Berliner Schloss - architektur- und kunstgeschichtliche Aspekte

  • Um mal zurück zum Thema zu kommen...

    Zur Schlosskuppel - sie war natürlich auch eine Kompensation dafür, dass FW IV die Erweiterung des Doms, die ja recht gigantisch hätte werden sollen, nicht realisieren konnte.

    Die jetzige Fassung ohne die Nebenkuppeln ist leider eine stark amputierte Version der Westfassade.
    Meiner Meinung nach hätte man das später überraschend hinzugekommene Geld für das Eck-Rondell an der Südfassade besser in die Rekonstruktion der zwei Seitenkuppeln investiert, da die Ostfassade mit dem Rondell überhaupt nicht harmoniert. Selbst viele Anhänger der Moderne und Gegner der Rekonstruktion kritisieren diese Eck-Konstellation einfach als unpassend und hässlich, wenn man mal durch die Zeitungen blättert.
    Das Dach wurde eben erst mit Kupfer überzogen und ist dabei, seine Patina zu erhalten, was eine kurz- und mittelfristige der Kuppeln ausschließt.
    Aber das Wichtigste: Der Wille zur Rekonstruktion der Schlosskuppeln fehlt.

  • Dem vorangegangenen Beitrag muss ich widersprechen.
    Wichtigster Bestandteil der Rekonstruktion des Stadtschlosses sind die barocken Fassaden und nicht das Dach. Für eine originalgetreue Rekonstruktion der Fassaden war das Eckrondell unabdingbar. Ohne sie als Abschluss der Südfassade hätte man sich ähnlich dem Abschluss der Nordfassade ein Fantasieprodukt ausdenken müssen. An der Nordfassade geht das aber noch in Ordnung, denn hier hörte die barocke Fassade bereits vorher auf und man musste sie etwas verlängern.
    Es ist auch nicht die Schuld des Rondells, dass der Übergang zur modernen Ostfassade so unharmonisch aussieht. Wenn, dann liegt die Schuld bei der Ostfassade, denn diese ist neu und passt sich nicht an.
    Wenn man also irgendwo etwas weglassen sollte, dann da. Stella hat an dieser Stelle ja auch tatsächlich etwas nachgegeben, indem er seine Ostfassade um eine Achse verkürzte, um dem Rondell etwas mehr Raum zu geben. Das rechne ich ihm hoch an, denn das hätte z.B. ein Kulka nicht mit sich machen lassen.
    Mir ist auch ganz klar, warum Modernisten und Rekogegner hier meckern. Nicht nur selbst diese, sondern gerade diese würden über etwas weniger Reko und etwas mehr Moderne jubilieren.
    Eine bereits einsetzende Patina schließt auch nicht eine spätere Wiedererrichtung der Seitenkuppeln aus. Das stört doch niemanden, ob Teile des Kupfers unterschiedlich patiniert sind. Man muss nur jetzt auf das Dach schauen, da sieht man nämlich auch einen bunten Flickenteppisch. Teils schon etwas älter und dunkelgrau, auf dem Wege zu Patinierung, und teils noch ganz neu und kupferrot leuchtend. In einigen Jahren passt sich das alles ohnehin aneinander an.

  • Das Rondell ist in der Tat ein unverzichtbares Element der Südfassade: nicht nur, weil es ausgesprochen schön ist, sondern auch noch einen Hinweis darauf enthält, dass hier ursprünglich ein Eckerker des Joachimsbaus ummantelt worden war.
    Schön wäre es natürlich gewesen, Stella hatte noch eine weitere Achse geopfert. Aber er fasst das ganze Humboldt-Forum als einen blockhaften Körper auf und mehr wollte er von dieser Blockhaftigkeit nicht aufgeben.
    Die Rekonstruktion der Nebenkuppeln wäre in der Tat höchst wünschenswert...

    Nimm das Recht weg, was ist der Staat dann noch anderes als eine große Räuberbande? (Augustinus von Hippo)

  • Aber es sind doch gar keine "Nebenkuppeln" gewesen, sondern unbedeutende, banale Türmchen. Das südliche Türmchen war lange vor der Errichtung der Kuppel über dem Eosanderportal da, und das nördliche Türmchen kam erst Ende des 19. Jahrhunderts hinzu. Wenn das Schloss so lange ohne dieses Türmchen leben konnte, dann kann es das auch jetzt, zumal es ja nun das Dachrestaurant gibt, das immerhin noch einen praktischen Nutzen hat.

    Zum Übergang zwischen Eckrondell und Spreefassade: Ich war in der Bewertung auch lange Zeit schwankend, aber bei meinem jüngsten Besuch vor Ort kam ich zu dem Ergebnis, dass es so schon in Ordnung ist. Ein weiteres Kürzen der Spreefassade würde die Proportionen verändern. Da kann ich Stella verstehen. Seine Architektur ist insgesamt in sich schlüssig. Die Spreefassade hat jetzt die richtigen Proportionen.

    Übrigens glaube ich auch, dass Peter Kulka im konkreten Falle ebenso gehandelt hätte. @Treverer kennt ihn nicht gut genug, um sich ein Urteil erlauben zu können.

  • Diese "so nebensächlichen Uhrentürmchen" sind allerdings in ein harmonisches Raster der Westfassade integriert. Zum Ausgleich der gesamten Fassade mit der Kuppel nicht ganz ohne Bedeutung.
    :lehrer:

    Berliner Schloß, Proportionen Westfassade


    Weitere Erklärungen hier: Berliner Stadtschloss (architektur- und kunsthistorische Aspekte)
    Oder ausführlicher für andere Fassaden des Schloßes hier: Berliner Schloss - Geometrie, Zahl, Maß und Goldener Schnitt - Proportionsstudien zur Entdeckung des harmonischen Entwurfsrasters in den Fassaden

    Quelle: eigene Studie unter Verwendung einer Visu des Fördervereins Berliner Schloß

  • Am zweiten Advent, also morgen, wird übrigens termingerecht der Informationspavillon des Fördervereins eröffnet werden.

    Nimm das Recht weg, was ist der Staat dann noch anderes als eine große Räuberbande? (Augustinus von Hippo)

  • Da das Thema wegen des aktuell gebauten Dachrestaurants endgültig ad acta gelegt werden könnte, würde ich die Diskussion von der Kunsthistorie lieber hierher verlagern:

    Die Nebenkuppeln waren in ein harmonisches Raster der Westfassade
    integriert und sind zum Ausgleich der gesamten Fassade mit der Kuppel
    nicht ganz ohne Bedeutung. Die jetzige Fassung ohne die Nebenkuppeln ist
    leider eine stark amputierte Version der Westfassade. Das Dach wurde
    eben erst mit Kupfer überzogen und ist dabei, seine Patina zu erhalten,
    was doch eine kurz- und mittelfristige Wiedererrichtung der Kuppeln
    ausschließen könnte.

    Aber das Wichtigste: Der Wille zur Rekonstruktion der Schlosskuppeln fehlt leider.

    Bildquelle: SchortschiBähr

  • @Touranoglou
    Der "Wille zur Rekonstruktion der Schlosskuppel" ist da! Ja, mehr noch: die Kuppel wird bald fertig. Das Berliner Schloss hatte zu keinem Zeitpunkt mehr als eine Kuppel. Die beiden Türmchen an den Ecken waren keine Kuppeln.

    Von "amputiert" kann erst recht keine Rede sein. Dieses Wort findet nur auf Menschen und Tiere Anwendung, die ein Körperteil verloren haben. Im übertragenen Sinne könnte man es allenfalls verwenden, um die Wegnahme von etwas Vorhandenem, das bisher "organischer" Bestandteil eines größeren Ganzen war, zu kritisieren. Die Türmchen wurden aber nicht beseitigt, sondern sie waren nicht da. Bezogen auf Architektur findet das Wort ohnehin keine Anwendung. Im konkreten Falle widerspricht deiner Auffassung schon die Baugeschichte. Das nördliche Türmchen wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts aufgesetzt. Da hatte das Schloss seine besten Tage schon hinter sich.

    Übrigens: Auch die moderne Spreefassade hat gute Proportionen.

    Einmal editiert, zuletzt von Rastrelli (10. Dezember 2019 um 18:28)

  • Den Begriff „Amputation“ kann man durchaus auf die Architektur anwenden. Die Laternen des Berliner Doms wurden z.B. amputiert und durch billige Prothesen ersetzt. Und wie ein Mensch wird er dadurch „nie wieder derselbe sein“. Aber was die Türmchen am Schloss betrifft, gebe ich dir recht. Das Schloss leidet durch diesen Verlust nicht und der Bau zeichnet sich m.E. ja durch seine strenge Geometrie aus, die durch die harten Kanten unterstrichen wird. Jeden Anbau mit zu rekonstruieren halte ich für falsch, wie z.B. beim Narrenhäusel, wo ich den barocken Ursprungszustand bevorzuge. Man sollte bei späteren Anbauten in meinen Augen nur das rekonstruieren, was dem Gesamteindruck auch wirklich dient und was sich nicht wegdenken lässt, ohne dass der Bau darunter leidet. Und dazu gehören diese sehr spät angebrachten Türmchen nun einmal nicht.

  • Rastrelli, mit deiner Argumentation kann man genauso gut auf die Kuppel des Schlosses verzichten. Es wurde auch erst 1853 (also im 19. Jahrhundert wie die Uhrentürmchen) nach dem Eosanderportal unter Stüler und Albert Dietrich Schadow vollendet. Gleichwohl stört es ja die jetzige Geradlinigkeit des Daches als Solitärbau vor dem Dachrestaurant.

    Quelle: deu.archinform.net

  • Die Berliner Zeitung (BZ) hat sich am 28.12.2019 mit der Architektur des Berliner Schloss kritisch auseinandergesetzt.

    "Eine der bemerkenswertesten deutschen Architekturdebatten der vergangenen drei Jahrzehnte wurde über den Nachbau des Berliner Schlosses geführt. Was letztlich dabei herausgekommen ist, macht nachdenklich."

    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropo…hlosses-li.3971

  • Genau Sir Moc
    Solche schon ausgeleierten Antischlosskommentare interessieren keinen mehr(nur vielleicht die Gegnerschaft selbst)
    und bringen auch am Ende der ganzen Sache nichts.Das Schloss steht und ist eine architektonische Bereicherung für Berlin-und die Gegnerschaft sollte es jetzt einfach mal akzeptieren,Punkt!!! Da macht auch nichts nachdenklich.

  • die Medien

    Genau betrachtet sind es ganz konkrete Autoren, die das Zugangsrecht zum inneren Zirkel derjenigen erhalten haben, die in den etablierten Print- und Rundfunk-Medien veröffentlichen können. Hier Nikolaus Bernau, dessen Themenpalette viel vom aktuellen Zeitgeist umfasst, wozu in diesem Jahr der Christopher-Street-Day, die Hohenzollern-Restitution und das Aufblasen der deutschen "Kolonialschuld" gehört.

    So schrieb Bernau im August noch, dass Brandenburg-Preußen vor 400 Jahren vom Sklavenhandel profitierte. Das Ganze wurde entsprechend reißerisch als das "blutgetränkte Kapitel der Geschichte" beschrieben. Dieser Minianteil am globalen Sklavenhandel muss nun als Schuld-Mal auf das Berliner Schloss/Humboldtforum übertragen werden. Bernau stört sich nämlich daran, dass es bislang im Humboldt-Forum keine Gedenkstelle gäbe, in der "daran erinnert werde(n), dass das originale barocke Schloss einst auch aus den Erträgen des brandenburgisch-preußischen Sklavenhandels finanziert wurde".
    Hier kündigt sich die "kritische" Debatte nach der Eröffnung des Humboldt-Forums übrigens an. Stichwort "Ausstellung kolonialer `Beutestücke´".

    Ebenfalls negativ interpretiert er das Kreuz auf der Schlosskuppel: "...Kreuz, das auf der Schlosskuppel wieder errichtet wird. Einst wurde es von Friedrich Wilhelm IV. als Triumphzeichen über die demokratischen Revolutionäre von 1848 gestiftet."
    Das Kreuz sei also ein antidemokratisches Symbol, dass heute "unkritisch" zum christlichen Symbol der Liebe uminterpretiert würde.

    Natürlich ist Bernaus Argumentation völlig unausgegoren. Er will eben irgendetwas, was stört und ein negatives Licht auf das Berliner Schloss wirft. Dabei greift er nach allem, was möglich ist...

    Ich zitiere noch einmal:
    "Kritisches Geschichtsbewusstsein sieht anders aus. Doch das war hier an der Stelle genuiner Staatsrepräsentation seit dem Bau der Hohenzollernburg 1442 nie gewünscht. Sonst stünde das Schloss noch, wäre der Palastrohbau nicht abgerissen worden, würde jetzt wenigstens die `Glasblume´ im Foyer des Humboldt-Forums aufgestellt oder daran erinnert werden, dass das originale barocke Schloss einst auch aus den Erträgen des brandenburgisch-preußischen Sklavenhandels finanziert wurde."

    Ich fasse diese wirren Thesen zusammen:
    1. Seit dem Bau der Hohenzollernburg 1442 hätte es ihr gegenüber leider kein "kritisches Geschichtsbewusstsein" gegeben. Demnach hätten sich schon die spätmittelalterlichen oder barocken Berliner über Schuld und undemokratischen Geist dieses Schlosses Gedanken machen müssen bzw. sich distanzieren sollen.

    2. Weil das Bewusstsein gegenüber den Hohenzollern nicht kritisch war, wurde das Schloss abgerissen. Und aus gleichem Grund wurde der Palast der Republik abgerissen. Diesen Sinnzusammenhang zwischen zwei unterschiedlichen Vorgängen muss man erst mal finden. Bernau schafft es irgendwie.

    3. Besäße man kritisches Bewusstsein gegenüber dem Berliner Stadtschloss und seiner Schuldgeschichte, hätte man wenigstens die DDR-"Glasblume" im Foyer des Humboldt-Forums auftgestellt.
    Anscheinend hat diese Skulptur (gegen deren Aufstellung ich übrigens nichts einzuwenden hätte) eine besonders kritische und moralisch reinigende Ausstrahlung. Kritisch gegenüber der DDR-Herrschaft dürfte sie zwar nicht so sehr sein, aber es geht ja nur um irgendeinen Strohhalm...äh... Bruch zum Stadtschloss.

    Jetzt habe ich mich wieder viel zu lang über einen "Berliner Zeitung"-Erguss ausgelassen, der es eigentlich nicht wert ist. So ist das leider manchmal. Das kritische Bewusstsein geht mit einem durch...

  • Die Geschichte von dem Sklavenhandel-finanzierten Schloss ist ja schon arg an den Haaren herbeigezogen. Meines Wissens war diese durchaus grauselige Unternehmung unterm Strich doch ein eher defizitäres Geschäft für die Hohenzollern – und im Umfang in keiner Weise vergleichbar mit dem, was die Briten, Spanier, Franzosen und Portugiesen da abgezogen haben. Insofern: Als vernünftiger Ort für ein gut sichtbares Mahnmal, das an das europäische Sklavenhändler-Geschäft erinnert, würde sich der Buckingham-Palace in London ja wohl besser eignen, oder? Dann aber bitte schön deutlich an der Fassade anbringen, dass es bei der nächsten Prinzenhochzeit nicht zu übersehen ist … Zudem: Würde man an alle feudalistischen Bauaktivitäten des Hochadels der letzten paar hundert Jahre die hehren heutigen moralischen Maßstäbe ansetzen, müsste man fast überall draufschreiben: Von primär eher faulen, machtgierigen Kriegstreibern auf dem Buckel und mit dem Geld unterjochter und ausgebeuteter Völker errichtet. Versailles, Louvre, Schönbrunn, Escorial, Windsor usw. … Künftig sollte da kein Mensch mehr durchgelassen werden, der vorab nicht darüber zwangsinformiert wird, dass das alles von - aus heutigem Rechtsverständnis - Kriminellen errichtet wurde! Oder?

  • Bitte echauffiert Euch nicht wegen so eines kleinkarierten Artikels aus der Berliner Zeitung. Wer liest schon BZ mit einer ständig kleiner werdenen Auflage?! Dieses Blattl gehörte doch der PDS=DIE LINKE=SED und wenn man das weiß, dann braucht man sich über solche Rülpser nicht weiter zu wundern. Gäbe es eine Nachfolgezeitung des Stürmers, einer Zeitung, die NSDAP Nähe besaß, dann würde man diese wohl auch nicht für voll nehmen!

    Das Stadtschloss steht und die alten und neuen Genossen sind halt (wie immer) schlechte und einfach gestrickte Verlierer. In 200 Jahren wird das Schloss noch immer stehen, aber die BZ wird schon in 20 Jahren niemand mehr lesen, wenn die Auflagenzahl im gleichen Tempo in den Keller purzelt:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_Zeitung

    Einmal editiert, zuletzt von Exilwiener (29. Dezember 2019 um 23:57)

  • Wenn das hier http://www.stadtbild-england.org wäre, hättest du völlig recht. Ist es aber nicht.

    Ob das Sklavenhandelsgeschäft nun defizitär oder lukrativ war, ist doch völlig unerheblich. Ich sage damit keineswegs, dass eine solche Erinnerung im Stadtschloss notwendig oder auch nur wünschenswert ist. Aber das Argument "Die anderen waren ja noch viel schlimmer!" taugt selten, und auch hier nicht. Jeder muss sich an seine eigene Nase fassen.

  • Der Versuch, das Berliner Schloss bzw. seine Rekonstruktion mit dem Kolonialismus und Sklavenhandeln in Verbindung zu bringen und dadurch zu diskreditieren, wurde bereits durch Frau Anna Yeboah, Architektin sowie Autorin beim Trüby-Magazin arch+, mehrfach unternommen. Nikolaus Bernau greift nun dieses Thema auf, um seine jahrelange Diffamierungskampagne gegen das Berliner Schloss fortzusetzen. Auffällig ist dabei, dass weder Yeboah noch Bernau Quellen zitieren, die ihre Thesen stützen. Daher stellt sich mir die Frage, ob es denn aussagekräftiges Quellenmaterial hierzu gibt.