Berliner Schloss - architektur- und kunstgeschichtliche Aspekte

  • Die "Berliner Morgenpost" beschreibt einen "opulenten Bildband" über die Innenausstattung des Berliner Schlosses. Leider liegt der Buchtitel hinter der Bezahlschranke.

    Berliner Schloss: So prachtvoll war die Hohenzollernresidenz eingerichtet - Berliner Morgenpost

    Damit ist der neue Band von Guido Hinterkeuser gemeint:

    Das Berliner Schloss - Verlag Schnell & Steiner
    Einzigartige historische Innenräume, geschaffen von führenden Künstlern ihrer Zeit und bewohnt von Generationen brandenburgischer Kurfürsten und preußischer…
    schnell-und-steiner.de
  • Bezugnehmend auf die Debatte um die Farbgebung der Kartusche, habe ich mich mal auf die Suche gemacht:

    15ee910979e733.jpg

    https://imgl.aklex.de/20/15ee910979e733.jpg

    Die kolorierte Ansichtskarte ist von 1899.

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    Quelle: bildarchiv preussischer kulturbesitz via Spiegel

    Kolorierte Aufnahme von 1910.

    Eine zusätzliche Aufnahme, die mich neugierig gemacht hat ist folgende:

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    Quelle: Wikimedia commons

    Weshalb fehlt hier der ganze obere Bereich des Triumphbogens?

  • Schinkel hatte um 1830 das Kranzgesims begradigt, weil er eine klassizistische Kuppel darüber setzen wollte. Ferner fehlen noch die Figuren der Kardinaltugenden über den Säulen, die Bronzereliefs mit der Erbauung der ersten Burg und der Präsentation von Schlüters Schlossentwürfen 1699, ferner die dazugehörigen Inschriften, die Steinreliefs in den seitlichen Attikafeldern sowie die schmiedeeisernen Portale. All das wurde erst ab ca. 1860 unter FW IV und W II geschaffen.

    Nimm das Recht weg, was ist der Staat dann noch anderes als eine große Räuberbande? (Augustinus von Hippo)

  • [...] Eine zusätzliche Aufnahme, die mich neugierig gemacht hat ist folgende:

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    Quelle: Wikimedia commons

    Weshalb fehlt hier der ganze obere Bereich des Triumphbogens?

    Mit Hinzufügen der Reliefs, der Wappenkartusche und der vier Skulpturen wurde auch das Giebelfeld um 1902 in überbordender barocker Formensprache umgestaltet. Meines Erachtens ein Zugewinn, weil das Portal III vorher mit den leeren Feldern und fehlenden Skulpturen sehr schlicht und karg wirkte.

    Edit: Seinsheim kam mir schon zuvor :)

  • Eosander selbst hatte davon allerdings nicht so viel vorgesehen. Er war punkto Skupturenschmuck generell nüchterner als Schlüter und orientierte sich mehr an dem strengen Barock des Nicodemus Tessin am Stockholmer Schloss. Also: Skulpturen über Säulen und in Nischen ja, aber Reliefs möglichst wenige.

    Insofern kann man für Wilhelm II. von einer nachträglichen Schlüterisierung des Eosanderportals sprechen.

    Und hier zwei Bilder aus Stockholm. Tessin d. J. hat wie Eosander die Triumpharchitektur relativ erratisch in die Fassade eingefügt.

    Nimm das Recht weg, was ist der Staat dann noch anderes als eine große Räuberbande? (Augustinus von Hippo)

  • Die Rezeption des Berliner Schlosses ist ja ein weites Feld. Ich denke insbesondere die Säulenstellung der Portale I und II wurden im 19. Jahrhundert sehr oft aufgegriffen.

    Heute möchte ich mal eine - vermutlich den meisten unbekannte - nicht zur Ausführung gekommene Schloss-Rezeption vorstellen. Es handelt sich um ein Projekt der beiden schweizer Architekten Eduard Vischer und Eduard Rudolph Fueter für den Architektenwettbewerb zum Bau des Reichsgerichtsgebäudes 1884/85 in Leipzig:

    Aufriss der Hauptfassade, Architekturmuseum der TU Berlin, Inv.-Nr.: 1222, gemeinfrei

    Aufriss der Rückfassade, Architekturmuseum der TU Berlin, Inv.-Nr: 1223, gemeinfrei

    Im Zentrum des Entwurfs zitieren die Architekten die Berliner Kuppel von Stüler. Oberhalb des Sockelgeschosses rekurriert der Entwurf auf die beiden oberen Geschosse der Schlossplatz-Fassade. Beide Fassaden applizieren im Vollgeschoss Fenster mit Dreiecksgiebeln - die in Berlin hingegen gesprengt sind - und ein Mezzaningeschoss mit ähnlichen Fensterrahmungen. In der höherwertigen Hauptfassade wird dies in den Rücklagen mit einer kollosalen Sälenordnung auf dem Podium kombiniert, welche zwischen den Fensterachsen eingestellt wird. Damit wird Bezug auf Paul Wallots Entwurf für das Reichstagsgebäude von 1882 genommen. Der Mittelrisalit verweist hingegen mit seinem zentralen, von Vollsäulen flankierten Bogen auf Ludwig Bohnstedts Siegerentwurf des Reichstagswettbewerbs 1872. Die Seitenrisalite greifen lose Portal I und II des Schlosses auf. Die Rückfassade nähert sich durch das Fehlen der Wallot'schen Säulen dem Berliner Schloss mehr an.

    Es ist kein Wunder das dieser Entwurf nicht zu Ausführung kam, schließlich wollte man sich schon mit der Standortwahl Leipzigs von Berlin abgrenzen. Die Architektur des Reichsgerichts musste auch die Unabhängigkeit der Justiz zum Ausdruck bringen und sich eben nicht auf ein zentrales Symbol der Monarchie beziehen. Auch finde ich den ausgeführten Bau von Ludwig Hoffmann deutlich besser.

    Mehr dazu: Dorsch, Thomas G.: Der Reichsgerichtsbau in Leipzig, Anspruch und Wirklichkeit einer Staatsarchitektur, Frankfurt a. M. 1999, S. 87 - 89.

    Edit: Hab die Risalite in Brauschweig falsch in Erinnerung gehabt.