Berliner Schloss - architektur- und kunstgeschichtliche Aspekte

  • Durch Zufall habe ich die Seite des Fördervereins Berliner Historischer Mitte entdeckt. Und da sind wunderschöne Bilder so ziemlich aller bedeutenden Räumlichkeiten des Schlosses enthalten mit viel Hintergrundwissen. Man, was steckte da für Potiential in den alten Mauern! Leider werden wohl, wenn überhaupt, die allerwenigsten wiederhergestellt werden (können), sei es finanziell, ökonomisch oder sonstwie geartet.

    In der Architektur muß sich ausdrücken, was eine Stadt zu sagen hat.
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten

  • Nun wartet doch erst einmal die Fertigstellung des Ostflügels ab, vielleicht ist er ja weniger scheußlich als in der bisherigen Visualisierng - nur bei einem bin ich mir sicher - so grauenvoll wie die Palastfassade wird er nicht.


    So grauenvoll war die Fassade ja auch wieder nicht. Sie war halt modern und ein Produkt der 70iger Jahremoderne. Nun ist sie weg und wir bekommen eine neue moderne Schloßfassade a'la Stella :kotz:

    In der Architektur muß sich ausdrücken, was eine Stadt zu sagen hat.
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten

  • Danke f. d. tollen Bilder. Das Schloss im Regen - auch hübsch.

    Mal ne Bemerkung zu dem Dachaufbau: kann es sein, dass der von den Linden bzw. der Schlossbrücke aus, wenn die Balustrade da sein wird, vielleicht doch noch gerade nicht zu sehen sein wird?

  • Mal ne Bemerkung zu dem Dachaufbau: kann es sein, dass der von den Linden bzw. der Schlossbrücke aus, wenn die Balustrade da sein wird, vielleicht doch noch gerade nicht zu sehen sein wird?


    Nein, das kann leider nicht sein, auch wenn man es sich wünschen würde. Ich zeige als Beweis hier noch ein paar meiner Fotos vom 9.7., die ich in meinen obigen Serien noch nicht gezeigt hatte. Die Balustrade beginnt an der Traufe und endet in der direkten Fassadendraufsicht knapp unter dem First - etwa in der Höhe des momentan noch flacheren Daches rund um den Eosanderhof/Agora. Wenn man direkt vor dem Schloss steht, wird man die Aufbauten nicht sehen. Je weiter man sich aber entfernt, desto flacher wird der Winkel und desto weniger wird die Balustrade die Aufbauten verdecken. Ich denke, dass man ab etwa Westende der Schlossbrücke, spätestens aber auf Höhe der Kommandantur stehend, die Aufbauten deutlich sehen wird. Von weiter weg sowieso:


    Fotos 1-3: Der Aufbau ist aus Höhe Humboldt-Uni deutlich zu sehen und wird sich auch nicht verbergen lassen! Auf dem 3. Foto sieht man, dass vor den Nikolai-Türmen eine Konstruktion aus Traversen gebaut wird. Weiß jemand, wozu die sein soll? Die liefert schon einmal einen guten Eindruck von dem, was uns erwartet, wenn das Dachcafé tatsächlich realisiert werden sollte. Es wird in etwa die Höhe haben! :sad:



    Fotos 4+5: Dichter dran, also von der Westseite der Schlossbrücke und vom dem Schloss gegenüberliegenden Ufer wird man immerhin kaum etwas vom Aufbau sehen. Als ich die Fotos machte, lag im Kupfergraben vor dem Schloss gerade eine Schute mit dem irgendwie nicht so ganz passenden Namen "Elbe" und einem Bagger. Keine Ahnung, wonach die da gefischt haben. Evtl. nach Baumüll, der ins Wasser gelangt ist?


    Fotos 6+7: Ansicht von der Westseite des Kupfergrabens: Auch von hier wird der Aufbau sicher sichtbar bleiben, ebenso vom Lustgarten/Neuen Museum, von wo er momentan durch die Humboldt-Box verdeckt wird.

    In selbiger habe ich übrigens mit einem Mitarbeiter über den unsäglichen Dachaufbau gesprochen. Er sagte mir, dass sie, also der Förderverein ebenso von den Aufbauten überrascht wurden wie die breite Öffentlichkeit. Das deckt sich ja mit unseren Beobachtungen hier: Im stillen Kämmerlein planen, erstmal in den Visualisierungen weglassen und wenn es sich nicht mehr verheimlichen lässt, plötzlich doch einzeichnen. :wuetenspringen:



    Foto 8: Zum Abschluss noch ein interessantes Bild, dass ich gerade gefunden und noch nicht gezeigt habe: Man sieht hier am Vorsprung an der Nordseite gut die Verzahnung zwischen Sandsteinblöcken und Ziegelmauerwerk.


    Fotos von mir vom 9.7.2015

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Hallo Frank (wir hatten ja auch schon mal wegen Lübeck per PM gechattet)

    vielen Dank für die vielen und v. a. aufschlussreichen Fotos.
    Mich macht dieses unsägliche "Dach-Dingens" auch mächtig traurig.
    Schade, dass man sich nun den wertvollen Bau durch so was gleich wieder verhunzt.

    Wenn dich das ein wenig trösten sollte:
    Die traumhaft schönen und vor jetzt genau 30 Jaghren mit enormem Aufwand rekonstruierten Innenräume der Dresdner Semperoper sind schon seit Jahren vollgeknallt (Tendenz zunehmend) mit kritze-kratze-grellgrünen Notausgangsleuchten und scheußlichsten Fress- und Sauftheken, für die man sogar die schönen und einst liebevoll rekonstruierten Semperschen Sofas beseitigte.

    "Money makes the world go round". Das haben einige kapiert, dass man mit der rekonstruierten Schöheit Geld verdienen kann und können nun den Mund nicht voll genug bekommen. Und die Denkmalpflege schweigt natürlich - "Ist ja alles reversivel"

    Nun ja, das ist unsere schreckliche Zeit......


  • frank1204:
    Das Schiff hat die Steinsäcke/Sandsäcke aus dem Wasserlauf wieder aufgenommen, welche dort zahlreich versenkt worden waren, um die Druckwellen der Tunnelbohrmaschine "Bärlinde" zu kontern. Der Tunnel ist mittlerweile unter dem Spreekanal durch.

    @Octavian:
    Keine Chance, die Dachaufbauten zu verbergen. Franks Bilder zeigen das deutlich; bereits der Wechsel der Straßenseite auf der Schlossbrücke ist hinsichtlich der Ansicht ein großer Unterschied.

    Atticus:
    Ist doch nur eine perspektivisch andere und hinsichtlich des Kapellenturms geänderte Darstellung des bekannten Schlüter'schen Planentwurfs, der hinsichtlich der Ostseite so nicht umgesetzt wurde.
    Die Montage stammt m. E. aber nicht von Schlüter selbst; sie war beim Richtfest im Humboldtforum ausgehängt.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Die Notausgangzeichen und transportablen Theken finde ich jetzt nicht schlimm - alles reversibel und ersteres auch sinnvoll.

    Wofür soll denn der Dachaufbau dienen? Ist das Haustechnik (Entlüftung)? Das müsste doch schon im B-Plan erkennbar sein. Und da kann ich nichts erkennen.

  • Sag´ niemals nie(mand). Ich fände die Idee reizvoll.


    Na vieleicht bin ich ja auch der Walter U. der Schlossbauer und Du bist gar nicht so alleine mit Deinem Wunsch.

    Nein eher nicht. Den Plan Raschdorffs empfinde ich nicht als reizvoll. Das dieser noch verwirklicht wird halte ich unabhängig davon auch als sehr unwahrscheinlich nachdem er schon zu seiner Zeit und auch jetzt beim Wiederaufbau des Schlosses keine Grundlage des Bauens war.

  • @Oktavian: Freut mich, dass die Fotos hilfreich sind.

    Ich denke, man muss schon unterscheiden zwischen notwendigen "Übeln" und sorglos dahingeplanten Verschandelungen. Die Notausgangsschilder sind gesetzlich vorgeschrieben und sicher auch sinnvoll, um größere Publikumsmengen in einem Brandfall schneller hinauszuleiten und dadurch Leben zu retten. Das ist natürlich in so einem Gebäude optisch unschön, aber leider nicht vermeidbar.

    Bei modernen Zutaten, die aber rein kommerziellen Zwecken dienen wie die von Dir dargestellten "Sauftheken" oder eben beim [lexicon='Berliner Schloss'][/lexicon] die Dachaufbauten zur Erschließung eines eventuell kommenden Dachcafés sowie dieses dann selbst sollte man doch genau prüfen, ob diese unbedingt notwendig sind und überlegen, ob man es nicht sensibler planen kann. Das Dachcafé halte ich - zumindest in dieser Form für nicht notwendig, da es in dem Gebäude schon diverse weitere gastronomische Angebote gibt. Die Idee, das Dach als Aussichtsplattform zu nutzen, ist ja in Ordnung. Aber muss man dabei unbedingt Kaffee und Kuchen haben? Man hätte die Erschließung des Daches bis ein Stockwerk unter das Dach führen und dann einen Zugang per Treppe und behindertengerechter Rampe schaffen können. Das wäre von außen nicht sichtbar gewesen. Und wenn es schon unbedingt ein Dachcafé geben muss, weil irgendein geldgieriger Fatzke Dollarzeichen in den Augen hat, hätte man es doch wenigstens in den nun ungenutzten Raum unterhalb der Kuppel einbauen können.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Ist doch nur eine perspektivisch andere und hinsichtlich des Kapellenturms geänderte Darstellung des bekannten Schlüter'schen Planentwurfs, der hinsichtlich der Ostseite so nicht umgesetzt wurde.


    Danke. Einordnen konnte ich's schon. Hatte es nur noch nie so gesehen.

    Die Montage stammt m. E. aber nicht von Schlüter selbst; sie war beim Richtfest im Humboldtforum ausgehängt.


    Da auf ein Foto gesetzt, würde ich diese Vermutung uneingeschränkt unterstützen.


  • Da auf ein Foto gesetzt, würde ich diese Vermutung uneingeschränkt unterstützen.

    Es handelt sich um dieses rechte Foto:
    http://www.barockgemaelde.de/Zeitgeschichte.html

    man sieht sehr gut die wegretuschierte Kuppel links von Portal eins. Auch der Eosanderflügel wurde wegretuschiert.
    Wahrscheinlich hat das jemand vom Förderverein gemacht. Ist ja nicht sonderlich schwer..

  • Noch ein Nachtrag zur Nachwirkung der Raschdorff-Pläne: Hans Albers hatte 2008 diese Pläne für das Humboldtforum abgeliefert. Sieht irgendwie nach Vorbild Raschdorff bzw. Münzturmplanung Schlüters aus. Das nur mal so erwähnt für Heimdalls Fantasien..., die dann doch nicht sooo unrealistisch erscheinen! :wink:


    http://www.berndalbers.com/

  • Das sind aber doch eher allgemein die Nachwirkungen der Münzturmpläne, als derjenigen Raschdorffs (der selber die Münzturmpläne natürlich auch mit einbezieht).

  • Ich hätte Albers' Entwurf ziemlich gut gefunden. Vielleicht hätte der Turm nicht unbedingt als neuer Point-de-Vue der Linden platziert werden müssen (andererseits: wo sonst?). Aber Albers zeigt hier gut, daß eine jetztzeitige, eigenständige Interpretation klassischer Architekturformen durchaus möglich ist, ohne kitschig oder plump zu sein (ja, liegt sicher im Auge des Betrachters …). Mich erinnert die Ästhetik an Gio Pontis Umgestaltung des Palazzo del Bo in Padua.

    Auf den kleinen Abbildungen ist schlecht zu erkennen, in welchem Material Albers die Wandflächen ausgefacht hätte. Ich würde spontan auf Onyx-Platten tippen. Weiß es jemand?

  • Mich macht dieses unsägliche "Dach-Dingens" auch mächtig traurig.
    Schade, dass man sich nun den wertvollen Bau durch so was gleich wieder verhunzt.


    Mir verhagelt es sogar eine beträchtlichen Teil der Vorfreude auf das ganze Neu-Schloß.

    Zitat

    Die traumhaft schönen und vor jetzt genau 30 Jaghren mit enormem Aufwand rekonstruierten Innenräume der Dresdner Semperoper sind schon seit Jahren vollgeknallt (Tendenz zunehmend) mit kritze-kratze-grellgrünen Notausgangsleuchten und scheußlichsten Fress- und Sauftheken, für die man sogar die schönen und einst liebevoll rekonstruierten Semperschen Sofas beseitigte.


    Hier hingegen vergleichst Du m.E. Äpfel mit Birnen. Die Notausgangsleuchten sind gesetzlich vorgeschrieben und können lebensrettend sein (stolpere Du doch mal orientierungslos durch ein brennendes, verrauchtes Gebäude, in dem die normale Beleuchtung bereits ausgefallen ist), und dass Opernbesucher in der Pause etwas trinken möchten, und das noch an einer in meinen Augen völlig normal gestalteten, keineswegs überdimensionierten Theke (die grüne Cocktailbar-Beleuchtung hätte man sich in der Tat sparen können), daran kann ich auch nichts katastrophales finden. Das Stadtbild wird durch beide Maßnahmen in keiner Weise beeinträchtigt.

    Aber die beiden Dachbunker auf dem Humboldtforum, die entstellen wirklich den ganzen Bau! Warum muss sich Oberkellner Rettig dafür eigentlich nicht rechtfertigen? Warum wurde er nicht von der Presse zur Rede gestellt und mit den Visualisierungen konfrontiert, auf denen die Kästen nicht existent sind? Regt sich eigentlich außerhalb dieses Forums niemand darüber auf?

  • Da hätte man doch auch die beiden kleinen runden Türmchen mit Krone an den Ecken des Daches wieder errichten können. Was hatten diese eigentlich für eine Funktion, könnte man diese Türmchen denn nicht in die Erschließung des Daches integrieren? :wie:

    In der Architektur muß sich ausdrücken, was eine Stadt zu sagen hat.
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten

  • @ "Andreas" und "Schortschibähr"
    Ich bezog meine "Phantasien" vor allem auf den zwar unwahrscheinlichen, aber nicht unmöglichen Fall, dass einmal die Stella-Ostfassade beseitigt werden sollte. Dann doch lieber Raschdorff als Ersatz. Ich denke, damit könntet vielleicht auch Ihr leben. :cool: