Eigene (utopische) Architekturentwürfe

  • Meine Tante Lotte aus Basel selig, hätte wahrscheinlich dazu gesagt: "Das isch ja schuuurig schön". Die Zeichnung hat etwas, was mich an E. T. A. Hoffmann, den Gespenster Hoffmann erinnert. Sehr gut gelungen jedenfalls. Liebe Kaoru, du bist offenbar künstlerisch begabt.

  • Sehr gut gelungen jedenfalls. Liebe Kaoru, du bist offenbar künstlerisch begabt.

    Ach dankesehr :):blumen:. Doch es ist ausbaufähig. Ich bin künstlerisch vollkommene Autodidaktin (das bisschen, was man im Kunstunterricht an technischen Fertigkeiten mitbekommt, hilft einem auch nicht lange weiter) doch ich denke ich werde mal einen Abendkurs im Zeichnen belegen, einfach, dass einem die technischen Grenzen nicht so Enge kreative Grenzen in der Umsetzung bilden. Vorallem muss ich viel üben. Ich habe in meinem Leben keine 30 Bilder fertigbekommen (diese Skizzen mitgezählt, aber auch ein paar Großformatige Ölbilder). Ich müsste so viel mehr malen und zeichnen, doch woher die Zeit stehlen?

    Hier, das ist mein technisch bestes Bild, aber auch mein unkreativstes, weil es eine Replik ist. Bei mir ist es 1,20 breit. Zwei Jahre hat es gebraucht, bis ichs fertig hatte.

    Na, wer kennt das Original? Meins ist keine 100% Kopie, auf die Unterschiede können wir gerne noch zu sprechen kommen, der Mamorblock ist bei mir in echt grün, da ist das Bild hier nicht farbecht.

  • "Tausend Jahre sind ein Tag" Zweiter Brief des Petrus an Udo Jürgens

    Da habe ich mal vor drei Jahren auf einem kleinen Stück Schmierpapier in Postkartengröße eine harmlose, kleine architektonische Studie zur dorischen Architektur vor mich hingekritzelt, während einer Vorlesung, die natürlich nichts damit zu tun hatte. [...]

    So "utopisch" ist die Zeichnung gar nicht.

    Sie ist wundervoll und erinnert mich sogar stark an eine Grabstätte am Friedhof Friedrichshain:


    Bild von mir

  • So "utopisch" ist die Zeichnung gar nicht.

    Ein Friedrich Gilly, Boullée oder Ledoux ist es nicht, da hast du recht. Aber es gibt nur diesen einen Strang für Architekturentwürfe und "utopisch" ist ja auch in Klammern gesetzt. (Retro)-Dystopisch würde bei Ruinenbildern besser passen, also als romantisch oder aufklärerisch verklärter Blick auf die Vergangenheit.

  • Die Grobgliederung der Fassade, insbesondere das Verhältnis des Dreiecksgiebels zur Attika, hat eine gewisse Ähnlichkeit zur Hauptfassade des Petersdoms. vor allem wenn man die beiden unteren Geschosse weglässt.

  • Ein schöner Entwurf. Wenn ich Dir, lieber xharlekin , einige Tipps geben darf, ohne Dich zu verärgern:

    Das Thermenfenster im ersten Geschoss wirkt sehr unbarock, zumal die beiden Pfeiler die Brüstung überschneiden, statt auf ihr zu stehen.

    Dann hätte ein barocker Architekt vermutlich die Bandrustika für die gesamte dorische Ordnung verwendet, um die beiden Untersgeschosse als einen einheitlichen Sockel zu gestalten. Das hätte auch die dorischen Pilaster optisch entlastet, die - eigentlich regelwidrig - eine Ordnung tragen, die höher ist als sie selbst (bei einer zweigschossigen Rustika könnte man sagen, dass die kompositen Pilaster nicht auf den dorischen Pilastern stehen, sondern auf der Wandmasse des Sockels, dem die dorischen Pilaster nur vorgeblendet sind). Freilich müssten die beiden Untergeschosse dann leicht überstehen, so dass die imaginäre Wandkante mit den den kompositen Schäften fluchtet.

    Bei einer Bandrustika fände ich es übrigens schöner, auf aufwändige Fensterrahmen zu verzichten. Die Fenster der klassischen Bandrustika wirken eher wie ausgespart (Alberti spricht von negativen Öffnungen) als wie bewusst gesetzt (positive Fenster). Auch ist das Erdgschoss nach der Attika das rangniedrigste Stockwerk, deshalb sollte es besonders wenig Schmuck haben.

    Dem Attikageschoss würde ich, weil der obere Abschluss m. E. zu fragil wirkt (er ist ja in gewisser Weise auch Abschluss der gesamten Fassade) eine reguläre Balustrade verpassen.


    Vor allem aber würde ich den Mittelrisalit verbreitern. Er wirkt zu schmal. Ich würde das machen, indem ich seinen beiden Seitentravéen eine normale Breite gebe, mit regulären Fenstern (die schmalen Rundbogenfenster wirken ohnehin etwas unmotiviert und in sich zu eng). Bei einem breiteren Risalit würde die Giebelspitze auch bündig gegen das Abschlussgesims der Attika stoßen.

    Ferner wirkt der syrische Bogen in der Beletage etwas unstimmig. Wodurch wird die rosettenartige Lünette gestützt? Sind die Säulen für die Auflast nicht zu fragil? Wie verhalten sich Fries und Kranzgesims zur Gliederung darunter?

    Und last not least würde ich die Attikafenster nicht unmittelbar gegen das komposite Kranzgesims und das oberste Abschlussgesims stoßen lassen. Dahinter befinden sich ja Räume mit Decken/Gebölben, die Platz brauchen. Und man will Fenster auch nicht im Innern auf Kniehöhe beginnen lassen. Selbst die nach oben abgeschrägten Fensterstürze des vierten Geschosses sollten nicht gegen die Unterkante des kompositen Gebälks stoßen. Ihr Abschrägung dient der Ableitung von Regenwasser, was so keinen Sinn ergibt. Auch ist es eher unbarock, die Postamente der kompositen Pilaster nicht mit einem Gurtband zu verbinden, sondern die Fenster (gleichsam als französische Fenster) bis zum dorischen Kranzgesims zu verlängern.

    Aber das sind nur kleine Vorschläge, die dem Entwurf etwas von seinem eklektischen Charakter nehmen sollen. Insgesamt birgt der Entwurf sehr viele schöne Details und wirkt sehr anmutig.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Die Grobgliederung der Fassade, insbesondere das Verhältnis des Dreiecksgiebels zur Attika, hat eine gewisse Ähnlichkeit zur Hauptfassade des Petersdoms. vor allem wenn man die beiden unteren Geschosse weglässt.

    @Kaoru: Ich bin doch etwas enttäuscht. Normalerweise Siehst Du ja alles! Hier gibt es eine wesentliche Quelle , nämlich Leonhard Christoph Sturm. Mehrere Details sind aus seinen Architekturillustrationen entlehnt. Insbesondere hier, hier und hier.

  • xharlekin mit welcher Software erstellen Sie diese Entwürfe?

    Affinity Designer. Und für kurvierte Verzerrungen greife ich auch auf Inkscape zurück. Das kann Affinity noch nicht. Aber Affinity ist insgesamt performanter. Bei Inkscape gibt es bei großen Graphiken Probleme.

  • Zitat

    Ein schöner Entwurf. Wenn ich Dir, lieber xharlekin , einige Tipps geben darf, ohne Dich zu verärgern:

    Danke für Deine ausführliche Stilkritik. Ich glaube aber, ich kann sie widerlegen. Denn Du kennst ja die Prämissen des Entwurfes nicht. Es handelt sich um einen Teil des Zyklus "Ansichten von Lebrin, Teil 3", eine auf ca. 120 Entwürfe angelegte Serie frühneuzeitlicher bürgerlicher Wohnbaukunst. Die Lebrinische Architekturgeschichte hat Besonderheiten, welche sich in der historischen Architektur nicht finden lassen. Aber der Reihe nach...

    Zitat

    Das Thermenfenster im ersten Geschoss wirkt sehr unbarock, zumal die beiden Pfeiler die Brüstung überschneiden, statt auf ihr zu stehen.

    Thermenfenster sind im Barock zwar hauptsächlich in der Sakralbaukunst eingesetzt, doch war die Überschreitung der Genre-Grenzen im Barock durchaus nicht unüblich, siehe Kuppel für das Schloss Charlottenburg. Tatsächlich findet sich bei der Villa Pisani von Palladio ein Thermenfenster. Also wäre es im Barock durchaus nicht unmöglich gewesen.

    In der Lebrinschen Baukunst gibt es in der Tat mehrere Beispiele für Thermenfenster in der Profanbaukunst. Es entspricht also der lokalen Tradition. Und auch die Stützelemente, welche die Brüstung überschneiden sind Lebrin'scher Natur. Der eklektizistische EIndruck der Lebrinschen Barockbaukunst ist mithin dadurch zu erklären, dass es hier eine sehr starke Tradition der Architketur des 16. Jahrhunderts gibt, die sich im 17. Jahrhundert ohne Bruch fortsetzt. Damit sind so manche "archaischen Elemente" zu erklären.

    Zitat

    Dann hätte ein barocker Architekt vermutlich die Bandrustika für die gesamte dorische Ordnung verwendet, um die beiden Untersgeschosse als einen einheitlichen Sockel zu gestalten.

    Nicht zwingend. Beim Berliner Schloss ist auch nur für das unterste Geschoss Bandrustika angedeutet. Auch hier gibt es in Lebrin mehrere Beispiele.

    Zitat

    Das hätte auch die dorischen Pilaster optisch entlastet, die - eigentlich regelwidrig - eine Ordnung tragen, die höher ist als sie selbst (bei einer zweigschossigen Rustika könnte man sagen, dass die kompositen Pilaster nicht auf den dorischen Pilastern stehen, sondern auf der Wandmasse des Sockels, dem die dorischen Pilaster nur vorgeblendet sind). Freilich müssten die beiden Untergeschosse dann leicht überstehen, so dass die imaginäre Wandkante mit den den kompositen Schäften fluchtet.

    Das ist ein Problem bei nordischem barocken Klassizismus, dass die regelkonforme Verjüngung der Geschosshöhen bei gleichzeitiger Bewahrung des gerüstartigen Charakters von Pilaster und Gebälk zu Konflikten führt. Drum gibt es beim Amsterdamer Rathaus auch nur eine minimale Verjüngung der Geschosshöhe zwischen den beiden Kolosalpilasterreihen.

    Zitat

    Bei einer Bandrustika fände ich es übrigens schöner, auf aufwändige Fensterrahmen zu verzichten.

    habe ich zitiert.

    Zitat

    Auch ist das Erdgschoss nach der Attika das rangniedrigste Stockwerk, deshalb sollte es besonders wenig Schmuck haben.

    Die soziologische Prämisse ist, dass es keine Baukunst für eine feudale Gesellschaft ist. Also keine Mezzaningeschosse. Es sind alle Geschosse wesentlich gleichrangiger als bei klassischer fürstlicher Baukunst.

    Zitat

    Dem Attikageschoss würde ich, weil der obere Abschluss m. E. zu fragil wirkt (er ist ja in gewisser Weise auch Abschluss der gesamten Fassade) eine reguläre Balustrade verpassen.

    Wäre mir zu sehr "Versailles". Die gewählte Lösung lässt sich auch in einer Lebrin nahestehenden Stadt nachweisen.

    Zitat

    Vor allem aber würde ich den Mittelrisalit verbreitern. Er wirkt zu schmal. Ich würde das machen, indem ich seinen beiden Seitentravéen eine normale Breite gebe, mit regulären Fenstern (die schmalen Rundbogenfenster wirken ohnehin etwas unmotiviert und in sich zu eng). Bei einem breiteren Risalit würde die Giebelspitze auch bündig gegen das Abschlussgesims der Attika stoßen.

    Hier greifen die lokalen Lebriner Traditionen.

    Zitat

    Und last not least würde ich die Attikafenster nicht unmittelbar gegen das komposite Kranzgesims und das oberste Abschlussgesims stoßen lassen. Dahinter befinden sich ja Räume mit Decken/Gebölben, die Platz brauchen.

    Es ist bürgerliche Baukunst. Hinter der Fassade sind also keine Pallast-Innenräume zu erwarten.

    Zitat

    Selbst die nach oben abgeschrägten Fensterstürze des vierten Geschosses sollten nicht gegen die Unterkante des kompositen Gebälks stoßen. Ihr Abschrägung dient der Ableitung von Regenwasser, was so keinen Sinn ergibt.

    Lässt sich so aber so nachweisen.

    Zitat

    Auch ist es eher unbarock, die Postamente der kompositen Pilaster nicht mit einem Gurtband zu verbinden, sondern die Fenster (gleichsam als französische Fenster) bis zum dorischen Kranzgesims zu verlängern.

    Ist ein Problem bei der Verwendung von Kolosalordnungen. Es handelt sich wie gesagt um keinen Palast, deswegen ist nicht mit hohen Gewölben zu rechnen. Und Kolosalgesims plus Postament ist in der Regel zu hoch.

    Zitat

    Aber das sind nur kleine Vorschläge, die dem Entwurf etwas von seinem eklektischen Charakter nehmen sollen. Insgesamt birgt der Entwurf sehr viele schöne Details und wirkt sehr anmutig.

    "Eklektisch " nach den Maßstäben des historischen Barocks. Das sind aber nicht meine Maßstäbe. Es geht mir nicht um Nostalgie. Innovation ist erlaubt.

  • Um zu präzisieren, was ich meinte, einige Repliken.

    "Thermenfenster sind im Barock zwar hauptsächlich in der Sakralbaukunst eingesetzt, doch war die Überschreitung der Genre-Grenzen im Barock durchaus nicht unüblich, siehe Kuppel für das Schloss Charlottenburg. Tatsächlich findet sich bei der Villa Pisani von Palladio ein Thermenfenster. Also wäre es im Barock durchaus nicht unmöglich gewesen."

    Natürlich gibt es im Barock Thermenfenster und das Problem ist auch nicht die Überschreitung der Genregrenzen. Aber ich kenne kein Beispiel für Thermenfenster in der EG-Zone, da Thermenfenster in die Gewölbezone, genauer in Tonnen- oder halbrunde Kreuzgratgewölbe gehören: So bei den römischen Thermen und auch in der Villa Pisani (die übrigens nicht barock ist). Dein EG kann aber kein Gewölbe haben, dagegen spricht die Höhe der angrenzenden Fenster. Ferner bleibt das Problem der Stützen, welche die Brüstung überschneiden.

    "Nicht zwingend. Beim Berliner Schloss ist auch nur für das unterste Geschoss Bandrustika angedeutet. Auch hier gibt es in Lebrin mehrere Beispiele."

    Beim Berliner Schloss ist die Sockelzone eingeschossig. Du hast sie aber zweigeschossig gemacht, indem Du eine kolossale Dorica verwendet hast.

    "Es ist bürgerliche Baukunst. Hinter der Fassade sind also keine Pallast-Innenräume zu erwarten."

    Ändert m. E. nichts an den funktionsfähigen Raum-bzw. Fensterhöhen.

    "Lässt sich so aber so nachweisen."
    Eine Sturm'sche Eigentümlichkeit. Sturm war bisweilen auch recht kompilatorisch.

    "Ist ein Problem bei der Verwendung von Kolosalordnungen. Es handelt sich wie gesagt um keinen Palast, deswegen ist nicht mit hohen Gewölben zu rechnen. Und Kolosalgesims plus Postament ist in der Regel zu hoch."

    Ich meinte nicht, die Kolossalordnungen samt Postamenten auf ein zusätzliches Gurtgesims zu stellen, sondern die Postamente miteinander zu verbinden.

    Davon abgesehen wollte ich lediglich einige fachliche Hinweise geben. Natürlich seien den Lebrinern ihr eigener Stil und ihre lokalen Traditionen unbenommen.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Ich finde so eine Art architektonischen Sängerwettstreit höchst anredend. Drum schreibe ich ja auch immer so eine Art Herausforderung unter meine Entwürfe.

  • Gut, einen Hinweis sollte ich vielleicht schon geben, zumal die stilistische Einordnung nicht ganz einfach ist und heute nur noch wenig mittelalterliche Substanz existiert (Der Chor der Kirche, Kernsubstanz des Langhauses, drei Joche Kreuzgang und ein Gewölbekeller).

    Die Befestigungsanlagen wurden als Reaktion auf eine Brandschatzung durch die Hussiten errichtet.

  • Nein, Sázava / Sasau ist es nicht, wiewohl dieses Kloster auch einstmals befestigt war. Aber eine komplette Burg gab es dort nicht. Zudem ist der heutige Zustand des Langhauses der Kirche in Sázava auch der Mittelalterliche; man hat das Langhaus nie vollendet (aller Wahrscheinlichkeit nach aufgrund der Plünderung(en) durch die Hussiten. Dabei erging es Sázava (und auch dem von mir gezeichneten Kloster) recht glimpflich; die Klostergebäude blieben weitgehend intakt. Andere Klöster wie etwa Skalitz wurden von den Hussiten nahezu komplett zerstört.

    Ein weiterer Tipp: In Böhmen ist es nicht.