Berliner Schloss - architektur- und kunstgeschichtliche Aspekte

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    Danke für den Link zum Bericht!

    Sehr schön finde ich den bekehrten Ex-Schlossgegner! :daumenoben: Von der Sorte wird es sicher noch mehr geben, wenn es erstmal fertig ist. Das kennen wir ja schon. Die Presse ist ja auch schon größtenteils am Umschwenken.

    Ich wäre auch gerne hingefahren, aber 600 km sind mir dann für eine Tagestour auf die Schnelle doch zuviel. Ich würde mich daher sehr über noch ein paar Fotos freuen (insbesondere über Nahaufnahmen von den bereits angebrachten EG-Fassadenteilen) - gestern gab´s ja dankenswerterweise schon Bilder von Konstantindegeer. :applaus:

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Guten Abend,

    es ist schon sehr erstaunlich wie immer wieder Gruppierungen versuchen die Rekonstruktion von Gebäuden zu beeinflussen, zu verhindern oder die Medien als Plattform benutzen um negative Stimmung zu verbreiten. Ich möchte euch ein ähnliches Beispiel aus der Nachbarstadt Potsdam vorstellen.

    "Die Räume an der Front der Fachhochschule am Alten Markt, Landtag, Breite Straße, Lustgarten und am Havelhochhaus stellen schon jetzt zwei sehr interessante und komplementäre Situationen dar.

    Zum einen die Engstellung zwischen der Front des Landtags und der Lamellenfassade der Fachhochschule. Gedacht als Übergangssituation, ist unbemerkt ein zeitgemäßer städtischer Raum der zwischen moderner Struktur und Barock entstanden. Dieser Raum sollte hiervon ausgehend weiter gestaltet werden. Die Engstellung ist in allen Bauepochen üblich. Neu ist es für Potsdam, das an dieser Stelle als neu Gewachsenes zu verstehen und zu akzeptieren.

    Ein Dialog ähnlicher Art, aber anderer Form findet beidseitig der brandenden Verkehrsschneise der Breiten Straße statt.

    Der flache Baukörper des Landtages und das hoch aufragende Havelhochhaus stehen sich hier gegenüber. Zusammen mit dem Lustgarten sind sie Gegensätze, die sich ergänzen und in den Konflikt treten - so wie in jeder anderen Stadt mit einer kontinuierlichen Stadtentwicklung."

    (Quelle: http://www.potsdamermitteneudenken.de)

    Viele Grüße :cool:

  • Ich würde mich daher sehr über noch ein paar Fotos freuen (insbesondere über Nahaufnahmen von den bereits angebrachten EG-Fassadenteilen)


    Na gut, weil du's bist. Allerdings waren die Außenbereiche nicht zugänglich und du musst mit diesen Eindrücken vorlieb nehmen.

    Links neben Portal IV

    Portal V - Innenseite Schlüterhof

    Schlüterhof nach Osten

    Portal V - Innenbereich

    Erneut Portal V - Schlüterhof

    Agora

    Schlossforum nach Süden

    Schlüterhof nach Süden

    Neben Portal I - Schlüterhof

    Schlüterhof nach Norden

    Ostseite

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Der Beitrag von Fr. Lengsfeld sollte kommentiert werden. Soviel Haß wie aus diesen Zeilen über den Palast der Republick ausgeschüttet wurde, habe ich lange nicht gelesen. Natürlich wurden edle Materialien dafür verbaut, warum denn nicht? WOHIN sind denn diese sicher immer noch wertvollen Materialien nach dem Abriss hingekommen? Vom Stahl ( aus der Tragwerkskonstruktion) für Dubai weiß ich, aber der Marmor und andere Stoffe landeten bestimmt auf keiner Deponie. Sicher mußte man fürs Bowling länger warten- es war sehr gefragt! Und Parteitage fanden nicht wöchentlich statt. Der PdR war ü b e r w i e g e n d ein gern aufgesuchtes Ziel vieler DDR- Bürger, ja, ein Indentifikationsobjekt. Und das trotz vergleichsweise hoher Preise in den gern besuchten Gaststätten und Bars. Es waren nicht nur Genossen drin - ich war mehrfach drin und KEIN SED- Mitglied.Ich vergleiche immer wieder den Abriss des Schlosses mit dem Abriss des Palastes - beide aus eindeutig politischen Gründen. Das Schloß wäre damals sicher zu retten gewesen und der Palast ganz sicher. Das mit der Asbestbelastung war schnell hervorgezaubert - was ist eigentlich mit dem für meine Begriffe viel häßlicherem ICC, auch voll mit Asbest. Da ist keine Rede von Abriss. Zum Schloßwiederaufbau - ich finde es atemberaubend, wie man sowas wieder hinbekommt. Aber es ist eine Kopie - siehe Frauenkirche in Dresden. Ich freue mich auf die Fertigstellung und bin auch für die Rekonstruktion vieler historischer Innenräume. ES IST VIELES MACHBAR - MAN MUSS NUR WOLLEN!

    In der Architektur muß sich ausdrücken, was eine Stadt zu sagen hat.
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten

  • Ganz herzlichen Dank für die schönen Fotos, Vulgow! Ich kann viele Details sehen, an die man mit den Webcams so nicht herankommt. Genau das hatte ich mir gewünscht! :daumenoben:

    Und ich muss sagen, dass ich zuerst von der Unterteilung des Eosanderhofs in "Agora" und Passage nicht so überzeugt war, nachdem es 2008 hieß, auch er solle rekonstruiert werden; inzwischen finde ich aber, dass hier zwei sehr spannende "Räume" entstehen.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Meine Begeisterung für dieses großartige Bauwerk steigt auch mit jedem weiteren sichtbaren Fortschritt. Und so wird es den meisten gehen, selbst jenen die anfänglich Schlossgegner waren. Man kann sich der Faszination dieser Raumwirkung nicht entziehen. Nachwuchsarchitekten, ab in die Ecke! Wir feiern.

    In dubio pro reko

  • Zum Für und Wider eines (Wieder)aufbau's bzw. Abrisses der damaligen Schloßruine, des "Palastes der Republik" und des Schlosses in Gestalt des Humboldtforum's :

    Zu keinem Zeitpunkt wurde das historische Zentrum Berlin's stärker zerstört, als in den Nachkriegsjahren durch das ideologisch motivierte Handeln der SED-Oberen. Auch nicht durch die Zerstörungen des zweiten Weltkrieges.

    Die de facto Auslöschung von Marienviertel, Klosterviertel und Heilig-Geist-Viertel fanden damals nur ihre konsequente Entsprechung in der totalen Beräumung des Schloßareals.

    Kaum jemand wird behaupten können, daß der dann entstandene PdR - und dies allemal im Vergleich zu vielen Scheußlichkeiten, welche im Nachwende-Berlin errichtet wurden und errichtet werden - für sich genommen ein übermäßig häßliches Bauwerk war.
    Ein gern zitierter Vergleich mit dem beispiellos ekelhaften Raumschiff ICC - allerdings nicht im Innenstadtbereich ! - verbietet sich ohnehin.

    Der Palast der Republik gehörte und gehört halt nicht in die von historischen Gebäuden umsäumte Umgebung, in welcher er gestanden hat.
    Dies gilt im Übrigen auch für die Unverschämtheiten, die derzeit am Schinkelplatz heranwachsen.

    So gesehen bedeutet nach Abriss des PdR die Entstehung des Humboldtforums in teilweiser Gestalt des Berliner Stadtschlosses auch und lediglich gebotene Stadtreparatur.
    Diese allerdings hätte man sich bezüglich der vierten Außenfassade UND DER INNENHOFFASSADEN sowie der seitlichen kleinen Kuppeln - Kosten hin oder her - deutlich mutiger gewünscht !

    Gegen die Konzepte für die Innenräume hingegen ist nichts einzuwenden.

  • Der Ballast der Republik war nicht nur äußerlich scheußlich, auch innen war es eine architektonische Zumutung, die Flure weit und kalt, der große Saal erinnerte eher an das Parlament von Star Wars und das Eiscafe wirkte wie ein langgestreckter Korridor einer Behörde. Warum immer noch Leute dieser lieblosen Kiste nachheulen, ist für mich nicht so ganz nachvollziehbar - gut daß es weg ist, und bald wieder das Schloß das Herz der Stadt erfreut.

  • Warum immer noch Leute dieser lieblosen Kiste nachheulen, ist für mich nicht so ganz nachvollziehbar


    Möglicherweise hängt das mit psychologischen Hintergründen zusammen. Man hat den Eindruck, daß nicht jeder Mensch fähig ist nachzuvollziehen, daß auch die zurückliegende Vergangenheit in vielfältigen Handlungssträngen abgelaufen ist. Daher dürften etliche Menschen nur den PdR als Realität wahrgenommen haben, ohne dabei die Fähigkeit zum Rückblick zu besitzen, also damit auch den Blick auf das Stadtschloß richten zu können. Ein ähnlicher Fall ergibt sich in anderer Form ja auch mit Dresdens KP. Innerhalb eines Menschenalters ergibt sich dennoch ein psychologisch interessanter Umstand, daß an diesem Standort zwei Mal ein Gebäude mit starkem Identifikationspotential bestand und nun von der Bildfläche verschwunden ist.


  • Doch! Die Rekonstrultion wichtiger Raumfolgen oder Einzelräume (Weißer Saal,..) wurde nicht bedacht oder z.T. unmöglich gemacht! Das ist einer der riesiger Fehler dieses Gebäudes!

    Ich sag mal so, es verlangt ja keiner daß der weiße Saal sofort wieder rekonstruiert wird, jedoch hätte man die alte Raumanordnung und aufteilung mit berücksichtigen sollen. Wenn man später den weißen Saal, den Wappensaal o.ä. wieder herstellen wollte, gibt es aufgrund der neuen Konstruktion arge Probleme dies umzusetzen. Ich denke hier hätte man zukunftsorientiert handeln sollen, daß das Stadtschloß nach und nach im Original nachgerüstet werden könnte.

  • Um es noch mal klarzustellen, ich finde den Wiederaufbau des Schlosses fantastisch, hätte nie gedacht, das ich das je erleben könnte. Bin 50 geworden, in der DDR aufgewachsen. Natürlich waren die vielen Abrisse nach dem Krieg oft nur aus politischen Gründen katastrophal, hatte das auch schon mal so ähnlich geschrieben. Aber man muß das mit der damaligen Sicht sehen, man wollte was Neues schaffen, egal wie. Sicher war es im Nachhinein ein Fehler, das Schloß zu zerstören, denn Honecker und Co empfingen doch ihre Staatsgäste gern in historischem Ambiente. Der PdR war aber für die Bevölkerung da, man war stolz drauf. Ich meine das ernst! Im Westen wurde doch auch vieles zerstört und abgerissen, was erhaltenswert war. Vielleicht nicht so rigoros wie im Osten, aber es geschah auch. Um noch auf den Wiederaufbau des Dresdner Schlosses einzugehen, das ist auch eine Glanzleistung, da wird auch etwas wiederhergestellt, was für viele (auch für mich) nie für möglich gehalten wurde. Aber macht bitte nicht alles schlecht, was der Osten geschaffen hat!

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    Einmal editiert, zuletzt von kaffeesachse (15. Juni 2015 um 00:56)

  • Was ist scheußlich? Er war für die damalige Zeit (70ger Jahre) sehr modern, der Große Saal sehr flexibel nutzbar und mit vielen Raffinessen ausgestattet. Da brauchte sich die DDR nicht verstecken! Der PdR wurde meines Wissens auch von westlichen Architekten gelobt. Und er passte sich auch (einigermaßen natürlich) dem Umfeld an, nicht zu hoch z.B. Aber nun ist er weg, schade

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  • Kaffeesachse, das mit dem "unbedingt was Neues schaffen wollen" ist nachvollziehbar und verständlich!!!
    Aber es geschah eben aus ideologisch extrem verzerrtem Blickwinkel, aus Haß auf das Alte, Preußisch-Deutsche und aus mangelnder architektonischer Kompetenz. Technisch und als Ingenieursbau sicher für die damalige DDR sehr fortschrittlich und im sozialistischen Sinne ein Gewinn fürs Volk.
    Jedoch Bewußtsein wandelt sich, Einstellungen ändern sich mit den Menschen und so ändert sich auch die gebaute Umwelt. Gut so!
    Wer weiß wie in 100 Jahren über die Reko des Stadtschlosses gedacht und dann gehandelt wird!?

  • Genau das wollte ich damit sagen, wer weiß, was in 100 Jahren ist? Man kann sich nicht alles vorstellen, was möglich wäre. Was für Bauten werden da rekonstruirt? Die neue Reichskanzlei, Schinkels Dom, der Palast der Republik :) - wer weiß, wer weiß. (das war nur ne kleine Auswahl historischer Gebäude...) Was für Ideologien sind dann maßstabsgebend? An welche Art von Geschichte will man sich dann erinnern? Mal sehen!

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  • Ich persönlich kann den historischen Ansatz verstehen, dessen Argumentation auf einen Erhaltungswunsch des PdR hinausläuft. Die Idee ist schlüssig und der Gedankengang konsequent. Aber es ist nun einmal so, dass Architektur noch vielerlei andere Ebenen hat, und diese stärken in meinen Augen die Qualitäten des Schlosses in einem Maße, das den PdR schlicht überwiegt. Hier nur ein paar Stichworte:
    - Verflechtung in die Stadt über rein planerisch-ideologische Umstände hinaus, nämlich auch wirtschaftliche, konkret gestalterische, emotionale, religiöse, politische, vorbildhafte, urbane...
    - Die Bedeutung als städtischer Baukörper mit unerreichbarer Vielschichtigkeit (eine Vielschichtigkeit, die die Nichtrekonstruktion des Spreeflügels umso bedauerlicher macht)
    - gestalterischer Archetyp
    Der PdR hat zu Berlin gehört, aber die Existenz Berlins als Hauptstadt war absolute Bedingung für den Palast. Mit dem Schloss ist es umgekehrt. Ohne Schloss wäre Berlin ein kleines Kaff irgendwo in Brandenburg geblieben, vielleicht allenfalls ein Cottbus oder Neubrandenburg, bestenfalls ein Vorort von Potsdam.

    Form is Function.

    "Fürchte nicht, unmodern gescholten zu werden. Veränderungen der alten Bauweise sind nur dann erlaubt, wenn sie eine Verbesserung bedeuten, sonst aber bleibe beim Alten. Denn die Wahrheit, und sei sie hunderte von Jahren alt, hat mit uns mehr Zusammenhang als die Lüge, die neben uns schreitet."

    Adolf Loos (Ja, genau der.)