Berliner Schloss - architektur- und kunstgeschichtliche Aspekte

  • @Mantikor Erinnern Sie sich zufällig, ob die Eosandersche Schulterrücklage, die noch eingerüstet ist, auch schon gestrichen ist, oder ob der gelbliche Ton auf Ihren Fotos (danke dafür!) der tief stehenden Sonne geschuldet ist?

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Die Häuser an der Stechbahn bildeten die westliche Seite des Schlossplatz - heute ungefähr auf Höhe des Eingangs zum ehem. Staatratsgebäude - dem nachempfundenen Portal IV des Schlosses.

  • @Mantikor Erinnern Sie sich zufällig, ob die Eosandersche Schulterrücklage, die noch eingerüstet ist, auch schon gestrichen ist, oder ob der gelbliche Ton auf Ihren Fotos (danke dafür!) der tief stehenden Sonne geschuldet ist?

    Gerne auch per Du: :zwinkern:

    Nein, dort ist noch nicht gestrichen - auch um die Kurve zur nördlichen Westseite noch nicht.

    Die Farbgebung stellt uns vor manches Rätsel - auf der Südseite ist wegen den Gerüsten noch kein endgültiges Urteil möglich. Allerdings ist auf der Nordseite wohl wirklich etwas durcheinander bzw. daneben geraten.

    Man mache sich anhand meiner Aufnahmen ein eigenes Bild:

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • @Mantikor Danke Dir! Die Sonne, sonst Sinnbild der Wahrheit, halt also etwas getrogen....
    Schade, dass die Abrüstung von Portal IV nicht schon am Tag der offenen Baustelle erfolgt ist, wie es ursprünglich geplant war. Die Eosander-Schulterrücklage scheint ja fertig verputzt und dürfte bald gestrichen sein. Hoffen wir dann auf den Endspurt an der Westseite!

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Im Schlüterhof und an der Westfassade werden die Risalite, die im Unterschied zu den Schulterrücklagen überwiegend aus Naturstein bestehen, einheitlich grau gefasst; d.h die wenigen Putzflächen werden dem überwiegend grauen Naturstein angeglichen. Das wirkt sehr nobel, und hebt die Risalite als eigenständige Baukörper hervor, weshalb ich mir das auch bei Portal V und IV an der Nordseite gewünscht hätte. Ebenfalls hätte ich es gut gefunden, an allen Fassaden das gesamte Erdgeschoss grau zu gestalten, da es gleichsam als Gebäudesockel die übrige Fassade trägt. Auf dem Foto sieht man das Erdgeschoss links des Portalrisalits V im noch nicht getrockneten und noch nicht bemalten grauen Rohputz. Ich finde, das sieht besser aus als die gelbe Erdgeschosszone rechts daneben, zumal die Fassade auch besser proportioniert wirkt. Auch wirken die Bossenquader an den Seiten der EG-Fenster, die als Elemente einer Rustizierung gedacht sind, zu wenig rustikal, sobald sie gelb gestrichen sind.
    Im übrigen finde ich es immer befremdlich, wenn an barocken Bauten die Sockelzone nicht hervorgehoben wird. Wie gut sich eine graue Sockelzone machen kann, sieht man m. E. im gleichfalls von Hohenzollern regierten Ansbach.


    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Wie du weißt, stimme ich ganz mit dir überein, Seinsheim, daher freue ich mich sehr auf die komplett in Sandsteingrau gehaltenen Risalite. Was ich allerdings als sehr viel störender empfinde, als farblich sich nicht abhebende Rustizierungen oder ein Sockelgeschoss, ist der starke Gelbstich des oberen Teils von Portal V. Es stört die Proportionierung und Ganzheitlichkeit des Portals (im Original eines der schönsten und harmonischsten des Stadtschlosses) extrem. Wie man bei den Kosten, dem Aufwand und dem Anspruch des Ganzen hier so nachlässig in der Steinwahl sein konnte, entzieht sich mir komplett. Früher wäre sowas nicht durchgegangen. Ich ärgere mich jedes Mal, wenn ich das Portal sehe.

  • @Treverer Ja, das ärgert mich auch ziemlich. Dabei hat das die Fa. Hofmann/Bamberger gemacht, die an sich sehr zuverlässig ist - neben der Fa. Schubert aus Dresden, die Portal IV errichtet hat. Ich finde auch die Balustraden zu gelblich. Und ganz besonders ärgerlich sind die Ausreißer der Fa. F.X. Rauch im Schlüterhof.
    Offenbar wollte man viele der gefertigten Teile nicht mehr zurückgehen lassen, weil das den Bau verzögert und vermutlich auch Gerichtskosten verursacht hätte.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Wie man bei den Kosten, dem Aufwand und dem Anspruch des Ganzen hier so nachlässig in der Steinwahl sein konnte, entzieht sich mir komplett.

    Noch einmal: Sandstein ist und war im 18. Jh. nicht und niemals steinsichtig konzipiert gewesen. Dieses ganze Hin und Her, was man sich jetzt beim Wiederaufbau mit der Steinauswahl leistete, war letztlich vergeblicher, sinnloser Aufwand, denn ohne den Anstrich ist eben niemals die vom Barock eigentlich gewünschte Homogenität und die wichtige Schlüssigkeit der Architektur zu erreichen.
    Im 19. Jh. hingegen machte alles verückterweise irgendwie wieder Sinn, dann da waren die Sandsteinelemente einheitlich schwarzgrau patiniert... Aber wer will so was schon wiederhaben?

  • @Oktavian Das genau ist das Problem. Darum hat der Förderverein ursprünglich ja für eine komplett bemalte Fassade votiert. Aber Herr Rettich wollte das nicht, weil bemalter Stein pflegeintensiver gewesen wäre als Naturstein. Eine weitere Überlegung war, dass ein komplett bemaltes Schloss zwischen den Natursteinbauten von Marstall und Museumsinsel wie ein Fremdkörper gewirkt hätte; denn als diese Bauten errichtet wurden, war das Schloss bereits komplett patiniert...

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Ja ich weiß, ich kenne das Problem. Das ist dasselbe mit Frauen- und Hofkirche in der Dresdner Stadtsilhouette....

    Die Argumentation von Rettich ist natürlich Quatsch, da die Farbe nur mal so alle 15-20 Jahre erneuert werden muss und den Stein darunter v. a. auch SCHÜTZT!

  • Ich teile hier die Kritik meiner Vorredner. Ich bin mit der Farbgestaltung auch nicht wirklich zufrieden. Auf mich wirkt das alles viel zu flächig. Man muss sich immer vor Augen führen, dass es sich um einen Barockbau handelt. Und man muss kein Kunsthistoriker sein, um zu erkennen, dass hier mit der Farbkonzeption etwas nicht stimmt.
    Und da wurden wesentliche Probleme bereits angesprochen. Die fehlende Sockelausbildung auch durch farbliche Unterschiede mag mir gar nicht gefallen, das sieht leider völlig ahistorisch aus und die Fassade läuft nach unten einfach so weg. Auch dass sich die Rücklagen so wenig von den übrigen Fläche unterscheiden, gefällt mir nicht. Und generell, ich finde das Gelb viel zu beige.
    Seinsheim zeigt mit dem eingestellten perfekt, wie das Berliner Schloss eigentlich hätte aussehen sollen und müssen. Bei der Steinauswahl bin ich etwas gnädiger. Es ist eben ein Naturprodukt. Klar kann man das noch weiter bei der Auswahl auf eine Farbe trimmen, aber die Schwächen in der Farbgestaltung der Fassade sind meiner Meinug nach viel eklatanter!

    APH - am Puls der Zeit

  • Und ganz besonders ärgerlich sind die Ausreißer der Fa. F.X. Rauch im Schlüterhof.

    Ich nehme an, dass Du damit vor allem den großen Portalrisalten (VI) damit meinst?

    Das Innenportal V ist m. E. dagegen ganz gut geraten - ein gewisses, lebendiges Changieren der Farbtöne finde ich als grundsätzlichen Ansatz eigentlich richtig und nachvollziehbar.

    Ob das allerdings auch z. B. für den Rundbogen gilt - ich weiß (noch) nicht...

    Das Lustgartenportal V sehe ich dagegen nicht so kritisch. Die Steinfärbung setzt den Risaliten doch ganz gut ab von der Hauptfassade, oder etwa nicht? Da stören mich doch eher die Panda-Hermen. :zwinkern:

    Portal V ca. 1940:

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • @Mantikor Danke für die nochmals eingestellten aufschlussreichen Bilder.
    Neben dem Gelbstich gibt es im Schlüterhof Teile, bei denen der Sandstein stark 'getigert' ist, also eine auffällige Streifenbildung aufweist. Das bringt etwas Unruhe hinein. Bei der Hofseite von Portal V stören mich besonders die gelben Steine in der Archivolte des syrischen Bogens. Sie wirken ebenso als Fremdkörper wie die unteren Rahmenteile in den Mezzaninfenstern von Portal VI (= Großem Hofrisalit). Wenn bei einer Balustrade oder einm Säulenschaft die Farbe changiert, finde ich das nicht so eklatant wie bei einer in sich geschlossenen Form, etwa einem Fenster.
    Eine Alternative zur Bemalung wäre natürlich gewesen, den Naturstein in einem sandsteinähnlichen Grau zu schlämmen. Das hätte homogener gewirkt und den Stein auch geschützt, denn wie @Wissen.de richtig bemerkt hat, ist das Überstreichen immer auch ein Schutz (sofern die Farbe atmungsaktiv ist). Und wenn die Schlämme sich mit der Zeit abwäscht, fällt das weniger auf als eine abplatzende Farbe. In Würzburg hat die Schlämmung der Residenz jedenfalls eine deutliche Verbesserung gebracht (vgl. die beiden letzten Fotos mit dem Hofkirchenrisalit vor und nach der Schlämmung).

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Auch wenn der Sandstein oft farblich nicht so zusammen passt, weil er zu sehr ins gelbe abrutscht, bin ich froh, dass diese gewaltige Barockfassade wieder aufgebaut wurde. Die größte Barockfassade nördlich der Alpen. Das ist schon was!

    Es stört etwas, dass Portal IV in grauem Sandstein gehalten wurde und Portal V ab dem 2. Obergeschoß in sehr gelben Sandstein:

    Aber wenn die Patina erst mal in 30 bis 50 Jahren einsetzt, wird es nicht mehr so auffallen.

    Die kleinen Sandsteinblumen, die über den Rundbogenfenstern der Portale sind, waren im Original komplett vergoldet. Schade, dass sie es jetzt nicht mehr sind. Auch das Wappen ganz oben am Sims war ursprünglich deutlich reicher vergoldet, wie man auf dem Foto von 1940 sehen kann.
    Ich denke, dass es momentan zu teuer ist alles so zu vergolden, wie es ursprünglich war.

  • Die größte Barockfassade nördlich der Alpen. Das ist schon was!

    Das hört man so oft: "Der/die/das größte/älteste/besterhaltenste nördlich der Alpen." Ich frage mich immer welche geografischen Räume/Länder da eigentlich beschrieben werden. Alles außerhalb Italiens? Warum sagt man dann nicht "außerhalb Italiens"? Oder zieht man eine imaginäre Linie entlang eines Breitengrads auf Höhe der Alpen und außer Italien werden auch Südfrankreich, Spanien, Portugal, Griechenland etc. einbezogen?

    Abgesehen davon, stimmt der Superlativ eigentlich? Müssten sehr viel größere barocke Palastanlagen wie Versailles, der Winterpalast oder, gar nicht so weit entfernt, das Mannheimer Schloss nicht deutlich größere Barockfassaden aufweisen?