Berliner Schloss - architektur- und kunstgeschichtliche Aspekte

  • Sehr sehr nice, es geht ja doch endlich mal voran. Ich muss ja sagen, dass mir die Südseite immer besser gefällt, sie strahlt so eine klassische Eleganz aus, es ist meine Lieblingsseite.

    APH - am Puls der Zeit

  • Bevor man jetzt darüber nachdenkt die Ostfassade zurückzubauen, sollten wir erst einmal darüber nachdenken, wie man den rot/rot/grünen Senat begeistern kann, dass Adlersäule, Rossbändiger Neptunbrunnen und die fünf Fürsten an ihren alten Platz zurückkehren. Auch eine Wiederkehr der Denkmalkirche am Berliner Dom wäre super aber bis dahin werden noch ein paar Jahrzehnte vergehen.

    Nun muss aber erstmal noch fleißig gespendet werden, es fehlen noch ein paar Millionen!

  • Dieses "nice", das mittlerweile sehr weit verbreitet ist, verursacht bei mir eine Gänsehaut. Das deutsche Wort dafür heißt "schön". :lehrer:
    Die Bilder von Mantikor gefallen mir aber auch sehr gut.

    Verzeihe mir lieber Neußer, ich bin eben noch etwas jünger :D , da gehört das mittlerweile eben zum regulären Wortschatz dazu. Aber ich versuche mich zu bessern.

    Also, schön ist das Schloss :P:P

    APH - am Puls der Zeit

  • Finde die Südseite auch much nicer, als die zum Lustgarten. Macht viel mehr her. War sie von Schlüter vielleicht als die eigentliche Schauseite gedacht und die Nordfassade eben die bescheidenere Gartenfassade?

  • Beide Seiten des Schlosses empfinde ich rundum als ganz einfach schön! Der unterschiedliche Charakter rührt schon von Schlüter her, Eosander und Böhme führten seine Ideen weiter.

    Der Unterschied scheint mir von den ganz verschiedenen Aufgaben der Süd- und der Nordseite zu kommen. Die Seite zum Schloßplatz ist die Seite, in der das Königtum nach außen tritt, hier zeigt es sein Gesicht: Die Risalite, nur Portal I ist von Schlüter, Portal II folgt ihm, übernehmen das „Gesicht“ des Triumphes der römischen Kaiser, wie es Michelangelo auf dem römischen Kapitol gestaltet hat - die geschoßüberspannenden Kolossalsäulen. Diese Seite ist ganz Macht und Repräsentation, zu der auch die Bukranien gehören. Sie wirkt überaus streng vor allem in den Portalen; aber Schlüter und seine Nachfolger verstehen es, diese Strenge aufzufangenden und auszugleichen, in den heiteren Fensterfluchten und vor allem dem unvergleichlichen Rondell als Übergang zum Schlossgärtchen an der Spree. Ein gleiches Rondell schloss ja ursprünglich die Fassade auch nach Westen ab.

    Ganz anders die Lustgartenseite: Sie war schon an den französischen Schlössern verspielter und heiterer als die offizielle Fassade. So auch hier mit den Allegorien der Jahreszeiten und den gelösten, im Vergleich zu den Südportalen fast verspielt wirkenden Portalen IV und V.. Von Norden her dürfte anfangs die Zufahrt gewesen sein: Zu den Südportalen führten ursprünglich Treppen hoch. An den Nordportalen tritt nun nicht die Macht dem Gast des Königs oder dem König selbst entgegen, sondern sein Lob, sein Preis und sein Ruhm: Die Portale werden hier von den Famen beherrscht, die mit ihren Trompeten den Ruhm des Herrschers verkündigen, sie werden nur noch überhöht von Wappen und Krone. Mit dem Thema Musik wird die Lustgartenseite aber auch zur Seite der Feste, zur festlichen Seite des Schlosses.

    Zur Heiterkeit und zum spielerischen Ernst passen die kuriosen Darstellungen in den Lünetten von Portal V, in denen der Staatsgewalt die Keule von einem Putto gestohlen wird, und die Justitia verfremdet wird - sie ist nicht blind, ihre Waage ist nicht im Gleichgewicht: die Gewalt des Königs muss nicht auf Waffen setzen, sondern setzt auf Wissenschaft und Kunst, und der König selbst ist die Gerechtigkeit - ganz ungewöhnliche Verkleidungen, die Schlüter hier erfindet wie im Spiel.

    Repräsentation nach außen auf der Südseite und Lob des Herrschers auf der Lustgartenseite werden zusammengeführt im Gigantentreppenhaus des großen Risaliten im Schlüterhof. Hier beherrschte Jupiter die Szenerie.

    Einen eigenen Weg geht Eosander auf der Westseite mit dem ins Gigantische vergrößerte Triumphbogen Kaisers Septimius Severus, den zurückhaltenden Fensterfluchten und den überschäumenden Famen. Womit er dem Schloss eine neue Hauptseite gibt.

    Weder Planer noch Auftraggeber scheren sich im mindesten um solche Zusammenhänge, wenn sie diese historisch neue Westseite mit der lächerlichen Einheitswippe versauen.

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

    Und verstehe die Freiheit,


    Aufzubrechen, wohin er will.


    Hölderlin

    Einmal editiert, zuletzt von Bentele (23. Januar 2019 um 01:45)

  • [...] Sollte als Standartwissen in einem Forum wie diesem hier eigentlich bekannt sein....

    Vor allem wenn es mehr als zweimal ausführlich, auch mit Bildern und Visualisierungen, erklärt und gezeigt wurde. floet:)

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.

  • Die Königskrönung des ersten preußischen Königs (durch eigene Hand) fand in Königsberg statt und der Weg zurück mit Pferd und Wagen führte über die Königstraße zum Schloßplatz, der Schaufassade zur Stadt hin. Auf der Nordseite war der Lustgarten und sonst keinerlei Verbindung zur Stadt. Alles andere kam dann später. D. h. die monumentale Fassade an der Schlossplatzseite sollte die Königswürde, die Lustgartenfassade eher den leichten Charakter einer Gartenfassade unterstreichen.

    Heute hat sich die verkehrliche Situation genau umgekehrt, die Südseite wirkt eher abgehängt, sicher auch wegen der Unterbrechung des Verkehrsweges durch die Königstraße zum Alexanderplatz.

  • @Benni Ja, die Südseite, an der die Rathaus-Achsen von Alt-Berlin und Cölln zusammenliefen, ist die eigentliche Hauptseite, die sog. Stadtseite. Portal I war das Einzugsportal des neugekrönten Königs.
    Das Grandiose an Portal I und II ist die Reduktion auf eine reine Gliederarchitektur (eigentlich nur Säulen und Pfeiler), die im Kontrast zu den rein wandhaften Rücklagen stehen. Übertroffen wird das m. E. nur noch durch den Großen Risalit des Schlüterhofs.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • @Seinsheim gibt es irgendwelche Neuigkeiten, wie man mit den stark gefärbten/marmorierten Säulentrommeln von Portal I zu verfahren gedenkt? Du hattest vor einer ganzen Weile gemeint, man wolle sich erst einmal ein Bild der Lage machen und überlegen, ob man etwas dagegen tut oder nicht.

  • Meines Wissens wollte man dann mit Schlämme noch einmal darüber gehen. Wenn ich Näheres weiß, sage ich es.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Leider muss ich in die Freude über den abgerüsteten Portalrisalit II etwas Essig gießen. Es betrifft wieder einmal die Farbfassung. Die verputzten Wandspiegel in den Seitenachsen zwischen erstem und zweitem OG sind gelb gestrichen, als würde sich in ihnen die Gliederung der wandhaften Rücklagen fortsetzen. Jedoch sind sie - wie der ganze Risalit - als Teile einer Gliederarchitektur aufzufassen. Der untere Streifen ist als Pendant zum ionischen Gebälk zu lesen, der obere Streifen als Pendant zu den korinthischen Säulenpostamenten. Die Riesensäulen mit den rustizierten Sockeln und der Dachbalustrade bilden die Makro- oder Primärstruktur, die dorische, die ionische und die korinthische Stockwerksordnung ergeben zusammen die gleichsam eingefügte Mikro- oder Sekundärstruktur.
    Hier eine entsprechende Erläuterung zu Portal I: orange die Makrostruktur, ocker die Mikrsostruktur.

    Es ist schade, dass wegen solcher Details die Lesbarkeit der architektonischen Syntax gemindert wird.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Und weshalb passieren solche Fehler (scheint ja nicht der einzige am Schloß zu sein!)?
    Warum zieht man nicht solches Fachwissen, wie das deinige hinzu, um die optimale Lösung zu erarbeiten?
    Ist man sich selbst genügend und meint schon genügend Fachautorität beieinander zu haben?

    Nichts ist perfekt. Dann hat es also mehrere Muttermale im Gesicht der Schönen! Soll ja ein barocker Kunstgriff gewesen sein ... !
    Auf der einen Seite ist ne Mauer zu hoch, auf der anderen Seite versteht man die tektonische Struktur der Fassade nicht und pinselt wild drauf los und drumherum kippt man dann noch Tonnen Pflastersteine vor's Schloß und der Brunnen kommt wohl auch nicht ... !
    Herje nochmal :/?(:rolleyes: !
    Na ja, dann haben spätere Generationen mit neuer Baulust noch was zu verbessern und ne Menge zu tun, nicht nur die Repräsentationsräume zu rekonstruieren!

  • Erfreulich, wie Teile der Medien jetzt doch umschwenken, das Schloss als einen Teil Berlins begreifen und Boddien für sein großartiges Lebenswerk würdigen!

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Jetzt, wo sich die fehlenden Spenden langsam, langsam kommen, sollten wir uns dem weiteren Wiederaufbau dieses doch mittelfristig nicht vollendeten Schlosses widmen.

    Z. B. der Einsatz für die Wiederherstellung der charakteristischen Gigantentreppe, einzelner Prachträume oder der fehlenden zwei Kuppeln auf der Westfassade. Letzteres wäre ja das kostengünstigste und laut Aussage Wilhelm von Boddiens einfachste Nebenprojekt.