Berliner Schloss - architektur- und kunstgeschichtliche Aspekte

  • Die Schlosskapelle in der Kuppel wird aus einem ganz einfachen Grund nicht wiederherzustellen sein: Das rekonstruierte Schloss ist kein Denkmal, sondern baurechtlich gesehen ein Neubau. Würde man den Kuppelraum nutzen, wäre es ein Hochhaus, für das andere Regeln gälten als für den Bau in seiner jetzigen Ausführung. Da im Nachhinein etwas zu ändern, ist so gut wie ausgeschlossen.

    Leider ist die Bürokratie auch in diesem Fall ein Feind des Schönen.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Figuren Innenportal III im Großen Schlosshof , genannt Eosanderhof

    v.l.n.r. Glaube , Liebe (Caritas), Hoffnung , Gebet

    Als Ergänzung zum Beitrag von classica möchte ich noch die Bildhauer und die Zeitstellung nennen.

    Die Figuren wurden 1886 vom Bildhauer Karl Schuler angefertigt, da er der noch im selben Jahr verstarb, vollendeten seine Gehilfen Paul Reuter und Rudolf Pohle die Skulpturen.

  • Nachmieter nach 1918 war unter anderem das Ehepaar Schönfelder, Otto Schönfelder war der ehemalige Hofschlosspolierer. Das Ehepaar bewohnte eine Laube auf dem Dach des Zwischenbaus zwischen großen und kleinen Schlosshof. Die Aufnahmen entstanden 1932.

    Skatrunde auf dem Dach, Frau Schönfelder steht rechts und blickt über die Brüstung


    Spaziergang auf dem Dach, das Ehepaar Schönfelder

    Ruhepause vor der Laube

  • Figuren Außenseite Portal III (Schlossfreiheit)

    Kaiser Wilhelm I. ließ ebenfalls im Jahr 1886 auch die Figuren für die Schaufassade des Eosanderportals (Portal III) zur Schlossfreiheit mit Statuen versehen. Dabei handelt es sich von links nach rechts um:

    die Stärke,

    die Mäßigung,

    die Gerechtigkeit und

    die Weisheit.

    Angefertigt wurden sämtliche Statuen von Wilhelm Stürmer (laut Geyer, aber Stürmer starb 1885).

    Die beiden Figuren oberhalb der Attika, die sich links und rechts des Kuppeltambours befinden sind:

    Moses, von Ferdinand August Fischer und

    Elias, von Albert Wolff.

    Diese wurden schon unter König Friedrich Wilhelm IV. im Zuge des Baus der Schlosskuppel und der acht Prophetenskulpturen geschaffen.

  • Man sollte nie vergessen, dass es bei dem großen Projekt nicht um die Wiederherstellung des königlichen Residenzschlosses geht wie in Dresden oder München, sondern der Auftraggeber Stiftung Humboldtforum im Berliner Schloss einen Neubau errichten lässt. Im dazu ausgelobten Wettbewerb hieß bezüglich des historischen Vorbilds lediglich:

    Zitat

    ...Der Neubau soll sich an der Stereometrie des ehemaligen Schlosses orientieren. Die Wiedererrichtung der barocken Fassaden des ehemaligen Schlosses ist an je drei Seiten außen und im Schlüterhof vorzusehen...

    Mehr nicht.

    Dass es überhaupt soweit gekommen ist, ist der unermüdlichen Arbeit des Fördervereins Berliner Schloss e.V. zu verdanken, der damals noch unter anderem Namen für die Errichtung der Schloss-Simulation verantwortlich war, dem Kampf gewisser Leute im Stiftungsrat für das Anliegen sowie den Tausenden Menschen, die mit ihrer Spende ihrem Willen Ausdruck verliehen haben und das weiter tun. Denn das war die Bedingung, dass überhaupt gebaut wurde, nämlich dass alle über einen modernen Neubau hinausgehenden Kosten (die barocke Fassade!) über Spenden finanziert werden müssen.

    Inzwischen gibt es sogar darüber hinaus das Eckrondell, die Kuppel, die Balustradenfiguren folgen und wer weiß was noch. Da das Humboldtforum ein Museum/kulturelles Zentrum im Werden ist und bei der Planung auch die eventuelle spätere Rekonstruktion einzelner Räume des ehemaligen Schlosses berücksichtigt wurde, denke ich, dass in den kommenden Jahren auch nach der Eröffnung noch so einiges möglich sein wird, nur eben nicht alles - das Projekt heißt Humboldtforum, nicht die Preußische Residenz.

    Ich finde, wir sollten wirklich mal dankbar sein für das was dort entsteht! :wink:

  • Ergänzung zu den Figuren Portal III (Eosanderportal)

    Für die Rekonstruktion der Figuren "Mäßigung", "Gerechtigkeit" und "Weisheit" (2,3,4 v.l.) sammelt der Freundeskreis München im Förderverein Berliner Schloss e.V. seit 2013 auf seinem Unterkonto Spenden. Zwei der drei Figuren waren genau vor einem Jahr schon bezahlt, für die Dritte fehlten damals noch 95.000 Euro. (Quelle). Vielleicht ist auch dieses Ziel inzwischen erreicht.

    Diese Aufnahme von 1950 lässt nicht erwarten, dass die Figur der "Stärke" (links) als Einzige gerettet wurde.

    Quelle: Wikimedia

    Und selbst wenn, würde ja eine Kopie aufgestellt werden. Ob sie schon finanziert ist? Oder sie taucht im nächsten Spendenkatalog auf.

  • Figuren Portal IV

    Der Vollständigkeit halber:

    Quelle: bildindex.de

    Die Benennung der Personifikation hat classica schon richtig ausgeführt.

    Die Skulpturen wurden unter Kaiser Wilhelm I. in Auftrag gegeben (wohl zwischen 1861 und 1864). Nochmal die Figuren mit den zugehörigen Bildhauern von links nach rechts:

    der Handel, von Ferdinand August Fischer,

    die Kunst, ebenfalls von Fischer,

    die Industrie, von Ludwig Wilhelm Stürmer und

    die Schifffahrt, ebenfalls von Stürmer.

    Darüber hinaus ließ Wilhelm I. für die Ecken der Vorlage der Lustgartenfassade noch zwei weitere Figuren anfertigen.

    Die linke Figur auf der Ecke stellt, erkennbar am Spiegel, die Wahrheit dar. Sie wurde von Carl Heinrich Möller gefertigt.

    Die rechte Figur auf der Ecke zwischen Lustgartenflügel und Schlossfreiheit ist die Treue und wurde von Friedrich Anton Hermann Schievelbein gehauen.

    Eine dritte Skulptur für die Ecke, wo Schlossfreiheit und Schlossplatz aufeinandertreffen, sollte die Frömmigkeit darstellen (ebenfalls von Schievelbein gefertigt). Sie wurde zwar ausgeführt, kam aber nicht zur Aufstellung und wurde ins Depot verbracht.

  • Figuren Portal V

    Diese wurden ebenfalls unter der Regierung von Wilhelm I. in Auftrag gegeben und wohl zwischen 1861 und 1864 angefertigt. Interessanterweise weisen die vier Skulpturen Porträtzüge des Auftraggebers und seiner Familie auf.

    Vorab aber erst einmal ein Bild.

    Von links nach rechts waren es:

    die Hochherzigkeit (mit dem Kopf von Wilhelm I.), von F. A. H. Schievelbein,

    die Gnade (mit dem Kopf von Kaiserin Augusta), von Hermann Rudolf Heidel,

    die Freigebigkeit (mit dem Kopf von Kronprinzessin Victoria), von H. R. Heidel und

    die Tapferkeit (mit dem Kopf von Kronprinz Friedrich), von F. A. H. Schievelbein.

  • Ich finde es höchst verdienstvoll, wie hier die verschiedenen Identitäten der Personifikationen, die Künstlernamen und die Entstehungszeiten zusammengetragen werden und selbstverständlich wünsche ich mir auch eine vollständige Rekonstruktion der Figuren. Aber ich habe mir gerade einmal auf dem Photo von Portal IV Permosers Atlantenhermen des Herbstes und des Winters mit den Balustradenfiguren verglichen. Und da ist mir doch aufgefallen, wie sehr die Bildhauerkunst in nur anderthalb Jahrhunderten nachgelassen hat. Zum Teil sind die Skulpturen recht grob. Deutlich besser sind die Arbeiten von Schievelbein auf Portal V.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Aber ich habe mir gerade einmal auf dem Photo von Portal IV Permosers Atlantenhermen des Herbstes und des Winters mit den Balustradenfiguren verglichen. Und da ist mir doch aufgefallen, wie sehr die Bildhauerkunst in nur anderthalb Jahrhunderten nachgelassen hat. Zum Teil sind die Skulpturen recht grob.

    Balustradenfiguren sind ja auch nur zur Betrachtung aus der Ferne geschaffen und geeignet. So ist ihr Detailgrad verständlicherweise geringer, als der von Portal-Skulpturen, die der Betrachter aus näherer Distanz zu Gesicht bekommt.

    Zu dem zweiten Punkt: Die Bildhauerkunst hat eben nach dem Barock im Laufe der Zeit viel Wandel durchlebt: Es folgte der Klassizismus als bändigende Gegenströmung zum überbordenden Barock. Und nach dem Klassizismus wurde vielerorts Klassizismus mit dem Barock vereint. So entstanden sehr gemäßigte Bildhauerwerke, die weder zu lebhaft und dynamisch (Barock), noch klar strukturiert und geradlinig (klassizistisch) erschienen. Es war eine Mixtur, die sich im Historismus, sogar schon ab 1850, weit verbreitete (auch besonders in der Malerei, wo noch die Romantik hinzugemischt wurde).

    Die Balustradenfiguren sind also im Kontext ihrer Zeit zu betrachten und sind kulturhistorisch zweifellos nicht unbedeutsam.

  • Das ist alles schön und gut. Aber um die Feinheit der Ausarbeitung geht es mir gar nicht, sondern um die Ausdrucksstärke. Auch barocke Bozetti, die oft nur aus flüchtigen Pinselstrichen bestehen, können ausdrucksstark sein, und zwar viel mehr als die großformatigen ausgeführten Werke. Bestes Beispiel die Grablegung Christi von Rubens in Berlin.

    Der Barock hat es auf geniale Weise verstanden, Figuren, die auf Fernsichtigkeit berechnet waren, zu vergröbern und sie doch bewegt, beschwingt und ausdrucksstark zu gestalten. Man denke nur an die Balustradenfiguren auf Berninis Kolonnaden des Petersplatzes. Über 100 Figuren, 'Massenproduktion', und doch ist jede Figur stimmig.

    Schon die durch Valadier aufgestellten Figuren auf der Attika der Petersbasilika fallen qualitativ ab. Der Klassizismus kannte in dem Sinne keine auf Fernsicht berechnete Bauplastik, keine auf Fernsicht angelegte Architektur und auch keine bozettoähnliche Malerei, da er jedes Objekt als im Detail fein ausgearbeitetes Einzelwerk gewürdigt wissen wollte. Eine solch klassizistische Grundhaltung verträgt sich aber nicht mit barocken Fassaden. Es ist eine andere Kunstauffassung. Und die Balustradenfiguren über den Berliner Schlossportlaen sind zwar wegen ihrer Fernsichtigkeit vergröbert, aber eben auf eine steife und etwas plumpe Weise. Die zweite Figur von links auf Portal I beispielsweise (Frauenfigur mit Schleier) hat zwar eine C-Kurvatur, doch wirkt das eher wie eine gymnastische Dehnübung.

    Im Übrigen hat man dasselbe Problem auch im Schlüterhof. Zumindest eine Figur, die um 1880 an die Stelle einer brüchig gewordenen Barockfigur getreten war, wurde m. W. nicht rekonstruiert. Stattdessen hat man nach sehr alten Fotos die Orginalfigur nachempfunden. classica oder VanWuerzburg werden dazu möglicherweise Bildmaterial haben.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Im Übrigen hat man dasselbe Problem auch im Schlüterhof. Zumindest eine Figur, die um 1880 an die Stelle einer brüchig gewordenen Barockfigur getreten war, wurde m. W. nicht rekonstruiert. Stattdessen hat man nach sehr alten Fotos die Orginalfigur nachempfunden. classica oder VanWuerzburg werden dazu möglicherweise Bildmaterial haben.

    Da gabs mal eine kleine Darstellung der Viktoria im Berliner Extrablatt: https://issuu.com/berliner-schlo…816022/30409930

    (S. 21)

    In diesem Falle gibt es tatsächlich noch ein älteres Bild mit der alten Figur, die man in wilhelminischer Zeit mit einer etwas mediokren Figur ausgetauscht hat.

    Bei den anderen Figuren der Balustrade kann es natürlich keine Fotos mehr geben, wenn sie bereits 1817 ausgetauscht wurden. Oder lagern diese womöglich noch in Depots? Oder sind noch Zeichnungen/Bozzetti vorhanden? Bestimmt hat man da schon mal nachgeforscht... Vielleicht wandelt man die manchmal etwas plump wirkenden Figuren der späteren Jahre auch eigenständig in eine barocke Variante um? Den hochqualifizierten Bildhauern wäre solch eine Aufgabe sicherlich zuzutrauen...

  • Lieber Seinsheim,

    was du beschreibst, kann ich gut nachempfinden. Mit meinen Worten ausgedrückt: Figuren des Barock strahlen Leben und dadurch eine gewisse Leichtigkeit aus, Bewegung nicht allein des Körpers, sondern auch meist auch des Gewandes, das im Rokoko dann oft wild im Winde flattert. Hier ist dann alles im Schwung. Bewegung ist Leben und Leben ist Bewegung. Ab dem Klassizismus, bis tief in den Spätlassizismus hinein, ist den Figuren leider der Schwung und das Leben aber abhanden geommen. Die Statuen wirken auf mich so, als stünden sie seltsam stocksteif und starr da. und erinnern mich dann mehr an klassizistische Säulen.

  • @ Van Wuerzburg, vielen Dank nochmal für die tollen Beschreibungen der einzelnen Balustradenfiguren!

    Die spannende Frage wird nun sein, welche Epoche der Figuren wohl rekonstruiert werden soll. Zunächst möchte man meinen, der letzte Zustand vor dem Krieg...

    Aber ich kann mich erinnern, dass beim Innenportal V eine der Figuren nicht dem letzten Zustand sondern dem Vorzustand entsprechen wird.

    Auch bin ich gespannt, ob man am Außenportal V wirklich die Figuren mit Zügen der kaiserlichen Familie rekonstruieren wird.

    Das wird also vermutlich noch eine spannende Diskussion, wer oder was da künftig von den Schlossbalustraden auf uns herabschauen soll.

    Da werden am Ende vor allem diejenigen mitreden wollen, die das Schloss eigentlich gar nicht wollen und schon garn nichts dafür spenden (ich sag nur "Kuppelkreuz").

  • Das passt zum Thema

    Figuren Portal V im Schlüterhof Nord

    Quelle und Datum - such ich noch... =)

    Hier sieht man sehr gut, wie sehr sich die erneuerte Victoria mit den barocken Figuren beißt, allein was Größe und Kleidung anbelangt, von der Eleganz ganz zu schweigen. Ich frage mich, ob die das damals nicht selbst gesehen haben oder ob so nach und nach ohnehin auch die anderen Figuren ersetzt werden sollten.

    Bei der jetzigen Rekonstruktion wird glücklicherweise auf den Urzustand zurückgegangen. Eine kleine Dokumentation dieser Recherche findet sich hier im Blog vom Förderverein Berliner Schloss, wo es auch um die Figur Pax vom Schlüterportal III geht.

  • Man kommt ja gar nicht so schnell hinterher, wie sich dieser Strang erfreulich mit lebhaften Diskussionen und Betrachtungen füllt... cclap:)

    Eine großartige Bilddokumentation der Rekonstruktion der Figuren "Viktoria" und "Justitia" (2. und 3. v.l.) am Hofportal V auf der Seite der Bildhauerwerkstatt Steinrestaurierung Hoferick, Berlin. Die Figuren werden wohl vorgefräst und dann in der Schlossbauhütte fertiggestellt.