Eine Stadt lebt von der Veränderung, das sollte man immer bei all der berechtigten Diskussion im Hinterkopf behalten. So wie auf dem Stich von 1730 hat doch der Platz niemals ausgesehen. Es wird hier ein Idealzustand gezeigt, der dem König Friedrich Wilhelm I. am meisten zusagte. Er war es nämlich, der die Friedrichstadt erst zu seiner Ausdehnung verholfen hat. Das folgende Bild zeigt, wie in der Friedrichstadt gebaut werden sollte, aber nie gebaut wurde. Der Kasernenstil, den sich hier der Maler Dismas Dägen vorstellte scheiterte schon an den sehr unterschiedlichen Vermögensverhältnissen der Neuansiedler, die zum größten Teil als Glaubensflüchtlingen aus Frankreich, Böhmen, Tirol nach Preußen kamen.
Etliche Häuser waren so primitiv, dass nach Zeitzeugen einiges bald wieder abgerissen werden mussten, oft standen die Häuser dem Straßenraster im Wege und wurden woanders wieder aufgebaut. Es waren ja nur Fachwerkhäuser mit einfachen aber zeitgemäßen Fassaden.
Und in den 170 folgenden Jahren hat sich ja nicht nur der Geschmack der Besitzer, sondern die gesamte Stadt verändert und neue Bedürfniss kamen auf. Man sollte Baugeschichte als einen fortwähremdem Prozess betrachten, der durch Krieg oder Naturkatastrophen radikal unterbrochen wird und dann kommen eben neue Ideen zum Zuge. Ob es uns nun passt oder nicht.
Dägen Dismas, Bauen in der Friedrichstadt, 1735:
Wie es viel wahrscheinlicher ausgesehen hat zeigen die Stiche von Rosenberg von 1780. Hier ein Blick in die Mauerstraße mit der Bethlehemkirche
Und nun einige historische Aufnahmen, zeitlich geordnet:
Belle-Alliance-Platz nach Süden, 1882:
Belle-Alliance-Platz, 1885:
Östlich vom Hallesches Tor, F. A. Schwartz, 1891:
Belle-Alliance-Platz, Postkarte, um 1895:
Der Belle-Alliance-Platz, Postkarte, um 1900:
Die Brücke über den Landwehrkanal am Halleschen Tor und der vorgelagerte Blücherplatz, um 1900:
Der Belle-Alliance-Platz, um 1900:
Belle-Alliance-Platz, 1916:
Hallesches Tor, um 1925:
Der Belle-Alliance-Platz um 1930:
Belle-Alliance-Platz, Luftaufnahme um 1935:
Belle-Alliance-Platz und Hallesches Tor, Luftaufnahme mit Ballon, vor 1940:
Der unselige Plan von Düttmann und Scharoun sollte nicht nur die ideale Autostadt schaffen, wozu man die Wilhelmstraße und Lindenstraße verlegte, sondern auch Licht , Luft und Sonne für alle bringen. Das Ergebnis heute ist ein sozialer Brennpunkt, Gründe kann sich jeder denken. Auch die Architektur ist Schuld, die den ehemals sehr großzügigen Platz, der als Exerzier- und Marktplatz diente, zu stark unklammert und, trotz der aufgeständerten Häuser des Innenrings, eine Hinterhofatmosphäre zwischen den beiden Ringen schafft. Abends ist das ganze auch noch schlecht beleuchtet und herumlungernde Jugendliche machen das ganze auch nicht heimeliger. Dazu kommt dann noch die klobige Randbebauung von Düttmann, die den ganzen Rahmen sprengt und den Platz entgültig von der Friedrichstadt abschottet.
Wenn hier nicht so viele Menschen leben würden wäre das einzige Resultat: Abriss
Mehringplatz, Luftaufnahme, 1975: