Berliner Schloss - architektur- und kunstgeschichtliche Aspekte

  • Was "Bauwelt" oder ein Peter Kulka zu dem Ergebnis sagen, ist mir völlig gleichgültig,
    aus dieser Richtung kommt sowieso immer nur verbissenes Geätze vom Standpunkt modernistischer Ideologie.
    Einfach links liegen lassen.

    In dubio pro reko


    20 Jahre APH

  • Natürlich ist der seitens Bund anvisierte Zeitraum zum Bau des Schlosses zu kurz. Man hat dabei einen eher ehrgeizigen Terminplan für einen modernen Neubau zu Grunde gelegt, scheint mir. Die Schwierigkeit ist, dass sich die Bauzeit nicht einfach beliebig "verkürzen" lässt, denn bestimmte Aufgaben müssen von einer Person bzw. einem kleinen, eingespielten Personenkreis bewältigt werden. Ab einem bestimmten Punkt (der schneller erreicht ist als man denkt), lassen sich Aufgaben nicht einfach auf mehr Leute verteilen, ohne das das Ergebnis leidet und die immer zahlreicher werdenden Schnittstellen zu einem völligen Durcheinander führen. Das fängt beim Architekten an, da muss z.B. einer den Grundriß maßgeblich planen und die ganze Zeit über "betreuen" um sicher zu stellen, dass das anfänglich (unterstelle ich mal) gute Konzept durch spätere Änderungen (die immer kommen) nicht zu stark "verwässert" wird, und endet z.B. bei den Bildhauerarbeiten, die mit Sicherheit nicht von jedem ausgeführt werden können. Wie schon oben gesagt, es muss jeder Stein einzeln angefaßt werden. Man muss auch die Zeit haben, um Muster zu fertigen, zu begutachten, dann zu korrigieren und nochmals zu begutachten. Dinge, die nicht passen (aus welchen Gründen auch immer - so was wird vor kommen), müssen nachgearbeiten oder ausgetauscht werden können. Dazu braucht man einfach viel Zeit, jedenfalls deutlich mehr als bei einem modernen Neubau. Das überraschende in Deutschland ist ja immer, dass man 15 Jahre diskutiert, bis man sicher ist ob und wie (groß, klein, modern, barock.....) gebaut werden soll. Der eigentlichen Planungs- und Bauvorgang soll dann in rund 3 Jahren zu bewältigen sein.....
    Also: besser es dauert ein wenig länger.

  • Es gibt jetzt auch fotorealisitsche Visualisierungen von Stellas Schlüterhof:


    http://www.berliner-schloss.de/picupload/20090119191504.jpg


    http://www.berliner-schloss.de/picupload/20090119191521.jpg


    http://www.berliner-schloss.de/picupload/20090119191536.jpg


    http://www.berliner-schloss.de/picupload/20090119191551.jpg


    Wir können nur hoffen, dass der Förderverein [lexicon='Berliner Schloss'][/lexicon] e.V. endlich aufwacht und sich auch für die Rekonstruktion der Fassaden im Großen Schlosshof einsetzt, was lange Zeit als unrealistisch galt. Aber durch Stellas Entwurf, der dies nun unerwartet vorsieht, hat sich diese Möglichkeit eröffnet. Der Förderverein [lexicon='Berliner Schloss'][/lexicon] e.V. sollte Stella nun endlich bei diesem Vorhaben unterstützen. Ansonsten wird die Rekonstruktion der Fassaden mit Sicherheit aus finanziellen Gründen gestrichen. Man hätte dann eine einmalige Chance vertan. Zumindest sollte man diese Rekonstruktion bei einem überarbeiteten Entwurf vorsehen, auch wenn erst schlichte Fassaden realisiert werden. Auf der offiziellen Seite des Förderverein [lexicon='Berliner Schloss'][/lexicon] e.V. wird jedenfalls die Möglichkeit einer Rekonstruktion der bisher nicht berücksichtigten Fassaden des Großen Schlosshofes nicht erwähnt. Tut man dies vielleicht nur als Spinnerei des Architekten ab? Oder weiss man schon mehr und dieses Vorhaben wird definitiv gestrichen?

  • Ich glaub, das ist inzw. gestrichen. Ich war eh überrascht, dass jemand überhaupt auf die Idee kam. Ich dachte immer, der Hof sollte (teilw.) überbaut werden, damit man auch genug Platz haben würde und so...


    Die Westfassade des Schlüterhofs ist eigentlich recht akzeptabel. Der damalige Querflügel war mit diesem Mischmasch schließlich auch keine Schönheit, besonders der größere Bau. Hoffen wir nur, dass die Materialwahl nicht alles verdirbt.

  • Keine Sorge, das wird sie.


    Gerade auf dem letzten Bild kann man sehen, wie arm die heutige Architektursprache tatsächlich ist.

    Nein, die werden gedünstet


  • Quelle: Berliner Morgenpost, 08.02.2009


    Am meisten sollte uns die Bebauung der Schlossfreiheit beunruhigen. Da kann nichts Gutes dabei rauskommen!!!

  • Quote

    "aber das steht und muss jetzt nicht gleich in Frage gestellt werden."


    Wirklich gelungene Argumentation! :lachentuerkis:


    Bezüglich der Bebauung am Schlossplatz würde ich mir bis auf ein Einheitsdenkmal modernistischer Prägung weniger Sorgen machen. Die Freiheit bleibt ein Platz, schon wegen des zukünftigen Denkmals.

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Quote

    Vor kurzem hatte Ex-Senatsbaudirektor Hans Stimmann seine Vorstellungen dazu schon einmal bekannt gegeben. Er befürwortet die Rekonstruktion des einstigen Quartiers zwischen Marienkirche und Rotem Rathaus, das bedeutet: enge Bebauung mit bürgerlichen Stadthäusern.


    Das sieht Rot-Rot offenbar anders. Auch wenn sich SPD und Linke noch nicht festgelegt haben, halten sie am öffentlichen Raum mit Freiflächen und Parkanlage am Denkmal von Marx und Engels fest. "Das Marx-Engels-Forum entstammt zwar sozialistischer Stadtplanung", sagt SPD-Stadtentwicklungsexperte Daniel Buchholz, "aber das steht und muss jetzt nicht gleich in Frage gestellt werden."


    Kommt Zeit, kommt Marienviertel (und Marx-Engels-Forum weg!) :koenig:

  • Ich habe das hier mal aus Auerbachs Keller hervorgeholt:



    Danke, Berolina.


    Guter Artikel (hatte ich mir aus dem Papierexemplar fotokopiert und wollte ihn eigentlich in Auszügen hier zitieren, weil ich ihn online nicht gefunden hattte, aber so ist's natürlich noch viel besser)! Absolut lesenswert.


    Und das ist immerhin im offiziellen Blatt der Architektenkammer erschienen - also eigentlich in der Höhle des Modernisten- und Rekofeind-Löwen, das ist das sensationelle an diesem Artikel. Ich habe zwar zuvor von Roland Stimpel noch nie etwas gehört, aber der Mann ist vernünftig. :)


    Quote

    Aber hat nicht vor hundert Jahren der große Denkmalpfleger Georg Dehio das Motto ausgerufen: „Konservieren, nicht rekonstruieren“? Hat er, aber auch das war sehr zeitgebunden. Er wollte materiell existierende Denkmäler vor den damals üblichen Versuchen bewahren, sie in einen früheren Zustand – oder was man dafür hielt – zurückzuverwandeln. Massenweise Kriegs- und Nachkriegszerstörungen gab es zu Dehios Zeiten nicht. Und nachdem 1907 der Hamburger Michel abgebrannt war, sprach Dehio den denkwürdigen Satz: „Seien wir von Zeit zu Zeit einmal tolerant.“
    Dehio dachte dokumentarisch: Nur der alte Stein überliefere geschehene Geschichte, der junge im alten Bild nicht. Aber auch das sieht längst anders aus. Die Zentren von Köln, Kiel oder Kassel sind materiell authentisch. Aber sie tun so, als seien diese Städte mit Ausnahme weniger Bauten ungefähr 1950 gegründet. Ältere Zeitschichten? Fehlanzeige.


    Die Berliner Juroren verdienen Hochachtung, weil sie – gerade die überzeugten Modernen – über den Schatten der alten Dogmen gesprungen sind. „Mutlos“ sei die Entscheidung gewesen, heißt es hier und da. Funktionelle Avantgarde oder stilistische Innovation bietet Stellas Entwurf tatsächlich nicht. Aber mutig waren die Preisrichter: Sie haben eingefahrene Denkraster und Vorbehalte überwunden. Und sie haben mutig in Kauf genommen, dass sie hinterher von manchen Kollegen und Kritikern geschmäht wurden.


    Den oberen Absatz habe ich so ähnlich schon mal hier von einem altgedienten Forumsmitglied gelesen... 8)

  • Bevor dieses Thema ganz in Vergessenheit gerät schnell ein Bild:


    Im Sonnenlicht strahlt der Marstall ja ganz schön, nur die Bekrönung auf dem Dach fehlt...und die Ostseite sieht immer noch schrecklich aus.



    mfg

    Auf dass das baukulturelle Gedächtnis der Städte in unser
    aller Interesse und für die Zukunft erhalten bleibt !

  • Danke Flyer, endlich mal wieder was "Neues" in diesem Strang.


    Sieht doch schon ganz ordentlich aus, fehlt nur noch der Rest. Hoffentlich hat man 2015 einen schöneren Blick auf die Dachlandschaften des Schlosses (natürlich ohne technische Aufbauten).

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Schönes Bild. Hat was von "alles ist möglich" – in positiver wie negativer Hinsicht. Die Berliner stehen echt vor spannenden Zeiten.

  • Warum sitzen die ganzen Idioten eigentlich in der Berliner Senatsverwaltung?



    Quelle: Berliner Kurier, 25.03.2009


    Wahnsinn oder? Da fragt man sich doch... :boese::boese::boese::boese:


    05hamburg: Ja das Bild ist von der Südseite des Berliner Domes aufgenommen worden. Man hätte schon viel gewonnen würde man diese Schrecklichen Hochplattenbauten auf der südlichen Fischerinsel abreißen, bzw. die Bauten an der Leipziger Straße. Allein das würde dem Stadtbild sehr helfen...

    Auf dass das baukulturelle Gedächtnis der Städte in unser
    aller Interesse und für die Zukunft erhalten bleibt !

  • Streichungen im Bereich von Stellas Ostseite, die hier "Belvedere" genannt wird, könnten sogar zu Verbesserungen führen. Die Funktion als überdimensioniertes Treppenhaus und Aussichtsgalerie mit nicht gerade attraktivem Ausblick ist wenig überzeugend. Wesentliche Bestandteile des historischen Schlossbaus wie der runde Eckturm an der Südostseite, Teil von Schlüters Schlossfassade, und die Erasmuskapelle werden nicht berücksichtigt.
    Die Kellerreste, vor allem vom Umbau Kaiser Wilhelms II., müssen nicht alle museal präsentiert werden, allerdings sollte man sie auch nicht abreißen!
    Eine Reduzierung der Überbauung des Eosanderhofs würde den ursprünglich weiten Hof wieder besser zur Geltung bringen. Die historischen Fassaden sollten sowieso möglichst mit größerem Zeitrahmen, dafür aber sorgfältig errichtet werden.
    Die Kuppel gibt dem Schloss Aufmerksamkeit in der Berliner Skyline, sie unterstreicht seine wichtige kulturelle, historische Funktion, und sollte schon deshalb nicht fehlen.

  • Quote from "Mathias"

    Die historischen Fassaden sollten sowieso möglichst mit größerem Zeitrahmen, dafür aber sorgfältig errichtet werden.


    Vor einer offen propagierten Verzögerung der Fassadengestaltung würde ich dringend warnen. Der Bau dürfte dann lange Jahre wie der Anbau-Trakt von Chipperfields Neuem Museum aussehen. Bis der Gewöhnungseffekt eintritt. Und nach 20 Jahren, die rasch untätig ins Land gegangen sind, werden Politiker und Denkmalpfleger sagen, daß diese rohe Fassade mit bis dahin vielleicht geringfügigen Ornamentierungen doch eigentlich eine eigene Qualität besäße, ein Zeitdokument sei und eigentlich in dieser Form geschützt werden müsse. Es sei eben das Humboldt-Forum und nicht das Schloß, wird es heißen...
    Gefährliche Diskussion...

  • Was Heimdall befürchtet, erscheint mir auch nicht ganz abwegig. Gibt es nicht die Redensart "Nichts ist dauerhafter als ein Provisorium"?

  • Vermutlich wieder mal so ein "Störmannöver" der Schlossgegner. Erstnehmen sollte man dieses aber trotzdem.
    Solange die historischen Fassaden noch nicht errichtet sind und die wichtigsten baulichen Strukturen geschaffen sind, ist anscheinend alles denkbar (nur nicht die Komplettreko :( ).

    Labor omnia vincit
    (Vergil)