Berliner Schloss - architektur- und kunstgeschichtliche Aspekte

  • Eigenartigerweise ist die Posaune an Portal V (noch) weiß, als ob sie noch nicht ausgepackt worden wäre. Oder handelt es sich womöglich um eine besondere Variante der Militärmusik?


    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Die Hebebühne ist seit 13.30 Uhr (lt. Webcamarchiv) mindestens 3 x rauf- und runtergefahren, jetzt schimmert die Posaune golden in der Spätnachmittagssonne...

    Wer zwischen Steinen baut, sollte nicht (mit) Glashäuser(n) (ent)werfen...

  • Hoffentlich bin ich im richtigen der mittlerweile ca. 10 Schloss/HF-Stränge des unmoderierten Forums?
    Sagt bitte rechtzeitig Bescheid, wenn's hier zu Ende geht, dann mache ich mir keine unnötige Arbeit.

    Jedenfalls kann ich für heute die trötenbestückte Fama von Portal V im Abendlicht präsentieren.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Die Posaune sieht aber noch nicht so "goldig" aus wie die vergoldeten Teile der Umgebung. Ob sie daran noch arbeiten müssen? Und muss das Instrument von so einer unschönen Metallstrebe gehalten werden? War das früher auch so?

    Übrigens waren am kursächsischen Hof früher silberne Naturtrompeten in Gebrauch, die nur an wenigen Stellen goldene Verzierungen hatten. Und der Kurfürst von Sachsen war der Patron aller Pauker und Trompeter im Reich.

    Seinsheims zweites Foto ist einfach herrlich! Die Luxemburger Militärmusik spielt vor einem tschechischen Modehaus auf, das von Atlanten geziert ist, die an das Berliner Schlossportal erinnern. Vielleicht können wir die als Hofkapelle für das lebendige Stadtschloss engagieren.

    Seinsheims retuschiertes Schwarzweißfoto muss ich allerdings kritisieren: Drei schöne Baukräne beseitigen, einen Laternenpfahl absägen und eine Ampel umnieten - das geht gar nicht! Vom Dachrestaurant ganz zu schweigen. Ich finde, das Dachlokal ist doch eigentlich recht gut platziert, während sich die Schlosskuppel von den Linden aus gesehen, hinter Häusern versteckt. Das Restaurant bietet einen kleinen Akzent im Eckbereich. Es ist eine neue Zutat, aber deshalb muss es nicht unbedingt schlecht sein. Die Luxemburger Militärmusiker würden dort sicher gern eine Stärkung zu sich nehmen - und anschließend wie die Spatzen vom Dach pfeifen.

  • Schlüter war sicherlich kein Musiker. Mit aufgeblasenen Backen ist einer Trompete oder Posaune definitiv kein brauchbarer Ton zu entlocken.

    Sei's drum - es glänzt schön gülden...

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    Gutmensch = Gut gemeint, nicht zuende gedacht, schlecht gemacht

  • @Mantikor Wiederum Dank für die neuen guten Fotos - und im Nachhinein Entschuldigung für die Retuschen bzw. Säuberungen am einem der älteren. Ich denke, dass die eine Trompete so silbern aussieht, hängt mit der Lichtreflexion zusammen.

    @Rastrelli: Du weißt ja mittlerweile, dass ich ein Verfechter des Bemühens bin, der originalen Idee möglichst nahe zu kommen. Daher hätte ich mir auch gewünscht, das Schloss hätte gar kein Schrägdach bekommen, sondern wäre als Flachdachbau ausgeführt worden. Aber man musste die ganze Haustechnik unterbringen.

    Dass auf dem von mir gesäuberten Foto die Kuppel verdeckt ist, tut mir Leid, ich wollte die Kommandantur nicht auch noch umnieten. Die Eliminierung der Laternenpfähle und Kräne hat mir mittlerweile Ärger genug eingebracht. Obwohl Frau Lüscher mich schon ermutigt hat, einfach weiter zu machen. Sie hätte nämlich Unter den Linden gerne völlig neue Leuchtkörper. Diesen Vorschlag hier hat Sie mir vertraulich zukommen lassen.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Im Übrigen sah ich auf Mantikors Fotos auch, dass nun die Quaste einen Sinne ergibt. Sie ist Teil einer Schärpe.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Schlüter war sicherlich kein Musiker. Mit aufgeblasenen Backen ist einer Trompete oder Posaune definitiv kein brauchbarer Ton zu entlocken.

    Erzähl das mal Dizzy Gillespie :D

    Aber davon abgesehen ist davon natürlich genauso abzuraten wie von Glenn Goulds Haltung beim Klavierspielen. Eine Fama ist aber sicherlich auch eine Ausnahme, die ihre Kunst trotz Regelbruch exzellent beherrscht

  • Die aufgeblasenen Backen der Famen sind eine ironische Überzeichnung, die sich schon bei Rubens findet. Auch die Fama bei Le Brun tut sich mit dem Blasen etwas schwer:


    Die Eroberung der Stadt und Festung Gent 1678, Versailles, Deckenbild im Spiegelsaal.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Schlüter war Bildhauer, und ein Bildhauer kann Musik nicht hörbar, sondern nur sichtbar machen. Deshalb die Pausbacken. Es ist einfach ein künstlerisches Mittel. Ein durchschnittliches Musikergesicht hätte zu wenig Ausdruckskraft.

    @Seinsheim
    Wahnsinn! Da denkt man, du kannst nur Barock, und schon zauberst du das nächste megageile Hammerfoto aus der Tasche, als wärs nichts! Ich finde es schön, dass wir mit dem Schloss schon so viel Spaß haben. Und diesen Spaß kann uns auch das Dachrestaurant nicht verderben. Dazu sind die historischen Fassaden künstlerisch viel zu stark. Mit Flachdach und ohne Dachaufbauten wäre das Schloss aber wohl noch schöner. Da es hier im Forum genug negative Stimmen zum Dachrestaurant gibt, kann ich die Rolle des Fürsprechers übernehmen. Bei den Bildern der Lustgartenseite ist mir aufgefallen, dass das Dachrestaurant mit der Ostfassade in einen Dialog tritt. Es gibt der Gesamtwirkung des Baues zudem einen neuen dynamischen Akzent.

    Mir geht es auch um etwas Grundsätzliches: Projekte wie das Berliner Schloss, der Dresdner Neumarkt oder das Frankfurter Dom-Römer-Areal werden ja von vielen Anhängern der modernen Architektur bekämpft. Mich ärgert dabei, dass sie nicht sehen wollen, dass die Rekoprojekte wichtige Teile modernen Bauens sind. In der alteuropäischen Stadt ist Bauen im historischen Kontext eine wichtige Aufgabe der zeitgenössischen Architektur. Nach meinem Eindruck wird das in den Architekturdebatten noch zu wenig berücksichtigt. Selbst die supermoderne Elbphilharmonie steht auf den historischen Fundamenten eines älteren Kaispeichers. Die Rekoprojekte werden in der Öffentlichkeit überwiegend als historische Architektur wahrgenommen. Dabei enthalten sie erhebliche Anteile moderner Architektur. Diese modernen Anteile muss man nicht als lästiges Beiwerk ansehen (seitens der Rekofans) oder als minderwertige, weil zu sehr historisch ausgebremste Gegenwartsarchitektur (seitens der Modernefans). Ich versuche, die Verbindung von historischer und moderner Architektur ernstzunehmen und kunsthistorisch zu bewerten. Dabei geht es mir nicht darum, die eine Partei gegen die andere auszuspielen. Der Dialog zwischen Stella und Schlüter ist ein Aspekt des neuen Schlosses, der mich im Besonderen interessiert.

  • @Rastrelli
    Der Aspekt, das nicht Hörbare sichtbar zu machen, ist in der Tat ein ganz wesentlicher Aspekt. Man kann das außer durch Pausbacken auch ausdrücken, indem man einer Figur die Hand ans Ohr legt - oder den Finger - um Ruhe bittend - vor den Mund, wie in Michelangelos Jüngstem Gericht, dessen eigentliches Thema der gerade bevorstehende Urteilsspruch Christi ist. Man kann aber auch durch die Augenbewegung ein Hören ausdrücken, wie es Raphael bei der Heiligen Cäcilie gemacht hat, die verzückt der himmlischen Vokalmusik lauscht, während ihr die Orgel als Sinnbild der Instrumentalmusik aus den Händen gleitet (selbige ist wenigstens noch pneumatisch, im Unterschied zu dem meisten der am Boden liegenden Schlag- und Streichinstrumente, die ganz für das Weltliche stehen).

    Der zweite Aspekt, der Anteil des Neuen an der Rekonstruktion, ist gleichfalls sehr wichtig. Es gibt hierzu einen Doppelband, den Franco Stella mit dem Kunsthistoriker Peter Stephan herausgegeben hat. Letzterer versucht darin, einen Entwicklungsstrang von Schlüter über Schinkel zu Stella aufzuzeigen - im Sinne einer fortschreitenden Abstraktion ähnlicher Grundgedanken. Am Ende stehen dann die Ostfassade und die Agora.

    Ich selbst habe vor dem Hintergrund des modernen Weiterbauens im Kontext der historischen Stadtarchitektur auch immer den Blobel-Bau in Dresden vereidigt. Rekonstruktion kann und sollte auch zeitgenössische Architektur, die in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft entsteht, inspirieren. Dies gelingt freilich nur, wenn man von der unseligen Praxis der gegenwärtigen Denkmalpflege abrückt, dass die moderne Zutat sich kontrastreich vom Älteren (oder vom Rekonstruierten) abheben muss. In dieser Hinsicht finde ich den Bobel-Bau recht gelungen (obwohl mich auch das das "Dachcafé" stört), während ich den Nachbarbau neben dem Regimentshaus eher für suboptimal halte - wir hatten ja schon darüber gesprochen. Ich stelle mir vor, ein Architekt hätte den Mut gehabt, an dieser Stelle so etwas Ähnliches zu machen wie es in der Braubachgasse 27 u. 29 von Eckert/Negwer und Albers entworfen wurde (natürlich kleiner und in reduzierter Form). Statt einer unstrukturierten Lochfassade ein Bau, der klassische Struktur- und Gliederungselemente neu interpretiert.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Es ist auch eine schlechte Rezeption des Vorgängerbaus, der sich traditioneller Eemente bedienst aber damit eben nicht umgehen kann. Die Attikafiguren sind zu klein und die gesamte Fassade ist einfach zu mathematisch gerastert.

    Am besten hat es Schinkel ausgedrückt:

    "Sehr bald gerieth ich in den Fehler der rein radikalen Abstraction, wo ich die ganze Concepcion für einbestimmtes Werk der Baukunst aus seinem nächsten, trivialen Zweck allein und aus der Construction heraus entwickelte, in diesem Fall entstand aber etwas Trockenes, Starres, das der Freiheit ermangelte und zwei wesentlicher Elemente, das Historische und das Poetische, ganz ausschloss."


    Karl-Friedrich Schinkel, Das architektonische Lehrbuch

  • Ich versuche mal, auf @Konstantindegeer zu antworten und dabei die Kurve zum Schloss zu kriegen.
    Generell steckt die traditionsbewusste Stadtarchitektur noch in den Kinderschuhen, die Kritik an der Braubachstraße ist berechtigt. Aber es ist doch ein erster und wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Wenn ich mal einen Vergleich mit der Sprache ziehen darf: Der Minimalismus und technische Funktionalismus des Bauhauses erinnern an die vereinfachte Sprache eines Computerprogramms (um den Vergleich mit der reduziert-eindeutigen Kommandosprache des Kasernenhofs nicht ziehen zu müssen). Nun bemühe wir uns wieder um einen größeren Wortschatz, durchforsten alte Bücher nach Wendungen und Begriffen, können diese aber noch nicht stimmig anwenden. Oder wir suchen nach neuen Wortschöpfungen, die aber auch noch nicht gelingen. Denn wir müssen erst einmal wieder ein Sprachgefühl - und ein Stilgefühl entwickeln. Bei uns im Studium gab es deshalb Stilübungskurse Deutsch-Latein und Deutsch-Griechisch: Man musste eigene Texte in Cicero-Latein oder im Platon-Griechisch schreiben, denn nur so erlangte man einen wirklichen Zugang für die Sprache. Übertragen auf die gegenwärtige Situation würde ich sagen, dass Architekten erst einmal wieder lernen müssen, Fassaden im Historischen Stil zu entwerfen - Mies, Le Corbusier, Otto Kohtz und andere haben das noch getan (was sie daraus gemacht haben, steht auf einem anderen Blatt).
    In dieser Hinsicht - und jetzt kommt die Kurve - fand ich auch die historisierenden Entwürfe für das Humboldt-Forum (Albers, Kolhoff, Nöfer) im Ansatz gut, aber noch sehr unausgereift. Insofern ist mir Stellas Architektur tatsächlich lieber. Sie ist in sich weitgehend stimmig - bis auf die Westseite des Schüterhofs, die in meinen Augen in Zwitter ist.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Aufnahmen der Nordseite von heute mit Schwerpunkt auf der Bekrönung von Portal IV.

    Hier (wie auch bereits auf den anderen Aufnahmen) sind die Ausblühungen des Sandsteins gut zu sehen.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Ich wüsste gerne, wo mein Beitrag mit 5 oder 6 Bildern (von Westen aufgenommenen) , welcher unmittelbar vor dem obigen abgesendet wurde, geblieben ist?
    Wenn hier diese Art und Weise Beiträge gelöscht werden, welche zum einen Zeit- und Arbeitsaufwand bereiten und zum anderen den Lesern des Forums bildliche Perspektiven und Informationen vermitteln sollen, welche sie vom heimischen Bildschirm aus nicht gewinnen können, ist für mich klar, dass ich daraus für mich im Hinblick auf das Forum Konsequenzen ziehen muss.

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    (Immanuel Kant)