Plattenbau - Gegenstand der Kunstgeschichte und der Denkmalpflege

  • Die heiligen drei Könige oder Großväterchen Frost - je nach dem, wen ihr lieber habt :D : - haben euch heute ein kleines Geschenk mitgebracht. Ein neues Thema :lachen: :

    Peter Richter: Der Plattenbau als Krisengebiet. Die architektonische und politische Transformation industriell errichteter Wohngebäude aus der DDR am Beispiel der Stadt Leinefelde. Dissertation Uni Hamburg 2006 (PDF; 28 MB)
    http://www.sub.uni-hamburg.de/opus/volltexte…41/pdf/Text.pdf
    Über den Autor: http://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Richter_(Schriftsteller)

    Viel Spaß beim Studieren und Diskutieren!

  • Ja, danke für den Text. Es ist richtig, der Strukturwandel ermöglicht es gerade den Leuten in den östlichen Bundesländern, ihre Wohnformen freier zu wählen. Raumangebot ist ja genügend da. Daß manche Plattenbauten, wenn man sie entflechtet und in eine Grünlandschaft einbettet, erträglich für die Mieter sein mögen, kann natürlich sein. Das Argument vom Hochbau als ökologische Vision hingegen ist ein altes, zum Beispiel schon in den 90ern von den "Grünen" vertreten. Klar, je mehr Menschen man aufeinander türmt, umso weniger Fläche in der Breite wird versiegelt. Doch diese Rechnung ist sehr zweifelhaft, denn sie berücksichtigt weder den Aufwand in der Bewirtschaftung hoher Bauten, noch die teils problematische Lebenssituation der Menschen (Verlust von Nachbarschaftserfahrung, Verlust von "Erdbezug", dadurch auch Verlust nachhaltigen ökologischen Bewußtseins, Qualitätsabfall öffentlich bewirtschafteten Grüns gegenüber privat bewirtschaftetem Grün, z.B. hinsichtlich Pflanzenvielfalt usw. usf.). Nun ja, solche Diskussionen sind müßig. Ich gebe der traditionellen Platte schlicht keine Zukunft (vorausgesetzt die Entwicklung nimmt keine apokalyptischen Züge an, da kann man mit Blick auf Ceuta oder Lampedusa natürlich keinesfalls sicher sein), und hier geht es schließlich vor allem um die Gestaltung der Zukunft.

  • Auch wenn es in diesem Beitrag nicht ganz so offensichtlich wird und er daher nur als Beispiel für weitere Beiträge herhalten muss, aber die ständige Zuordnung von architektonischen Vorlieben zu bestimmten Parteien und damit einhergehend der Versuch, die Ziele des Forums einer politischen Strömung zuzuschreiben sowie die Freunde traditioneller Architektur zu politisieren, macht dieses Forum nicht gerade lesbarer, vor allem aber kann sie aufgrund der Pauschalisierung auch nicht richtig sein. Gerade in Bayern waren die "Grünen" um Dieter Wieland, Gerhard Polt (--> "Heimatabend", 1985), etc. lange Zeit die einzigen Freunde und Bewahrer von traditionellen dörflichen Strukturen und ästhetischem Bauen, während "konservative" Kräfte aufgrund der bedeutenderen Regierungsverantwortung so ziemlich für sämtliche Bayern-Plattenbauten und verschandelten Ortsbilder verantwortlich sind. Und selbst wenn der Hochbau ökologisch sein sollte, was er - wie hier richtig gezeigt - nicht ist, so haben die "Grünen" wohl die allerwenigsten Fälle davon zu verantworten. Auch verstehe ich den Zusammenhang von verstärkter ("apokalyptischer") Einwanderung und der Notwendigkeit von Plattenbauten nicht ganz, abgesehen davon, dass die innerdeutsche Wanderung (hautpsächlich wiederum Richtung Bayern, so ein Zufall) die schlimmsten architektonischen Zeugnisse unserer Zeit ganz ohne das Zutun von Ausländern produziert.

  • Ja, ja, in Bayern ist die Welt in Ordnung...

    Vor einigen Jahren erzählte ein heute hoch positionierter "Grüner" einer Freundin von mir, daß er für Hochhauswohnungsbau (primär für Migranten) eintrete, um Wohnraum zu schaffen und zugleich möglichst wenige Flächen zu versiegeln. Das sei dann ökologisch, mehr interessiere ihn auch an Naturschutz nicht.

    Dieses Programm deckt sich mit einer Meldung, die Silvester 1990 durch die deutsche Presselandschaft geisterte. Die von den "Grünen" gerne hofierte Arbeitsgemeinschaft "Pro Asyl" forderte darin das "größte Wohnraumbeschaffungsprogramm aller Zeiten" (O-Ton) in Deutschland, um Migranten aufzunehmen. In der ersten Phase sollten 250.000 Wohneinheiten geschaffen werden, während des 1. Golfkriegs war eine Verdoppelung derselben für flüchtende Araber geplant. (Man kann sich ausmalen, daß dabei an keine barockisierende Architektur gedacht worden ist.)

    Und hier auch noch ein paar andere Links zu der Debatte:
    http://www.sportarena-allmend.ch/fileadmin/download/08_02_06_Federer.pdf
    http://www.welt.de/welt_print/article2233756/Wenn_der_Wolkenkratzer_zur_oekologischen_Wunderwaffe_wird.html
    http://www.sueddeutsche.de/muenchen/913/365732/text/

    Mehr wollte ich zu dem Quatsch auch gar nicht verlieren. Ich hatte nämlich eigentlich nur aus reiner Freundlichkeit geantwortet, weil "LE Mon hist." keinerlei Reaktion auf seine Mühe bekommen hatte. Auf "jodas" Bayerntalk kann ich dabei aber verzichten.

    2 Mal editiert, zuletzt von Heimdall (11. April 2011 um 18:46)

  • Als Nicht-Bayer und Nicht-Grünen-Wähler habe ich sowohl Partei als auch Bundesland genannt, welche das plakativste Beispiel zur Gegenargumentation darstellen. Auch wenn du darauf keine Lust hast, so wird die pauschale Stigmatisierung von Parteien wegen angeblicher Architekturverbrechen auch nicht richtiger.

  • Du scheinst Dich am Wörtchen "den" aufzuhängen. Dann streich´ das halt. Ich habe ja auch nicht von "allen Grünen" geschrieben. Insofern war nie eine Pauschalisierung beabsichtigt und gemeint. Wir haben bei unserer Frankfurter Altstadt-Initiative einen "Grünen" sitzen, der natürlich nicht für Plattenbau/Wohnhochhauskomplexe eintritt. Sonst wäre er bei der Hurra-Technisches-Rathaus-Fraktion. Gleichwohl besitzt der beschriebene Gedankengang innerhalb der "Grünen" durchaus seine Anhängerschaft.
    Ein wenig Abstrahierungsgabe kann man aber doch wohl voraussetzen, oder?

  • Eine sehr interessante und vielschichtige Seite über den Plattenbau:
    https://www.jeder-qm-du.de

    Die Seite behandelt die Geschichte des Plattenbaus, stellt die verschiedenen Plattenbautypen vor, ihre Veränderbarkeit, Experimente, Plattenmöbel etc. . Das interessanteste Menü ist "Über die Platte". Eine witzige Seite daraus verlinke ich direkt:
    https://www.jeder-qm-du.de/ueber-die-plat…te-unter-strom/

    Das Glanzlicht ist aber der prollige Hausmeister Rolf, der zeigt, wie man ein Bohrloch in eine Platte bohrt... (zu finden unter "Platten-TV"). Muss man denn Angst haben, dass eine Platte wie ein Kartenhaus zusammenfällt, soblad man unsachgemäss eine Bohrmaschine ansetzt?

    Einen sehr interessanten Filmbeitrag über die weiterentwickelten und variierenden Platten in der Altstadt Halle verlinkte ich dort direkt:
    Halle (Saale)

  • "Moskaus Plattenbauviertel"...jedes Plattenbaugebiet ist haesslich. Das in Dresden wie in Warszawa oder Moskau. Die Verkoerperung der Unkultur des Menschen oder so.

  • "Moskaus Plattenbauviertel"...jedes Plattenbaugebiet ist haesslich. Das in Dresden wie in Warszawa oder Moskau. Die Verkoerperung der Unkultur des Menschen oder so.

    Angesichts unserer heutigen Baukultur sehe ich keinerlei Anlaß, in so besonderem Maße auf Plattenbauten herabzusehen...

  • Nun, architektonisch ja, aber die heutigen Kästen haben halt das "Glück" neu zu sein. In 20, 30 Jahren haben sie dann natürlich auch den Wert einer Platte aus den 70er und 80er Jahren.

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.

    Einmal editiert, zuletzt von Fusajiro (11. Juni 2017 um 09:14)

  • Die Splanemann-Siedlung im Berliner Ortsteil Friedrichsfelde-Süd aus den 1920ern wird hier als erste Plattenbau-Siedlung benannt:

    https://www.berliner-woche.de/friedrichsfeld…ngsbaus_a198046

    Splanemann-Siedlung 13 22 47 750000

    Marsupium, CC0, via Wikimedia Commons

    Splanemann-Siedlung 13 23 20 735000

    Marsupium, CC0, via Wikimedia Commons

    Tatsächlich attraktive, wohnlich wirkende Häuslein. Wäre man mal bei diesem Heimatstil im menschlichen Format geblieben...