Berlin - Parochialkirche

  • Pünktlich zum Januar wird es mit dem Innenausbau der Kirche losgehen bzw. mit dem, was man Innenausbau nennt. Der innenausbau hat mit der Turmerrichtung nichts zu tun. Es sind zwei verschiedene Projekte. Der Verein Denkmal an Berlin ist hier außen vor. Es ist übrigens auf ein Votum des Landesdenkmalamtes zurückzuführen, dass das Deckengewölbe nicht geschlossen wird und der offene Dachstuhl sichtbar bleibt. (!)


    von der ursprünglichen Deckenbemalung gibt es nur eine brauchbare Aufnahme, auch in West-Ost Richtung:

    sowas kann man heute nicht mehr rekonstruieren, aber den historische Raumkörper wieder herzustellen, wäre ein leichtes gewesen.

  • Ob ein Landesdenkmalamt auch mal klar denken kann? Daran mag man allenthalben zweifeln. Jeder unverbildete (um nicht zu sagen unverblödete) Mensch, der mit einem klaren Menschenverstand begabt und ganz bei Trost ist, wird anhand der alten Fotos doch unschwer erkennen können, wie schön und harmonisch dieses Gotteshaus im Inneren einstmals war.

    Selbst wenn es im Inneren der Kirche nur Schablonenmalereien auf den Mauern bzw. auf dem Verputz bzw. auf den Gewölben gewesen sein sollten, so ergaben dieser Verputz und diese Malereien dennoch ein in sich stimmiges und einer Kirche würdiges Bild. Wie armselig hingegen kommt einem dagegen doch der ganz rohe und unvollendete Jetztzustand vor. Mir erscheint, wie wohl den allermeisten Betrachtern diese derzeitige Situation, mit dem offenen Dachstuhl, doch noch viel, viel weniger zu sein, als ein Rohbau, das ist in der Tat doch ärmlich und erbärmlich. Es muss jedem Besucher, der zuerst die Barockfassade mit dem schönen, wieder erstandenen Turm gesehen, und sich daran erfreut hat, sobald er die Kirche in dem elenden Jetzt-Zustand des Inneren betritt, geradezu wie ein Schlag ins Gesicht vorkommen.

    Warum nur, um Gottes Willen, mutet man diese "kalte Dusche" den Besuchern und den Mitgliedern der Kirchengemeinde zu.? Sind es die verbohrten Grundsätze eines Georg Dehio? Das darf doch über 70 Jahre nach der Zerstörung im II. Weltkrieg nicht wahr sein. In welchem verrückten Land leben wir nur?

    4 Mal editiert, zuletzt von Villa1895 (27. Dezember 2016 um 23:55)

  • Eine Schande. Anders kann man das nicht nennen...

    Zum Thema "sowas kann man heute nicht mehr rekonstruieren" verweise ich auf das Amtsgericht in Berlin-Weißensee:

    Amtsgericht Pankow/Weißensee

    Amtsgericht Pankow/Weißensee

    "Die Qualität städtischen Bauens resultiert aus einer Generationen währenden, kollektiven Leistung." Hans Kollhoff

  • @Chalco
    ....man kann heute alles rekonstruieren. Das war mißverständlich ausgedrückt. Wenn man aber nur eine einzige Fotoaufnahme als Grundlage hat, die noch dazu nur ein Viertel des Innenraums abbildet, dann kann man die Deckenbemalung vielleicht "so ungefähr", aber nicht original rekonstruieren. Dass der Innenraum vor dem Krieg schöner war, ist ja nun unstrittig. Es gibt vom Umbau 1885, also dem letzten Zustand, keine Pläne und Vorlagen mehr. Von dem ursprünglich barocken Innenraum existiert natürlich erst Recht keine Überlieferung, der erste Umbau 1837 galt mit seinen Emporen und Einbauten damals wie heute als völlig mißlungen.

    Der Verlust der fehlenden Pläne und Vorlagen hatte natürlich keinen Einfluß für die Entscheidung, den Innenraum mehr oder weniger als Ruine zu belassen. Was übrigens eine Entscheidung und ausdrücklicher Wunsch der Kirchengemeinde selbst ist und nicht alleine ein Diktum des LDA. Das macht es aber auch nicht besser.

    Man hätte zumindest den historischen Innenraumkörper mit seinem zentralen Gewölbe wiederherstellen können.

    Letztlich hat die Kirchengemeinde gar kein Interesse an einem Innenausbau, der über das Notwendige, sprich den Einbau einer Heizung, hinausgeht. Die Kirche wird zukünftig für die Kunstschätze der Landeskirche als Dauerausstellungsort genutzt.

  • Ob ein Landesdenkmalamt auch mal klar denken kann?

    Ja, manchmal möchte man den "Denkmalpflegern" wirklich zurufen: "Denkt mal!!!". :kopfwand:

    Letztlich hat die Kirchengemeinde gar kein Interesse an einem Innenausbau, der über das Notwendige, sprich den Einbau einer Heizung, hinausgeht.

    Apropos Heizung: Hat man sich wirklich Gedanken darüber gemacht, wie teuer es wird, den gesamten riesigen offenen Dachraum mitheizen zu müssen? Das wäre ein Fass ohne Boden, zumal das Dach auf dem Foto nicht gedämmt zu sein scheint. Ich möchte auch nicht wissen, was eine Dämmung dieser enorm großen Dachfläche kosten und wie merkwürdig/unschön das dann von unten aussehen würde. :gehtsnoch:

    Die Wiederherstellung des Gewölbes erscheint mir hier in jeder Hinsicht - optisch wie ökonomisch - die einzig vernünftige Lösung zu sein.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Na wenigstens ist ein Entwurf gewählt worden, der am wenigsten die Bauruine verunstaltet und eher würdig damit umgeht. Damit ist nix verbaut und zu späterer Zeit kann ja noch eingewölbt werden. Aber was mich interessiert:
    die dargestellte Orgel wird ein Neubau!?? Sieht nach italienischer Orgellandschaft als Vorbild aus! Cocceji weißt Du was über den Orgelneubau!?

  • Für sowas brauchts einen Wettbewerb? An der Kirche selbst wird nach dem "Entwurf" von Kuehn Malvezzi doch nichts weiter gemacht, außer den restlichen Putz von der Wand zu kloppen. Schönen Dank für gar nichts.

  • Qualitativ alles andere als gut, aber als kleinen Eindruck stelle ich diese nächtlichen Fernschüsse einfach mal ein.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Kurzes update zum Stand der Arbeiten an der Kirche:


    Der Baubeginn der "Innenraumgestaltung" verzögert sich, weil es tatsächlich (!) Probleme gibt, das Raumklima in den Griff zu bekommen bei offenem Dachstuhl. Die Architekten arbeiten intensiv an dem Thema...

    Beim Turm gehen die Arbeiten außen eher gemächlich voran, im Innern ist die Wendeltreppe aus Stahl fertig.

    Gegenwärtig wird das Glockenspiel automatisch bespielt, viermal am Tag erklingt ein Choral. Die Steuerungszentrale befindet sich unter dem Glockenhäuschen. Ob und wann auch eine manuelle Bespielung durch einen Glockenisten erfolgen wird, ist noch offen. Solche Dinge scheitern gerne an der fehlenden Finazierung.

  • Letztlich hat die Kirchengemeinde gar kein Interesse an einem Innenausbau, der über das Notwendige, sprich den Einbau einer Heizung, hinausgeht.

    Das hat sicherlich auch finanzielle Gründe, oder?
    Wie fast überall in Berlin wird auch diese Kirchengemeinde von den Mitgliederzahlen mehr zum Senfkorn.

    Nur etwas weniger "Baustellen-Atmosphäre" wäre schon schön; auch etliche Besucher werden regelmäßig nach dem Betreten enttäuscht sein.
    Man könnte doch wenigstens an einer Stelle eine Rekonstruktion beginnen. Auch um die Unterschiede aufzuzeigen - sonst ist man doch allerorten auch so wild auf "spannende Brüche".

  • Nein. Die Entscheidung, den Innenausbau mit seinem historischen Bruch vorzunehmen, also quasi Ruinendenkmalpflege zu betreiben, hat nicht allein mit den Kosten zu tun. Denn die jetzt angestrebte Lösung kostet ja auch Geld, und das nicht zu knapp. Finanziert wird ein Großteil wieder mit Lottomitteln.

    Die Gemeinde favorisiert im Prinzip schon die jetzige Lösung. Sie denkt aber nicht so dogmatisch wie die Verteter des LDA.

    Wie schon früher geschrieben, hat beim Thema "Parochial" das LDA seine Hand drauf und der jetzige Landeskonservator und seine Baudenkamlpflege findet den "Bruch" eben ganz toll. Das heißt aber nicht, dass generell alle Denkmalpfleger diese Haltung einnehmen.


    Zum Beispiel war der vor einigen Jahren stellvertretende Landeskonservator ein Freund von Rekonstruktionen und hat seinerzeit ( 2002) in der Funktion als Leiters der Gartendenkmalpflege die Sanierung und Wiederherstellung der Mausoleen und des Kirchhofes an der Kirche vorangetrieben. Diese Lösungen waren interssanterweise damals im LDA selbst ein Streitpunkt, weil es vielen, in erster Linie der Baudenkmalpflege, zu "schick" aussah und auch die Gemeinde hat sich vehement dagegen gewehrt.


    Ich stelle hier mal zwei Aufnahmen rein. Viel Geld ist damals in die Rekonstruktion geflossen, doch leider ist der beeindruckende Innenraum der Öffentlichkeit nicht zugänglich, noch nicht mal zum Tag des offenen Denkmals. Das ist sehr bedauerlich, weil es ein in der Berliner Sepulkralgeschichte einmaliger Bau ist , der nicht zuletzt mit öffentlichen Geldern finanziert wurde.



  • Apropos Heizung: Hat man sich wirklich Gedanken darüber gemacht, wie teuer es wird, den gesamten riesigen offenen Dachraum mitheizen zu müssen?

    Der Baubeginn der "Innenraumgestaltung" verzögert sich, weil es tatsächlich (!) Probleme gibt, das Raumklima in den Griff zu bekommen bei offenem Dachstuhl. Die Architekten arbeiten intensiv an dem Thema...

    Ich fasse es nicht. Wieso fällt mir als Laien ohne viel Ahnung von dem Projekt so etwas sofort ein, wenn ich lese, was die vorhaben, aber die mit der Planung befassten Architekten/"Fachleute" merken erst beim Baubeginn, dass es da wohl ein Problem gibt? Das lässt mich wirklich am gesunden Menschenverstand einiger dieser Zunft zweifeln. :kopfwand:

    Und nicht, dass man dann auf die naheliegendste Lösung kommt und einfach das Gewölbe wieder einbaut - nein, der Bruch-Entwurf muss mit allen Mitteln durchgedrückt werden und mit irgendeiner - wahrscheinlich kostenintensiven Verschlimmbesserung umgesetzt werden, die vielleicht auch noch hohe Kosten nach sich ziehen wird, da der Dachraum immer mitgeheizt werden muss, sofern man keine wie auch immer geartete Decke einbaut. :kopfschuetteln:

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • 'Cocceji' hat es ja angedeutet: Jörg Haspel ist der Gralshüter der Zerstörungserinnerung - ein Konservator in konsequenter Wortdeutung.

    Cocceji:
    Inwieweit kann Haspel denn Entscheidungen durchdrücken, welche Gremien im LDA könnten denn noch "ein Wörtchen mitreden"? Oder liegt es daran, dass Haspel die volle Rückendeckung der Senatsverwaltung hat und aufgrunddessen eine quasi doppelt starke Stellung? Das frage ich, weil ich die Entscheidungsstrukturen selbst noch nie so richtig analysiert habe.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • @Vulgow

    Faktisch gibt es im Landesdenkmalamt keine höhere Instanz als Haspel. Er ist der oberste Denkmalpfleger Berlins. Die Referate Bau-, Boden- und Gartendenkmalpflege sind ihm unterstellt und personell nicht mit Köpfen besetzt, die eine Diskussionskultur pflegen, auch nicht ansatzweise. Er hat eine Art Richtlinienkompetenz, bei relevanten Projekten wie Parochialkirche, Klosterkirche etc. gibt er die Linie vor.