Berliner Schloss - architektur- und kunstgeschichtliche Aspekte

  • Ich habe mich schon mehrfach gefragt, inwiefern Dombaumeister Willy Weyres sich beim Entwurf für den neuen Vierungsturm des Kölner Doms in den 1960ern von Stülers Laterne hat inspirieren lassen. Ich kenne sonst keine Turmarchitektur, in der Engel auf diese Art mit ihren Flügeln eine Art 'Arkade' bilden wie in Köln und Berlin, wenngleich die Flügel unterschiedlich sind und die Engel in Köln keine tragende Funktion haben, sondern vor dem Dach schweben. Die gemeinsame ikonographische Wurzel ist natürlich das himmlische Jerusalem. Doch kannte Weyres die Stüler-Laterne überhaupt?

    Den Kölner Dachreiter finde ich übrigens per se nicht schlecht, zumindest aus der Distanz wirkt er sehr elegant und grazil. Aus der Nähe sind die Engel dagegen recht grob gearbeitet. Außerdem bildet der neue Dachreiter am Dom m. E. einen Fremdkörper (der Chefarchitekt von Notre-Dame de Paris bezeichnete ihn sogar als eine "Warze an einem alten Gebäude"*). Umso eleganter und nobler wirkt auf mich Stülers Laterne, zumal sie sich trotz ihrer spätklassizistischen Formensprache hervorragend in die barocke Schlossarchitektur integriert.

    *https://www.domradio.de/video/koelner-…-alten-gebaeude


    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Weil gerade die Frauenkirche angesprochen wurde: Interessant, wie unterschiedlich die Größenverhältnisse von Kuppelschale und Laterne im Barock und im Spätklassizismus waren, wobei - und nun setze ich mich natürlich zwischen alle Stühle - ich mir erstere etwas größer und letztere etwas kleiner gewünscht hätte.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Wobei man in diesem direkten Vergleich auch annehmen könnte die Frauenkirchenkuppel sei um einen imaginären inneren Turm herum gebaut. Als Laterne wirkt sie viel zu groß. Ist ja auch nicht Bährs Originalentwurf.

    Oder wie hast Du das gemeint mit größer und kleiner?

    Die Schloßkuppellaterne kommt mir größer als auf den historischen Aufnahmen vor. Vielleicht liegt es an der Farbgebung, das dominante Schwarz, den Kontrasten, dem Gold ...?

  • Ist denn gemeint, daß die Laterne auf der Schloßkuppel zu breit und zu niedrig sei, die Laterne auf der Frauenkirche dagegen zierlicher hätte ausfallen müssen?

    So würde ich das jedenfalls sehen.

    Und die Kuppel des Schlosses ist wichtig für das Stadtbild, aber nicht so sehr für das Gebäude selbst.

  • Ich muss gestehen, dass ich als Barockliebhaber vor allem auf die Kuppelproportionen des 17. und 18. Jh. geeicht bin. Und ein Barockbaumeister hätte die Laterne der Schlosskuppel sehr wahrscheinlich größer gemacht. Die Klassizisten bevorzugten hingegen eher kleine Laternen, wie man auch an Schinkels Nikolaikirche in Potsdam sehen kann.

    Hinzu kommt, dass bei den barocken Kuppeln der Tambour nicht breiter ist als die Kuppelschale. Die Berliner Laterne passt zur Schale, weniger zum Tambour, jedenfalls solange dieser noch ohne Prophetenfiguren ist. Ich habe mal versucht, das auf einigen Folien darzustellen.



    außen: SS. Nome di S. Maria, Rom; innen: S. Carlo al Corso, Rom.

    Bei einigen Barockkirchen ist das Verhältnis von Laterne und Kuppelschale ähnlich wie beim Berliner Schloss, bei anderen sind die Laternen größer.

    Deutlich zu klein wirkt die Berliner Laterne im Vergleich zu den barocken Kuppeln, wenn man sie in Relation zum Tambour setzt.


    außen: S. Maria della Consolazione, Venedig, innen: Theatinerkirche München

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Habe gemeint Information zum Schloss! Habe mich vielleicht schlecht ausgedrueckt. Sorry.

    Ich beziehe Information dazu zuerst aus Forum und Stadtschloss Verein. Die Zeitungen sind leider hier hinter her mit aktuellen Stand.

  • Jeder wie er vermeint.

    Seinsheim

    Ich glaube, dass die Kuppel-Figuren eine ganz entscheidende Rolle spielen. Letztlich sind sie die Rechtfertigung für diese breite Balustrade. Bei der klassizistischen Einfachheit sind solch scheinbare Details immanent wichtig fürs Gelingen des Ganzen.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Mozart Vollkommen richtig: an das Nächstliegende denkt man manchmal viel zu wenig!

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • "Das Koenigliche Schloss von der Seite der Schlossfreiheit zu Berlin" Kupferstich ca. 1795

    Quelle: zvab

    Ehrlich gesagt, fehlt mir da schon was... Auch wenn das Eosanderportal einem römischen Triumphbogen nachempfunden ist, führt allein die große Kartusche optisch nach oben. Eine Art Quadriga hätte es auch getan, aber die Kuppel wertet natürlich nicht nur das Portal sondern die ganze Fassade auf. Und meiner Meinung nach nicht nur die westseitige.

    Da frage ich mich, hatten die antiken Triumphbögen denn tatsächlich einmal Figurengruppen ganz oben drauf oder sind das hier barocke Spielereien von Fischer von Erlach? Da sind sogar Elefanten drauf...

    Quelle: Uni Heidelberg (public domain)

    Übrigens sieht man auf dem oberen Stich wieder den ominösen Lattenzaun, der zusammen mit Wachhäuschen vermutlich die dort an der Ecke im Kellergeschoss befindliche Schatzkammer abschirmen soll. Und ein paar Bäumchen stehen auch im unauffälligen "Vorgarten", viel zu dicht und schon ganz schön hoch an der Fassade. :lachentuerkis:

  • Auf dem Titelblatt vom Buch "Entwurf einer klassischen Architektur" von Fischer von Erlach steht, dass er die Abbildungen nach Geschichtsbüchern, Gedächtnismünzen, Ruinen und wahrhaften Abrissen gestaltet hat. Also doch Elefanten! Wie auf der mit abgebildeten Münze.

    Ohne die barocke Kartusche hätte also durchaus eine Art Quadriga oben drauf stehen können. Oder etwas wie der monströse Doppeladler am Kriegsministerium in Wien. Außer dass man wegen der Bebauung der Schlossfreiheit nie einen angemessenen Blick darauf gehabt hätte... Standen die auch schon zur Zeit der Errichtung des Eosanderportals da? War auch damals schon geplant, dort irgendwann Platz zu schaffen? Oder warum wurde das prächtigste Portal ausgerechnet dort errichtet?

  • Endlich mal in der FAZ ein positiver, ausgezeichneter und sehr sachlicher Artikel über das Kreuz auf der Schlosskuppel und das Schriftband. Von Peter Stephan, der auch im Forum hier schon oft zitiert worden ist: sehr lesenswert:

    https://zeitung.faz.net/faz/feuilleton…fc29fab?GEPC=s5

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

    Und verstehe die Freiheit,


    Aufzubrechen, wohin er will.


    Hölderlin

  • Ich finde der jetzige Aufbau der Kuppel mit der Laterne passt hervorragend proportional zusammen, die nur um Höhe zu gewinnende Kuppel vom Entwurf Eosanders passt einfach nicht, um es mal drastisch auszudrücken die Laterne " erschlägt " mit ihrer Höhe die Kuppel.

  • Um noch mal den weit verbreiteten Irrtum entgegenzuwirken das die Kuppel irgendwann mal "Grünspan" ansetzt:

    Links befindet sich die Kuppelübliche Patina (Kupferhydrogencarbonat) Rechts Grünspan (Kupfer(II)acetat). Auch wenn es auf dem Foto mehr ins blaue geht, obwohl das grüne eher dominiert, ist hier schon ein doch recht deutlicher Farbsättigungsunterschied zu sehen.