Berliner Schloss - architektur- und kunstgeschichtliche Aspekte

  • Der Spruch wird natürlich wie das Kreuz, die Engel und Palmzweige der Laterne und die Prophetenfiguren an die Funktion der Kuppel als Schlosskapelle erinnern. Insofern ist es logisch, dass alles als eine ikonographische Einheit rekonstruiert wird.
    Ich fände es aber schön, die anderen Sprüche an anderer Stelle im Humboldt-Forum anzubringen, etwa in der Agora.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Ich persönlich finde es ein wenig bedenklich, wenn man sich stets für ein möglichst genaue Reko einsetzt und dann ausgerechnet eine Inschrift verfälschen möchte, deren Inhalt alle Zeitströme der vergangenen zwei Jahrtausende nicht haben widerlegen können.

    Altertümlich ist allenfalls die 500 Jahre alte Sprache der Übersetzung Luthers. Aber an der noch älteren Sprache der lateinischen Inschriften desselben Gebäudes hat sich hier meines Wissens noch niemand gestört. In einer neueren Übersetzung heißt es übrigens "Jesus Christus und sonst niemand kann die Rettung bringen. Auf der ganzen Welt hat Gott keinen anderen Namen bekannt gemacht, durch den wir gerettet werden könnten." Klarer kann man den christlichen Glauben wohl nicht in zwei Zeilen zusammenfassen.

    Richtig frustriert werde ich übrigens, wenn ich mir vergegenwärtige, dass niemand es wagen würde, bei einer Reko eine geänderte Inschrift vorzuschlagen, wenn im Original «La ilaha illa Allah wa Muhammad rassul Allah» (Es gibt keinen Gott außer Allah, und Mohammed ist sein Prophet") zu lesen gewesen wäre - selbst wenn das Gebäude danach als Museum dienen sollte. Seid ehrlich...

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    Gutmensch = Gut gemeint, nicht zuende gedacht, schlecht gemacht

  • "Jesus Christus und sonst niemand kann die Rettung bringen. Auf der ganzen Welt hat Gott keinen anderen Namen bekannt gemacht, durch den wir gerettet werden könnten."
    Ich sehe hier trotzdem ein nicht zu unterschätzendes Problem, das auch durch die moderne Übersetzung nicht verringert wird, im Gegenteil. Denn hier wird ein Absolutheitsanspruch formuliert, der tatsächlich viele Menschen (und nicht nur Muslime!!) verletzen könnte. Während nämlich - wie jeder weiß - die preußisch-deutsche Monarchie eindeutig und endgültig verschwunden ist, so dass alle königlichen Insignien, Inschriften usw. nichts weiter als eine historische Reminiszenz darstellen, bekennen sich noch immer weit mehr als eine Milliarde Menschen weltweit zum Christentum, und die Zahl der Anhänger des Islam dürfte nicht wesentlich kleiner sein. Als ob es aber gar keine Aufklärung in Europa gegeben hätte, sind die aus religiösen Gründen resultierenden Konflikte leider noch immer brandaktuell.
    Bei einem von der Gemeinschaft aller in Deutschland lebenden Menschen finanzierten öffentlichen säkularen Bau, der tatsächlich jedem unabhängig von seinem religiösen Bekenntnis offenstehen soll, hat eine derart ausgrenzende Inschrift an prominenter Stelle meines Erachtens nichts verloren. Sie könnte und wird als Ausdruck der Intoleranz verstanden werden, als ein Triumph der Religion, in deren Namen übrigens gerade in Gebieten, aus denen viele Exponate stammen, die im Humboldt-Forum präsentiert werden, nicht nur Gutes geschehen ist.
    Das Kuppelkreuz, das genuin zum Entwurf der Laterne gehört, nehme ich übrigens von diesem Einwand aus ästhetischen Gründen explizit aus. Der möglichst authentischen Rekonstruktion dürfte nach meiner Überzeugung Genüge geschehen, wenn die Buchstaben der Inschrift hinsichtlich Schrifttype, Größe und Ausführung dem Original entsprechen.
    Den Vergleich mit dem islamischen Glaubensbekenntnis finde ich im übrigen schon allein deshalb unpassend, weil es hier weder um die Wiederherstellung einer Moschee noch einer Kirche (auch nicht die Hauskapelle der Hohenzollern!) geht.

  • Keine Zustimmung. Wenn - wie immer wieder argumentiert wird - eine Rekonstruktion eines historischen Gebäudes wie die Neuaufführung eines Musikstücks ist, dann müssten öffentliche Bühnen religiöse Musik, z.B. von Mozart, mit einem neutralen Text statt des ursprünglichen Librettos aufführen. Statt "Gloria in excelsis Deo" also dann "La-la-la la La-la-la la-la" . Weil ansonsten säkulare Konzertbesucher und sogar nicht kulturinteressierte Steuerzahler beleidigt werden könnten.

  • Achtung... solche Kirchenlieder gibt es bereits:

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    ansonsten sind die Kommentare ganz heiter:

    Zitat

    Kirchlicher Allmachtsanspruch

    wo ist in dem Spruch denn bitte von "Kirche" oder "kirchlichem Anspruch" die Rede?
    Und was die wunderbare Heilige "puralistische Gesellschaft" betrifft, so ist dieser Einwand ungefähr gleich tiefschüfend wie beispielsweise ein Verweis auf die antidemokratische Gesinnung eines Schlossbaues per se.
    Vom offensichtlichen Unwillen zur relativierenden Betrachtung des anerzogenen relativistischen Zeitgeistes ganz zu schweigen. Aber das liegt wohl in der Natur des sog. Betreuten Denkens, der freien kreativen Anwendung eingelernter Paradigmen auf mehr oder weniger passende Anlässe.

    Zitat von schorschi bähr

    Ob der Spruch zeitgemäß ist, ist eine andere Frage, die ich persönlich mit nein beantworten würde

    Gut. Was ist nun aber damit gemeint, was folgt daraus? Ist "zeitgemäß" als "zutreffend", "materiell wahrhaftig" oder "heute noch gültig" oder aber als "dem Zeitgeist entsprechend" zu lesen"?
    Ich für meinen Teil würde sagen: der Spruch ist umso notwendiger, da eben nicht mehr dem Zeitgeist entsprechend.
    Zur wahrhaft tiefschürfenden Analyse "Mozarts" fällt mir nur ein alter jiddischer Witz ein:
    Einer kummt zum Rebben und sugt: "Rebbe, was sull ich tun, ich hab einen Hahn und eine Henne und nicht genügend Futter für beide. Eins von beiden muss ich schlachten. Schlachte ich den Hahn, kränkt sich die Henne, schlachte ich die Henne, kränkt sich der Hahn."
    der Rebbe klärt fünf Minuten, dann spricht er: "Schlachte den Hahn."
    Der andere: "Aber Rebbe, dann kränkt sich doch die Henne."
    Der Rebbe klärt abermals. Schließlich sugt er: "Nu, soll sie sich halt kränken."

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

    Einmal editiert, zuletzt von ursus carpaticus (18. April 2019 um 12:46)

  • @Mozart
    @Goldstein
    Ich kann gut verstehen, dass in einer freien Gesellschaft Menschen sich an der Dominanz von Religionen stören. Aber die Aussage, dass das Heil der Welt einzig in Christus liegt und sich vor ihm alle Knie beugen sollen, impliziert keinen kirchlichen Allmachtsanspruch/Absolutheitsanspruch, schon gar nicht in der heutigen Zeit. Es ist eine metaphysische Aussage, verfasst zu einer Zeit, als das Christentum eine verschwindende Minderheit war und ganz in der Parusieerwartung lebte, also aus seiner Spiritualität keinerlei gesellschaftsbindenden Normen ableitete (anders als es ab dem 4. Jh. üblich wurde und es von Anfang an im Islam der Fall war). Die Trennung von Staat und Kirche ist längst vollzogen, insofern würde ich Nichtchristen zu etwas mehr Gelassenheit raten.
    Und gerade auch im Vergleich zu dem, was Christen in unserer heutigen Gesellschaft an aktuellen Schmähungen und blasphemischen Verunglimpfungen hinnehmen müssen, ist solch eine historische Inschrift recht harmlos.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

    Einmal editiert, zuletzt von Seinsheim (18. April 2019 um 15:15)

  • Das ist das schlimmste Horror-Video, das ich in meinem Leben je gesehen habe. Wie kannst du uns so etwas antun, Bärli.

    Ach das geht doch noch viel schlimmer:

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    So nun aber genug off topic.

  • @ ursus carpaticus
    Bitte genau zu lesen: ich habe nichts von "kirchlichem Allmachtsanspruch" geschrieben, sondern vom Absolutheitsanspruch des betreffenden Bibelzitats. Es ist was - was religiöse "Wahrheit" betrifft, genau so absolutierend wie das "Es gibt keinen Gott außer Allah" (wobei immer mitschwingt: und wer das nicht so sieht, der ... [je nach Geschmack das Passende ergänzen]).
    @Ur-Potsdamer
    a) Der Witz ist wirklich klasse.
    b) Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass musikalischer Stil wesentlich durch religiöse Texte inspiriert wird. Mozart wurde beispielsweise von den Romantikern vorgeworfen, dass sich zumindest Teile seiner Messen genauso anhören wie seine Opernarien. Andererseits hat er bestimmte liturgische Textpassagen "fugweis' vertont, weil er dies dem kirchlichen Stil für angemessen hielt, als andere dies schon nicht mehr taten.
    Bachs 1. Kantate des Weihnachtsoratoriums ist ursprünglich eine weltliche Geburtstagskantate für eine fürstliche Persönlichkeit gewesen (mir fällt gerade nicht ein, für wen)! Der Thomaskantor hat das Stück dann praktisch notengetreu auf einen weihnachtlichen Text übertragen, man könnte beinahe sagen "verwurstet"
    Aber abgesehen von diesen Feinheiten ist beim Vergleich von der Aufführung (liturgischer) Musik und der Rekonstruktion von historischen Gebäuden noch etwas zu beachten: jede Aufführung alter Musik ist Interpretation: manches wird betont herausgearbeitet, anderes fortgelassen, anderes neu hinzu geschaffen (Verzierungen etwa), das Tempo wird mal getragener sein, mal behender... Und dasselbe gilt mutatis mutandis - wie man an vielen Stellen sehen kann - auch für das Berliner Schloss. Und deshalb halte ich es für legitim, auf diese spezielle Inschrift zu verzichten, weil sie schlichtweg sehr viele Menschen ausgrenzt.
    Vor allem aber hinkt der Vergleich doch sehr: Es ist ein großer Unterschied, ob man in mehr oder weniger kleinem Kreis z. B. die Matthäuspassion aufführt und dabei ein flüchtiges Wort hört ("flüchtig" im Sinne von akustisch schnell verklungen), oder ob an herausragender Stelle, wo täglich tausende von Menschen aus aller Herren Länder vorüberziehen, an einer mächtigen Kuppel im Zentrum des Zentrums der deutschen Hauptstadt in goldenen Lettern eine monumentale Inschrift angebracht wird! Diese war schon unter Friedrich Wilhelm IV. ein politisches Statement gegen die aufziehenden Bedrohungen von "Thron und Altar" bzw. des Gottesgnadentums, das sich durch den "Ludergeruch der Demokratie" beleidigt fühlte. Die Kuppel hatte an sich ja nicht nur die Funktion einer Hauskapelle des Königs: sie sollte in der rasant wachsenden Stadt Berlin mit seinen immer stattlicher werdenden Bürgerhäusern das Schloss neuerlich zu exponierter Stellung bringen. Man sah den Palast im Häusermeer kaum noch.
    Schließlich sei noch darauf verwiesen, dass es religiöse Inschriften an der Außenseite von Kirchen eher die Ausnahme denn die Regel sind.
    PS an den Moderator: Ich hoffe, dass mein Text trotz seiner musikalischen Abschweifung in diesem Strang bleiben kann, denn er ist als Beitrag für die Diskussion zur Gestaltung der Schlosskuppel gedacht.

  • Bachs 1. Kantate des Weihnachtsoratoriums ist ursprünglich eine weltliche Geburtstagskantate für eine fürstliche Persönlichkeit gewesen (mir fällt gerade nicht ein, für wen)! Der Thomaskantor hat das Stück dann praktisch notengetreu auf einen weihnachtlichen Text übertragen, man könnte beinahe sagen "verwurstet"

    Es ist die Kantate BWV 215 'Preise Dein Glücke gesegnetes Sachsen '. Huldigung zum Besuch von August III., König von Polen und Kurfürst von Sachsen, Sohn August des Starken. :koenig:

    Allerdings hat der gute Bach auch die Musik der Matthäus Passion, der h-Moll Messe und weiterer Konzerte und Kantaten verwurstet... :harfe:

  • Nö, Kaorulein. Das ist mitnichten schlimmer. Zwar wahrlich nicht mein Geschmack, aber letztlich eine Anbetung des Menschensohnes, die inhaltlich eigentlich nichts Beanstandenswertes enthält.
    Mein Beispiel hingegen ist ein "katholisches" Kirchenlied mit dem Refrain lalalalala, hey, das heißt geradezu provokant inhaltsleer, in dem Gott (geschweige denn Jesus) einfach nicht vorkommt (außer die Zeile: Gottes Geist soll in ihr wehen, also wieder nicht als Anrufung, sondern sozusagen als Postulat. Übrigens was ist das, Gottes Geist? Christen sagen doch wohl Hl. Geist, oder?) Ansonsten steht nur der Mensch im Mittelpunkt, ein Akt der Selbstanbetung oder -vergötzung. Keiner wird mehr übersehen, ...dass man ernstgenommen wird.
    Und so off topic ist das gar nicht, siehe "freie Gesellschaft", anthropozentrisches Weltbild etc, für das zuletzt Seinsheim so viel Verständnis geäußert hat... Hier ist sie sozusagen in der Mitte der Kirche angekommen. Dort spricht sie sich gegen die bloße rein historisch-rekonstruktive Anbringung einer christlichen Inschrift aus, die der "moderne Mensch" nicht einmal mehr als historisches Zitat ertragen will.
    ehrlich gesagt, da sind mir die Kinder, die zu ohrwurmhaften Melodien Jesus-Akklamationen und flotte Tänzchen darbieten , um Eckhäuser lieber. Auch wenn mir nicht alle Details zu gefallen brauchen: So viel Toleranz muss sein.
    Im übrigen frohe Ostern.
    @ Ostwestfale
    Das nennt sich Parodieverfahren und war damals völlig gang und gäbe. Auch "Oh Haupt voll Blut und Wunden" lautete ursprünglich: Mein Gmüt ist mir verdüstert nach einer Jungfrau zart, womit nicht die Gottesmutter gemeint gewesen ist.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Zitat

    Bitte genau zu lesen: ich habe nichts von "kirchlichem Allmachtsanspruch" geschrieben, sondern vom Absolutheitsanspruch des betreffenden Bibelzitats.

    hab ich nicht unterstellt. Die entsprechende Passage war auf Goldstein bezogen. Für dich war ausschließlich der Witz.

    .

    Zitat

    Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass musikalischer Stil wesentlich durch religiöse Texte inspiriert wird

    Das hält gerade bei Bachs Passionen einer umfassenden Analyse ganz und gar nicht stand. Hier ist allerdings schon ein bisschen Materienstudium erforderlich.

    Zitat

    Es ist was - was religiöse "Wahrheit" betrifft, genau so absolutierend wie das "Es gibt keinen Gott außer Allah"

    Selbstverständlich. Wie denn anders? Wo liegt das Problem?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ziehen wir die Analogie mal durch. Ein religiöses Stück von Bach (kein später als religiös adaptiertes, sondern ein originär religiöses. Gibt es sicher genug - your choice). Im Original für Streichquartett, Blockflöten und Spinett. Ich kann das jetzt a) im Sinne der historischen Aufführungspraxis auf Instrumenten des 18. Jahrhunderts spielen oder b) auf modernen Instrumenten (Querflöte statt Blockflöte, Pianoforte statt Spinett) oder c) neu arrangiert für Orgel mit drei Manualen. Das alles sind legitime Variationen des Originals, und jeder würde sagen "Ja, das ist Bach" . Was Du vorschlägst, ist aber c) und außerdem mit neutralem Text. Als Autor hierfür würde ich höchstens noch durchgehen lassen "inspiriert von J.S.Bach" .
    Du möchtest nicht das Schloß mit originalen Baumaterialien innen und außen (das wäre a)), auch nicht ein Schloß mit originalen Äußeren und Innenräumen, aber mit modernen Materialien (b)), auch nicht ein neues Gebäude, dessen Äußeres das Äußere des originalen Schlosses nachahmt (c)), sondern ein Pastiche, das sich vom originalen Schloss inspirieren lässt, wo es gerade passt, ansonsten aber frei assoziiert. Das wäre Lösung d), und das ist eben nicht mehr dieselbe Architektur, die Friedrich Wilhelm IV., wohl der frömmste der Preußenkönige, in Auftrag gab.
    Wäre das nicht das ultimative Disneyland?

  • Ich finde es spannend, dass die Schloss-Debatte eine neue Facette erhalten hat.
    Zunächst möchte ich gegenüber @ursus carpaticus klarstellen, dass ich wirklich nichts davon halte, einer Gesellschaft spezifisch religiöse Normen aufzuzwingen. Allerdings hat die Freiheit der Gesellschaft dort ihre Grenzen, wo sie gegen das Naturrecht verstößt. Dieses wurde zu großen Teilen schon im 13. Jh. von der Scholastik entwickelt, wobei @Philon sicherlich auf noch ältere Stränge (Aristoteles, Cicero?) wird hinweisen können.

    Innerhalb der Religion bin ich indes wie Du ein entschiedener Gegner jeder Anthropozentrik, die ich nicht zuletzt in der Liturgie besonders unerträglich finde. Diese Anthropozentrik trägt wesentlich dazu bei, dass sich unsere Kirchen leeren. Welcher Mensch, der ernsthaft auf der Suche ist, hat ein Interesse an Lalalalala?

    Anthropozentrik verstellt uns aber auch den Blick auf die Metaphysik, ohne die wirkliche Kunst nicht denkbar ist, und darüber hinaus auf unsere gesamte Kultur. Wenn ich Schlösser nur noch als Herrschaftsarchitektur von Fürsten, Kirchen nur noch als Monumente klerikaler Macht, Bildkunst nur noch als höfische Propaganda und als Instrument der Manipulation von Gläubigen oder Untertanen wahrnehme, wenn ich kurzum im schieren Materialismus angekommen bin, dann ist der Zugang zum Eigentlichen versperrt. Dann kann ich die Idee hinter der Form nicht mehr erkennen.

    Ich würde sogar sagen: Anthropozentrik ist das absolute Gegenteil von Humanität, weil sie den Menschen auf sich selbst zurückwirft und ihn von allem abkapselt, was ihm Größe und Würde verleiht, was ihm vom Tier unterscheidet. Letztlich hindert sie ihn auch - so paradox das klingen mag - an Selbsterkenntnis und Selbstbestimmtheit, weil sie ihn zum Gefangenen seiner selbst macht.

    Im Ergebnis haben wir dann Kunstgeschichtsprofessoren in Harvard und, wie ich hörte, auch andernorts, die den Brand von Notre Dame als einen Akt der Befreiung von kirchlicher Dominanz feiern und eine Wirtschaftsjournalistin, die plötzlich meint, in der WELT in Kunstgeschichte dilettieren zu können, indem sie davon schwafelt, dass die Bauern im Mittelalter arm waren, weil die Kirche in ihrem Bauwahn Kathedralen errichtet habe.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Nun noch etwas zum Verhältnis von Architektur und Inschrift.

    Ich finde die Äußerungen von @Mozart sehr erhellend, würde ihm aber gerne antworten, dass die von ihm angesprochene Mehrverwendung von Motiven in der Bau- und Bildkunst gleichfalls geläufig war: Die Portikus, die ein Architekt für eine Kirche entworfen hat, hat er an einem Palast wiederholt, die gotische Gewölbestruktur, die er für den Kirchenbau entwickelt hatte, findet sich im Rathaussaal wieder. Das Bildmotiv eines Helden kehrt in Gestalt eines Erzengels wieder usf. Aber nichtsdestoweniger verbinden sich diese Formen mit den ihnen zugewiesenen inhaltlichen Aussagen zu einer neuen, unauflöslichen Einheit, so wie die Melodie in einem Bach-Oratorium mit dem ihr zugeordneten Text. Und insofern ist der Text ein ebenso essentieller Bestandteil des Musikstücks wie die Melodie. Das gilt übrigens gerade dort, wo die Musik lautmalerisch wird. Händels Messias ist voll von solchen Passagen, ebenso die Matthäuspassion von Bach.

    Und auch Stülers Kuppel und die Inschrift ergeben solch eine unauflösliche Sinneinheit. Es war gerade die von @UrPotsdamer angesprochene Frömmigkeit Friedrich Wilhelms IV., die den Ausschlag gab, dem imperialen Triumphbogen des Eosanderportals eine Schlosskapelle aufzusetzen und somit die göttliche Macht über die irdische zu stellen bzw. die Macht des Königs der Herrschaft Gottes zu unterstellen. Der König war nicht wirklich souverän! Der Satz aus dem Epheserbrief, dass alle Knie sich vor Christus beugen sollen, betrifft nämlich auch - und sogar in erster Linie- den König und seinen Hofstaat. Wenn FW IV sich als den Gesalbten des Herrn betrachtete, so knüpfte er an die alttestamentliche Vorstellung an, wonach der König in erster Linie ein Gottesknecht ist.

    Eben dieses Verständnis von Königtum als eine Beauftragung durch Gott hat es FW auch unmöglich gemacht, die ihm von der Nationalversammlung in Frankfurt angebotene Kaiserkrone anzunehmen. Diese Krone wäre von Menschen geschaffen worden - womit wir wieder bei der Anthropozentrik wären.

    Letztlich ist die Inschrift, wenn man sie entsprechend kontextualsiert, also eine historische Quelle ersten Ranges!

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Die Inschrift wird sich übrigens wohl am besten ungebeugten Knies von der Dachterrasse mit dem spirituellen Glas in der Hand betrachten lassen...

    Einige Bilder nach Abriss der Humboldt-Box von heute:

    EDIT: U. a. im Hinblick auf den Nachfolgebeitrag habe ich die Bildanzeige geändert.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

    5 Mal editiert, zuletzt von Mantikor (19. April 2019 um 16:11)

  • @Mantikor
    Wenn du hier die Links zu den Bildern posten kannst, dann kannst du doch auch die Bilder selbst als Dateianhang hochladen. Ich verstehe nicht, was dir gegenüber dem Kopieren des Bildlinks soviel Arbeit machen soll, wenn du die Bilddatei selbst hier hochlädst. Bleibt die Frage, ob du uns hier mit Bildern versorgen willst oder nicht. Wenn es darum geht, dass es Arbeit macht, dann kann ich nur sagen: Überhaupt keinen Beitrag hier zu schreiben und die Bilder ganz für sich zu behalten, macht am wenigsten Arbeit.