Fotos machen, bevor es weggerissen wird? Booni, du vielleicht?

  • Hab z.Z. leider keine Digitalkamera zur Verfügung....

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)