Berliner Schloss - architektur- und kunstgeschichtliche Aspekte

  • Schlagt mich, aber an diesem Bild sieht man wieder das ganze Unvermögen heutiger Architektursprache. Die am Foto linke, kahle Seite schreit förmlich danach irgendwann einmal in kulturell wieder höherstehenden Zeiten überformt zu werden, wenn das "Zeitalter der Brüche" selbst durch einen Bruch mit dem Bruch auch endlich zu Ende gehen darf!

    Ich habe manchmal die Befürchtung, dass es genau andersherum kommen könnte. ;)

    Der moderne Flügel ist wirklich ein Armutszeugnis. Das könnte ein x beliebiger Hotel, Klinik oder Büroneubau sein. Ich denke, dass ich aufgrund allein des Urheberrechts auf dieses Ding einen Umbau nicht mehr erleben werde. Aber zum Glück gibts ja noch die anderen drei Flügel. ;)

  • Ich möchte vorweg sagen, dass ich in meiner Gedanken-Wunschwelt am Liebsten jedes Gebäude 1:1 außen wie innen original rekonstruiert sehen würde. Aber das sind nur meine Traumwelten.

    In der Wirklichkeit meines Seins muss ich aber folgendes feststellen: das Berliner Stadtschloss, das 1950 abgerissen wurde, dessen Platz jahrzehntelang von einem riesigen und äußerst beliebten Staats- und Volksgebäude überbaut war und um dessen Wiederaufbau so erbittert gestritten wurde wie vermutlich noch nie um ein Bauwerk gestritten wurde, dieses Berliner Stadtschloss steht nun wieder da.

    Vor 20 Jahren hätte ich es nicht geglaubt. Vermutlich wäre ich damals sogar schon froh gewesen, wenn es nur zur Hälfte wieder aufgebaut worden wäre. Was hatte man alles vor mit diesem Neubau. Es hätte soviel passieren können.

    Und dann kommt dieser Stella und liefert einen Entwurf ab, der kaum mehr Schloss hätte bieten können. Ja, Ostseite modern. Ja, Eosanderhof nicht mehr historisch. Ja, historisches Quergebäude fehlt und ja, es wird kein Innenraum rekonstruiert. Noch nicht.

    Aber wenn ich mir wirklich noch mal vor Augen halte, was da entstanden ist, dann muss ich sagen, ich finde es ein fantastisches Bauwerk!! Es ist irre, was da steht. Außen größtenteils historisch, wo es modern ist, dann doch wenigstens unspektakulär. Im Innern sind so viele Möglichkeiten da, historisch nachzuliefern. Selbst außen ist so vieles noch machbar, hier wurde nur wenig buchstäblich für alle Zeiten in Beton gegossen.

    Danke Stella, danke an die Kommission, die Stella ausgewählt hat! Das Schloss ist herrlich und es wird noch herrlicher werden (können)!

    Übrigens: selbst das Dachcafè stört mich nach anfänglichem Ärger darüber nicht mehr, wenn ich überlege, was die zum Teil mit der Kuppel vorhatten.

    Ich freue mich über das Schloss und ich freue mich auf alles, was noch kommen kann und vielleicht eines Tages auch noch kommen wird!

  • ... da bin ich mir gar nicht so sicher !

    Schließlich ist noch nicht aller Tage Abend...

    Denn die historische Kleinteiligkeit streckt die Ostseite nicht nur optisch, sondern trägt als 'Folie' erheblich dazu bei, die Schlüter-Teile des Schlosses und den Dom monumentaler erscheinen zu lassen.
    Wollen wir wirklich dauerhaft auf diesen wunderbaren 'Dialog' zwischen den Raschdorff'schen Laternen und den Helmen von Herzoginnenhaus und Grünem Hut verzichten ?
    Zu prüfen wäre ggfs. auch, ob der 'Kapellenturm' wieder seinen alten Helm bekommen sollte. Die Dach- und Kuppellandschaft an diesem Teil der Spree wäre dann einfach überwältigend.

  • So viel verschenkte Fläche...


    Der ganz überwiegende Teil des - für die Umgebung sichtbaren - historischen Ostflügels lag östlich der Fläche des gegenwärtigen Stella-Flügels.
    Mit entsprechendem guten Willen, wäre somit eines Tages sogar eine Rekonstruktion dieses Teils möglich, ohne den Stella-Flügel beseitigen zu müssen...

    Ich erlaube mir, einen Ausschnitt aus einer - von mir angefertigten und vor Jahren bereits einmal hier im Strang eingestellten - überlagernden Karte von Stadtschloß und Humboldtforum anzuhängen.

  • Blasphemie
    ... wurde eigentlich mal überlegt, den rechtwinkligen Baukörper des Schlosses soweit zu drehen, daß die Ostseite parallel zur Spree verläuft ?
    Sowohl die nördliche als auch die südliche Gebäudekante lägen dann ebenso parallel zu den Straßen.
    Nur die Fläche des K-W-Denkmals fiele dann aus dem Rahmen. Aber diese ist ja auch schräg im Flussverlauf angeordnet und hätte vorteilhaft mitgedreht werden können.

  • Projektion

    Falls einer Realisierung nicht technische Hindernisse (etwa eine Reflektion durch die zahlreichen Scheiben des Stella-Flügels) entgegenstehen sollten, wäre es doch zumindest einmal eine Überlegung wert, ob man nicht nach Einbruch der Dunkelheit maßstabsgetreue Ansichten des historischen Ostflügels auf die Stella-Fassaden projizieren könnte, um der breiteren Öffentlichkeit ein Bewußtsein dafür zu geben, was hier noch fehlt. Sozusagen ein 1993 2.0...

  • ... wurde eigentlich mal überlegt, den rechtwinkligen Baukörper des Schlosses soweit zu drehen, daß die Ostseite parallel zur Spree verläuft ?

    Nein, da ist noch keiner drauf gekommen. Geniale Idee. Wird sicher in den nächsten Jahren realisiert. Du kannst ja schon mal an die Stiftung Humboldt Forum schreiben.
    Blasphemie... vielleicht könnten die auch gleich noch den Fernsehturm in den Schlüterhof mitverschieben, damit Besucher schon von der Ferne besser sehen, wo das Schloss liegt.

  • In Zukunft spaltet sich der Strang in ein Fachthread und Diskussionsthread.
    Der Fachthread ist an dieser Stelle beibzubehalten und der Diskussionsthread wird hier weitergeführt.

    (31.12.2018)

    Auf Grund der wiederholten Unsicherheit bei der Zuordnung der Beitragsinhalte haben wir den Strangtitel präzisiert.
    In diesem Strang sollen architektur- und kunstgeschichtliche Beiträge und Erörterungen zum Stadtschloss ihren Platz finden.
    Im Strang "Diskussionen und Aktuelles" können Foto- und Textbeiträge zum aktuellen Baugeschehen gepostet werden.

    Moderation

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Bitte, bitte schreibt (gerade auch in den Titeln der Threads) B e r l i n e r S c h l o s s.
    Jeder, der sich halbwegs fachlich mit dem B e r l i n e r S c hl o s s beschäftigt, schreibt
    B e r l i n e r S c h l o s s.
    Wer jetzt sagt, das sei doch egal, und die hier gewählte Bezeichnung sei inzwischen weit verbreitet, soll dann bitte auch Brandenburger Stadttor schreiben...

  • Über diese Frage habe ich auch gegrübelt und mich dann doch für Stadtschloss entschieden, da es in Berlin ja noch einige andere Schlösser gibt und mir der Begriff "Berliner Schloss" für weniger Eingeweihte zu unspezifisch erschien.
    Wenn es allgemein für besser gehalten wird, Berliner Schloss statt Stadtschloss zu schreiben, würden wir dies natürlich wieder ändern.
    Den Begriff Humboldtforum habe ich übrigens weggelassen, damit die nachfolgenden Präzisierungen im Titel auch auf kleineren Bildschirmen nicht abgeschnitten werden.

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Es gibt in Berlin so einige Schlösser, jedoch nur ein Stadtschloss. In sofern halte ich die Bezeichnung "Stadtschloss" ,gerade für Ortsunkundige, für absolut angemessen.

  • Cöllner Schloß

    Wenn man jetzt ganz genau sein wollte, müßte man feststellen, daß es weder ein Berliner Schloß, noch ein Berliner Stadtschloss gab / gibt. In Berlin bestand als temporäre Residenz der Markgrafen nämlich nur das 'Hohe Haus' an der Klosterstraße. Die erste permanente Residenz der Hohenzollern in der Mark wurde hingegen unmittelbar an der Nordgrenze der Stadt Cölln an der Spree etabliert. Der von 'Eisenzahn' errichtete Bau hieß folglich auch nicht 'Zwing-Berlin', sondern 'Zwing-Cölln'. Erst drei Jahre bevor Andreas Schlüter Brandenburg-Preußen verließ, wurde Cölln im Jahre 1710 in die preußische Hauptstadt Berlin eingemeindet.
    Insofern müßten wir eigentlich darüber debattieren, ob wir die Begrifflichkeiten ''Cöllner Schloß' oder 'Cöllner Stadtschloß' verwenden sollten... ;)

    Das dem Cöllner Schloß nächstgelegene royale Wohngebäude, Schloß Monbijou, lag im Übrigen auch nicht in Berlin, sondern in der Spandauer Vorstadt...

    Wie gesagt, wenn wir pingelig sein wollen (und die zur Zeit der Ersterbauung gültige Terminologie zugrundelegen), was wir ja nicht sind... :rolleyes:

    P.S.: Hier noch ein einschlägiger 'Link':

    https://www.diegeschichteberlins.de/geschichteberl…546-coelln.html

    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (22. August 2019 um 10:33)

  • Lieber Pagentorn,

    danke für deine ganz richtigen Ausführungen. Doch möchte ich zur Residenz der Hohenzollern gerne noch etwas anfügen. Der römisch-deutsche König Sigismund belehnte der Burggrafen Friedrich von Nürnberg, Friedrich von Hohenzollern im Jahre 1417 mit der Markgrafschaft Brandenburg. Der Hohenzoller sollte das Raubritterwesen ausmerzen und den damals in Händeln und Fehden verstricktenen Adel der Mark zur Raison bringen, was ihm auch gelang.

    Die Residenz der Hohenzollern als Markgrafen von Brandenburg war zunächst aber nicht Cölln an der Spree sondern Tangermünde in der Altmark. Die Altmark gehörte seit jeher bis 1806 zu Brandenburg. Nach der totalen Niederlage Preußens schlug Napoleon die Altmark dem neu gegründeten Königreich Westfalen zu (dort hatte er einen Bruder von sich auf den Thron gesetzt). Die Altmark kam nach 1815 nach dem Wiener Konkress jedoch nicht mehr zurück zu Brandenburg, sondern zur preußischen Provinz Sachsen.

    Im altmärkischen "Bierkrieg" (ausgebrochen wegen der Erhöhung der Biersteuer) lehnten sich die altmärkischen Städte gegen die Hohenzollern auf, unterlagen jedoch dabei. Johann Cicero war so sehr über die Auflehung der Städte der Altmark im Bierkrieg verärgert, dass er seine Residenz in Tangermünde ganz aufgab und diese nach 1488 nach Cölln an der Spree verlegte. Dort war bereits ab 1442 eine feste Burg der Hohenzollern erbaut worden.

    2 Mal editiert, zuletzt von Villa1895 (22. August 2019 um 22:56)

  • Der Name Stadtschloss hat sich wohl infolge der Expansion Berlins eingebürgert, als auch andere Schlösser zu Teilen des Stadtgebietes wurden. Und diese - historisch nicht korrekte Bezeichnung - ist dann auch deutschlandweit geläufig geworden. Ich kenne keine andere Residenz, die als "Stadtschloss" bezeichnet wird/wurde, insofern ist dies auch wieder ein Alleinstellungsmerkmal. Ich finde, der Begriff bringt sehr schön zum Ausdruck, was Wolf Jobst Siedler einmal sagte: "Das Schloss lag nicht in Berlin, Berlin war das Schloss".

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Ich kenne keine andere Residenz, die als "Stadtschloss" bezeichnet wird/wurde, insofern ist dies auch wieder ein Alleinstellungsmerkmal.

    Na das Potsdamer Stadtschloss, aus den selben Gründen wie in Berlin.

  • Lieber Villa1895,

    vielen Dank für Ihren wertvollen Hinweis !

    Eisenzahn (also Kurfürst Friedrich II.) ist sogar 1413 in Tangermünde geboren worden. Aber dennoch haben sich er und sein Vater immer doch mehr zu den 'heimatlichen' fränkischen Gefilden hingezogen gefühlt. So ist denn auch Friedrich I. in seiner geliebten Cadolzburg (dort rekonstruiert die bayerische Denkmalpflege seit Jahrzehnten sehr vorbildlich) verstorben und Friedrich II. ging in Neustadt / Aisch dahin. Beide sind sie im Münster von Heilsbronn (sehr sehenswert) begraben. Die Verbindung zu der von den Askaniern begründeten und von den Luxemburgern als nördliche Residenz für die damaligen Länder der Böhmischen Krone ausgebauten Burg Tangermünde war wohl nie so besonders ausgeprägt. Man pendelte zwischen Franken und der Mark hin un her. Das Itinerar dieser beiden ersten Hohenzollern in Brandenburg ist insofern dem mittelalterlichen Reisekaisertum der Sachsen und Salier nicht unähnlich. Mit der Zwingburg an der Nordgrenze Cöllns hatten die Hohenzollern hingegen erstmals etwas Eigenes, nur auf sie Zurückgehendes in ihrem neuen Land. Unter diesem Blickwinkel ist meine Wortwahl von der 'Permanenz' zu verstehen.

    Aber rein chronologisch betrachtet haben Sie natürlich mit dem Hinweis auf das schöne Tangermünde recht, aus dem nicht nur eine nach einer Schwester I.M. Kaiserin Auguste Viktorias (Feodora) benannte Schokoladenmarke stammt, sondern dessen historische Rolle S.M. Kaiser Wilhelm II. mit den beiden Denkmälern von Karl IV. und Friedrich VI. (I.) auf dem Burgareal gewürdigt hat. Ob auch die vom Deutschen Orden Friedrich VI. ausgeborgte, legendäre 'Faule Grete' in Tangermünde 'stationiert' war, wäre noch zu prüfen...

  • Na das Potsdamer Stadtschloss, aus den selben Gründen wie in Berlin.

    Da gibt es durchaus noch mehr, zum Beispiel: Breslau, Weimar, Eisenach, Wiesbaden, Fulda.

    Als inoffizielle Bezeichnung ist Stadtschloss für Berlin doch kein Problem. Der Vergleich von @Siedel? mit dem Wort "Stadttor" oben passt nicht. Es gibt kein konkretes Stadttor im deutschen Sprachraum, das den Begriff "Stadttor" im Namen führt, während "Stadtschloss" als Name und nicht nur als Gattungsbegriff mehrmals vorkommt.

    Begrifflichkeitsdiskussion in diesen Strang verschoben, da in "Aktuelles/Baugeschehen" eher fehl am Platze.
    Mod. (Snork)

  • Historiengemälde vom im Bau befindlichen Eisenzahn-Flügel ?

    Das von Mantikor weiter oben eingestellte Foto einer der beiden wilhelminischen Reliefplatten vom Eosander-Portal illustriert ja die Grundsteinlegung durch Eisenzahn.


    Daneben sind mittlerweile wissenschaftlich fundierte, visuelle Rekonstruktionen des fertigen 'Eisenzahn-Baus' angefertigt worden.

    Meine Frage wäre deshalb, ob das ja so visualisierungsfreudige Zeitalter des Historismus auch eine Ansicht des im Entstehen begriffenen - also eingerüsteten - Gründungsbaus des späteren Berliner Schlosses hinterlassen hat. Meines Wissens, ist uns von Prof. Albert Geyer allerdings nichts Einschlägiges überliefert.


    Kann hier ein Mitforist weiterhelfen ?