• Ich denke, hier müssen wir schon stärker differenzieren. Im Mittelalter war durch die eng gezogenen Stadtmauern bei gleichzeitiger Bevölkerungsexplosion eben ständiger Platzmangel. Auch damals war man bei Großbauten schon sehr auf Sichtachsen bedacht. Wenn man gekonnt hätte, hätte man die Kathedralen gleich freigestellt bzw. mindestens eine Schauseite (zum Platz/Markt) freigelassen.
    Und genau das war hier auch das Verständnis bei St. Marien im 19. Jahrhundert - ich finde das gut, die Nordseite mit der Turmuhr und den mächtigen Werken hat einfach riesiges Schaupotenzial. Noch deutlicher wird sowas natürlich bei den flämisch und französisch inspirierten hochgotischen Kathedralen wie dem Kölner Dom oder Notre Dame de Paris. Die sind so herrlich detailliert durchkomponiert, auch auf "Fußgängerhöhe". Es wäre schade, wären die noch wie im Mittelalter ganz eng umbaut. Das Straßburger Münster etwa kann man gar nicht so leicht erfassen und genießen, auch wenn die Umbauung auch heute noch sehr reizvoll ist.

    Wer umbaute Perspektiven von St. Marien in Stralsund genießen wil, kann das ja von allen anderen Seiten aus tun:

    Wie hier am Frankenwall...

    Stralsund St. Marien Neuer Markt
    Mein Bild, gemeinfrei (wie die folgenden auch fast alle)

    Eine ähnliche Perspektive auf den selben in der Stadtmauer integrierten Bau Ecke Marienchorstraße/Zipollenhagen übrigens im Jahr 2012, noch völlig marode:


    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Stra…nkenwall_06.JPG

    Dass selbst solch einfache und unscheinbare Bauten in Stralsund liebevoll saniert werden spricht Bände und macht die Stadt enorm sympathisch.


    Stralsund St. Marien Neuer Markt


    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Stra…arienkirche.jpg

    Vom Tribseer Damm:

    Stralsund St. Marien Neuer Markt

    Aus der Mörderstraße:


    Stralsund St. Marien Neuer Markt


    Und selbst vom Neuen Markt:


    Stralsund St. Marien Neuer Markt


    Auf die Bebauung am Nikolaikirchhof / Badenstraße 52-53 (Projekt "mittenmang") hätte ich im Vergleich hingegen ehrlich gesagt auch gut verzichten können, auch wenn sie bis auf die Fenster und Gauben durchaus annehmbar geriet:

    Stralsund St. Nikolai Neubauten Badenstraße

    Stralsund St. Nikolai Neubauten Badenstraße 52-53 Bauschild mittenmang
    meine Bilder, gemeinfrei

  • Nochmal ergänzende Ansichten zum Neuen Markt - morgen abend findet wie erwähnt die Bürgerwerkstatt zur Neugestaltung im Rathaus statt (18 Uhr, falls jemand hin kann/will):

    Draufsicht/Totale/Luftbild Neuer Markt vom Turm von St. Marien:
    Stralsund St. Marien Neuer Markt
    Mein Bild, gemeinfrei

    Etwas höher über die Mönchstraße mit dem Meeresmuseum im Kloster und bis zu St. Nikolai und dem Strelasund der Ostsee geblickt.
    Sogar das Strandbad kann man hinten erahnen (heller Wasserschweif hinter der Altstadt), einfach ein herrlicher Ort zum leben, durch und durch!
    Stralsund St. Marien Neuer Markt

    Zurück auf Bodenniveau, der Parkplatz ist dem tollen Ensemble aus Traufen- und Giebelhäusern verschiedener Epochen und gotischer Kirche einfach nicht angemessen - auch wenn ich mangels Alternativen in der Nähe selber gern mal dort parke:
    Stralsund St. Marien Neuer Markt

    Der Obelisk des Sowjetmahnmals vor dem Nordportal, der versetzt werden soll(te):
    Stralsund St. Marien Neuer Markt

    Das drollige Toilettenhaus von 1953, mittlerweile durch ein nettes kleines Bistro erweitert:

    Stralsund St. Marien Neuer Markt
    Stralsund St. Marien Neuer Markt
    Stralsund St. Marien Neuer Markt
    meine Bilder, gemeinfrei

  • @Villa1895
    Da haben wir wohl einfach einen unauflösbaren Dissenz, was die Wirkung der Häuschen angeht, ist ja auch nicht schlimm. Ich sehe es im Grunde recht pragmatisch. Nicht alles, was im 19. Jahrhundert in mittelalterlichen Städten passiert ist, war prinzipiell schlecht. Kirchen aus ästhetischen Gründen "freizuräumen", sei es von umstehenden Häusern oder gar noch umgebenden Gottesäckern, ist spätestens seit der Renaissance ein immer wiederkehrendes Thema gewesen. Kirchen sind Repräsentationsbauten und sollten demnach auch "präsentiert" werden. Nun ist die Situation in Stralsund wie sie ist. St. Nikolai wird bspw. durch eine Häuserreihe vom Alten Markt getrennt und das möchte ich ganz sicher nicht missen. Aber bei St. Marien sollten man davon bitte die Finger lassen. Zumal der von dir angesprochene Effekt m.E. auch durch die davorgelegenen Bäume ganz gut erreicht wird, die man gleichwohl besser inszenieren sollten.

  • Villa hat, soweit es mir laut der Bilder scheint, völlig recht - der Platz wirkt gegen St. Marien offen. die kleinen Häuschen hatten eine beträchtliche Bedeutung für die Fassung des Platzes. Bäume als deren Ersatz haben sich noch nie bewährt. Die Situation ist mit jener des Altmarkts durchaus vergleichbar.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Den Wiederaufbau des Diakonat-Giebelhauses könnte ich mir wie gesagt vorstellen. Das war ohnehin eine zeitlang quasi ein Solitär. Würde den Platz etwas pittoresker machen.
    Den Nachbarbau aber bitte nicht, er würde das Nordportal komplett verstellen, womit durch die Sowjetmahnmal-Verschiebung wenig gewonnen wäre.

    Ich könnte mir bei der Platzneugestaltung vorstellen, dass man die Grundrisse der einstigen Bebauung vor St. Marien im Pflaster nachbildet. Das würde dieser Seite auch schon eine gewisse Fassung geben. Zudem kann man auch mit geschickten mauerartigen Sitzgelegenheiten (natürlich aus Backstein) schon einen tollen Effekt erzielen. Diese Ecke soll ja eh neu gestaltet werden.

  • Also die Bebauung am Nikolaikirchhof / Badenstraße 52-53 (Projekt "mittenmang") gefällt mir durch die Giebelständigkeit , nur die Fenster , und das begreife ich nicht das die Architekten dies nicht " Planen/Umsetzten " könnten Querteilungen vertragen das ändert ja nichts an der Helligkeit in den Räumen wertet aber das Äußere Massiv auf ! Die Gauben sind ohne Worte .... Mir ist alles irgendwie zu Aalglatt (Keine regionaltypischen Materialien , wenn schon keine Ziegelverblendung dann mindestens Riemchen) , auch fehlt mir ein Abgesetztes Erdgeschoss. Ein etwas größerer Dachüberstand hätte dem Bau auch gutgetan.

  • Da uns die Diskussion um die Neugestaltung des Neuen Marktes noch eine zeitlang begleiten dürfte, widme ich dem Ganzen hier mal einen eigenen Faden, um das Thema ausführlicher und zusammenhängender beleuchten zu können.

    Zunächst nochmal einige aktuelle Eindrücke von der in den späten 1960ern / frühen 70ern DDR-typisch gestalteten Parkplatzwüste mitten in der Welterbe-Altstadt:

    Stralsund St. Marien Neuer Markt
    Stralsund St. Marien Neuer Markt
    Stralsund St. Marien Neuer Markt
    Stralsund St. Marien Neuer Markt
    Stralsund St. Marien Neuer Markt
    Stralsund St. Marien Neuer Markt
    meine Bilder, gemeinfrei

    Hier viele weitere Bilder: https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:…und)?uselang=de

  • Kommen wir nun zur Umgestaltung des Neuen Marktes selbst!

    Wer am "neuen" Neuen Markt mitbasteln will - nur zu! Lasst mal die Ideen sprudeln. :)

    Ich habe zwei "Blanko-Versionen des Marktes erstellt (schnell & dreckig), auf denen wir uns austoben können. Brunnen, Pflastermuster, Kandelaber, Sitzgelegenheiten, Begrünung... Was euch beliebt und ihr für gut und schön erachtet! Ich werde selbst auch einige Varianten durchprobieren.

    Leere Variante:

    Neuer Markt Stralsund autofreie Leerfläche zur Umgestaltung - Skizze

    Variante mit Bodenstruktur in Abgrenzung zu den Straßen:

    Neuer Markt Stralsund autofreie Leerfläche zur Umgestaltung - Skizze


    Ihr könnte diese Bilder frei für eure Entwürfe verwenden. Im ersten Beitrag findet ihr das unbearbeitete Luftbild vom Marienkirchturm (erstes Bild).

  • Der Fahrplan zur Umgestaltung des Neuen Marktes steht inzwischen:

    Danach soll sich der Neue Markt künftig autofrei und als Teil der altstädtischen Fußgängerzone mit Bänken und viel Grün präsentieren. Der sowjetische Ehrenfriedhof vor der Marienkirche soll so umgestaltet werden dass das Nordportal der Kirche wieder frei zugängig wird. Die Ausschreibung des Architetektenwettbewerbs soll noch in diesem Jahr erfolgen. Mit ersten Ergebnissen wird 2019 gerechnet.

    Nicht schlecht! :applaus:

    Einen ausführlichen Bericht über die bisherigen Diskussionen und Planungen gibt es auf der Homepage der Stadt Stralsund.
    .

  • Danke für Info, Erbse. Hoffentlich versandet das Projekt nicht. Von der Wiederbebauung der Nordkante des Neuen Marktes in Rostock ist ja auch schon seit Jahren nichts mehr zu vernehmen.

  • Ich war gestern in Stralsund. Die Gestaltung des Neuen Marktes scheint entschieden. In der Kirche hingen jedenfalls die Wettbewerber samt Platzierung. Dummerweise habe ich vergessen Fotos zu machen. Der erste Platz wirkte gelungen, jedoch habe ich das geplante Wasserspiel als "poolartig" aufgrund seiner rechteckigen Form wahrgenommen. Da gefielen mir hintere Platzierungen deutlich besser!

  • Ich war vor wenigen Tagen vor Ort in der Marienkirche und habe ein paar Bilder der Planungen des Wettbewerbssieges photographiert:

    Meines Erachtens ist von einer einer deutlichen Verbesserung der Aufenthaltsqualität auszugehen, vor allem wenn man die unwürdige derzeitige Platzgestaltung berücksichtigt. Leider konnte mir vor Ort niemand sagen wann die Realisierung geplant ist. Seltsam ist auch dass es (online) keine Medienberichte zu der jüngsten Entwicklung gibt.

  • Meines Erachtens ist von einer einer deutlichen Verbesserung der Aufenthaltsqualität auszugehen...

    Auf jeden Fall! Meinetwegen könnte es aber auch noch mehr Grün geben, und sei es nur schicke Blumenkübel mit Oleander oder was sonst den Jahreszeiten entsprechen könnte.