Berlin in alten Fotografien

  • Es ist zum heulen, wenn man immer wieder sehen muss, was Ignoranz, Dummheit und blinder Fortschrittsglaube vernichtet haben, das ist allerdings kein Berliner oder DDR-Problem. Wenn man sieht, wie auch bei "uns" so manche Altstadt kaputtsaniert wurde, beschleicht mich jedesmal geradezu ein Haß auf diese verantwortungslose Generation. Beispiele dafür, habe auch ich vor der Haustür z.B. Neustadt oder Kaiserslautern. Dass Berlin nach dem Krieg noch relativ intakte Altstadt-Straßenzüge besaß, war mir bis vor wenigen Jahren völlig unbekannt, zumal auch im Westen immer wieder die Mär von der angeblich restlosen Zerstörung Berlins im Krieg verbreitet wurde und es kaum was an Literatur über das alte Nachkriegs-(Ost-) Berlin gab.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

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    Wie hier, 21 Jahre nach Kriegende, lange nach der Enttrümmerung. Häuser in der Klosterstraße. - Um dann abzubiegen und den Pfad der Irrtümer zu beschreiten.

    http://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…a_Ostberlin.jpg

    Bittschön mehr da von, des weckt Kindheitsträume - wie schön hätte man die Lücken nach Errichtung von Sankt Walter ( Ulbrichst Protzkeule) wieder wohlgefällig schließen können :opa:

  • Hier etwas zum Durchblättern:

    http://www.irs-net.de/profil/wissens…ungen/willmann/

    Schön zu sehen, wie gut der Turm auch ohne diese Umbauung stehen kann. Nach der Enttrümmerung die Lücken schließen wäre richtig gewesen. Stattdessen wurde hier die Moderne administrativ durchgesetzt. Auch schön zu sehen auf zwei Ansichten ist der später wegen Straßenverbreiterung abgerissene Flügel des Landgerichts an der Grunerstraße. Ihn abzureißen war ein Verbrechen.

  • gerade beim Stöbern entdeckt: Auch eine sehr interessante Ansicht vom Molkenmarkt. Das Eckhaus ist das "Gasthaus zur Rippe", das 1935 abgerissen wurde


    und hier (leider auch nicht in sehr guter Qualität) die Kreuzstraße

  • Frau Schachinger lebt noch und ich werde ihr bei nächster Gelegenheit vom neu erwachten Interesse an ihrem Buch von 1969 berichten!

    Dann richten Sie ihr bitte schöne Grüße aus und sie möge es mir verzeihen, dass ich die Bilder hier veröffentlicht habe. Wenn sie oder jemand Anderes damit ein Problem hat (Copyright), dann lösche ich sie wieder. Vielleicht können Sie sie aber auch ermuntern, weitere Bilder, die sie sicherlich damals gemacht hat, hier zu zeigen. Oder hat sie ihr Bildarchiv schon an das Stadtarchiv abgetreten?

    Dem bald wieder aufgebauten Berlin stehen goldene Zeiten bevor .....

  • Man kann wohl zusammenfassen, dass das Berliner Stadtbild heute durchaus mit Hamburg zu vergleichen wäre, wenn man verantwortungsbewusster mit der Bausubstanz umgegangen wäre. aber das bringt alles nicht, weg ist weg und wird nicht wiederkommen, zumal es sich größtenteils um "wertlosen" Historismus und Spätklassizismus handelte. Wünschenswert wäre natürlich zunächst mal eine konsequente Wiederbestuckung noch vorhandener Gebäude und eine Aufwertung des, gerade in Berlin, oft vernachlässigten öffentlichen Raums. da wäre viel geholfen.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Einige weitere Bilder von Willy Pragher aus den Beständen des Staatsarchivs Freiburg.

    U-Bahnhof Stadtpark, heute Rathaus Schöneberg (U4), 1912

    Bildquelle: Wikipedia/DDB, Urheber Willy Pragher, CC BY-SA 3.0 unportiert

    Kurfürstendamm, 1940

    Bildquelle: Wikipedia/DDB, Urheber Willy Pragher, CC BY-SA 3.0 unportiert

    Hardenbergstraße, 1926

    Bildquelle: Wikipedia/DDB, Urheber Willy Pragher, CC BY-SA 3.0 unportiert

    Tauentzienstraße (vorn links das Romanische Café), 1926

    Bildquelle: Wikipedia/DDB, Urheber Willy Pragher, CC BY-SA 3.0 unportiert

    Budapester Straße, 1939

    Bildquelle: Wikipedia/DDB, Urheber Willy Pragher, CC BY-SA 3.0 unportiert

    Potsdamer Platz mit Verkehrsturm Richtung Leipziger Platz, 1927

    Bildquelle: Wikipedia/DDB, Urheber Willy Pragher, CC BY-SA 3.0 unportiert

    Potsdamer Platz Blickrichtung Süd, ca. 1920

    Bildquelle: Wikipedia/DDB, Urheber Willy Pragher, CC BY-SA 3.0 unportiert

    Potsdamer Platz vom Leipziger Platz, 1938

    Bildquelle: Wikipedia/DDB, Urheber Willy Pragher, CC BY-SA 3.0 unportiert
    Was sind das für Buden und Baracken auf dem Leipziger Platz?

    Wilhelmplatz mit U-Bahnhof Kaiserhof (heute Mohrenstraße) nach Osten, 1910

    Bildquelle: Wikipedia/DDB, Urheber Willy Pragher, CC BY-SA 3.0 unportiert

    Brücke über den Landwehrkanal mit U-Bahnhof Hallesches Tor, 1927

    Bildquelle: Wikipedia/DDB, Urheber Willy Pragher, CC BY-SA 3.0 unportiert

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Ich muss sagen, diese Nahaufnahmen von Autos mit dem urbanen Umfeld im Hintergrund haben etwas unheimlich faszinierendes und imponierendes an sich. Vermutlich, weil sie ein so bemerkenswertes Spannungsfeld erzeugen zwischen einer lebensbejahenden Moderne und den tradierten Zeugnissen der europäischen urbanen Hochkultur. Vielleicht aber auch, weil sie - obwohl von altertümlichem Charme - doch als "bewährte" Gebrauchsgegenstände eine Scharnierfunktion zwischen dem uns Bekannten und dem geradezu archaisch beeindruckenden Charakter der vergangenen Stadt vermitteln, und uns sozusagen hierdurch ein stückweit in die Bilder mit hineinnehmen. Wie dem auch sei: in jedem Falle eine bemerkenswerte Bildersammlung von euch allen.

    Form is Function.

    "Fürchte nicht, unmodern gescholten zu werden. Veränderungen der alten Bauweise sind nur dann erlaubt, wenn sie eine Verbesserung bedeuten, sonst aber bleibe beim Alten. Denn die Wahrheit, und sei sie hunderte von Jahren alt, hat mit uns mehr Zusammenhang als die Lüge, die neben uns schreitet."

    Adolf Loos (Ja, genau der.)

  • Quote

    Was sind das für Buden und Baracken auf dem Leipziger Platz?

    Ich nehme an, das ist die Baustelleneinrichtung/ -Versorgung für den Bau der Nord-Süd S-Bahn (Nordbahnhof - Friedrichstr. - Unter den Linden - Potsdamer Platz - Anhalter Bahnhof), die in diesem Bereich erst im Oktober 1939 eröffnet wurde.

    Wer zwischen Steinen baut, sollte nicht (mit) Glashäuser(n) (ent)werfen...

  • Mein Gott, was hat man nur aus dieser einst so grandiosen Weltstadt gemacht? Es ist unglaublich tragisch.

    In dubio pro reko

    Der größte Feind der Ideologie ist die Realität

    Edited once, last by reklov2708 (February 6, 2015 at 8:42 AM).

  • Man kann in der Tat die Kurfürstendamm-Architektur des Westens nicht mit der Schönhauser-Architektur des Ostens vergleichen. Die pompösen West-Paläste waren viel besser durchkomponiert als die Prachtbauten im Osten, die oft nur die üblichen konventionellen Kisten mit Stuckdekor waren. Die Wohnungen am Kurfürstendamm hatten nicht selten mehr als 10 Zimmer, mit einer Enfilade für die Herrschaft und einem "Dienstbotenflur" dahinter. So was wird im ärmeren Osten eher selten gewesen sein. Soviel ich weiß waren Charlottenburg, Wilmersdorf und Schöneberg bei den reichsten deutschen Städten ganz weit vorn. Schöneberg war auch eine der ersten Städte der Welt, die sich eine U-Bahn leistete. Ich glaube irgendwo an 10-15 Stelle glaube ich. Die war von vornherein eher ein Prestigeprojekt, was die auch heute noch eher geringe Auslastung der U4 zeigt. Dafür legte man großen wert auf die Ausstattung mit kostbaren Fliesen und Eingängen. Die Wilmersdorfer trieben es auf ihrer Linie, wie z.B dem Bahnhof Heidelberger Platz, weiter auf die Spitze.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Das Berliner Zentrum vom Tiergarten bis zum Alexanderplatz, das war die Weltstadt von Format mit den ganzen wertvollen Repräsentationsbauten, Warenhäuser, Hotels, Restaurants, Banken. Da ging einfach unglaublich viel verloren. Prenzlauer Berg ist ein Wohngebiet mit historistischer Dutzendware. Auch wenn das vielleicht zynisch klingt, aber wenn sich die baulichen Verluste auf diese Vorstädte konzentriert hätten wäre das aus architektonischer Sicht zu verschmerzen gewesen. Aber es hat ja leider im Krieg und der Nachkriegszeit, besonders bedingt durch die Teilung, ausgerechnet die Kernstadt getroffen. Diese hochurbane, weltstädtische Atmosphäre hat Berlin danach nie mehr wiedererlangt. Der Potsdamer Platz kann hierfür als Beispiel stehen, damals ein pulsierender Verkehrsknotenpunkt mit mondänen Palästen, wie eine flotte Swingnummer, heute ein zugiges, seltsam lebloses Retortenquartier mit ein paar Möchtegern-Hochhäusern und ziemlich piefigen Bürobauten. Nein, so wie damals wird das nie wieder, da kann Patzschke soviel Neoklassik bauen wie er will. Wenigstens das Herzstück dieser Stadt kehrt in Form des Schlosses zurück, das mag tröstlich sein.

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    Edited 5 times, last by reklov2708 (February 6, 2015 at 7:04 PM).

  • Wobei am Alex und Potsdamer Platz ja bereits damals schon langsam die Moderne ankam und dieser Trend hätte sich wohl ohne Krieg auch noch deutlich verschärft, wobei zweifelsohne einiges mehr heute noch in der Innenstadt gestanden hätte.

  • Wobei am Alex und Potsdamer Platz ja bereits damals schon langsam die Moderne ankam und dieser Trend hätte sich wohl ohne Krieg auch noch deutlich verschärft, wobei zweifelsohne einiges mehr heute noch in der Innenstadt gestanden hätte.


    Das versuche ich, mir auch immer wieder zu sagen. Aber ohne die flächendeckende Zerstörung der Innenstadt, wäre der "Bruch" dann doch nicht so radikal gewesen und wir wären damit peu à peu aufgewachsen. So aber ist, beflügelt durch den Sozialismus im Osten, der alles preußisch-bürgerliche und preußisch-monarchistische, was den Krieg überlebt hatte, allerhöchstens duldete, aber natürlich auch durch den Drang im Westen, mit Traditionen zu brechen, die Gunst der Stunde genutzt worden, um nach 1945 die verschiedenartigen Modelle der Bauklötzchenarchitektur durchzuspielen, ohne Rücksicht zu nehmen auf das, was noch vorhanden war.

    Für mich ist immer ein gutes Beispiel die Staatsbibliothek Unter den Linden, die um 150 bis 200 Jahre jünger ist als die Bauten des Forum Fridericianum, das aber keinen so harten Kontrast bildet, dass man davon Magenschmerzen bekommt beim Hinsehen.

    Aber so gibt es wohl immer wieder Jahrzehnte, in denen man behutsamer baut und/oder erneuert und in denen das Gesamtbild einer Straße oder eines Viertels beachtet wird und dann kommen wieder Zeiten, in denen die Architekten auf Teufel komm raus denken, sie müssten die Welt bzw. hier unser Berlin mit Schuhkartons, Glas, Beton und Stahl erschlagen, obwohl der Ort und die Umgebung es nicht hergeben.

    Entwickelte sich so z.B. nach meiner Meinung der Kurfürstendamm (und die Tauentzienstraße) in den 80er Jahren wieder zu einem weltstädtischen Boulevard, so wurden diese Bemühungen durch die Architektur des beginnenden 21.Jahrhunderts mit den alle Dimensionen sprengenden Glasriegels hinter dem Kranzler-Eck und das alles erschlagende Waldorf-Hotel zunichte gemacht. Das Zooviertel ist jedenfalls eine Gegend, in der ich mich nicht mehr wohlfühle, auch wenn ich auch einräumen will, dass das Ku'damm-Eck zu Recht verschwunden ist.

    Sicher hätten wir ohne Krieg und Zerstörung auch nicht mehr alle Gebäude der Gründerzeit, aber der Wandel wäre organischer vor sich gegangen.

  • Natürlich, es hätte in jedem Fall bauliche Veränderungen gegeben, das Columbushaus war dafür ein Beispiel. Aber ohne Krieg und Teilung wäre am Potsdamer Platz sicher das Hotel Fürstenhof erhalten geblieben, ebenso das Haus Vaterland und der Potsdamer Bahnhof, gegenüber am Leipziger Platz das Wertheim, des Weiteren die Palaisbebauung der Wilhelmstraße und Voßstraße, Kaiserhof am Wilhelmplatz, große Teile der Leipziger Straße bis hin zum Spittelmarkt, etc..

    Die Leipziger Straße bedarf eigentlich dringend eines Masterplans zur Aufwertung, immerhin stehen dort noch ein paar Leitbauten die an den einstigen Rang dieser Straße gemahnen. Hier müsste man mit hochwertiger Geschäftshausbebauung anknüpfen, so daß die Leipziger Straße wieder zur großstädtischen Einkaufsmeile wird. Leider sind die meisten Baulücken schon durch äußerst minderwertige Architektur gefüllt, die dem Ort absolut nicht gerecht wird.

    In dubio pro reko

    Der größte Feind der Ideologie ist die Realität

    Edited 3 times, last by reklov2708 (February 7, 2015 at 9:38 AM).

  • Ich denke auch, dass es zu gestalterischen Veränderungen, sogar in größerem Ausmaß gekommen wäre, allerdings wohl eher in den gründerzeitlichen Wohnvierteln - und nicht in der eigentlichen Altstadt. Berlin war eine Hochburg der Entstuckung und hat dieses Konzept ja über 50 Jahre intensiv betrieben. Insofern ist anzunehmen, dass auch ohne WK und Teilung das Stadtbild der vorletzten Jahrhundertwende nicht erhalten worden wäre.

    Außerdem waren ja schon in der Zwischenkriegszeit die so charakteristischen Dachlandschaften Berlins bedroht, da durch Aufstockungen die Zieraufbauten, Türmchen, Giebel und Attikafiguren verschwunden sind. Beispielsweise die Dresdner Bank am Bebelplatz...

    Weiß eigentlich jemand, welche ideologischen Gründe diese Abräumung von geschmückten Fassaden hatte? Im östlichen Nachkriegs-Berlin waren es sicherlich auch ökonomische Gründe, die dafür gesprochen haben, die aufwendigen Stuckfassaden mit Rauputz zu versehen; und im Westen war wohl der Wunsch, die eigene besudelte Geschichte und Bautradition hinter sich zu lassen, ein starkes movens. Aber was zum Deibel hat im Kaiserreich und der Weimarer Republik die Leute dazu verleitet?

    „Im Werk der Kunst hat sich die Wahrheit des Seienden ins Werk gesetzt.“, Martin Heidegger