Berliner Schloss - architektur- und kunstgeschichtliche Aspekte

  • 16. November 2018 - mal wieder eine Umrundung, mit dem Schwerpunkt der Freilegungen auf der NW-Seite.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Wieder einmal großartige Bilder Mantikor !

    Beim Betrachten stellt sich langsam eine entspannte Selbstverständlichkeit ein. Man hat den Eindruck, als ob das Schloß nie weg gewesen wäre. Welch eine Genugtuung für Schlüter und das Haus Hohenzollern !

    Ein weiterer Beleg dafür, daß Gebäude, die einen bestimmten Stadtraum für Jahrhunderte geprägt haben, auch Zeitspannen der Nichtexistenz mühelos überwinden können.

    Das vorübergehend Abwesende prägt die Aura des Ortes eben weiterhin und läßt jedes andere Gebäude am Ort als respektlosen Usurpator erscheinen. Die letztendliche Rückkehr wird allerdings mit jedem Jahr, welches bis zum Wiederaufbau verstreichen muß, nur umso triumphaler, weil bei den Generationen, die das alte Gebäude nicht mehr aus eigenem Erleben kennen, der 'Aha-Effekt' ein immer umwerfenderer sein wird !

    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (16. November 2018 um 19:59)

  • Da wären wir uns ja fast über den Weg gelaufen, allerdings hatte ich keine Kamera dabei. Schade, dass an der Alten Nationalgalerie der FW IV eingerüstet ist, ich wollte den Blick durchs Fenster im ersten OG auf Portal V genießen, aber die Sicht ist nun vollkommen verstellt. Da muss man nun wohl bis zum Frühjahr warten.
    Hoffen wir, dass Portal III noch vor dem Wintereinbruch abgerüstet wird.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Von dem ärgerlichen Dachcafé und dem Aufzugschacht mal ganz abgesehen:
    Wenn ich die Bilder von @Mantikor mit älteren Aufnahmen vergleiche, überkommt mich das etwas ungute Gefühl, dass die Dächer früher niedriger waren und hinter der Balustrade komplett verschwanden. Das sah deutlich besser aus, vor allem scheint es den Dachanstieg links neben Portal IV nicht gegeben zu haben.


    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Das sah deutlich besser aus, vor allem scheint es den Dachanstieg links neben Portal IV nicht gegeben zu haben.

    Ganz sauber hat man das damals zwar nicht gelöst, aber zumindest sah man es von unten nicht:

    https://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…uftaufnahme.jpg


    Ebenso fällt auf, dass wohl der gesamte Westflügel früher ein höheres Dach hatte und sich über die anderen Dächer erhob, die Dächer Nord und Südflügel aber über die gesamte Länge weitestgehend niveaugleich niedrig waren:

    https://interaktiv.morgenpost.de/berliner-schlo…lider-5-alt.jpg

    Das wirkte alles viel stimmiger.

    Korrektur: Das höhere Westflügeldach ist wohl im Zuge des Umbaus durch Wilhem II. enstanden und dementsprechend nur einseitig nördlich der Kuppel ausgeführt worden.
    Beim Wiederaufbau scheint man sich aber doch tatsächlich an dieser Höhe orientiert zu haben und hat sie gleich für das Dach der gesamten Eosanderhälfte übernommen. Das erst macht diesen Buckel zur Schlüterhälfte notwendig. Mir nicht verständlich wieso. Selbst wenn man mit dem breiten Dach die virtuelle Breite der alten Eosanderflügel wiedergeben möchte, hätte man sie doch nur flacher neigen und nicht gleich erhöhen müssen. Ganz wie im Original wäre es dann zwar auch zu diesem Brandmauergiebel im Übergang gekommen, aber der wäre von unten nun wirklich kaum merklich gewesen.

  • Wie es scheint, ist die ganze Dachlandschaft wilhelminisch. Die hätte man wirklich komplett weglassen können. Hätte nicht nur Geld gespart, sondern auch besser ausgesehen.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Wird ja nun eh prä-wilhelminisch.

    Werden/wurden eigentlich noch weitere Spolien angebracht außer jener am/ums Portal I (oder v?) und der Innenseite von III? Im Schlüterhof z.B.?

  • Mit dem geänderten Dachaufbau hat man vielleicht zwei Fliegen mit einer Klappe ... . Wie uns Kaoru nachgewiesen hat erstens die wilhelminische Version, die zugleich günstigerweise mehr Raum für die umfangreiche Belüftungs- und Klimatechnik bietet. Die ist nämlich im Dachstock UND im Keller untergebracht. Siehe dazu auch Fotos aus dem letzten Berliner Extrablatt. So erkläre ich mir das.

  • Wie es scheint, ist die ganze Dachlandschaft wilhelminisch. Die hätte man wirklich komplett weglassen können. Hätte nicht nur Geld gespart, sondern auch besser ausgesehen

    Ob das Schloss vorher aber wirklich ein echtes Flachdach hatte?

    https://i.ytimg.com/vi/ZcQL4ZOX_4o/maxresdefault.jpg

    Ich kann mir kaum vorstellen, dass man das damals schon zufriedenstellend dicht bekommen hat. Und es wird ja Gründe für das spätere Satteldach gegeben haben.

    Edit: Das hier ist übrigens das frühste Bild, das ich vom Schlossdach gefunden habe, von 1868, Hopfenbruch hat es mal hier vorgestellt:
    https://www.stadtbild-deutschland.org/forum/wcf/imag…83-43538d25.jpg

  • Ich muss gestehen, ich freue mich über jeden kleinen Schornstein, der oben heraus guckt - das Dach ist doch ziemlich steril geworden. Und wie schon gesagt - sehr traurig, dass die kleinen Rotunden nicht wieder aufgesetzt wurden. Sonst geht man so ins Detail bis hin zu den wilhelminischen Veränderungen - aber diese für das Schloss charakteristisch wichtigen Kuppeln auf dem Westflügel streicht man einfach. Unverständlich!

    Einmal editiert, zuletzt von Friedenau (17. November 2018 um 17:29)

  • Hier sieht man das Dach nicht, es war vermutlich da, aber deutlich flacher.

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  • Es ist natürlich immer schwer zu sagen, wann ein Vedutenmaler ein Detail fortgelassen hat, weil er die eigentliche Idee eines Bauwerks betonen wollte oder ihm etwas nicht aufgefallen ist, und wann etwas tatsächlich noch nicht vorhanden war.

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  • Das Schloss war immer im Prozess des Werdens wie man auf vielen Abbildungen sieht (auch die kleine Kuppel auf der Nord-West-Ecke kam erst unter Wilhelm II dazu - insofern freuen wir uns auf die Zukunft mit Ost- und Apothekenflügel, Grünem Hut, den kleinen Kuppeln auf dem Westflügel und den Statuen über den Portalen und Gebäudeecken. P.S. und Lustgarten-Terrasse mit Roßbändigern und Adlersäule.
    Ob nun die Oranier wirklich wieder auf die Balustrade müssen - sei dahin gestellt - fand es etwas zuviel. Aber ich würde nicht dagegen protestieren, wenn sie kämen.

  • Entscheidend ist für mich, dass das Schloss von seiner Idee her wie ein italienischer Palazzo wirken sollte, was die Simulation eines Flachdachs implizierte. Es wirkte wie ein großer Kubus, um den sich andere Gebäudekuben gruppierten:
    das Alte Museum, die Bauakademie, das Zeughaus, die Alte Wache, die Kommandantur, das Kronprinzenpalais (das im 19. Jh. zum Kubus aufgestockt wurde), das Alte Palais, das Prinz-Heinrich-Palais (heute Humboldt-Uni), das Hotel de Rome (vor der unseligen Aufstockung heute), der Marstall und die Neue Börse...
    Dieser Zusammenhang wurde durch den sichtbaren Dachaufbau des Humboldt-Forums stark geschwächt.

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  • Übrigens hat man auch schon im Barock "Flachdächer" dicht bekommen! :lehrer:
    Dafür wurde z. Bsp. ein flach geneigtes Blechdach mit Splitt überdeckt, der Splitt wurde flach abgezogen und darauf wurden Steinplatten verlegt. So ist die Dachterrasse auf dem Herkules im Kasseler Bergpark um das Jahr 1700 herum von einem Italiener konstruiert worden... funktioniert heute noch!

  • Danke für den Hinweis, @Plaza de Insula, von der Technik wusste ich noch gar nichts. Ähnlich wird es dann wohl auch um die Dachterrassen des Petersdoms oder vieler italienischer Palazzi bestellt sein.
    Bei der flachgedeckten Gartenfront in Versailles spotteten die Kritiker hingegen, das Schloss sehe von dieser Seite wie abgebrannt aus.

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