Leipzig - Allgemeines

  • Hallo Dr. Mises,

    wie immer danke für die Bilder. Die Kl. Funkenburg ist nicht nur kulturhistorisch wertvoll, sondern auch eine unwiederbringlich wertvolle und wohlwollende Straßenflucht der Jahnallee. Falls sie weg kommt, und die ohnehin schon viel zu breite Straße begradigt wird, verliert die ganze Gegend hinter der Kl. Funkenburg (in Richtung Waldplatz) ihre gewachsene städtische Struktur und ihren Charakter.

    Der Abschnitt zwischen Innenstadt und Kl. Funkenburg ist ja, wie man auf Deinen Fotos erkennen kann, ohnehin schon verhunzt genug. Man sieht auch, dass die Straße unbedingt gemacht werden muss. Die Freilegung des Elstermühlgrabens ist wirklich zu begrüßen, damit etwas Abwechslung ins triste Grau der Straße reinkommt. Aber eine Begradigung und Verbreiterung der Jahnallee, einhergehend mit dem Abriss der Kl. Funkenburg, wäre sehr kontraproduktiv. Das muss doch jedem in der Stadtverwaltung einleuchten.

    Die Neugestaltung der Karl-Tauchnitz-Str. bzw. Friedrich-Ebert-Str. soll dahingehend ja auch ein Flop geworden sein. Statt die Innenstadt mit dem Bachviertel zu verbinden, so wie es vorgesehen war, bewirkte man mit dem Aus- und Umbau zu einer Rennpiste das Gegenteil, so die Kritiker. Unkrautwuchernde Brachen, ruinöse Altbauten und Investruinen, die weiterhin die nun supertoll ausgebaute Straße säumen, zeigen, welch Prioritätensetzung die Stadt [lexicon='Leipzig'][/lexicon] hat.

    Falls Du, Dr. Mises, bei Deinem Fotostreifzug mal wieder an der Fr-Ebert-St. vorbeikommst, könntest Du ja vielleicht mal ein paar Bilder der vom Abriss bedrohten Altbauten knipsen und ins Forum oder ins Lipsikon setzen. Wäre echt nett.

  • Naja, die 24 und die 76 sind ja schon drin. Aber wenn mal wieder schönes bewölktes Wetter ist, guck ich gelegentlich mal rum, auch an der 21 für ein besseres Foto in Gedenken an Herrn Lindner, der voller Initiative zu DDR-Zeiten persönlich das Dach abdichtete...

    in den 20ern

    Anfang 2005

  • Äußerst idyllisch mit den Bäumen und dem Fachwerkhintergebäude... hoffentlich kann es noch gerettet werden.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • glaube nicht, dass es sinn macht, das gebäude an dieser stelle zu retten. außerdem kann man solcherlei gebäude jederzeit auch wieder neu bauen (falls irgenwann bessere zeiten kommen).

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • Ich dachte das wär so wie in Potsdam, wo eben die Straße wieder aufgerissen werden würde, nur dass eben die Fahrspuren verbreitert werden "müssen" und die deshalb die Funkenburg weichen muss...

    Aber wenn ich die Heute-Bilder von der Jahnallee mit dieser riesen Häuserflcuht sehe, dann kann auch dieser Graben nicht mehr kaum noch was retten, wenn um es die Atmosphäre geht.

  • Ahh, sehr schön, insbesondere auch der Ausblick vom Dachgeschoss in Richtung Innenstadt. Das Musikviertel kann schon mit einigen schönen Gebäuden protzen. Bei meiner Recherche stieß ich beispielsweise auf ein Haus in der Schwägrichenstr. Hier mal 2 Bilder mit leider mäßiger Qualität:



    Und hier nochmal ne andere Straße (dürfte m.M.n. aber die F-Lassalle-Str. im benachbarten Bachviertel sein, oder?

  • Zitat von "spacecowboy"


    Fantastisches Bild!

    Letztens musste ich Nachts von reudnitz zum Wilhelm-Leuschner-Platz laufen, da ich die Linie 7 um 4 Minuten verpasste. Ich dachte ja schon, dass mitlerweile fast ganz [lexicon='Leipzig'][/lexicon] in diesem Thread dokumentiert wurde. Aber mitnichten! Ich musste feststellen, dass im östlichen [lexicon='Leipzig'][/lexicon] auf verlassenen Nebenstrassen zwischen Freiflächen und Ruinen sanierte und mit unglaublicher Schönheit gebaute Gründerzeithäuser stehen, die sich vor Stuck kaum noch retten können. Hauseingangstüren mit prächtigen Säulen und übergrossen "wachenden" Figuren. Sehr schade, dass ich meinen Fotoapparat nicht mithatte und ebenfalls schade, dass dieser Ortsteil teilweise doch sehr heruntergekommen wirkt. Da stehen Häuser rum, dass kann man sich nicht vorstellen.

  • Drei weitere Sanierungsprojekte:

    Zunächst das ehemalige Heizhaus der Buntgarnwerke in Schleußig. Die Fassaden wurden nach meinem Wissen komplett rekonstruiert. Im inneren entstanden Wohnungen. Die kleinen Häuser direkt an der Elster sind Neubauten in historischem Gewand.

    Die Schokoladenfabrik in Gohlis ist fast fertig. Es entstanden Loft- und Penthousewohnungen. Die ältesten Bauteile stammen aus dem Jahr 1873, die repräsentative Front wurde 1921 fertiggestellt.
    Auffällig ist, wie stark sich die Darstellung auf dem Bauschild von der tatsächlichen Umsetzung unterscheidet. Die Fassade orientiert sich nun wesentlich stärker am Zustand von 1921.

    Das Grassimuseum, der bedeutendste Art-déco-Bau in [lexicon='Leipzig'][/lexicon], wird z.Z. saniert. Der Museumsbau wurde 1925-1929 durch die Architekten Carl William Zweck und Hans Voigt nach einem städtebaulichen Entwurf von Hubert Ritter (er war der damalige Stadtbaurat) errichtet. Die Sanierung soll 2006 abgeschlossen sein.

    die Nordfront am Johannisplatz

    der nördliche Innenhof

    der südliche Innenhof

    Treppenturm im südlichen Innenhof

    die Südfassade am alten Johannisfriedhof

  • Also die Rekonstruktion des alten Heizhauses sieht ja fantastisch aus - gefällt mir sehr gut.

    Um so enttäuschter bin ich vom Schokoladenpalais. Diesem Gebäude hätte man eine andere Farbgestaltung geben müssen. Das weiß-graue Outfit sieht sehr steril und abweisend aus und diese billigen Pseudobalkone waren wohl eher für sanierte Plattenbauten vorgesehen. Einem Palais einfach nicht würdig :?

    Dass die Sanierungsarbeiten des Grassimuseums bis 2006 andauern werden, wundert mich ein wenig. M.E. haben die doch schon 2001 kräftig saniert, oder? Braucht es viel Aufwand, oder warum zieht sich das so lange hin?


    Mal noch eine Geschichte zum Mückenschlösschen von mir: Vor einiger Zeit kehrte ich dort in das Paulaner-Restaurant ein, und mir fiel gleich die wunderschöne Decke im Gastraum auf, die ich fälschlicherweise für eine aufwendige Kassettendecke aus schwerem Holz hielt.

    Die nette Kellnerin daraufhin angesprochen erklärte mir, dass nach dem 2. Weltkrieg, so Anfang der Fünziger, ein DDR-Betrieb einzog, der eine Zwischendecke, sodass die ursprüngliche verborgen liegt, einzog. Im Laufe der Jahrzehnte ging das Wissen um diese Decke verloren, sodass weit nach der Wende (1999), als das Gebäude umfangreich saniert wurde, keiner mehr eine Ahnung von dieser Prachtdecke hatte. Der Zufall wollte es, dass ein Teil der Zwischendecke bei den Sanierungsarbeiten abfiel und ein Stückchen der darüberliegenden freigab. Eilig machte man sich nun ran, die Zwischendecke komplett abzutragen und war erstaunt und entzückt, welch schöne Pracht sich darüber darbot.

    Natürlich wurde die Kasettendecke, die übrigens aus reinem Stuck trotz ihrer dunkelbraunen Farbe besteht, umfangreich und stilgerecht restauriert und schmückt seitdem das Restaurant. Ohne die Wiederentdeckung dieser Decke wäre das Ambiente heute nicht halb so schön.


    Hier noch ein Eindruck:

    Quelle: http://www.fantastic-restaurants.de/mueckenschloesschen/\r
    http://www.fantastic-restaurants.de/mue ... loesschen/

  • Ich bin vom Schokoladenpalais sehr enttäuscht, nicht unbedingt nur durch die nun reinweiße Farbgebung. Vor allem der Wegfall des Erkers wiegt, finde ich, schwer, wobei nun insbesondere zwischen der 2. & 3. Etage großere freie Putzflächen entstanden sind, die nicht mehr als Spiegel zu erkennen sind. Die Fensterhöhe in der Art zu variieren halte ich für unklug, da nun die Fenster der 4. Etage bizarrerweise höher sind als die der 3ten und nun Dachfensterartig erscheinen. Da die Kolossalordnungspilaster durch die Einfarbgikeit nicht zur Geltung kommen, herrscht ein Rastereindruck vor, wobei das Sockelgeschoß in der Folge zu klein wirkt.
    Ebenso wird der Haupteingang durch das Fehlen des Erkers bunkerartig.
    Der Hauptgiebel ist durch den dazwischenliegenden Dachabschnitt zu weit vom Kernbau entfernt und wirkt nun von diesem abgekoppelt.
    Auch stört die Ausführung aller Giebel als bloßes Blendwerk ( siehe rechts oben ). Weshalb man auf der linken Gebäudehälfte einen Giebel eingebracht hat, der in direkter Konkurrenz mit dem Hauptgiebel steht, ist ein Rätsel.
    Wie schon erwähnt sind die Balkone ein Graus, da deren Skelettstruktur zu dominant ist, wobei auf der rechte Seite noch auf deren Putzsockel verzichtet wurde.

    Im folgenden eine 10-Minutenveränderung meinerseits (ohne Korektur der Perspektive ) mit konsequenten Fensterhöhen, Giebel mit Direktverbindung zum Dach und quickfixErker,
    Kann allerdings nicht ausschließen, daß diese Minimalveränderungen nur mir auffallen ;)


  • Auch wenn es nur eine schnelle Skizze ist aber dein bild gefällt mir deutlich besser, als das Original. Warum man der Symmetrie wegen die Balkone auf der rechten Seite nicht auch auf Sockel (oder was auch immer das sein soll) gestellt hat lässt sich wahrhaftig nur schwer beantworten. Mein Gott, wie gut würde diesem Bau ein Farbton tun. :(


    Zum Inneren des Mückenschlösschens: Prächtig! Aber leider wird der Gastronomie-Betrieb wohl eingestellt werden, wie ich erfahren habe.

  • Zitat


    [lexicon='Leipzig'][/lexicon] prunkt am Markt mit einer neuen Urbanität

    [lexicon='Leipzig'][/lexicon] - Wenn über Suburbanisierung, Flächenverbrauch und verödende Innenstädte gestritten wird, geraten die Gegenbeispiele meist aus dem Blick. Aber es gibt sie, auch wenn es die Prediger der "Zwischenstadt" - also der Auflösung der Städte in Siedlungsbrei - noch nicht sehen wollen. Ein solches Beispiel ist [lexicon='Leipzig'][/lexicon], das über den deutschlandweit größten Bestand von Gründerzeitvierteln in herausragender Qualität verfügt. Nach der Lehre von der Auflösung der Städte hätte in den maroden, ruinenhaften Vierteln sofort nach der Wiedervereinigung der Abriß beginnen müssen. Doch das Gegenteil war der Fall. Die alte Innenstadt erblühte zu neuem Leben und zeugt heute von einem Glanz und einer Lebendigkeit, wie sie kaum eine zweite deutsche Stadt aufbieten kann. Jetzt sind die Gerüste an der neuen Marktgalerie gegenüber dem Alten Rathaus gefallen - und siehe da: Zum erstenmal gelingt es hier nun auch mit den Mitteln moderner Architektur, wieder so etwas wie "urbanes Milieu" hervorzuzaubern. Für 77 Mio. Euro hat die Unternehmensgruppe Stoffel das früher von einem klotzartigen DDR-Gebäude überbaute 5000 qm Meter große Areal mit einem Ensemble von Häusern bebaut, die die strukturelle Vielfalt eines Altbauquartiers entfalten. 14 500 qm sind für Einzelhandel reserviert, davon 11 000 für das Modehaus Breuninger, das hier ab Oktober ein neues Großkaufhaus betreiben wird. Darüber entstehen Büros und Wohnungen. Als Architekten des neuen Quartiers, zu dem auch eine Passage gehört, zeichnen der Frankfurter Christoph Mäckler (Fassaden) und das Düsseldorfer Büro RKW (Innenausbau) verantwortlich. dg.


    Artikel erschienen am Mi, 16. März 2005


    © WELT.de 1995 - 2005

  • Zum "Schokladenpalais":
    Ich halte die Gestaltung für akzeptabel. Es handelte sich hier ja nicht um einen Neubau, sondern um eine Rekonstruktion einer alten Schokladenfabrik. Vergleicht man das Ergebnis mit der Darstellung auf dem Bauschild, entspricht ersteres viel eher dem Anspruch einer denkmalgerechten Sanierung. Sowohl die Fenstergrößen als auch die Giebelformen entsprechen dem Original von 1921. Die Asymmetrie der Schaufassade durch das aus der Reihe tanzende Fenster und die Ausführung eines Teiles der Giebel als Blendwerk sind wohl einem zugegebenermaßen schlechten Kompromiß zwischen Bauherr und Denkmalpflege geschuldet.

    Hier findet man einige interessante Informationen und Bilder: http://www.[lexicon='leipzig'][/lexicon]-gohlis.de/historie/firmen/felsche.html\r
    www.[lexicon='leipzig'][/lexicon]-gohlis.de/historie/f ... lsche.html.

  • Wir können wohl beide nicht schlafen, Dr. Mises :D

    Man sollte sich bei aller berechtigter Kritik über die derzeitige Stadtpolitik auch vergegenwärtigen, dass seit der Wende viel Gutes in Sachen Sanierung und Erhalt getan wurde. Beispielsweise stand zu DDR-Zeiten u.a. die Tschaikowskistraße mit ihren maroden tlw. unbewohnbaren Altbauten auf der Abrissliste der SED. Was ein Glück, dass dieser Plan nicht realisiert wurde.

    nun ebenfalls aus dem Lipsikon:
    Tschaikowskistraße um 1902

    Tschaikowskistraße 2005

    http://www.lipsikon.de">http://www.lipsikon.de