• Versailles - Rekonstruktion des Königlichen Gitters
    Eines der bedeutendsten Bauwerke Europas, das Schloss von Versailles, ist seit Juli um eine glanzvolle Attraktion reicher: Im Schlosshof wurde das prächtige, komplett vergoldete Gitter des Sonnenkönigs rekonstruiert. Entworfen um 1680 von einem der größten Architekten Frankreichs, Jules Hardouin-Mansart, wurde es in der Französischen Revolution zerstört und jetzt, mehr als 200 Jahre nach seiner Vernichtung, vollständig nach alten Abbildungen rekonstruiert. Die geamten Kosten in Höhe von 3,5 Millionen Euro übernahm ein privater Investor, le Groupe Monnoyeur. Zweckmäßig ist das schmückende Gitter ebenfalls, da es dringend nötig wurde, die starken Besucherströme zu kanalisieren. Durch die Rekonstruktion gewinnt der zuvor übergroß wirkende Schlosshof wieder seine ursprüngliche Untergliederung und zeigt die doppelte Funktion barocker Schlossgitter: einerseits sollen ungebetene Besucher ferngehalten werden, andererseits sollen die Vorübergehenden unmittelbar teilhaben am Glanz, der sich im Innern entfaltet.

    Seit Sommer 2006 wurden für das 80 m lange Gitter 150 Tonnen Eisen verarbeitet, die mit ca. 100 000 Blättern Blattgold bedeckt wurden. Die steinernen Mauern und Pfosten wurden aus 150 m³ Sandstein in traditioneller Technik errichtet. Das Gitter wurde von Hand überarbeitet, um seine Oberfläche dem historischen Bild anzunähern.

    Die Wiederherstellung der "Grille Royale" ist Teil des viel größeren Projekts "Grand Versailles", das 2003 begann, 17 Jahre dauern und 500 Millionen Euro kosten soll. Spektakulärer Teil dieses Projekts war die 2007 abgeschlossene dreijährige Restaurierung der Spiegelgalerie. Dringend nötige Restaurierungen weiterer Schlossbereiche sollen folgen, ebenfalls unbedingt erforderliche Verbesserungen der Besucherführung, Besucherinformation, Restaurants sowie sanitäre Einrichtungen. Auch weitere Rekonstruktionen zerstörter Teile des Schlossensembles könnten folgen. Diskutiert wird die Rekonstruktion des Bosquet du Labyrinthe im Schlosspark und die Neuvergoldung der Dachornamente (NZZ, 11. 2. 2008).

    Hier die Information der offiziellen Website des Schlosses Versailles:
    http://www.chateauversailles.fr/en/0_The_Royal_Gate.php

    Hier das Video eines Fernsehbeitrags zur Eröffnung:
    http://video.aol.com/video-detail/f…oyale/856392788

    Einige besonders schöne Fotoimpressionen:
    http://lh6.ggpht.com/_cmLMgxwOqXk/S…of+IMG_5066.JPG

    http://www.gvn.chateauversailles.fr/fr/gv_versailles_restitue_1.html

    http://www.pbase.com/image/101728237

    Vor allem die Luftaufnahme zeigt übrigens, wie wichtig das Gitter für die großartige Harmonie der Gesamtanlange ist.

    Natürlich melden sich auch Rekogegner zu Wort, die wieder einmal Rekonstruktionen gegen Restaurierungen ausspielen oder kritisieren, dass das rekonstruierte Gitter doch tatsächlich an einen Schlossflügel anschließt, der erst 23 Jahre nach der Zerstörung des Gitters - im Stil des 18. Jahrhunderts - ergänzt wurde! Man hätte damit eine Situation schaffen, die historisch so nicht existiert hat - Skandal!
    Hier die Stimmen der Gegner, darunter natürlich auch die Neue Zürcher Zeitung. Besonders dreist ist dabei der im ersten Link geäußerte Vorwurf, durch die private Spende von 3,5 Millionen Euro für das Gitter gingen den öffentlichen Kassen Einnahmen verloren, da die Spende steuerlich absetzbar sei und die übrigen Steuerzahler die Ausfälle zu tragen hätten! - Interessant ist dann aber das Eingeständnis der Kritiker, dass die große Zahl der Besucher das ganz anders sehen werde:

    http://www.thearttribune.com/Inauguration-o…lle-Royale.html

    http://www.nzz.ch/nachrichten/ku…t_1.669024.html

    Eindrücke des in der Sonne glänzenden goldenen Gitters zeigen dagegen deutlich, dass dieses Gitter, das für jeden Schlossbesucher klar erkennbar den dem König vorbehaltenen Eingang markierte, genau kalkulierter Teil der Selbstdarstellung des Sonnenkönigs Ludwig XIV. war, die heute durch die Rekonstruktion wieder von jedem Besucher selbst erlebt werden kann.

    http://de.wikipedia.org/w/index.php?ti…=20060821115144

  • Faszinierend, Mathias! Ganz herzlichen Dank.

    Darf ich einen Teil des Artikels aus der NZZ hervorheben. Die verlinkte Seite taucht damit sogar zweimal in Deinem ueppigen Quellenmaterial auf.

    Quote

    Der Kunsthistoriker Didier Rykner hat auf seiner Website http://www.latribunedelart.com unter dem sprechenden Titel «Domaine de Versailles ou Versailles-land?» eine detaillierte Anklageschrift gegen das veröffentlicht, was er als eine Disneyfizierung ansieht.

    Also auch die wollen die allzu leicht gemachte Assoziation mit Disneyland vermeiden. :lachen: Nun, die la tribune de l'art Seite wuerde leider auch in Deutschland eine grosse Anhaengerschaft finden.

  • Danke für Deinen Hinweis, Pilaster! Die abgedroschene Disneyland-Anspielung geht gerade bei Versailles ins Leere, denn natürlich war auch Versailles der Vergnügungspark einer lebenslustigen Adelsgesellschaft und damit Vorläufer der Vergnügungsparks unserer demokratischen Massengesellschaft. Im Schlosspark von Versailles steht heute noch das bekannteste Kulissendorf des 18. Jahrhunderts, Le Hameau, in dem Königin Marie-Antoinette hinter den Fassaden eines malerisch inszenierten künstlichen Weilers in einem Luxusappartement lebte - heute ein wertvolles historisches Dokument und zugleich eine beliebte Attraktion des Gartens. Der Vergleich mit Kulissenarchitekturen in heutigen Vergnügungsparks und modernen Touristenresorts ist frappierend:

    http://de.wikipedia.org/w/index.php?ti…=20060416220221

    http://de.wikipedia.org/wiki/Hameau

  • Das Hotel Lambert, ein Stadtpalast aus der Mitte des 17. Jahrhunderts ist durch einen Brand schwer verwüstet worden. Unter anderem sind leider wohl wertvolle Deckenmalereien in Feuersbrunst und Löschwasser untergegangen.


    Bildquelle: Wikipedia, Benutzer 'Antonin Crenn'

    Berichte mit Bildern und Filmaufnahmen:

    http://www.spiegel.de/panorama/hotel…n-a-910332.html

    http://www.heute.at/news/welt/art23661,900557

    http://de.euronews.com/2013/07/10/bra…mbert-in-paris/

    http://www.bbc.co.uk/news/world-europe-23254172

    http://www.leparisien.fr/faits-divers/p…013-2970401.php

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Richtig so!

    Dieser langsam vor sich hin rostende Metallschrott ist, meiner bescheidenen Meinung nach, schon fast so ärgerlich wie ein Graffiti. Diese dämlichen Schlösser findet man mittlerweile überall. Die Hohenzollernbrücke in Köln, sollte auch mal davon befreit werden. Und der Schlüssel eines jeden Schlosses, wird dabei im Rhein versenkt. In einigen Jahren benötigt man die Brücke als Fußgänger nicht mehr, weil man auf den Schlüsseln ans andere Ufer laufen kann. :wink:

    Die verliebten Paare können sich ihr Schloss zu Hause ans Treppengeländer hängen. Da stört es niemanden.

  • Ich hoffe, die Berliner Schlösser Vorhängeschlösser verschwinden auch alsbald. An den filigranen Ornamenten der Weidendammer Brücke z.B. sieht das alles andere als materialschonend aus – und schön schon gar nicht.

    Seit man dieses Phänomen überall findet, hat sich auch dessen Romantik weitgehend verflüchtigt. Toll sind kleine Traditionen, die auf einen bestimmten Ort oder Personenkreis begrenzt sind: Sei es der Stock im Eisen oder der profanere Kaugummibaum.

    Wenn jeder Depp mitmacht oder es überall kopiert wird, ist schnell aller Charme dahin: Münzen in den Trevi-Brunnen zu werfen, ist eine schöne Tradition. Wer jemals Münzen in den Lotusbrunnen im Europacenter warf, kann sich nur mit seinem damals kindlichen Alter rausreden. Kilroy-was-here wurde ebenfalls in den 80ern durch Pubertierer geschändet.

  • Das bekannte Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron (Hamburger Elbphilharmonie, Pekinger Vogelnest etc.) errichtet in Paris den 180 m hohen "Tour Triangle" in der Form eines gläsernen Dreiecks. Baukosten: schlappe 500 Mio. €

    Quote

    Das Glasdreieck gefällt nicht allen. Kritiker halten das Hochhaus für überflüssig und argumentierten, in Paris stünden mehr als eine Million Quadratmeter Bürofläche leer. Nathalie Kosciusko-Morizet von der konservativen UMP sagte, das Hochhaus werde den Standort Paris nicht attraktiver machen, und sprach sich gegen den Bau eines "isolierten" Wolkenkratzers aus. Auch die Uno-Kulturorganisation Unesco hat vor dem Bau neuer Wolkenkratzer gewarnt. Paris sei "eine der seltenen erhaltenen horizontalen Städte".

    http://www.spiegel.de/reise/staedte/…-a-1041490.html

    In der Altstadt die Macht, im Kneiphof die Pracht, im Löbenicht der Acker, auf dem Sackheim der Racker.

    Hätt' ich Venedigs Macht und Augsburgs Pracht, Nürnberger Witz und Straßburger G'schütz und Ulmer Geld, so wär ich der Reichste in der Welt.

  • :kopfwand:

    Hat denn die Menschheit gar nichts gelernt? Nein, hat sie nicht, wie sie immer häufiger eindrucksvoll veranschaulicht (vgl. Dubai, Belgrad, etc...)

    Dieses Dreieck hat nicht die geringsten ästhetischen Qualitäten, passt überhaupt nicht in das Stadtbild (na gut, der Eiffelturm auch nicht, aber der ist zumindest optisch ansprechend); wieder einmal nur eine primitive Macht/Geld-Demonstration und Manifestation von Größenwahn. Wie soll denn das alleine funktionieren, dass die Räume im Inneren belichtet werden? Und dass die an der Front bei Sonnenschein keine Saunatemperaturen erreichen?

    Ich habe gedacht, wir hätten die Postmoderne zumindest in Westeuropa überwunden.

  • Da regen mich die großkotzigen Hochhäuser am Berliner Zoo aber weit mehr auf. Diese Pyramide hat wenigstens ästhetische Qualität, außerdem wird sie ja wohl außerhalb des Zentrums, am Messegelände entstehen. Die Franzosen haben selbst beim Hochhausbau weit mehr Stil und Niveau als die trampeligen Teutonen.

    In dubio pro reko

  • Auf keinen Fall, Königsbau. Frankfurt hat eindeutig die eleganteren und zugleich ikonischeren Hochhäuser im Vergleich mit Paris oder auch London, in Berlin ist fast nichts Nennenswertes. Und gerade der Potsdamer Platz ist doch europaweit eines der wenigen leuchtenden Beispiele für ein maßvolles, durchaus lebendiges und urbanes Hochhausviertel. Zudem mit einigen klassisch gestalteten, sehenswerten Hochhäusern ausgestattet.

    Was du mit "großkotzig" am Berliner Zoo meinst, verstehe ich nicht. Sowohl Zoofenster als auch Atlas-Turm sind gerade mal 120m hoch und eher zurückhaltend-zeitlos gestaltet. Sie rahmen die Gedächtniskirche ein und bilden ein Tor zur Kantstraße, was städtebaulich eine überzeugende Lösung ist mE. Einzig die Rückseite vom Zoofenster ist nicht gerade elegant gelöst, da würde ich zustimmen.

    Dieses Dauergemecker über alles "Deutsche" finde ich höchst befremdlich. Zumal die Architekten meist ohnehin aus aller Herren Länder kommen.

  • Vielleicht aber solche Schönheiten: https://filosofiastoria.files.wordpress.com/2012/12/banlieu_paris.jpg

    Auch La Defense sieht eigentlich nur aus der Ferne halbwegs ansprechend aus. Von dichtem... überwiegend nichtssagende, glatte, tote und simpel-geometrische Einöde. Und dann ist da ja noch der Super-Gau namens Tour Montparnasse, der unbedingt dem Eiffelturm Konkurrenz machen sollte. In diese zweifelhafte Tradition scheint sich auch die unsägliche Pyramide einreihen zu wollen - nein danke!

  • Ein interessantes Video zur städtebaulichen Neustrukturierung von Paris im 19 Jh.

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  • Vielen Dank, Kralle. :) Habe mir beide Teile angeschaut. Schon beeindruckend. Da schaue ich immer ein wenig neidisch hinüber nach Frankreich. Ein großes Volk, mit großen Visionen. Eine solche Superlative wie den Louvre hat man hier niemals auf die Beine gestellt. Aber wir versuchen es ja... Freue mich schon sehr auf die fertige Museumsinsel und das Stadtschloss/Humboldt-Forum. ;)