Budapest - Rekonstruktion des Finanzministeriums

  • Ob man sich da ein Gefallen getan hat, indem man dem Reflex ("unattraktiver Bau aus der kommunistische Zeit => muss weg!") nachgegeben hat, bezweifle ich sehr stark. Ich kann den Reflex zwar sehr gut verstehen, aber in dem Fall wäre eine Sanierung in meinen Augen taktisch klüger gewesen. Das alte Gebäude war keine ganz so schlechte Architektur, kein modernistischer Augenkrebs. Es hatte eine geschlämmte Ziegelfassade, die durchaus handwerklich wirkte. Zusätzlich ein historisch anmutendes Dach, dass sich nahtlos in die Nachbarschaft einfügte. Auch die Gestaltung der Fassade in seiner leicht "gotisierend-expressiven" Ästhetik war in meinen Augen - wenn auch außergewöhnlich - so doch im großen Ganzen nicht schlecht proportioniert und rythmisiert.

    Freilich, in seinem letzten Zustand war es absolut keine Augenweide mehr, aber mit generalsanierter, vielleicht dezent farbig geschlämmter Fassade (z.B. den Eckgebäudeteil in sehr hellem Gelb, den rechten Bauteil weiterhin in einem gebrochenen Weiß), neuen, evtl etwas leicht anders proportionierten/geteilten hochwertigen (Holz-)Fenstern, neuer Eingangstür, vielleicht einer leicht modifizierten Situation von Übergang Fassade - Dach und einem Entfernen der hässlichen Glasgauben zum Szentháromság tér hin und natürlich der Markisen, hätte das Gebäude durchaus einiges Potential gehabt. Innen war es soweit ich weiß sowieso ein Stahlbetongerippe, dass man komplett neu ausbauen hätte können.

    Was man jetzt bekommt: Wenn man sich die Visualisierungen anschaut, sieht man ein glänzendes metallenes (oder bedrucktes Glas?) Dach, welches der Bedeutung der Parzelle völlig unangemessen ist und somit reinster Show-Effekt. Früher waren das Bürgerhäuser und was soll es in Zukunft darstellen? Die Fenster sind tote, ungeteilte Löcher die von Kupfer eingefasst werden, das womöglich behandelt wird, um den normalerweise nur anfänglichen Kupferglanz für immer zu behalten. Es wird also immer herausstechen, obwohl es nicht der Mittelpunkt des Platzes ist. Präpotentes, freches auftreten, wo doch "nur" ein dezenter Rahmen für den Platz notwendig gewesen wäre. Der Neubau versucht visuell in Konkurrenz mit der gegenüberliegenden Matthiaskirche oder dem Finanzministerium zu treten, ohne je an deren Bedeutung auch nur annähernd heranzureichen.

    Außerdem wird, wenn ich das richtig interpretiere, die zukünftig Fassade aus Sichtbeton-Fertigteilen zusammengesetzt. Also glatte, statische, von jeglichen Unregelmäßigkeiten befreite, künstlich wirkende Module.

    Um dem letzten Betrachter klarzumachen, dass es sich auch wirklich um keine historischen Fassaden handelt, werden zwischen den Platten auch noch die Fugen besonders inszeniert und unregelmäßig auf der Fassade verteilt, sodass das Bild, das sie darstellen will, völlig dekonstruiert wird - Effekthascherei in bester modernistischer Manier. Das alles zusammen wird schlecht altern.

    Eine einfache Rekonstruktion, die ja durchaus zu begrüßen gewesen wäre, reichte den Verantwortlichen nicht - womöglich war ihnen das zu wenig, gar zu bescheiden.

    Mit dem Neubau ist weder etwas für den Platz, noch für die Baukultur, und schon gleich gar nicht für die Rekonstruktionsbewegung gewonnen - ganz im Gegenteil, hier wird die historische Form für modernistische Spielereien missbraucht.

    Ein zweiter wichtiger Punkt: Ähnlich wie auch in Potsdam ist im Zuge des Abrisses nun eine viel größere politische Debatte in Budapest daraus entstanden, ob man die Gebäude aus der Zeit des Kommunismus nicht besser schützen sollte. Womöglich muss man auch vor diesem Hintergrund die mögliche Unterschutzstellung des Hilton Hotels sehen. Weitere werden bestimmt folgen und ich prognostiziere mal, dass da auch noch weitaus hässlichere, störendere Bauten dabei sein werden. Evtl. hätte man das vermeiden können, wenn man gerade so ein ästhetisch etwas höherwertiges Gebäude wie das ehem. Burghotel erhalten und sich auf die wirklichen Architektursünden des Kommunismus beschränkt hätte.

    Anders als noch vor drei Jahren sitzt jetzt außerdem an der Spitze der Stadt kein Fidesz Politiker mehr, sondern ein Sozialist, was durchaus bereits zu opponierenden Entscheidungen geführt hat.

  • Um dem letzten Betrachter klarzumachen, dass es sich auch wirklich um keine historischen Fassaden handelt, werden zwischen den Platten auch noch die Fugen besonders inszeniert und unregelmäßig auf der Fassade verteilt, sodass das Bild, das sie darstellen will, völlig dekonstruiert wird - Effekthascherei in bester modernistischer Manier. Das alles zusammen wird schlecht altern.

    Eine einfache Rekonstruktion, die ja durchaus zu begrüßen gewesen wäre, reichte den Verantwortlichen nicht - womöglich war ihnen das zu wenig, gar zu bescheiden.

    Mit dem Neubau ist weder etwas für den Platz, noch für die Baukultur, und schon gleich gar nicht für die Rekonstruktionsbewegung gewonnen - ganz im Gegenteil, hier wird die historische Form für modernistische Spielereien missbraucht.

    Ein zweiter wichtiger Punkt: Ähnlich wie auch in Potsdam ist im Zuge des Abrisses nun eine viel größere politische Debatte in Budapest daraus entstanden, ob man die Gebäude aus der Zeit des Kommunismus nicht besser schützen sollte. Womöglich muss man auch vor diesem Hintergrund die mögliche Unterschutzstellung des Hilton Hotels sehen. Weitere werden bestimmt folgen und ich prognostiziere mal, dass da auch noch weitaus hässlichere, störendere Bauten dabei sein werden. Evtl. hätte man das vermeiden können, wenn man gerade so ein ästhetisch etwas höherwertiges Gebäude wie das ehem. Burghotel erhalten und sich auf die wirklichen Architektursünden des Kommunismus beschränkt hätte.

    Anders als noch vor drei Jahren sitzt jetzt außerdem an der Spitze der Stadt kein Fidesz Politiker mehr, sondern ein Sozialist, was durchaus bereits zu opponierenden Entscheidungen geführt hat.

    Lieber thommystyle,

    vielen Dank für Ihre Meinung. Ich denke, dass Sie es gut mit diesem Satz zusammengefasst haben: "Man kann sich vorstellen, wie schön die Aussicht auf diesem letzten Foto sein wird, wenn die Bauarbeiten abgeschlossen sind."

    Ich habe trotzdem das Gefühl, dass das Dach auf dem Rendering mehr ein Platzhalter ist als alles andere. In den letzten Jahren haben wir bei Rekonstruktionen in Budapest schon eine Reihe von Fällen gesehen, bei denen das Rendering viel "moderner" oder zumindest weniger detailliert war als das Endprodukt.

    Ich habe versucht, mehr Informationen über das Material/Muster des Daches für dieses Projekt zu finden, war aber nicht erfolgreich. Es würde mich sehr interessieren, ob andere mehr Informationen über die endgültigen Pläne dieses Projekts herausfinden können.

    Selbst wenn das Dach so gebaut werden sollte, wie es abgebildet ist, scheint der Glanz auf dem Rendering stark übertrieben.

    Ich bedaure, dass das, was früher einmal da war, nicht originalgetreu wiederaufgebaut wird. Für das Hotel Burg bedauere ich das allerdings nicht. Es war wirklich ein ziemlich hässliches Gebäude. Selbst wenn es in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt worden wäre, bin ich mir nicht sicher, welchen wirklichen Wert es gehabt hätte (und das wäre eine teure Restaurierung gewesen; es gibt Fotos von der Innenausstattung, und die war wirklich miserabel). Das gesagt, bin ich überhaupt kein Kenner in Sachen Baukunst!

    Ihr zweiter Punkt ist interessant. Ich stimme zu, dass bestimmte Gebäude aus der kommunistischen Zeit erhaltenswert sind. Ich glaube jedoch nicht, dass eine vorauseilende Besserbehandlung der guten kommunistischen Gebäude bei den politischen Gegnern des Wiederaufbaus in Ungarn auf Gegenliebe stoßen würde. Ich denke, das setzt viel zu viel guten Willen auf Seiten der Sozialisten voraus. Soweit ich das beurteilen kann, ist die politische Lage in Ungarn so, dass sich die politische Opposition dadurch definiert, dass sie für das ist, wogegen Fidesz ist. Solange die Fidesz-Politiker den Wiederaufbau vorantreiben, reicht das schon aus, um den Wiederaufbau ins Fadenkreuz der Opposition zu rücken.

    Ich glaube auch nicht, dass dieses Paradigma auf Ungarn beschränkt ist.

    Mein größter Kritikpunkt am Wiederaufbauboom ist bei weitem die Baumaterialien. Stahlbeton könnte im Vergleich zu traditionellem Ziegelstein usw. genauso gut eine provisorische Konstruktion sein. Diese neuen Gebäude haben ein fast unausweichliches Verfallsdatum in ihren Knochen gebaut.

  • Mein größter Kritikpunkt am Wiederaufbauboom ist bei weitem die Baumaterialien. Stahlbeton könnte im Vergleich zu traditionellem Ziegelstein usw. genauso gut eine provisorische Konstruktion sein. Diese neuen Gebäude haben ein fast unausweichliches Verfallsdatum in ihren Knochen gebaut.

    Ich hoffe doch sehr, dass dem nicht so ist. Ein guter Stahlbetonbau kann schließlich auch sehr haltbar sein. Und sind nicht zumindest außen auch mehrere Schichten Ziegel aufgebracht? Womöglich kann man später die Kerne dieser Bauten wieder mit Ziegeln aufmauern.

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    erweckt gewisse Assoziationen zu einer bestimmten Wiener Kirche:

    Kirche Maria am Gestade (2) | 1. Bezirk | Bilder aus Wien | Bilder im ...

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Man muss aber auch sagen, dass die ursprüngliche Wiederaufbauleistung keine Üble war

    und sich ins gotische Burgviertel exzellent eingefügt hat:

    Burgviertel Buda in Budapest, Ungarn | Franks Travelbox

    Wahrscheinlich werde ich Alt-Buda bei meinem irgendwann fälligen Besuch nicht mehr wiedererkennen.

    Ich nehme an, die etwas skurrilen Glashäuser aus dem "fortschrittlichen sozialistischen Wiederaufbau hat man schon beseitigt? Andererseits kann ich mich an diese Ungestümer rechts nicht erinnern:


    48854-buda7-png

    War da früher ein Park?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Man muss aber auch sagen, dass die ursprüngliche Wiederaufbauleistung keine Üble war

    und sich ins gotische Burgviertel exzellent eingefügt hat:

    In der Tat war der Wiederaufbau (oder Umbau?) überhaupt nicht schlecht. Wenn mir jemand gesagt hätte, das ist ein original gotisches Gebäude, eine gotische Halle, ich hätte nicht daran gezweifelt. Beim der ursprünglichen Gestaltung und der (im Vergleich zum ursprünglichen G. jetzt leicht modifizierten) Gestaltung der Rekonstruktion sieht man auf dem ersten Blick, dass es aus dem 19. Jh ist. Nichtsdestotrotz ist die Rekonstruktion absolut begrüßenswert.

  • An diesem Tag vor 77 Jahren begann die Belagerung von Budapest, die letzte große Schlacht vor dem Fall Berlins: 105 Tage dauerte die Belagerung. Während der Belagerung blieben rund 70 % der Wohnungen der Hauptstadt bewohnbar, die restlichen 30 % wurden zerstört oder beschädigt, und mehr als 100.000 Menschen starben während der Kämpfe. Auch die architektonischen Werte der Hauptstadt blieben nicht verschont: Sämtliche Donaubrücken wurden gesprengt, das einst berühmte Burgviertel fast vollständig zerstört.

    Auf der anderen Seite des Platzes erscheint die Fassade des beschädigten Finanzministeriums:

  • Es ist wichtig hinzuzufügen. Das Innere jedes zu rekonstruierenden Gebäudes wird wiedergeboren. :)

    Wenn sich jemand für diese Innenräume interessiert, stelle ich sie gerne vor.

    Im Zuge der Sanierung des Finanzministeriums werden auch die ehemaligen Prachträume des Gebäudes wiederhergestellt.

    Hier sind die vom Projekt betroffenen Räume markiert:

    Festsaal:

    Sitzungssaal:

    Ministeriale Empfangshalle:

    Ministerialer Wartesaal:

    Kleinere ministerielle Empfangshalle:

    Die alten Räume werden in das rekonstruierte Gebäude zurückkehren!

  • Patbal,wie sah das Innere des Finanzministeriums bisher aus?

    Also die Räume,die jetzt historisch wiederhergestellt werden.

    Der vorher nachher Vergleich ist immer Interessant.

  • @Patpal

    Vielen Dank für diesen wunderbaren Strang!

    Weißt Du, ob die Gemälde die Zerstörung überlebt haben und auch wieder in die heiligen Hallen zurückkehren dürfen?

  • Patbal,wie sah das Innere des Finanzministeriums bisher aus?

    Also die Räume,die jetzt historisch wiederhergestellt werden.

    Der vorher nachher Vergleich ist immer Interessant.

    Nach dem Krieg wurde beim Wiederaufbau des Gebäudes das Innere zerschnitten und abgerissen. Nur die Lobby und die Haupttreppe blieben relativ intakt.

    Vor der dekorativen Treppe in den Jahren 1904 und 2018:

    )

    Haupttreppe vor langer Zeit und vor der Renovierung:

    Großer Saal 1905 und zu Beginn der Renovierung:

    Ministerempfangshalle in der Vergangenheit und vor dem Wiederaufbau:

    Ministerialer Wartesaal:

    Ministeriale Empfangshalle:

    Sitzungssaal:

  • @Patpal

    Vielen Dank für diesen wunderbaren Strang!

    Weißt Du, ob die Gemälde die Zerstörung überlebt haben und auch wieder in die heiligen Hallen zurückkehren dürfen?

    Wenn ich mich richtig erinnere, fanden die Forscher einige Gemälde, die sich einst in dem Gebäude befanden. Das Schicksal der anderen Artefakte ist unbekannt.

  • Danke Patbal. Da steht ja eine ganze Menge Arbeit an. Eingebaute Zwischendecken,Seitenwände, verkleinerte,versetzte und zugemauerte Türen, müssen aufwändig zurückgebaut und entfernt werden.Wann wird man die Rekonstr.Innenräume bewundern können? Was gibt es noch an orginalem Interieur oder ein Teil davon ,der zu rekonstrierenden Räume? Der Aussenbau in seiner ganzen ursprünglichen Schönheit wird ja sicher vor den Innenräumen fertig sein. Ende 2023?

  • Danke Patbal. Da steht ja eine ganze Menge Arbeit an. Eingebaute Zwischendecken,Seitenwände, verkleinerte,versetzte und zugemauerte Türen, müssen aufwändig zurückgebaut und entfernt werden.Wann wird man die Rekonstr.Innenräume bewundern können? Was gibt es noch an orginalem Interieur oder ein Teil davon ,der zu rekonstrierenden Räume? Der Aussenbau in seiner ganzen ursprünglichen Schönheit wird ja sicher vor den Innenräumen fertig sein. Ende 2023?

    Leider sind nur noch Fragmente der ursprünglichen Innenausstattung erhalten, einschließlich der alten Türen. Seit 4 Jahren läuft der Innenausbau, der die Neugestaltung und die Suche nach den Originalmöbeln beinhaltet.Ja, das Projekt soll irgendwann im Jahr 2023 abgeschlossen werden.