Frankfurt a. M. - Altstadt - Dom-Römer-Areal

  • Frankfurter Neue Presse:

    Goldene Waage erhält Originalteile


    Zitat

    Der Offenbacher Bauingenieur Dominik Mangelmann ist einer der schärfsten Kritiker des Frankfurter Altstadt-Projekts. Seiner Ansicht nach werden an vielen Stellen Fehler gemacht und die historischen Gegebenheiten zu wenig beachtet. Doch nach der Vorstellung der Pläne für die Rekonstruktion der „Goldenen Waage“ gestern Abend im Dom-Römer-Ausschuss zeigte sogar er sich zufrieden. Der Architekt Jochem Jourdan leiste hervorragende Arbeit, sagte er.

    Jourdans Büro hat sich intensiv mit allen Details befasst: Von der Sandstein-Fassade über die geschnitzten Verzierungen und die Schmiedearbeiten bis hin zu den Tapeten. In ganz Deutschland wurden Fachfirmen gesucht, welche die alte Handwerkskunst noch beherrschen und die ursprüngliche Schönheit des Gebäudes wieder herstellen können.

    Erstaunlich, was der Ultra-Modernist und Rekonstruktionsgegner Jourdan plötzlich alles macht.


    Zitat

    Mittlerweile hat der Gestaltungsbeirat die Entwürfe für die neuen Häuser weitgehend abgesegnet, so dass die Dom-Römer GmbH jetzt die Bauarbeiten ausschreiben kann. Im Oktober soll mit dem Hochbau begonnen werden. Im Gegensatz zu den ursprünglichen Plänen wird auf dem gesamten Areal gleichzeitig gebaut. Die meisten Gebäude sollen im Frühjahr 2017 fertig sein. Nur die aufwendigen Rekonstruktionen werden sich bis zum Sommer hinziehen. Im Herbst soll dann auch die Gestaltung der Außenanlagen abgeschlossen sein.

    Offen ist immer noch, ob es in der Altstadt Bordsteine geben wird, die nicht barrierefrei sind. Entscheiden muss die Bauaufsicht. Ebenso ist noch nicht klar, wie der Übergang vom Krönungsweg zum höher gelegenen Plateau vor der Schirn gestaltet wird. Die aktuellen Pläne mit eine Rampe lehnt der Gestaltungsbeirat ab und stellt sich stattdessen eine Art Pergola mit Treppen vor. „Das wäre ein großer Fortschritt“, sagte Beirats-Mitglied Björn Wissenbach.

  • Zitat

    Offen ist immer noch, ob es in der Altstadt Bordsteine geben wird, die nicht barrierefrei sind.

    An solchen Detailfragen sieht man deutlich, was das hemmungslose Postulat, allen Kleinstminderheiten bedingungslose Genüge zu leisten für schädliche Auswirkungen hat.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Kleinstminderheit? Also bitte. Dieses Land wird bald von Rollator- und Rollstuhlfahrern dominiert.
    Wobei ich gegen mehr Kinderwagenfahrer auch nichts hätte, für die sind Bordsteine aber auch eine Qual, ich spreche aus Erfahrung.

    Auch für Cafés, Restaurants, kleine Läden und Märkte oder andere Veranstaltungen sind Bordsteine ein Hindernis, das man gern vermeiden kann.

  • Über die Höhe von Bordsteinen lässt sich streiten, jedoch kann deren Einsatz maßgeblich zur positiven Gestaltung und Gliederung eines Gassen- und Straßenraums beitragen.
    Nicht nur die Gestaltung von Gebäuden ist wesentlich für den öffentlichen Raumes, maßgeblich ist auch eine entsprechende der Bodenbeläge und Wege.
    Dieser Aspekt bleibt immer wieder unberücksichtigt und ist der Funktionalismuswut geschuldet.
    Das Gros (west-)deutscher Altstädte mit ihren unbeholfenen Konglomeraten an Platten- und/ oder Pflasterelementen darf hier bitte nicht auch noch als Vorbild für Frankfurt dienen.
    Wohltuend hebt sich das Erscheinungsbild am Dresdner Neumarkt ab wie auch in manch anderer ostdeutschen Stadt.

    Jeder, der sich die Fähigkeit erhält Schönes zu erkennen, wird nie alt werden.
    http://www.archicultura.ch

    2 Mal editiert, zuletzt von zeitlos (26. Juni 2014 um 01:51)

  • In dem gestern verlinkten FNP-Artikel war auch die Rede von dem sogenannten Schöppenbrunnen.

    Zitat

    Zwischen der Goldenen Waage und dem Dom wird nach Ansicht Jourdans „einer der schönsten Plätze Frankfurts“ entstehen. Der Altstadt-Gestaltungsbeirat schlägt vor, dort den historischen Schöppenbrunnen aufzustellen, der derzeit etwas versteckt in der Fried-Lübbecke-Anlage hinter dem Römer steht.

    Es handelt sich um diesen zumindest überwiegend erhaltenen Brunnen aus dem 18. Jahrhundert, der, wie man sieht, heute vor einer nicht besonders ansprechenden Kulisse auf der Fried-Lübbecke-Anlage hinter dem Römer etwas versteckt steht. Früher stand er auf dem Krautmarkt (Vorkriegsaufnahme), nach dem Krieg stand er recht einsam zwischen den Trümmern und später dann der Neubebebauung im Weg; er wurde gottlob weder verhökert noch geschreddert. Wenn der Brunnen auf diese Weise wieder mehr zur Geltung kommt und die "Neu-Altstadt" noch ein weiteres historisches Detail dazubekäme, fände ich das sehr erfreulich. Inzwischen gibt es sogar schon einen entsprechenden Antrag der FDP-Fraktion.

  • Ein Verzicht auf hohe Bordsteinkanten muss ja nun wahrlich keine schöne Pflasterung konterkarieren, ganz im Gegenteil.

    Man sollte es einfach wie am [lexicon='Römerberg'][/lexicon] machen. Da gibt es auch keine merklich störenden Kanten. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fran…berg_-_1033.jpg

    Das Setzen von hohen Bordssteinkanten ist doch im Vergleich zum vorherigen Alter der Häuser und der jetzt nachgebildeten Gebäude eine vergleichsweise junge Einrichtung. Im Prinzip geschah die Gliederung des Straßenraumes, was dies anbelangt, erst weit nach Einführung des Autos, als die vorherige Mischfläche, die es war, zur monofunktionalen Fahrbahn, der dann erhöhte Bürgersteig zum Schutzraum der zu Fuß Gehenden wurde.

    Selbstverständlich ist die Aussage zutreffend, dass mit den Gebäuden gleich so auch der Boden filigran gestaltet werden sollte. Eins gehört zum anderen und das andere zum einen. Ob nun mit gesetzter (mäßig niedriger) Bordsteinkante oder ganz ohne Bordsteinkante.

  • Im Prinzip geschah die Gliederung des Straßenraumes, was dies anbelangt, erst weit nach Einführung des Autos, als die vorherige Mischfläche, die es war, zur monofunktionalen Fahrbahn, der dann erhöhte Bürgersteig zum Schutzraum der zu Fuß Gehenden wurde.

    Ich empfehle dringend die Beschäftigung mit der Geschichte des Trottoirs, ehe hier eine Relativierung erfolgt...

  • Ein umfänglicher Bericht mit vielen Bildern.
    So soll die Goldene Waage aussehen, wenn sie 2017 fertig ist.

    Zitat

    Frankfurt/Bamberg.
    Die Baugenehmigung für die neue Altstadt wird erst in den nächsten Tagen erwartet. Doch an der Rekonstruktion der historischen Häuser wird bereits eifrig gearbeitet. Noch nicht auf dem Areal zwischen Dom und [lexicon='Römerberg'][/lexicon], sondern im 200 Kilometer entfernten Bamberg. Dort sitzt das Natursteinwerk Hermann Graser, das den Auftrag für die Steinmetzarbeiten an den Häusern Goldene Waage, Klein Nürnberg und Goldenes Lämmchen hat.[...]

    So entsteht Frankfurts neue Altstadt - Frankfurter Neue Presse

    EDIT (21.07.)
    Ein weiterer lesenswerter Artikel:
    Steine für die Altstadt - Frankfurter Rundschau

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • FAZ-Artikel zum selben Thema, inzwischen auch online verfügbar:

    Die Auferstehung der „Goldenen Waage“

    Zitat

    Der private Skulpturenpark in Dreieich wirkt wie ein riesiges Puzzle-Spiel, wie eine Collage. Beckmann hat hier nicht nur die „Goldene Waage“ verbaut. Auch mit anderen Trümmern aus der Altstadt haben er und seine Frau gemeinsam ihren Garten modelliert. Aus Bruchsteinen entstanden Mäuerchen.

    Die Nordfassade der „Goldenen Waage“ haben sie 1959 spiegelbildlich wiederaufgebaut. Auch Teile der Ostfassade sind damals wiederauferstanden. Der Architekt Jochem Jourdan klettert über dass Gerüst und zeigt die wertvollsten Teile: Porträtsteine über der Eingangstür von Abraham van Hamel und Anna van Litt, den Erbauern der „Goldenen Waage“ von 1619, Porträtsteine mit den Kindern des Erbauers, Löwenköpfe, einen Hammelkopf. „Der steht für das Lamm Christi. Der Bauherr versucht sich so in die Heilsgeschichte einzubinden“, sagt Jourdan. Ein Atlant trägt die Ecke des Gebäudes. Ihm fehlt der Unterarm, der möglicherweise von den Bamberger Bildhauern ersetzt wird. Ein Relief zeigt Paprika und Artischocken. „Für den Bauherrn war das wie ein Werbeschild“, sagt Jourdan. Denn der war Gewürzhändler.

    Das Architekturbüro Jourdan & Müller hat die schwerste Aufgabe von allen Architekten übernommen, die sich in der Altstadt engagieren. Es baut die „Goldene Waage“ am östlichen Ende des Krönungswegs originalgetreu wieder auf. In einem Labor wurden die Farbreste auf den Spolien analysiert. Einige Figuren trugen sogar vergoldete Haare. „Diese Steine sind wie ein Archiv“, schwärmt Jourdan. „Man muss sich damit beschäftigen, damit man es versteht“, sagt er und streicht gedankenverloren über eine Sandsteinkonsole.

    Am Montag sollen die Arbeiten in Dreieich beendet sein. Aber die zwölf wertvollen Steinspolien aus dem Garten sind nicht die einzigen Überbleibsel, die in der „Goldenen Waage“ wieder eingesetzt werden. Vier Original-Gitter aus dem Depot des Historischen Museums werden ebenfalls wieder eingebaut, auch Teile eines Eckpfostens des Treppenturms und alte Delfter Fliesen finden Verwendung. Selbst die reiche Innenausstattung, die gut dokumentiert ist, wollen die Architekten wiederherstellen. Prachtvolle Schreinerarbeiten gehören dazu, aber auch das Schloss der geschnitzten Tür in der großen Stube. Auch für die Seidentapete als Wandbespannung haben die Architekten schon eine Idee.

    Jourdan hat sich tief in die Geschichte des Renaissance-Hauses eingearbeitet. Wenn er ins Erzählen gerät, ist er kaum zu bremsen. Er vergleicht das Gebäude mit dem Rubenshaus in Antwerpen. Der Vorplatz vor dem Bau werde zu einem der schönsten der Stadt, glaubt er. Auf der Dachterrasse im dritten Obergeschoss befanden sich einst ein Brunnenhaus und eine mit Bergkristallen geschmückte Grotte, die ebenfalls originalgetreu wiederhergestellt werden.

    Ich frage mich immer wieder, wie sich ausgerechnet Jochem Jourdan für diese Aufgabe zur Verfügung stellen konnte und sogar darin richtig aufzugehen scheint. Der Ultra-Modernist, der von Anfang an strikt gegen Rekonstruktionen zwischen Dom und Römer war. Ich höre ihn noch sagen in einer Podiumsdiskussion (bei der er nur im Publikum saß, aber irgendwann trotzdem redete wie ein Buch), die Ostzeile sei kein Beitrag zur Baukultur. Und nun rekonstruiert er einen Steinwurf daovn entfernt selbst ein Fachwerkhaus. Ist das jetzt ein Beitrag zur Baukultur?

    Manchmal habe ich bei Architekten das Gefühl, der der am lautesten gegen Rekonstruktionen wettert, würde in Wahrheit selbst gerne welche errichten und macht besonders laut Stimmung dagegen, damit niemand aus der eigenen Zunft ihn verdächtigt. So wie die Leute, die ständig gegen Schwule hetzen, damit niemand dahinterkommt, dass sie insgeheim selbst auf Männer stehen. :zwinkern:

  • @Schlossgespenst: Die Verlogenheit und das Drehen nach dem Wind dürfte in diesem Fall ursächlich im Mammon zu begründen sein.
    Nach dem Motto: Des Brot ich ess', des Lied ich sing! floet:)

  • Eine weitere Hürde für das Altstadtprojekt wurde genommen: Die Bauaufsicht erteilte der DomRömer GmbH die Baugenehmigung für das Gesamtprojekt, wie die Stadt heute mitteilte. Damit können die Hochbauarbeiten beginnen.

    ...

  • Ich fühle mich mal wieder bestätigt. So umstritten und umwettert, seitens der Riege der "modernen" Architekten Reko-Projekte auch sein mögen, entweder schwenken sie um oder schweigen wenn das ganze erst mal in trockenen Tüchern ist. Das Disneyland-Argument lässt sich angesichts der offensichtlichen herausragenden Qualität der Bauten nicht mehr aufrechterhalten. Bevor man sich dann abkoppelt und lukrative Aufträge verlorengehen, wechselt man dann halt einfach die Seiten. Schade und charakterlich schwach. Es ist ja offenbar nicht so, dass dieser Wechsel aus tiefster Überzeugung vollzogen würde.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Ich fühle mich mal wieder bestätigt. So umstritten und umwettert, seitens der Riege der "modernen" Architekten Reko-Projekte auch sein mögen, entweder schwenken sie um oder schweigen wenn das ganze erst mal in trockenen Tüchern ist.

    Man muss sich ja auch selbst damit auseinandersetzen. Das ist vielleicht wie mit Oper und anderen Sachen, wenn man sich damit tiefergehend beschäftigt, wird man oft davon ergriffen. Ich glaube, dass eine Skepsis durchaus vorteilhaft ist. Hat man dann ein Projekt durchgezogen sucht man sich ähnliche Projekte.

  • Es geht nicht um Skepsis, es geht um kategorische Ablehnung. Erst von "Hessenpark" und "Disneyland" faseln und dann umschwingen. Ich glaube mich zu erinnern, dass Jourdan immer einer der energischsten Ablehner war. Sollte ich mich irren, bitte korrigieren.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.