Berliner Schloss - architektur- und kunstgeschichtliche Aspekte

  • Ich muss sagen, dass gerade in der Nichtkorrespondenz der Stella-Ostfassade ihr ganz großer Vorteil liegt. Sie wirkt schon heute wie ein Anbau, als etwas, war originär nicht zum Schlossbau passt. Durch diese abgesetzten großen Fugen zwischen Schloss und Ostzeile vermittlet der Bau auch direkt nach außen, dass er eine Zutat ist, kein integraler Bestandteil des Hauptbaus. Viel besser geht es eigentlich nicht, denn die Chance, sich von einem solchen Anbau zu lösen ist viel größer, als von etwas, was scheinbar fest in den Schlossbau integriert ist.

    Wenn man das ganze also vor der Perspektive betrachtet, wie groß die Chance ist, dass diese Zutat irgendwann wieder verschwindet, würde ich sagen, stehen diese sehr gut, weil eben diese Anbauwirkung derart offensichtlich ist, dass es sowohl baulich wie auch ästhetisch leicht zu machen wäre. Daher sollte man einfach mal abwarten.

    Trotzdem- und dabei bleibt ich - hat Stella vom Grundkonzept (also Grundriss, Nord-Süd-Querung, Respekt vor den Leistungen der vorherigen Baumeister) das absolut beste abgeliefert, was im Wettbewerb eingereicht wurde. Dieser Respekt vor der Historie des Schlosses wird seine große Leistung bleiben, auch wenn die Ostfassade irgendwann wieder verschwinden sollte!

    APH - am Puls der Zeit


  • Wie seltsam, dass man hier das Erdgeschossfenster zur Hälfte zugemauert hat. Auf der Visualisierung sieht das so aus:

    Ich glaube, auf dem Photo von Vulgow sieht man zwar nach Süden und nicht nach Norden, wie in der Visualisierung, aber dennoch erscheint das Zumauern seltsam und nicht gerade schön.

  • Im ersten Bild ist der Blick gegen Portal II gerichtet, in der unteren Visualisierung gegen Portal IV. Dass das Fenster zur Hälfte zugemauert wurde, ist historisch korrekt, da sich das Geschossniveau des Risalits zu der übrigen Fassade unterschied, der Baumeister die Fenstergesimse aber auf dem selben Niveau haben wollte.

    Hier auch schön auf einer Ansicht von Eduard Gärtner zu sehen:
    https://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm….jpg?uselang=de
    (nach dem Aufrufen vergrößern)

  • Beim Anblick des Bildes kam mir ganz spontan der Gedanke und vor allem das Gefühl, dass die Ostseite eigentlich nur als Provisorium gedacht worden sein kann, dass von nachfolgenden (klügeren) Generationen ohne großen Aufwand abgetragen und durch das Original ersetzt werden kann.

  • Leider sind das Wolkenkuckucksheime. Es gilt auch hier die normative Kraft des Faktischen.

    Es ist doch offensichtlich, wenn man alt und neu vergleicht, daß es nicht ausreichen würde, die Fassade abzureissen.
    Es fehlt zu viel.
    Aber man kann ja mal träumen.

    Auckland bei Nacht

  • Da ich eine Rekonstruktion des Ostflügels ohnehin nicht mehr erleben würde, es sei denn, ich würde 120 oder älter :rolleyes: habe ich das Recht, ganz öffentlich zu träumen. Und ja, ich meine nicht nur die Fassade verschönern, sondern natürlich Neuaufbau (Rekonstruktion) komplett mit Apothertkerflügel, Grünem Hut und allem Drum und Dran.
    Ich habe Mitte der 70er Jahre, da war ich 16, auch immer geträumt, dass mal die Mauer verschwinden würde (in meiner Phantasie habe ich den Zeitraum zwischen 1985 und 1990 angesetzt) und Berlin wäre wieder eins. Gerechnet habe ich nicht wirklich damit. floet:)
    Aber ich gebe zu, dass die Lüschers und Lompschers dieser Welt schwerer zu überwinden sind als eine offene Diktatur. :|

  • Ich gehe davon aus, dass Prof. Stella die Rekonstruktion des Ostflügels (und anderer verlorener Schätze) technisch nicht unmöglich machen wollte. Vielleicht sagt er ja nach Fertigstellung mal etwas dazu.

    Leider kann man nicht über Thread-Grenzen hinweg zitieren, also muss ich den Post zu Fuß einfügen, den der geschätzte Kollege Pagenthorn 2016 unter "Innenräume des Schlosses" veröffentlicht hatte. Hier kann man ganz gut sehen, dass da nichts auf Dauer verloren zu sein scheint (wenngleich ich natürlich nichts zur Statik sagen kann...)

    Pagenthorn legte damals alt und neu übereinander und schrieb dazu:
    Soweit ich das bisher verstanden habe, werden das Gigantentreppenhaus, der Schweizer Saal und die Enfilade von der Königskammer bis zum Kapitelsaal (Alte Kapelle) für einen späteren historischen Innenausbau vorgehalten. Inwiefern dort Stützsäulen und Zwischendecken wieder entfernt werden müssen, bleibt abzuwarten. Im Rittersaal befinden sich jedenfalls zwei derartige 'Stehimwege' - und leider auch eine den halben Raum überspannende Decke.
    Zum Abgleich nochmals meine Karte des 2. Obergeschosses aus dem Themenstrang zu den 'Preußischen Thronen':
    (Rot: Schloßgrundriß / Schwarz: Humboldtforum)

    Wer die spätere Rekonstruktion von historischen Innenräumen ohne ausdrückliche Vorgabe bewusst technisch ermöglicht, hatte bestimmt auch den Ostflügel irgendwo im Hinterkopf :cool:

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    Gutmensch = Gut gemeint, nicht zuende gedacht, schlecht gemacht

  • Zitat von Weissenseeer

    Aber man kann ja mal träumen.

    Und da ist nichts falsches dran.
    Stellas Größe (ja, ich finde, die sollte man ihm durchaus zugestehen) besteht ja gerade darin, daß er kaum was kaputtmacht. Viele Innenräume kann man rekonstruieren, weil er die Maße so gelegt hat, daß das geht, und man könnte auch den Ostflügel abreißen und rekonstruiert neubauen, wenn man evt. eine andere Torlösung findet.
    Das hat er alles ermöglicht. Und das finde ich wirklich gut.
    Er hat sich sehr zurückgenommen und ist maximal respektvoll mit der Bauaufgabe umgegangen.
    Ich glaube nicht, daß das ein Berliner Architekt so gemacht hätte.
    Als es am wackeln war, habe ich gesagt: behaltet unbedingt den Architekten. Hat man getan. Und das Ergebnis ist gut.
    (Auch wenn mir die Ostfassade als solche nicht gefällt; daß sie eine bauliche Logik hat, wie erläutert, erschließt sich jedoch.)

  • Stellas Größe (ja, ich finde, die sollte man ihm durchaus zugestehen) besteht ja gerade darin, daß er kaum was kaputtmacht. Viele Innenräume kann man rekonstruieren, weil er die Maße so gelegt hat, daß das geht, und man könnte auch den Ostflügel abreißen und rekonstruiert neubauen, wenn man evt. eine andere Torlösung findet.

    Ich bin mir aber nicht sicher, ob das wirklich die Ambition eines Architekten ist, auch wenn er Stella heisst. Das würde bedeuten, daß er sein Werk tatsächlich nur als Provisorium begreift und mit einem späteren Abriss rechnet. Bisher ist mir so eine Herangehensweise bei keinem Architekten bekannt. Eigentlich will jeder Architekt sein Werk auf Dauer erhalten sehen und sich dafür feiern lassen. Wir feiern Stella nur dafür, daß er vorgeblich den späteren Abriss seines Werkes eingeplant hat.
    ich habe natürlich nichts dagegen, wenn eines Tages die politische Entscheidung zur vollständigen Wiederherstellung der Ostfassade getroffen werden sollte. Aber ich bezweifele irgendwie, daß Stella dies ohne Weiteres begrüssen würde, wenn es noch zu seinen Lebzeiten geschieht. Andererseits ist er ja schon über 70 und insofern hat er vielleicht wirklich ein Hintertürchen offen gelassen.

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • Das sind wahrscheinlich wunschdenkerische Interpretationen, was die Ostfassade angeht. Es scheint mir allein aufgrund der Bescheidenheit und des spezifisch asketisch-klassischen Stils Stellas die Folge zu sein, inklusive durch seine italienische Prägung die Befähigung sich in den Barock einfühlen zu können, daß es nicht verbaute Optionen zu weiteren Rekonstruktionen gibt.
    Vor gut 2 Jahren, auf einer Führung durch die Schloßbauhütte kam ich auf der Fahrt mit unserem Referenten vom Schloßverein ins Gespräch und erwähnte genau die oben von Euch gemachten Gedanken, da entgegnete er sofort in etwa sinngemäß: "Oho, Stella wird Ihnen an den Hals springen. Die Ostfassade ist sein ein und alles, auf die ist er stolz!"

  • Vielleicht interessiert jemand ja unser VR-Projekt.

    BERLIN1928 wird die VirtualReality Simulation des Berlins der 20er Jahre. Ziel ist es einen vollständigen virtuellen Wiederaufbaus des Berlins der Zwischenkriegszeit zu realisieren. Dieses 3D Stadtmodel wird dann in verschiedenen Applikationen zugänglich gemacht und mit Geschichten aus der Zeit lebhaft.

    Phase 1 wird das Berliner Schloss sein, dass wir gerade in VR realisieren. Work in Progress!

  • Die Visualisierung Berlins zur seiner letzten architektonischen Blütezeit, also vor Germania-Träumen, Zerstörung und den vielen tragischen Phasen der Moderne, ist eine fantastische Sache! Hoffentlich können viele Entscheidungsträger, einschließlich des Berliner Senates, zu einer VR-Tour überredet werden! Diesen Eindrücken werden sich auch viele Altstalinisten nicht so einfach entziehen können.

    Selbst in statischen 3D-Bildern bekommt man eindrucksvoll vor Augen geführt, was man ohne Wiederherstellung verpasst. Es müsste doch auch der eine oder andere Grüne die damalige lebendige Lustgartengestaltung (mit Rossebändigern) einer leblosen Steinwüste vorziehen, oder?
    Portal V in VR Berlin1928
    (Bildausschnitt von http://timetravel.berlin/wp-content/uploads/2017/06/338.jpg)

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    Gutmensch = Gut gemeint, nicht zuende gedacht, schlecht gemacht

  • fuer die Gruenen ( aber auch ihre Verbundeten der Linken und SPD ) gilt:
    besser eine ""leblosen Steinwüste ""als dass zuviel wiederaufgebaut wird was an Vorkriegs Geschichte Berlins errinert: ueberhaupt diese Schloss Wiederaufbau ist fuer die ganz linke Szene schon ein Alptraum ( schaetze ich) ...leider!
    man sieht's z.B auch in Potsdam mit dem Wiederstand gegen den Abriss der haeslichen Uni Gebaeuden...

  • Tatatataaaa,.... !
    Die letzten figürlichen Bauteile für die Fassaden sind über Mittag eingetroffen. TOLL !
    (Freilich ausgenommen Innenportal II und IV)


    ... hier wohl die Kartusche für den Innenrisaliten über Portal V!

    Wird vielleicht heute noch eingesetzt!?

    Einmal editiert, zuletzt von SchortschiBähr (20. September 2017 um 13:31)

  • Die Herstellung der Laterne der Schlosskuppel (mit allem Zierat) ist ausgeschrieben:

    Die Ausschreibungsunterlagen beinhalten sehr viele interessante Schnitte und auch historische Fotos. Hier zu finden (nach dem Öffnen der Seite etwas nach unten scrollen): Klick
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    Teilnahmeunterlagen/Pläne-AnsichtenSchnitte…
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