Berlin in alten Fotografien

  • Das ist wieder mal sehr interessant! Vielen Dank, Spreetunnel. Da sieht man mal wieder, dass die Fantasien, wie wundervoll Berlin heute ohne den Krieg wäre, nicht wirklich stimmen. Nicht nur das Café Kranzler, sondern auch die angrenzenden Gebäude wurden bereits vor dem Krieg radikal entstuckt. Die Zerstörung des kaiserlichen, prachtvollen Berlins begann also schon in den 20ern...

  • Nicht nur das Café Kranzler, sondern auch die angrenzenden Gebäude wurden bereits vor dem Krieg radikal entstuckt. Die Zerstörung des kaiserlichen, prachtvollen Berlins begann also schon in den 20ern...


    Sehe ich zwar auch so, aber die Wiederbestuckung wäre aber inzwischen sicher in vielen Fällen erfolgt, denn die Grundstrukturen waren ja erhalten, die Fenster wurden meist nur in der Erdgeschoßzone angepackt. Was in den Menschen vorging die derart entstuckten, schöner waren die Häuser danach ja nicht, und warum sich dieser Massenmord fast nur auf Berlin beschränkte, wird mir immer ein Rätsel bleiben.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • In der Tat, das Foto von 1932 macht schon einen ziemlich tristen Eindruck, man könnte es, vor allem mit dem Häuserblock zwischen Joachimsthaler Str. und Gedächtniskirche beinahe für ein 50er Jahre-Foto halten. Schon die Generation der Zwischenkriegszeit lebte den Furor gegen die Vätergeneration aus, und die Stadt Berlin gab ihm in besonderem Maße Zunder - sicher nicht ganz unbegründet, denn in dem irrsinnig schnell gewachsenen Berlin waren hochwertige Fassaden in der Minderheit, und es bestand wenig Kenntnis und Interesse, wenigstens den Fassaden mit weltstädtischer Ausstrahlung Bestandsschutz zu sichern.

  • Ja, wir hatten dies ja schon mal angesprochen. Auch ohne den Krieg würden die deutschen Städte heute sicher nicht mehr so aussehen, wie noch 1918.

    Ich trete hier im Forum ja immer gegen den Ruinenkult, der insbesondere im Berlin grassiert, ein, wenn ich mir aber folgendes Foto anschaue:

    muss ich sagen, dass die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche doch ein etwas fehlproportionierter Bau war. Sicher, im damaligen Ensemble durchaus adäquat, so kann ich mittlerweile mit der heutigen Ruine, auch im städtebaulichen Kontext, fast besser leben. Ich weiß auch nicht, was insbesondere in diesem Bild so komisch wirkt, aber irgendwas stimmt da insbesondere mit den Proportionen von Schiff und Turm nicht. Vermutlich sind auch die Ecktürmchen zu dominant.

    APH - am Puls der Zeit

  • In Bezug auf die Proportionen der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche anhand der Betrachtung eines Fotos aus dem Jahre 1910, als die Fototechnik zwar schon vorangeschritten war, aber längst noch viele Schwächen hatte, möchte ich dann doch mal widersprechen. Auf dem gezeigten Bild wird die Kirche in der Tat gedrungen und nicht in die Stadtlanschaft passend. Vielleicht hat der Fotograf sogar getrickst und zwei Bilder zu einem vereint (reine Vermutung!)
    Aber schaut man sich (wenn auch oder eben gerade aus anderer Perspektive und näher dran) das folgende Bild aus dem Jahre 1939 an, dann wirkt die Kirche schon sehr viel eleganter (ist natürlich auch eine Frage des individuellen Geschmacks :smile: ) und keineswegs gedrungen. Wenn man noch die damals existierende umliegende Bebauung mit in Betracht zieht, ist alles schon sehr viel stimmiger. Mir ist jedenfalls die heutige Situation ein ziemlicher Dorn im Auge.

  • Oberbaumbrücke: die 3 Gebäude im Bild passen besonders gut zu einander!! Jetzt sehe ich zum erstem Mal, wie ungeheuer gut dieses Ensemble zu einander gehörte: eine harmonische Platzbebauung. Ja die KWGK wirkt so sogleich eindrucksvoll wie schlank und Höhe des Mittelschiffes ist ganz in Ordnung. Muss herrlich gewesen sein, dort rundzuflanieren. Der Hauptturm ist also doch sehr imposant und die Seitentürme vielleicht bewusst sehr schlank gestaltet um den Hauptturm noch besser zu profilieren. Franz Schwechten: sehr schön gemacht. Das Innere war sehr farbreich und kunstreich gestaltet ....eine Walhalla für Kirchenliebhaber. Dann haben wir noch die Kirche am Südstern als Pendant im Süden und Georgenkirche im Osten (leider von der DDR demoliert). So bleibt nur eine übrig und die Reste von einem Hauptturm.......

    Frage: wurde je erwogen, die KWGK wieder aufzubauen??? Oder die anderen Bauten, wie der Gloria Palast? Standen alle beschädigt, doch noch viele Jahren da und wurden erst nach längerer Zeit doch noch abgebrochen? Wie ist diese Meinung heute?

  • @ Oberbaumbrücke

    du hast recht, ich muss mich nach Ansicht deines Bildes korrigieren. Dann wird es wahrscheinlich an der Aufnahme liegen. Im damaligen Kontext hat sie, wenn man dein Bild betrachtet, sehr gut gepasst. Heute würde sie aber wohl ziemlich verloren dastehen. Eine Diskussion über die Kirche erübrigt sich aber wohl eh, weil sie heute in ihrem Zustand nun mal zum Postkartenmotiv Nummer 1 in der City-West geworden ist und ich weiß nicht, ob sie dies auch wäre, wenn sie im Originalzustand erhalten geblieben wäre. Die modernen Zubauten sind natürlich eine Zumutung, aber auch diese werden wir wohl nie wieder los. Hoffnung kann man nur für den Platz drumherum haben, denn hier muss dringend was passieren. Mit den beiden Hochhäusern ist ein erster Schritt gemacht, das Areal des Europacenters ist der nächste Aufgabenblock, hinzu kommt der in Aussicht stehende Neubau auf dem Karstadtareal. Am wichtigsten wäre aber das Thema Sauberkeit und Stadtmöblierung. Da besteht in der ganzen City-West erheblicher Nachholbedarf!

    APH - am Puls der Zeit

  • Ich weiß auch nicht, was insbesondere in diesem Bild so komisch wirkt, aber irgendwas stimmt da insbesondere mit den Proportionen von Schiff und Turm nicht. Vermutlich sind auch die Ecktürmchen zu dominant.


    Das Vorbild für die Kirche waren auf der einen Seite sicherlich Bamberger und Naumburger Don, vielmehr jedoch das Bonner Münster:
    http://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…%C3%BCnster.jpg
    Ich glaube daher kommt die Idee mit den zu hohen Chortürmen. Schwechten war ja gebürtiger Rheinländer.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Beim Stöbern nach einem Bild im Zusammenhang mit einer Operette gerade entdeckt: der Nollendorfplatz in Blickrichtung Osten (im rechten Bildvordergrund das "Theater am Nollendorfplatz".

  • Hier noch andere Fotos vom Kurfürstendamm:

    Abschnitt vom Kurfürstendamm 23-27, noch ohne die Filmbühne Wien, um 1910:

    Kurfürstendamm 26, Filmbühne Wien, 1950:

    Kurfürstendamm 26, Filmbühne Wien, 1952:

    Kurfürstendamm 26a, Fasanenstraße 75, um 1925:

    Kurfürstendamm 26a, 1945:

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    Kurfürstendamm 27, Ecke Fasanenstraße, Weinrestaurant Kempinski, um 1930:


    http://abload.de/image.php?img=kudamm26a_1945_01_zwjrw.jpg

    Kurfürstendamm 27-30, Ecke Fasanenstraße, um 1925:

    Kudamm 214, Blick von der Ecke Uhlandstraße bis KWGK, in der Ecke links sieht man, dass sich eine Villa in den Kurfürstendamm schiebt. Es ist die Villa Mathilde, Adresse Fasanenstraße 22. Der Besitzer hatte die Villa lange vor der Anlage des Kurfürstendamms erbaut und beging Selbstmord, als man ihn zwingen wollte auszuziehen. Man fand seine Leiche, als Polizisten das Haus zur Räumung aufbrachen. Noch heute stehen in der Fasanenstraße einige wenige Villen, Foto um 1896:

    Fasanenstraße 22, Villa Mathilde, um 1880:

    Kurfürstendamm 27, Ecke Fasanenstraße, Hotel Kempinski, vor 1965:

    Die Ecke Kurfürstendamm / Uhlandstraße habe ich schon mal bei "vorher - nachher" eingestellt

    Das Haus Kurfürstendamm wurde schon vor einigen Tagen vorgestellt, hier zur Ergänzung aus anderer Perspektive:

    Kurfürstendamm 37, von Kurt Berndt, BAW Januar, 1906:

    Kurfürstendamm 37, von Kurt Berndt & A. F. M. Lange, aus BAW März, 1906:

    Kurfürstendamm 38-39, Ecke Knesebeckstraße, man erkennt gut die Telefonleitungen, die damals durch die Lüfte und z. B. an der Oranienburger Straße über eine offene Kuppel ins Innere des Telegrafenamtes geführt wurden (So eine Kuppel, sogar noch mit den Isolatoren kann man in Schwerin an der dortigen Hauptpost bewundern), um 1910:

    Kurfürstendamm 40-41, Ecke Knesebeckstr, vor 1928:

    Kurfürstendamm 40-41, Ecke Knesebeckstraße, nach "Modernisierung", um 1940:

    Kurfürstendamm 40-44, Ecke Knesebeckstraße, um 1910:

    Kurfürstendamm 45-46, Ecke Bleibtreustraße, um 1910:

    Kurfürstendamm 45, Ecke Bleibtreustraße, um 1940:

    Kurfürstendamm 51-52, Ecke Schlüterstraße, um 1900:

  • Dieses Foto zeigt die Kreuzung Warschauer Straße / Petersburger Straße mit der Großen Frankfurter Straße 1909.
    Ich vermute mal die Blickrichtung Norden, im Hintergrund dürfte sich der Baltenplatz befinden.

  • Kurfürstendamm 54-55, Ecke Wielandstraße, um 1910:


    Kurfürstendamm 56-58, Ecke Wielandstraße, 1909:


    Kurfürstendamm 59-60, Ecke Leibnizstraße, um 1910:


    Kurfürstendamm 59-60, Ecke Leibnizstraße, um 1920:


    Kurfürstendamm 61, Ecke Leibnizstraße, um 1910:


    Kurfürstendamm 66-67, Ecke Clausewitzstraße, um 1915:


    Kurfürstendamm 69, Ecke Wilmersdorfer Straße, um 1915:


    Kurfürstendamm 70, von Paul Eduard Hoppe, aus BAW August, 1913:


    Kurfürstendamm 70-74, Ecke Wilmersdorfer Straße, vor 1920:


    Kurfürstendamm 94-96, Ecke Markgraf-Albrecht-Straße, um 1915:


    Kurfürstendamm 100-102, Joachim-Friedrich-Straße, um 1905:




    Kurfürstendamm 103-104, Ecke Hektorstraße, um 1920:


    Kurfürstendamm 103-104, Ecke Karlsruher Straße, um 1907. Der vollkommen unpassende Turm rechts sieht aus wie eine amputierte Windmühle :biggrin: :


    Kurfürstendamm 106-109, Ecke Karlsruher Straße bis Katharinenstraße, um 1910:


    Kurfürstendamm 110-111, Ecke Katharinenstraße, um 1910:


    Kurfürstendamm 110, von Max Bischoff, aus BAW Februar, 1908:


    Kurfürstendamm 110, um 1925:


    Kurfürstendamm 111-115, um 1910, rechts das Haus Kurfürstendamm Ecke Westfälische Straße:

  • Danziger Straße, Blickrichtung über die Lychener Straße (Querstraße) in Richtung Prenzlauer Allee.

    «Man darf die Mehrheit nicht mit der Wahrheit verwechseln.» Jean Cocteau

  • Prenzlauer Berg
    Duncker - Ecke Raumerstraße um 1920


    Helmholtzplatz 1920, Blickrichtung Lychener Straße

    «Man darf die Mehrheit nicht mit der Wahrheit verwechseln.» Jean Cocteau

  • Prenzlauer Berg 1889
    Leichenhalle mit Sezier- und Aufbahrungsraum.
    Der Zugang für die Angehörigen zur Leichenhalle erfolgte über die im Vordergrund zu sehende Prenzlauer Allee.

    Dahinter zu sehen sind die Siechenanstalt und weiter im Hintergrund das Kaiser Wilhelm Hospital.


    «Man darf die Mehrheit nicht mit der Wahrheit verwechseln.» Jean Cocteau

  • Nach Betrachtung alter Stadtpläne um 1895 könnte es sich vielleicht um "Spindlers Hof" handeln? Unter der heutigen Adresse Wallstraße 9-13 gibt es jedenfalls immer noch ein Bauensemble dieses Namens.

    Nebenbei bemerkt. Wieder einmal zeigt uns auch dieses Foto, was wir an Schönheit der Berliner Innenstadt verloren haben. :kopfwand: :wuetenspringen:

  • Hier nochmals das Luftbild von @wissen.de mit dem Gewerbehof "Spindlers Hof" links in der Ecke:


    Dazu ein Foto auf dem die Straße "Neukölln am Wasser" (heute Märkisches Ufer) und Teile der Friedrichsgracht zu sehen sind. Im Hintergrund erkennt man den Turmaufbau des Mittelrisalits von "Spindlers Hof" an der Wallstraße, der auch auf der Luftaufnahme gut zu erkennen ist.


    Wallstraße 9-13, Spindlershof, Hofansicht, 1901-02 erbaut von Heinrich Kayser & Carl von Groszheim, Foto 1909:


    Wallstraße9-13, Spindlershof, Kayser & v. Groszheim, erbaut 1901-02, aus BAW November, 1904:



    Wallstraße 13, Spindlershof_Tor, ausgeführt von Hillerscheidt & Kasbaum, Kunstschmiede, aus BAW November, 1904:


    Wissenswertes über die Firma Spindler:

    Zitat

    Die Firma Spindler wurde am 1. Oktober 1832 auf dem Grundstück Burgstraße 5 als Seidenfärberei in zwei Kellerräumen und mit einer Waschbank an der Spree durch Wilhelm Spindler gegründet. Er arbeitete so erfolgreich, dass er bereits zehn Jahre später auf dem eigenen Grundstück Wallstraße 12 eine Dampffärberei mit einem stattlichen Maschinenpark eröffnen konnte. Die Firma wuchs in dem Block Grünstraße, Seydelstraße und Wallstraße bis sie die gesamte Fläche des späteren "Spindlershof" mit bis zu sechsstöckigen Häusern einnahm.

    1852 führte der Firmengründer in Berlin die Reinigung von Stoffen mit Benzin ein, die schnell unter dem Namen "Chemische Reinigung" bekannt wurde. Das allgemeine Wachstum der Stadt behinderte Spindler am angestammten Standort bald in seinen Expansionsabsichten. So erwarb er bei Köpenick ein Gelände von über 500 000 Quadratmetern direkt am Ufer der Spree und errichtete hier zu Beginn der 70er Jahre die großzügigen Gebäude und Anlagen von Spindlersfeld.


    aus Berlin-Archiv, weitere Informationen auch bei Wikipedia.


    Hier noch Fotos vom benachbarten Gebäude an der Wallstraße Nr. 5-6, dem Geschäftshaus der Eisenhandlung Ravenée & Söhne:


    Wallstr 5-6, Geschäftshau Jacob Ravené Söhne Co, 1889-96 von Ende & Böckmann, Deutsche Bauzeitung, 1896:


  • Euch beiden vielen Dank für die Antwort.

    Wenn man auf bing sich die Luftbilder ansieht, dann sieht es so aus, als seien Teile des Komplexes noch vorhanden. Leider schließt nach Westen ein furchtbarer Plattenbau an, der wohl auch Teile des alten Gebäudekomplexes umfasst. Weiß von euch jemand mehr über die heutige Situation?

    EDIT: Auf Google-maps kann man sehen, dass zumindest Teile der Fassade noch stehen, allerdings fehlt jeder Schmuck und auch der mittlere Turm ist verschwunden. Auch bin ich mir nicht sicher, ob nicht Teile des Gebäudes fehlen, insbesondere wenn ich mir die Hofsituation ansehe, könnte es sein, dass eine Achse fehlt.

    APH - am Puls der Zeit

  • So ist es, die rechte Hofachse fehlt wohl und auch der innere Querflügel m Hof ist nicht mehr vollständig. Der Lessing'sche Fassadenschmuck ist vollständig verloren.
    Wohl besser zu erkennen bei BingMaps.

    Spreetunnel:
    Schöne Aufnahmen. Ob und wie das wunderbare Ravené-Geschäftshaus den Krieg überstanden hat weiß ich nicht, aber es wäre wohl ohnehin später der brachialen neuen Gertraudenbrücke geopfert worden, nehme ich an?
    EDIT: Letzteres der Lage nach dann wohl eher doch nicht.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)