Berliner Schloss - architektur- und kunstgeschichtliche Aspekte

  • Tja, Baulogistik!? Wir als weitgehend Außenstehende und Beobachtende wundern uns ja eh schon seit Jahren über so manchen Baubablauf. Aber mehr als wundern können wir uns auch nicht und sollten uns da fürderhin vornehm zurückhalten und schauen was wird, oder!?

  • Ja, klar wäre es das. Aber offensichtlich schaffen sich die verschiedenen Gewerke schwierige Umstände. Hoffen wir, daß dann die Götterkolosse nicht bekleckert werden! :biggrin::cool:
    Es fehlen ja auch noch die Pfeiler unter den Stahlträgern. Werden die eigentlich aus imitierenden Plattenmaterial (Gipsplatten?) gebaut oder sind es Betonpfeiler? Angesichts der Doppel-T-Trägerkonsolen wird es wohl Plattenmaterial sein, also ein Fake-Pfeiler. Oh diese Fake-Geschichten in der heutigen Bauindustrie!?? Nix ist so, wie es erscheint!?

  • Diese Skulpturen sind so gefertigt, dass sie den oberen Abschluss einer Säule bilden bzw. zwischen der Säule unter ihnen und dem Pilaster hinter ihnen vermitteln. In der skulpturenbestandenen Bildsäule konkretisiert sich das vitruvianische Ideal von der columna als dem Ebenbild des homo bene figuratus.
    Sie einfach nur zusammenhangslos wie Puppen auf Konsolen über dünnen Stützen vor eine glatte Wand zu stellen, beraubt sie jeder Wirkung....

    Die Skulpturen sind (edit.: wie man im fünf Beiträge vorher verlinkten Film sehen kann) auf auskragende Eisenträger gestellt worden. Diese Eisenträger werden noch mit Gipskartonplatten(?) verschalt, und darunter auch die "tragenden" Säulen montiert (auch Gipskarton?). Erst wenn die Gipserarbeiten fertig sind, kann gestrichen werden. Es macht keinen Sinn, wenn oben fertig gestrichen wird und nachher unten noch gestaubt wird. Da ist es einfacher, die Statuen abzudecken.

    3 Mal editiert, zuletzt von Riegel (8. März 2019 um 22:54)

  • @Konstantindegeer: Beziehst du dich auf das in meinem Beitrag zitierte Bild? Das ist ja nur eine Visualisierung des Endzustandes. Ich und mein Vorredner Benni beziehen sich auf den von SchortschiBähr verlinkten Film, der den aktuellen Zustand mit ungestrichenen Gipskartonwänden zeigt. Im Film sieht man noch die grundierten Eisenträger aus der Wand Kragen. Und die Stützen darunter existieren dort auch noch nicht.

  • Ah! Die drei Doppel-T-Träger kommen aus der Wand und unten wird nur eine Fake-Wandvorlage gebaut.

    Klar. Konsequent wäre es die Säulen vollständig zu kopieren.

  • Hätte Schlüter sich das jemals träumen lassen? Seine Skulpturen über Gipskarton?

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Ist jemand darüber informiert, was mit den Gipsabgüssen der schlüterschen Jünglingsfiguren aus dem Elisabethsaal passieren wird, die das "wissenschaftliche Kollektiv" 1950 kurz vor der Vernichtung des Schlosses angefertigt hat und die dann jahrelang im Café des Zeughauses an den Wänden hingen? Wenn man sie in derselben Höhe anbrächte wie die Originale der Kolossalfiguren vom Risalit des Großen Treppenhauses im Schlüterhof, würde ihre Wirkung würde wohl noch mehr beeinträchtigt...

  • Eine zeitlang gab es reguläre Führungen, die über Monate ausgebucht waren. Diese sind m. W. eingestellt worden. Im Augenblick dürfte es ziemlich schwierig werden. Ich werde mich um aktuelle Baustellenaufnahmen bemühen.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Habe mich erkundigt, Führungen sind derzeit leider vollkommen ausgeschlossen. Es werden keine Genehmigungen erteilt.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.


  • Oh diese Fake-Geschichten in der heutigen Bauindustrie!?? Nix ist so, wie es erscheint!?

    So sehr ich dir geschmacklich zustimme: Die gesamte antike Architektur ist doch auf "Fake" aufgebaut. Spontan denke ich da an künstliche Schnecken (ionische Säulen), Pflanzen (korinthische Säulen) sowie eine Vielzahl an funktionslosen Stützen.

    Risaliten und Triglyphen sind ja letztendlich auch Fake-Pfeiler...

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    Gutmensch = Gut gemeint, nicht zuende gedacht, schlecht gemacht

  • Nee, so einfach kannst Du den Fake nicht in die Antike verorten. Die von Dir als Schnecken benannten Voluten sind halt stilisierte Ornamentformen und haben damit eine Eigenständigkeit. Die Wurzeln liegen in der Beobachtung der Natur, Als Vorbilder für die Bauten der Menschen, doch werden , z.B. Papyruskapitelle in den ägyptischen Tempeln dann zu eigenständigen Gliedern des konstruktiven Aufbaus in Einheit mit Ihrer Stilisierung und Ihrem Symbolgehalt. Doch geben sie nicht vor eine Pflanze zu sein, symbolisch schon, doch Sie sind aus Stein, zwar bunt bemalt, aber dennoch echt massiv.
    Was da wie Stein aussah, war auch Stein, was tragend und lastend aussah hat auch diese Funktion erfüllt, manchmal auch nur teilweise und Pilaster tragen freilich nicht das Gewicht der darüber liegenden Stockwerke oder des Daches, sondern die Mauern, an die sie angegliedert sind. Aber auch das erkennt der aufmerksame Beobachter sogleich. Ich meinte mit dem Ausspruch die Materialechtheit, wie auch die statische-technische Authentizität!
    "Fake" hält erst so richtig mit Beginn der Renaissance/Manierismus und dann vor allem im Barock Einzug in die Architektur!
    Siehe dann z.B. Illusionsmalerei, ... !

  • So sehr ich dir geschmacklich zustimme: Die gesamte antike Architektur ist doch auf "Fake" aufgebaut. Spontan denke ich da an künstliche Schnecken (ionische Säulen), Pflanzen (korinthische Säulen) sowie eine Vielzahl an funktionslosen Stützen.
    Risaliten und Triglyphen sind ja letztendlich auch Fake-Pfeiler...

    An dieser Stelle ist es doch egal, ob das Fake ist oder nicht, denn es ist ja letztlich nur ein (hoffentlich sehr kurzzeitiges) Provisorium, bis die Gigantentreppe wieder kommt.

  • ...dann lasst es uns nicht Fake nennen, sondern in der Tat Provisorium. Konsens?

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  • SchortschiBähr: Ich wollte hier nicht die Antike abwerten. Ich denke halt, dass "Fake" in irgendeiner Form zu jeder Bauepoche gehört, und zwar im positiven Sinne als Gestaltungsmerkmal.

    Und der Jahrhunderte andauernde Erfolg gibt der dorischen, ionischen und korinthischen Ordnung ja auch Recht.

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  • Ornament

    Der Blumenstrauß auf meinem Tisch - ist er ein Fake, weil die Blumen weder in ihrem natürlichen Wachstum sind noch in Ihrem natürlichen Zusammenhang? Nein, denn ich gebe ja nicht vor, dass es so ist und schmücke nur mein Zimmer damit.

    Und der gemalte Blumenstrauß - ein Fake? Nein, alle Kunst ist Mimesis, Nachahmung, sagt Aristoteles. Deshalb ist auch ein Marmorlöwe kein Fake, sondern ermöglicht sogar eine neu erfahrbare oder erlebte Wahrheit über Löwen darzustellen.

    Und die ewige Wiederkehr von Löwenköpfen (bis auf einen Löwinnenkopf) am Berliner Schloss oder die unzähligen Akanthuskapitelle, Fake? Nein, das Wesen des Ornaments ist der Rapport, die Wiederkehr der gleichen Ornament-Elemente. Auch die Reihungen von nichttragenden Lisenen oder Halbsäulen gehören zu solchen Rapporten.

    Und warum macht man das seit tausenden von Jahren?

    Horror vacui nannten die Römer die in allen Kulturen zu allen Zeiten nachweisbare Angst vor der leeren Fläche. So füllten alle Kulturen die leeren Flächen mit Bildwerken jeder Art, auch mit statisch funktionslosen Bauteilen, sogar gemalten, oder mit Ornamenten. Vor allem in der Barockzeit wurden so die Kuppeln und Decken mit gemalten Himmeln oder Architekturen bemalt und gefüllt. Ganze Wände stellten gemalte Gebäudeillusionen dar wie z.B. am Rathaus in Bamberg.

    Erst die moderne Baukunst der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg verbietet das Ornament und begeht damit ein Fake an der Seele des Menschen, indem sie die wahre Seele leugnet und eine Seele behauptet oder erziehen und bilden will, die Leere und Raster (nicht nur wegen der Wirtschaftlichkeit der Struktur, sondern auch als eine Art primitivsten Rapports) an der Stelle der Ornamentik liebt.

    Der Beweis für diesen “Seelen-Fake“ ist die Leere, die einen auf dem Marktplatz von Stuttgart befällt wie in allen Beton-Rasterstädten zwischen New York und Shanghai.

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

    Und verstehe die Freiheit,


    Aufzubrechen, wohin er will.


    Hölderlin

    Einmal editiert, zuletzt von Bentele (15. März 2019 um 16:08)