Eigene (utopische) Architekturentwürfe

  • Das ist finde ich gerade in Düren eine gute Idee. Im Moment muss ich von der Uni her einen städtebaulichen Entwurf in Düren machen und mir in diesem Zuge auch die Stadt etwas genauer angucken. Es ist doch wirklich nur noch an sehr wenigen Orten etwas von der Geschichte der Stadt zu sehen und zu spüren. Außerdem scheint der "Wiederaufbaustolz" dort so stark ausgeprägt zu sein, dass (zumindest für mich) kaum Bestrebungen zur Stadtbildverbesserung erkennbar waren.

  • Hallo, ich möchte euch ein paar Bilder zeigen bei denen ich versucht habe alte, nicht mehr existierende Gebäude zu rekonstruieren und in aktuelle Stadtbilder zu retuschieren.

    Wow, ein sehr anspruchsvolles Ergebnis. Welches 3D-Programm benutzt Du denn zum erstellen und rendern ?

    Architektur ist nichts anderes als die Formensprache einer Kultur. Entweder sie lebt, oder sie ist tot.

  • Hallo,

    vor einigen Jahren habe ich diesen Thread mal gestartet und nun per Zufall wieder entdeckt. Schön, dass er immer noch lebt und scheinbar ich nicht der einzige bin, der gerne in historischen Architektursprachen schwelgt. Mittlerweile entwerfe ich viel in Inkscape. Hier nun meine neueste Kreation. Schade, dass wir in einer Welt leben, in der so etwas nicht möglich zu sein scheint. Ist das nicht armseelig?


  • :applaus: :applaus: :applaus:


    Ein wundervoller Entwurf! Durch und durch harmonisch, und dennoch ein gutes Dutzend teils sehr verschiedener Stile interpretiert (was natürlich wiederum nur meinen Eindruck darstellt).

    Um es aufzulisten:

    Das römische Schema der Anordnung der Säulenordnungen,
    Die Florentiner Frührenaissance (oder die Backsteinrenaissance des Ostseegebiets?) in Form der rundbögigen Biforen,
    die mitteldeutschen spätgotischen Vorhangbogenfenster, im 1. Stock sogar in Kombination mit der niederrheinischen gotischen Bifore (die Kombination aus Bifore und Rundfenster, siehe etwa das Kölner Overstolzenhaus),
    der Volutengiebel (tendenziell italienische Renaissance),
    Der Rundbogen als Giebelbekrönung (venezianisch?, Scuola di San Marco, Santa Maria dei Miracoli).


    Einzig das Erdgeschoss hätte ich etwas höher gestaltet, aber das fällt bei der großartigen Gesamtwirkung der Fassade auch kaum auf  :zwinkern:


    :thumbup:

  • Danke für Deine Wertschätzung. Es gibt natürlich Gründe, weswegen das Sockelgeschoss nicht so hoch ist. Deine Kritik fußt auf dem orthodoxen Prinzip der italienischen Renaissance, nachdem sich Geschosse nach oben hin stets zu verjüngen haben. Da es sich aber nicht um italienische Renaissance handeln soll, sehe ich mich nicht daran gebunden. Vergleiche hierzu auch das Sockelgeschoss des Antwerpener Rathauses. Durch ein höheres Sockelgeschoss wäre der Stil deutlich "aristokratischer", was einem Bürgerhaus nicht angemessen ist.

    Es gibt aber auch noch einen ästhetischen Grund. Der Raum zwischen den Fenstern im Erdgeschoss muss deutlich breiter sein, als die Breite der Pilaster, sonst würde das Ganze "instabil" aussehen. Würde man dann aber das Sockelgeschoss höher machen, dann würden die Fenster sehr schmal werden, was auch unharmonisch aussähe bei einem Entwurf, der insgesamt doch als Hochrenaissance anzusehen ist.

    Zu den rundbogigen Biforien: Vergleiche auch das Erdgeschoss des Ludwigsbaus des Heidelberger Schlosses sowie den Palazzo Vendramin in Venedig. Die Rheinischen Biforen kannte ich gar nicht. Danke für den Hinweis!

    Der Entwurf ist No. 40 eines noch in Entstehung begriffenen Zykluses "Ansichten von Lebrin". Er bedient sich einer Pseudohistorie, nach dem Motto "Wie hätte eine ideale deutsche Renaissance aussehen können, wenn es im 16. Jahrhundert schon das Internet gegeben hätte?".

  • Ich hätte aber schon Bedenken, wegen dieser "meissnerischen' Vorhänge in den beiden OGs. Dieses allzusehr gotisierende Rudiment stellt mE einen gewissen Fremdkörper dar.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Das gibt es doch in der Renaissance nördlich der Alpen öfters. Gotische Kreuzstockfenster in der französischen und niederländischen Renaissance etc.

  • Auf Mündeners Anregung habe ich den Entwurf noch einmal überarbeitet. Ich habe die Proportionen der untersten beiden Stockwerke leicht verändert. Wer findet's? Auch der Giebel ist leicht verändert.

  • Boah, sehr beeindruckend! :applaus: Besonders der Giebel mit dem reichen Maßwerk - wahnsinnig schön.

    Mir kommt allerdings die Geschosshöhe unrealistisch vor. Ich glaube nicht, dass man in einem Bürgerhaus der Zeit so hohe Stockwerke gebaut hätte - oder das Haus ist extrem schmal. Dass sich derart reiche Bauherren auf so einer Parzelle ein solches Haus errichten ließen, ist aber ebenfalls sehr unwahrscheinlich. Und das Erdgeschoss hätte nie so ausgesehen ;)

  • @ Steinbloß:
    Mir geht es nicht um Realismus. Sondern darum in einer existierenden Formensprache kreativ zu sein. Schau Dir mal Häuser am Grote Markt in Brüssel oder Antwerpen an. Die sind auch
    sehr schmal. In Brüssel gibt es sogar ein Haus, das nur zwei Achsen breit ist.

  • Ja, manchmal mache ich das so, hauptsächlich um kein Portal entwerfen zu müssen. Meine Ausrede ist dann immer, es ist ein Eckhaus und der Eingang ist an der Seite. Vielleicht nicht sehr realistisch...

  • Vorschlag zur Ergänzung und Rekonstruktion des Kreuzganges der Kirche St. Maria im Kapitol zu Köln. Das Erdgeschoß ist teilweise (noch) existent - zwei der vier Flügel wurden im letzten Kriege zerstört. Hier dargestellt ist eine Rekonstruktion des eigentlichen Kreuzganges nach originalem Vorbild und die Aufstockung ebenfalls im (Neo-)Romanischen Stil.

  • Schlicht genial!
    Die Aufstockungen stammen von dir?

    Form is Function.

    "Fürchte nicht, unmodern gescholten zu werden. Veränderungen der alten Bauweise sind nur dann erlaubt, wenn sie eine Verbesserung bedeuten, sonst aber bleibe beim Alten. Denn die Wahrheit, und sei sie hunderte von Jahren alt, hat mit uns mehr Zusammenhang als die Lüge, die neben uns schreitet."

    Adolf Loos (Ja, genau der.)

  • Tausend Dank! Das geht runter wie Öl! ;)
    Ja, die oberen Geschosse sind ein eigener Entwurf, ebenso wie das Glasdach. Letzteres - durchaus ein modernes Element - soll symbolisieren, daß nicht jede Form spezifisch kontemporärer Architektur Murks ist. Aber ich hoffe, es fügt sich harmonisch und unaufdringlich in das Gesamtbild ein.

    Weiteres folgt die Tage sukzessive...