Berliner Schloss - architektur- und kunstgeschichtliche Aspekte

  • @ Seinsheim, ja das ist mir bekannt, danke, daß Du nochmals darauf hinweisen tust!
    Dennoch ist dann die Umplanung leider nicht vollständig durchgearbeitet worden, wenn man das weiß. Aus dem offenen Belvedere-Treppenhaus, wonach Stella ja die Idee der Theaterarchitektur und der Verschränkung von innen mit außen, die ja Schlüter so kongenial am Großen Risaliten verwirklicht hatte, zitierte, hätte er doch einen vollgültigen Gebäudeflügel entwerfen können, mit mehr Bauvolumen und Gliederung. Dieser Mehraufwand, war wohl im Budget nicht drin.
    Das Belverdere wäre freilich eine luftigere Variante gewesen, zum Flanieren, Schauen, sich treffen, aber Ausstellungsfläche wäre verloren gegangen und das wollten die Auftraggeber halt nicht. So ist es ein Zwitter geworden, weder das eine , noch das andere so recht ... !?

    Aus dem von Seinsheim verlinkten Artikel:

    Im neuen Schloss-Entwurf jedenfalls zeigt sich eine geradezu lähmende Reihung und Wiederholung. Zwar war bereits das barocke Urbild des Schlosses von solcher Ästhetik geprägt; schon die Fassaden des Schlüterschen Ursprungsbaus wurden gen Westen verlängert, um das Bauvolumen zu verdoppeln. Aber Stella hat das poetische Moment, das seinen Siegerentwurf auszeichnete, zugunsten der Nutzungsanforderungen verloren. Der Gegensatz zwischen der barocken Inszenierung insbesondere des Schlüterhofes und der rationalistischnüchternen Modernität der Rasterstrukturen, den der Erstentwurf noch in der Balance hielt, erhält jetzt eine durch nichts gemilderte Schärfe.

    Ein durchaus wohlwollender, versöhnlicher für einen gelungenen Entwurf werbender Artikel, damals vor 10 Jahren. Ein bissel hat es ja genutzt ...

    Zitat von tagesspiegel

    Mehr Schlüter, weniger razionalismo: Das wäre die Formel fürs Gelingen. Es muss ja nicht ein halbes Jahrhundert gestritten werden wie damals in Vicenza.

  • 505.000 Euro aus Düsseldorf (zu sehen im Nachrichtenblock II ab Min 1:21):

    https://www.rbb-online.de/abendschau/

    Es ist zu sehen, dass die unfertigen Bauteile des Schlüterhofs wieder voll eingerüstet sind; auch die moderne Westseite des Schlüterhofs scheint wieder eingerüstet zu sein.

    Schade, dass das Interview mit Wilhelm von Boddien nur knapp eine halbe Stunde lang ist. Man könnte den beiden Herren stundenlang zuhören... :thumbup:

  • Man muss die Abendschau vom vergangenen Freitag anklicken. Die Bilder sind freilich nur bedingt aussagekräftig.
    Hier ein Screenschot:

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Die Webcam ist und bleibt aus ganz bestimmten Gründen abgeschaltet. Ich habe zwischen den Feiertagen zufällig im privaten Umfeld einen der Protagonisten des Humboldtforums getroffen und es gab ein sehr interessantes Gespräch mit vielen Einblicken hinter die Kulissen (nur Informationen, ich war nicht vor Ort...), bis in die frühen Morgenstunden. Nur möchte/ muss ich hier Diskretion wahren... Jedenfalls gibt es mehr Schwierigkeiten, als landläufig bekannt sind und auf die die Öffentlichkeit nicht unbedingt direkt gestossen werden sollte, das ist auch in unserem Sinn. In diesem Zusammenhang die Frage: wurde in dem Bericht die - moderne - Westfassade des Schlüterhofes gezeigt? Ich bekomme den Film hier irgendwie nicht geöffnet..

    Wer zwischen Steinen baut, sollte nicht (mit) Glashäuser(n) (ent)werfen...

  • Wenn du schon "Mäuschen" spielen durftest: Könntest du uns nicht verraten ob es ein paar Dinge gibt, die unser Herz erfreuen würden? Gibt es z.B. Neuigkeiten zum Neptunbrunnen?

  • Beim Neptunbrunnen ist es leider ein Fakt, dass ausgerechnet genau an dem "richtigen" Standort sich große Knotenpunkte von Versorgungsmedien im Boden befinden, die mit Riesenaufwand verlegt werden müssten. Das würde etwa 10 Millionen kosten, die das Land Berlin natürlich weder hat noch dafür ausgeben will. dazu kämen dann noch die Kosten für die Restaurierung und die Umsetzung selbst, und dann entsteht ja am jetzigen Standort eine gestalterische Lücke, die irgendwie gefüllt werden müsste - also weitere Kosten. Insgesamt wird das Schlossumfeld auch noch einige Jahre brauchen, auch die U5. Aber es kann gut sein, dass die Wippe doch noch baden geht...

    Wer zwischen Steinen baut, sollte nicht (mit) Glashäuser(n) (ent)werfen...

  • Vielleicht muss man hier auch gar nicht von Schwierigkeiten ausgehen, sondern gut Ding will einfach Weile haben. Im Vergleich mit anderen Berliner Baustellen ist das Schloss doch jetzt schon ein großer Erfolg. Da darf auch gerne mal was langsamer laufen...

  • Beim Neptunbrunnen ist es leider ein Fakt, dass ausgerechnet genau an dem "richtigen" Standort sich große Knotenpunkte von Versorgungsmedien im Boden befinden, die mit Riesenaufwand verlegt werden müssten. Das würde etwa 10 Millionen kosten, die das Land Berlin natürlich weder hat noch dafür ausgeben will. dazu kämen dann noch die Kosten für die Restaurierung und die Umsetzung selbst, und dann entsteht ja am jetzigen Standort eine gestalterische Lücke, die irgendwie gefüllt werden müsste - also weitere Kosten. Insgesamt wird das Schlossumfeld auch noch einige Jahre brauchen, auch die U5. Aber es kann gut sein, dass die Wippe doch noch baden geht...

    ich erinnere mich noch genau, dass der Bund vor wenigen Jahren einen zweistelligen Millionenbetrag für die Restaurierung und Umsetzung des Brunnens bereitgestellt hat, der wohl vom Senat ausgeschlagen worden ist. Und da war das Problem mit den Leitungen ja sicher auch schon bekannt. Es geht also weniger um Geld als um den guten Willen!

    Wir dürfen nicht locker lassen. Im Übrigen hoffe ich da auf das Schloss selbst. Der fertige Bau wird seine Stimme erheben und selbst die besten Argumente liefern.

    Dass wir Geduld brauchen für unsere Wünsche, ist vollkommen richtig und oft dringend anzuraten. Und Das meiste, von dem ich träume, werde ich nicht mehr erleben. Aber beim Schlossbrunnen sollten wir wohl tatsächlich etwas ungeduldig sein!

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

    Und verstehe die Freiheit,


    Aufzubrechen, wohin er will.


    Hölderlin

  • Aber es kann gut sein, dass die Wippe doch noch baden geht...

    Das wäre sehr erfreulich für die Wirkung des Schlosses an der Westseite, denn die Wippe zumindest mir den dortigen Anblick, ja eigentlich das Schloss für immer vergällen.

    Weißt du hier mehr? Ich habe mich ja sehr stark dagegen engagiert und bin immer noch bereit dazu.

    Im Übrigen wird sich mein Auge nie an das Dachcafé und auch nicht an den "Knick" im Dach an der Nord- und Südseite, der der Wirkung der großartigen Fassade meines Erachtens erheblich schadet, gewöhnen. Es sind eben die Kleinigkeiten, die etwas Großartiges bereits zunichte machen können trotz aller Freude über die Rückkehr der herrlichen Barockfassaden. Und die Ausrede, dass die Haustechnik irgendwo untergebracht werden muss, lasse ich heir nicht gelten. Die modernen Architekten können es einfach nicht.

    Das Schloss wird nur wieder wirken, wenn die alte Dachlandlandschaft und das alte Umfeld (samt alter Domkuppeln und Denkmalskirche) zurückkehrt. Ein Kompromiss sieht auch immer wie einer aus.

  • Ich vertraue darauf, dass mein werter Vorredner einfach nicht genug nachgedacht hat, bevor er schrieb, dass Kleinigkeiten etwas Großartiges "zunichte machen" . Oder meint er das ernst? Die Schlüter- und Eosander-Fassaden sind wertlos und hässlich, weil da ein Knick im Dach ist?

  • Lieber UrPotsdamer,

    ich würde behaupten, dass ich genau hingeschaut habe (und das ist ja im Übrigen meine ganz persönliche Meinung und keine allgemeingültige Aussage). Die Schlüterschen und Eosanderschen Fassaden für sich sind großartig, aber der "Knick" im Dach unterbricht eben die Ensemblewirkung. Der Blick wird dadurch aufgehalten und trennt die Nord- und Südfassade jeweils optisch (und das ganz ohne Not) in zwei Hälften, gar nicht davon zu sprechen, dass der schmucklose Nehringsche Flügel der historischen Ostfassade als Gegengewicht zum eher schlichteren Eosanderschen Vorsprung auf der rechten Seite (gemeint ist hier die Lustgartenfassade) - denn genau deswegen hat Eosander diesen meines Erachtens auch so geplant - so sehr fehlt. Wer ein bisschen Gefühl für Proportion und optische Wirkung hat - auch was die Dachlinie angeht - müsste das doch sehen. Das Schloss besteht eben nicht nur aus seinen Fassaden. Und wenn das historische Dach auch nicht einheitlich war, so war es doch tiefer angesetzt (die Dachlandschaft auf der Westseite, die nach dem Umbau des Weißen Saales unter Wihlem II. erhöht wurde, lasse ich dabei mal außer Acht), dass es selbst vom Alten Museum aus kaum zu sehen war und nicht hinter der Balustrade hervorblitze.

    Beim Postdamer Stadtschloss ist das ähnlich. Da stimmen die Dachneigungen des Hauptrisalits und der Seitenpavillions der Lustgartenseite auch nicht mit dem historischen Original überein, ganz zu schweigen von den gemittelten Fensterachsen und dem "verlängerten" Dach (wegen des jetzt breiteren Corps de Logis) zum Hof hin, das die Pavillionwirkung der Seiten stark konterkariert.

    Es sind eben doch diese Details, die das Gesamtkunstwerk stark beschädigen. Das kann man auch bei der Domkuppel in Berlin sehen, und ich bin wahrlich kein Freund von Raschdorffs' Werk. Die DDR-Kuppel ist gedrungener, deren Ansatz niedriger, die Dreiecksgiebel der oberen Fenster, die die Kuppel optisch streckten, fehlen ganz sowie auch die alte, die Kuppel streckende Laterne.

    Entschuldigt, dass ich so weit aushole, aber ich möchte nur klarmachen, dass ich genau hinsehe und meine Worte überlegt waren und sind.

  • @Asgardion Auch ich halte die Gestaltung der Dachlandschaft für elementar. Natürlich sind die Fassaden für sich immer noch großartig, aber das Dach ist eben Teil der Fassade - was man derzeit besonders deutlich in Wien merkt, wo die Häuser durch modernistische Dachaufbauten vollkommen abgewertet werden. Nun ist der Höhensprung in Berlin zwar nicht so schlimm wie z. B. das Dachcafé, aber er stört in der Tat. Überhaupt stört das schräge Dach. Schlüter hat das Schloss als einen italienischen Flachdachbau konzipiert. Das Dach kam erst später. Beim Wiederaufbau war es leider nötig, um die ganze Technik unterzubringen.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Ich wehre mich gegen die Wortwahl. Na klar, der Knick stört. Ohne wäre es schöner. Aber "zunichte machen" bedeutet gänzlich zerstören. Und selbst du stehst nicht vor dem Humboldt-Forum und sagst "da hilft nur noch abreißen!" , oder? Also ist deine Wortwahl unüberlegt.

  • Erfreulich, wie Teile der Medien jetzt doch umschwenken, das Schloss als einen Teil Berlins begreifen und Boddien für sein großartiges Lebenswerk würdigen!

    War bei Frauenkirche und Neumarkt Dresden ebenso. Erst böse Schimpftiraden (wir sind alles Disneyland-Terroristen, reaktionäre Puppenstubenbastler, reaktionäre Heimattümler und weiß ich was nicht noch alles ), aber wenn es erst einmal steht, wird immer häufiger gut drüber gesprochen.

    Das ist die "normative Kraft des Faktischen". So lautete ein Titel eines Interviews mit Caspar Cremer, damaliger Präsident des BDA (Architektenbund). Wenn erst mal Fakten geschaffen sind, muss jeder damit klarkommen - auch die, die es nicht mögen. Tja, und siehe da, plötzlich mögen sie's......"wir waren ja schon immer dafür". Ja , klar.... ;)

    "Die Modernisten sollten sich endlich eingestehen, dass sich die Qualität einer Stadt konventioneller Architektur verdankt" - (H. Kollhoff).

  • Die Technik hätte man ganz sicher auch anderweitig unterbringen können, ebenso wie die Aufbauten für die Aufzüge. Ich stehe im Übrigen zu meiner Wortwahl. Es ist mehr als einfach nur stören. Ein existenzieller Teil ist eben falsch und damit leider auch das Ganze. Das kann man sich schönreden oder wegbeten, aber es bleibt.

    Das Humboldtforum (ich weigere mich es anders zu schreiben) ist besser als alle andere Ideen dort. Aber es ist nicht das Schloss und wird nie seine Wirkung haben, weil wichtuge Teile falsch sind. Mann kann ja bei Bachs Musik auch nicht einfach etwas weglassen oder ein paar Noten verändern.

    Es ist etwas anderes, aber eben nichts ganz Rundes. Ich will hier nichts mies machen, aber das ist nicht meine Ansicht. Mein Auge kann es eben nicht wegdenken und es sich auch nicht schönreden.

    In der wahren Kunst gibt es keine Kompromisse.
    Aber wir leben in einer Zeit, in der das vor allem in der Baukunst und in der Rekonstruktiondebatte nicht mehr gilt, weil es nicht allein um die Kunst und die Schönheit geht, sondern alles poltisch überfrachtet wird.

  • @Asgardion: Leider ging das Dach nicht kleiner, die Haustechnik braucht das Volumen. Man hat es so niedrig wie irgend möglich gehalten. Die Alternative wäre gewesen, die Technik tiefer zu legen und die Raumhöhe im 3. OG. zu verringern. Aber das war aus anderen Gründen nicht gewollt.
    Es ist ganz klar: Das Humboldt-Forum ist letztlich ein Neubau mit historischen Fassaden. Es ist eben kein Wiederaufbau des Berliner Schlosses. Diese Prioritäten hat die Politik gesetzt, es ist, wie Du richtig sagst, alles politisch überfrachtet. Aber mehr war nicht drin! Und heute hätte nicht einmal mehr ein Humboldt-Forum mit barocken Fassaden eine Chance.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.