Berliner Schloss - architektur- und kunstgeschichtliche Aspekte

  • Beim Schloß von Versailles vertut man sich oft. Der eigentliche ursprüngliche Kernbau ist relativ klein. Das was dann später erweitert wurde verfremdet den ursprünglichen Zustand leider völlig unter den Kasernenhaften monotonen Fassaaden.
    Aber im Grunde hast du Recht. Auch wenn die meisten Schlösser nicht so hohe Fassaden haben, und auch keine Gesamthöhe von fast 70 m, so gibt es schon noch weitere riesige Schlossanlagen.
    Nur war das Berliner Schloß trotzdem einzigartig. Kein Schloß weltweit hatte im Inneren hochwertige Raumausstattungen von der Spätgotig, Renaissance, Frühbarock, Hochbarock, Spätbarock, Roccoco, Klassizismus bis zum Historismus. Das war so im Berliner Schloß einzigartig. Ein unendlich trauriger Verlust, der nie zu ersetzen sein wird!
    Das Schloß war das schönste Architekturmuseum, was man sich vorstellen kann.

  • Aber im Grunde hast du Recht. Auch wenn die meisten Schlösser nicht so hohe Fassaden haben, und auch keine Gesamthöhe von fast 70 m, so gibt es schon noch weitere riesige Schlossanlagen.

    Exemplarisch ist vielleicht das Schloss in Caserta/Italien, das kaum einer kennt. Gigantisches Schloss, gigantischer Park.

    Den Hauptwert des Stadtschlosses sehe ich für die Einhegung des Lustgartens und um die Sammlungen aus Dahlem in das Zentrum der Hauptstadt zu holen.

  • @Treverer und @Kaiser Karl Es ist eine interessante Frage, welches Schloss nördlich der Alpen die größte Fassade hat. Denn sie führt uns zu der nächsten Frage, wie wir eine Fassade definieren. Ist es die gesamte Front eines Gebäudes oder ist es die in sich zusammenhängende repräsentative Seite eines Blocks? Tendiert man zu letzterem, so bestünden Versailles und das Mannheimer Schloss aus mehreren Trakten bzw. Flügeln, die eigene Fassaden haben; Nymphenburg wiederum wäre ein Ensemble mehrerer Pavillons, von denen allein der mittlere eine Fassade aufweist. So gesehen sind die Fassaden des Berliner Schlosses schon bemerkenswert groß. Es wäre interessant, sie einmal mit den Gartenfronten von Schönbrunn, Schleißheim, Würzburg oder dem Stockholmer Stadtschloss zu vergleichen. Die Längsseiten des Louvre sind natürlich die längsten, aber diese sind durch schrittweise Anstückung entstanden. Beim Winterpalais in St. Petersburg hingegen kann man in der Tat von einer durchgehenden Fassade sprechen. Aber St. Petersburg liegt schon so weit östlich, dass ein spitzfindiger Mensch sagen könnte, das wäre nicht mehr nördlich der Alpen, sondern nördlich der Karpaten ..... :)

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

    Einmal editiert, zuletzt von Seinsheim (24. September 2018 um 15:03)

  • Ich habe mal ganz grob (Betonung liegt auf grob) die Fassadenquadratmeter der genannten Schlösser zusammengezählt. Es war nicht immer leicht die Fassadenhöhe der Schlösser ausfindig zu machen. Beim Mannheimer Schloss musste ich schätzen, es besitzt auch mehrere erhöhte Pavillions, die ich außer Acht gelassen habe.

    Berliner Schloss
    (Nordfassade, Westfassade und Südfassade)
    Fassadenlänge: 460m
    Fassadenhöhe: 30m
    Ergibt: 13800m2

    Versailles
    (Wegen den vielen uneinheitlich gestalteten Gebäudeteilen zur Stadt hin nur die einheitliche Gartenfassade)
    Fassadenlänge: 640m
    Fassadenhöhe: 20m
    Ergibt: 12800m2

    Winterpalast
    (Nur der Hauptpalast, alle vier Fassaden)
    Fassadenlänge: 912m
    Fassadenhöhe: 25m
    Ergibt: 22800m2

    Mannheimer Schloss
    (Alle Fassaden des Komplexes ohne Amtsgerichtanbau)
    Fassadenlänge: 1,7km(!!)
    Fassadenhöhe: 20m
    Ergibt: 34000m2

    Die drei Fassaden des Berliner Schlosses sind also in ihrer Fläche tatsächlich größer als die Gartenfassade von Versaille, die Winterpalastfassade ist aber deutlich größer als beide und das Mannheimer Schloss besitzt durch seine spezielle Form und Ausdehnung die mit Abstand größte Fassade. Erstaunlich.

  • Ich habe jetzt einmal versucht, die Würzburger Residenz zu berechnen. Dabei komme ich auf folgende Werte:
    Gartenfront 168 Meter
    2 Längsseiten je 97 Meter
    Stadtfront einschließlich der 2 Längsseiten und der Rückwand des Ehrenhofes 307 Meter
    Insgesamt 670 umlaufende Meter.
    Gebäudehöhe 21 Meter (die 6 Giebel der Eckpavillons sowie das Attikageschoss und Giebel des Gartenpavillons grob eingerechnet).
    14070 qm

    Für die Residenz eines fürstbischöflichen Kleinstaats recht beachtlich.
    Es kommen dann noch die vier Innenhöfe dazu, die ja auch gestaltet sind und in Mannheim beispielsweise fehlen.
    In Berlin müsste man natürlich fairerweise noch die barocken Fassaden des Schlüter- und des Eosanderhofs hinzuziehen, das wäre dann insgesamt weder mehr als Würzburg.

    Man könnte das ganze jetzt fortspinnen. Ludwigsburg wäre sicherlich auch ein lohnendes Rechenexempel.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • @Bautradition Hatte eben auf die Webcam gesehen und es war mir doch tatsächlich entgangen! Wunderbar. Vor allem aber warte ich darauf, dass endlich die Gerüste von Portal IV ganz entfernt werden, um die Lustgartenfront in ihrer Pracht genießen zu können.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • [...] Wann geht es denn endlich mit der Eindeckung der Kuppel richtig los?

    Dafür gibt es wohl (bisher?), wie wir hier vor ein kurzem mehr oder weniger feststellten, keinen konkreten Termin. Aber die Webcam zeigt, dass es wohl demnächst losgehen könnte, denn der Tambour ist nun auch eingerüstet.

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.

  • Nach hundert Jahren Pause

    Wie schön, dies ist also der lange erwartete Tag, an dem S.M. nun endlich wieder freie Sicht aus seinem Arbeitszimmer und Vortragssaal auf den Schloßplatz haben wird. Ich denke, daß beim momentanen Tempo des Gerüstabbaus gegen Nachmittag damit zu rechnen sein dürfte. Ab morgen sind dann - aufgrund der guten Ausleuchtung der Räumlichkeiten - wieder Audienzen beim hohen Herrn möglich. Die Anmeldeformulare sind im Oberhofmarschallsamt einsehbar... ;)

  • Ich bin wirklich mal gespannt auf die Südfassade. Ich finde diese ästhetisch nämlich wesentlich schöner und repräsentativer als die Lustgartenseite. Ich hoffe inständig, dass man sich hier nochmal besinnt und nicht nur den Neptunbrunnen zurück auf den Schlossplatz stellt, sondern auch eine Idee entwicklelt, wie man die gesamte Südseite des Schlosses an den Stadtkörper anbindet und verhindert, dass hier ein "Hinterhof" und Busparkplatz entsteht.

    Denn dafür ist die Südseite viel zu schön. Stella hat mit seiner Passage ja alle Voraussetzungen für eine Anbindung des Lustgartens an die Südseite gelegt, jetzt müsste man diese Voraussetzungen aber auch nutzen und städtebaulich eine Idee entwicklen, wie man hier in der Kernaltstadt von Berlin eine sinnvolle Anbindung an die Breite Straße und den Petriplatz herstellen kann. Platz für Ideen und Konzepte wäre ja da, weil durch Abrisse ehemaliger DDR Bauten an der Breiten Straße Flächen zur Verfügung stehen. Allein mir fehlt der Glaube, dass Lüscher und Co etwas Sinnvolles daraus machen. Was extrem schade wäre, weil die Südfassade ein echtes Schmuckstück ist!

    APH - am Puls der Zeit

    Einmal editiert, zuletzt von Apollo (26. September 2018 um 21:08)

  • Ich bin wirklich mal gespannt auf die Südfassade. Ich finde diese ästhetisch nämlich wesentlich schöner und repräsentativer als die Lustgartenseite. Ich hoffe inständig, dass man sich hier nochmal besinnt und nicht nur den Neptunbrunnen zurück auf den Schlossplatz stellt, sondern auch eine Idee entwicklelt, wie man die gesamte Südseite des Schlosses an den Stadtkörper anbindet und verhindert, dass hier ein "Hinterhof" und Busparkplatz entsteht ...

    Genauso übel wird es wohl kommen, das starrsinnige Ideologiegespann Lompscher-Lüscher wird sich keinen Millimeter bewegen. Da man die Rekonstruktion der "Zwingburg der Hohenzollern" seitens des roten Senats nicht verhindern konnte versucht man nun wenigstens dessen Umfeld so unattraktiv wie möglich so gestalten. Und gerade beim Schlossplatz ist das - ausgehend von der Planung - bestens "geglückt", endlose Monotonie in Grau. :kopfwand:
    Ich verweise in diesem Kontext noch einmal auf einen Beitrag zum Schlossplatz aus dem letzten Jahr von mir.

  • Meinst Du wirklich, es geht bei der steinernen Einöde einzig darum, das Schloss unattraktiv zu machen bzw. die Freunde des Schlosses zu ärgern? Das wäre ja ziemlich infantil bzw. unausgegoren. Viel mehr ärgern könnte man doch die Besucher des Schlosses, indem man z.B. Altglascontainer vor die Südseite stellt. Oder fest installierte Dönerbuden mit WC-Anlage. Oder jungen Künstlern dort regelmäßig Raum für besonders hässliche Installationen überlässt. Man könnte Jan De Cocks Betonbrocken von Frankfurt nach Berlin schicken und dort aufstellen (hier...). Oder die Installation "Monument" vom Dresdner Neumarkt in Berlin als Dauerleihgabe errichten. (hier...) Oder Installationen mit dem Schriftzug "Das ist kein Schloss", und dahinter "sondern Disneyland"... oder (in Fraktur) "ein Nazi-Projekt"? Vielleicht aber wäre das kontraproduktiv, weil es wieder sensationsgierige Besucher anziehen könnte, die dann ins Humoboldt-Forum weiterwandern könnten. Somit also die Langeweile des Steinplatzes, um Besucher abzuschrecken? Das brächte allerdings finanzielle Einbußen, da die Museumseintritte ausbleiben würden....

    Könnte die Ursache vielleicht nicht im Ärgern oder der puren Destruktion, sondern viel mehr in der bewussten bevorzugten minimalistischen Ästhetik dieser Leute liegen? Sicher, ökologisch ist das ganz und gar nicht. So ganz ohne Strauch oder Baum. Zumal Katrin Lompscher in ihrer Selbstdarstellung noch mit der Vertretung "ökologischer Ziele" und "gesunder Umweltbedingungen" wirbt. (hier...)

    Allerdings wäre die Steinleere vermutlich immer noch das kleinere Übel als manche alternative Lösung, die aus den Köpfen dieser Planer entspringen könnte.

    Insofern: Kommt Zeit, kommt Rat. Irgendwann wird es vielleicht mal eine Annäherung an die historische Situation geben.

    Einmal editiert, zuletzt von Heimdall (27. September 2018 um 03:27)

  • Zur Frage, warum Lüscher und Co gegen die Versetzung des Neptunbrunnens sind:

    • Der Neptunbrunnen vor dem Roten Rathaus ist gleichsam sozialistisches Beutegut. Das will man ungern wieder hergeben - schon gar nicht sollen es postum die Hohenzollern zurückerhalten.
    • Man hat das Schloss jahrzehntelang bekämpft, nun will man nicht, dass es zusätzlich aufgewertet wird. Schon gar nicht soll es seine alte städtebauliche Dominanz wiedererlangen.
    • Linksideologen wie Trüby unterstellen den Rekonstruktionsfreunden ja immer, sie seien Handlanger der Neuen Rechten (bzw. der Nazis), die via Städtebau gesellschaftspolitische Räume besetzen wollen. Wer in dieser primitiven Antifa-Okkupations-Logik denkt, kann es natürlich nicht gutheißen, dass die Berliner Mitte - auch noch in Sichtweite des Roten Senats und anstelle des Palastes der Republik - wieder von einem Hohenzollernschloss geprägt wird. Also muss man dessen städtebauliche Wirkung mindern. Das ist gar nicht mal infantil, es ist einfach nur fanatisch.

    Zum Thema Trüby und linksidologisch motivierte Feindschaft gegenüber den Rekonstruktionen übrigens ein wunderbarer Artikel, der nicht nur Frankfurt betrifft.
    https://www.tichyseinblick.de/meinungen/fran…-neue-altstadt/

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Wer in dieser primitiven Antifa-Okkupations-Logik denkt, kann es natürlich nicht gutheißen, dass die Berliner Mitte - auch noch in Sichtweite des Roten Senats und anstelle des Palastes der Republik - wieder von einem Hohenzollernschloss geprägt wird. Also muss man dessen städtebauliche Wirkung mindern. Das ist gar nicht mal infantil, es ist einfach nur fanatisch.

    Genauso sehe ich das auch. Wenn Lompscher und Lüscher etwas bewegen bzw. bauen wollen, dann sind sie durchaus flexibel und treiben die Genehmigungsverfahren voran, z.B. im Fall des Museums der Moderne am Kulturforum. Wenn es aber um das ungeliebte Stadtschloss oder um neue Hochhäuser am Alexanderplatz geht, dann stehen die beiden Ideologinnen fest auf der Bremse, insbesondere Lompscher. Denn beide Projekte verändern (wenn auch auf sehr unterschiedliche Weise) die von der DDR geschaffene städtebauliche (Un)Struktur zwischen Alex und Schloss. Und die ist für sie ein heiliger Gral. Von daher unterstelle ich den beiden Damen dass sie tatsächlich ein "schönes" Schlossumfeld mit allen Mitteln verhindern wollen.
    .

    Einmal editiert, zuletzt von Maecenas (27. September 2018 um 21:22)

  • @"Seinsheim" und "Kralle"
    Bezüglich der Ressentiments, die von Links gegen das Stadtschloss gehegt werden, stimme ich Euch ja völlig zu. Auch hinsichtlich des verbissenen Festhaltens an DDR-Planungen. Indes, der Schlossplatz wird ja neu angelegt. Wollte man einen DDR-Zustand konservieren oder "rekonstruieren" müsste man dort womöglich irgendwelche Lichtmasten errichten und die Fläche als Busparkplatz ausschreiben. Und, wie gesagt, es gäbe diverse Möglichkeiten, noch weit stärkere hässliche Landmarken gegen das Schloss zu setzen. Ich habe einige Varianten oben beschrieben. Vielleicht kommt das auch noch. Zudem sehe ich durch den Verzicht auf eine schönere Platzgestaltung die städtebauliche Wirkung des Schlosses nicht wirklich gemindert. Es steht ja unübersehbar da. Wollte man es mindern, müsste man es verstecken, z.B. durch Hochhausriegel um das Gebäude, die den Sichtzugang verbauen. Das wird schwer, dafür geeignete Bauflächen zu finden.