Berliner Schloss - architektur- und kunstgeschichtliche Aspekte

  • Dieses Bild habe ich vor wenigen Wochen erstanden.

    Richard Duschek: Berliner Schloss 1922:

    Richard Duschek (1884 - 1959) galt in Deutschland als einer der der besten Pressezeichner der zwanziger und dreißiger Jahre. Entsprechend sucht das Aquarell, unterstützt von Feder und Bleistift mehr die Realität als die Stimmung, an der es dem Bild durch eine gewisse Orientierung am Impressionismus dennoch keineswegs fehlt. Besonders eindrucksvoll finde ich die Darstellung des Verkehrs zwischen der bewachsenen Mauer zum Kupfergraben und dem Schloss.

    Duschek ist in Neugarten Nordböhmen geboren, nicht weit entfernt von Zittau und hat sich auch als Landschaftsmaler einen Namen gemacht. Er hatte seine Wohnung und sein Atelier in Charlottenburg, wo er unter Verlust einiger seiner bedeutendsten Bilder ausgebombt wurde. Von da an lebte er im württembergischen Besigheim, dem Heimatort seiner Frau.

    Mein Vater war mit ihm befreundet, und so habe ich ihn schon als kleines Kind kennengelernt. Er war sehr humorvoll und meist zu Späßen aufgelegt und kam bei uns Kindern immer gut an. Er war wohl der erste, der mir vom Berliner Schloss erzählt hat.

    Richard Duschek war der einzige Pressezeichner, der am „Tag von Potsdam“ 1933 in der Garnisonkirche zugelassen war. Sein durch grelle Überbetonung der braunen Uniformen und der Hakenkreuze aufschlussreich kritisches Aquarell wurde von keiner Zeitung übernommen. Er hat es uns oft gezeigt und von dem Tag der Nazis erzählt, die er immer gehasst hat. Er war kleingewachsen und hatte so gar nichts Heldisches oder Germanisches an sich. Auch passte seine kritische und berlinerisch-schnoddrige Art überhaupt nicht zu den Nazis.

    Sein weiteres Werk hat vor allem expressionistische Einflüsse. Natürlich kann sich das Bild nicht mit Lovis Corinth oder Liebermann messen. Ich halte es in der Art, wie er das Schloss in die Zeit des Künstlers stellt, dennoch für ein Juwel.

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

    Und verstehe die Freiheit,


    Aufzubrechen, wohin er will.


    Hölderlin

  • Unser wunderbarer kleiner Exkurs in die Kunst kann im Schlossinneren fortgesetzt werden:

    Wirklich brillant und eindrucksvoll (vielleicht mehr als jedes Foto) ist das Gemälde "Das Ballsouper" aus dem Jahr 1878 von Adolph Menzel, ebenfalls aus der Sammlung der Alten Nationalgalerie:

    1280px-Adolph_Menzel_-_Das_Ballsouper_-_Google_Art_Project.jpg

    (Quelle: Wikipedia)

    Auch wenn man sich in diesem Bild in den "echten" Paradekammern wähnt, sind die beiden dargestellten Räume wohl nur ein Phantasieprodukt von Adolph Menzel:

    ... Sogar den Prachtsaal, der sich zu einer vage angedeuteten Bildergalerie hin öffnet, hat es im Berliner Stadtschloß, wo man ihn suchen müßte, so nie gegeben; er ist in neubarockem Geist erfunden. Architektur und Zierat verschmelzen in einem malerischen Ganzen mit den rauschenden Kleidern, dem betriebsamen Drehen, Wenden und Nicken der Gäste, dem vielgestuften Kerzenlicht, das alles mit einem warmen gelblichen Schein färbt.

    Macht aber nichts, das Bild vermittelt trotzdem einen authentischen Eindruck von der früheren Pracht des Schlossinneren und dem Hofleben.

  • Mein Traum wäre ja gewesen, wenn man im Schloss die Gemäldegalerie (die im Niemandsland in schmucklosem Gewand grau in grau vor sich hinwabert), die Neue Nationalgalerie und das Brückemuseum vereinigt hätte, ggf. mit Ergänzungen aus dem Depot der Alten Nationalgalerie (u.a. Gemälde aus der Epoche der Romantik und des deutschen Impressionismus‘ oder auch Ölskizzen, die aus Platzgründen nicht gezeigt werden können)... Ein epochenübergreifender Palast der Kunst, der die Museumsinsel abgerundet hätte und vor dem die Besucher -garantiert- Schlange stehen würden und der das Zeug zum neuen kulturellen Highlight der Stadt hätte. Tja. (Ja, ich weiß, dass dies aus vielerlei Gründen sehr schwer bis gar nicht umzusetzen wäre, aber man wird ja noch träumen dürfen :) )

  • Das Ding ist noch nicht mal richtig fertig, und schon zieht es die Künstler an die es malen? Wahnsinn! Das habe ich , glaube ich, noch nie gesehen in 30 Jahren Berlin, dass jemand ein Gebäude malt.

    Das ist der Beweis, dass der Wiederaufbau die 100 % richtige Entscheidung war! Dieses Gebäude ist nicht nur beliebt, sondern bereits jetzt SEHR beliebt. Ich kann das übrigens bestätigen, noch nie sah ich so viele Menschen mit einem Fotoapparat um ein Bauwerk herumtigern wie hier. Das fiel mir sehr schnell auf, als ich vor paar Monaten selber einer der knipsfreudigen war.

    Diese ganzen Nörgler und Schlechtredner in den Medien, die sich offenbar mehr sozialistischen Plattenbau wünschen, werden nicht gegen die Realität anschreiben können.

    "Die Modernisten sollten sich endlich eingestehen, dass sich die Qualität einer Stadt konventioneller Architektur verdankt" - (H. Kollhoff).

  • Noch einmal das Gemälde Ballsouper von Adolf Menzel 1878:

    Der Glanz und Schimmer dieses Bildes, das den Rahmen eines Hoffestes so wunderbar schildert, liegt über einer tieferen Ebene. Verwunderlich ist schon, dass Menzel nicht den Hofball selbst darstellt, mit der Anmut der Tänzer, dem Glanz der Roben, dem Schwung der Bewegungen.

    Nein, er hat eine Ballpause oder die Zeit gegen Schluss des Festes dargestellt: auch lange Zeit nach dem Kommando „Das Büffet ist eröffnet!“ Die Gesellschaft wird nicht beim Tanz, sondern beim Essen beobachtet.

    Und diese Tätigkeit ist höchst hinderlich und bar jeder Eleganz:

    Die Linke Bildseite: Der zentrale Herr, ein ranghoher Militär, hat ganz protokollwidrig seine Kopfbedeckung zwischen die Knie geklemmt, um die Hände zum Essen frei zu haben. Die beiden Herren rechts neben ihm, einer hochdekoriert, scheinen in verkrampfter Haltung mehr Konzentration auf den Vorgang des Essens und der notwendigen Balance legen zu müssen als sie es auf das Gespräch können. Zwei Herren dahinter scheinen aus dem Bild zu blicken, der eine sehr scharf durch ein Monokel - eine Karikatur wie der Herr neben ihm.

    Die rechte Bildseite beherrscht die Damenwelt in eleganten, schimmernden und prächtigen Seidenroben. Die Eleganz aber wird sehr gestört durch die Teller auf den kostbaren Stoffen, das Nippen an den Gläsern als Balanceakt. Die hier zentrale Dame in hellblauer Garderobe, die sich einer Gruppe links von ihr zuwendet, die anmutigste Gestalt des Bildes, wird von ihrem Begleiter höchst ungalant fast grob am Arm nach rechts gezogen. Die Gesichter der Damen im Vordergrund erscheinen höchst unvorteilhaft verkniffen.

    Und über allem der Glanz des Hoffestes und die impressionistisch erahnte Pracht der Ausstattung des Schlosses. Menzel zeigt den preußischen Königshof nicht nur in dem Glanz, in dem er erscheinen möchte. Er analysiert ihn bis fast hin zur Karikatur. Er holt diese Damen und Herren aus der Wolke des Scheins und zeigt sie als Menschen.

    Dabei nimmt er ihnen bei aller Lächerlichkeit, die sich im Detail entpuppt, nicht die Würde: Er zeigt sie in einer menschlichen Situation des Essens und Trinkens, auch des Flirts und der Eifersucht, wenn man die Damen ganz rechts und ihre Galane genau beobachtet. Menzel, nur 1,40 m groß, hatte Zugang zum Hof und bekam mit dem Schwarzen-Adler-Orden den persönlichen Adel, bezeichnete seine Auszeichnungen aber als Kladderadatsch.

    Sein Ballsouper zeigt uns den preußischen Hof im Glanz seiner Geschichte durch die erfundene und doch so treffsichere Wirkung der Festräume des Schlosses - füllt diese aber mit Menschen, deren Schwächen gegenwärtig gemacht werden, ohne sie zu verletzen. Wir können uns eingliedern in dieses Leben im Schloss.

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

    Und verstehe die Freiheit,


    Aufzubrechen, wohin er will.


    Hölderlin

  • da wir uns ja an den Anblick des nun aufgebauten Berliner Schlosses gewöhnt haben, jetzt hier einige Bilder aus einer schlimmen Zeit.

    Heute kommt es mir vor als wäre es nie weg gewesen !


    1950 Blick auf die Kuppel des Berliner Schlosses, Aquarell von Joe Everding

    ( 1904- 1997 )


    1947 der zerstörte Apothekerflügel und der Neubau der Kaiser Wilhelm Brücke,

    Radierung von Ernst Semmler ( 1888- 1970 )


    1946 das zerstörte Portal V Außenansicht, Radierung von Alfred Linke ( 1891- 1959 )


    1946/1947 der Schlossplatz mit dem Roten Rathaus, farbige Ölkreidezeichnung von Ernst Semmler ( 1888- 1970 )


    alle Bilder im Besitz der Sammlung Stadtmuseum

  • ^ Besonders bemerkenswert finde ich das oberste Bild. Obwohl bereits große Teile der Schlossplatzfassade vernichtet sind, vermittelt der Rest immer noch eine unglaubliche Schönheit und Monumentalität. Eine grandiose Anklage gegen die Lumpen von der SED!

  • Radierungen von Gotthard Müller

    der zerstörte Zwischenbau zwischen ersten und zweiten Schlosshof, Blick auf die Ruine mit dem darin befindlichen Alabastersaal


    Blick auf das zerstörte Innenportal l


    Blick auf das zerstörte Innenportal V


    nachcolorierte Aufnahme des Schlosses, Sprengung des Portals ll , der Neptunbrunnen war ungeschützt, ich sage es Kulturverbrecher :kopfwand:

  • Wenn man diese Ruinenbilder des Schlosses so sieht frage ich mich eigentlich warum die DDR-Regierung sie nicht besser als Ruine hätte stehen lassen. Was könnte besser den Untergang einer anderen Zeit zeigen als deren Ruinen?

    (Beispiel Rom, Kirchenreste in Ostpreußen usw.)

    Natürlich auch ein nachträgliches Wunschdenken von mir, denn eine Rekonstruktion aus der Ruine heraus wäre natürlich was tolles.

    Gibt es eigentlich eine Übersicht welche Räume zu wieviel Prozent% zerstört waren? Bzw. welche gab es noch komplett intakt? Ich weiß nur vom Weißen Saal und vermutlich einiges im Erdgeschoss?

  • Wenn das Schloss nicht gesprengt worden wäre, würden wir heute wahrscheinlich immer noch das Provisorium wie auf Eisener Pirats erstem Bild vorfinden.