Frankfurt a. M. - Altstadt - Dom-Römer-Areal

  • Naja, Altstadt war/ist da schon noch Rohne, es ist halt nicht mehr im ältesten Siedlungskern, klar. An Stelle des jetzt geplanten Neubaus stand ein Bau der Ähnlichkeiten mit der "Grünen Linde" aufwies, siehe hier:

    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fran…_Strasse_32.jpg

    Und gerade in einem Gebiet wo noch tatsächliche Altbausubstanz vorhanden ist müsste man doch ein sensiblere Bauen erwarten können.

    Natürlich bekommt man schnell Applaus wenn man hier "Pro-Reko" postet. Ich bin auch kein Pessimist und "stecke den Kopf nicht in den Sand" und hoffe ebenfalls es kommt zu weiteren Rekonstruktionen. Aber die Beiträge sollten doch ein gewisses Niveau haben und -wenigstens einen Hauch von Realismus.

    Aber wenn man sich da einige Post der letzten Tage anschaut (jetzt wirklich völlig egal wer da was gepostet hat)...ich frage mich ob sich die Leute mal die Katasterpläne von vor 1944 mit der aktuellen Überlagerung angeschaut haben? Ein paar Beispiele:

    - Luthereck aufbauen .... klar, hätte ich auch gerne.... aber da steht das erst in den letzten fünf Jahren sanierte, beliebte "Paulaner"

    -Nachbar des Hauses Wertheim aufbauen... der Bauplatz wäre frei...Nein, ist er nicht, knapp zwei Drittel davon sind frei, dann kommt der "Glaskasten" der Akademie

    -Fünffingerplätzchen...hier sind auch keine 80% frei, vielleicht die Hälfte.... Aber was soll das? Soll man die Häuser mitten auf die Treppe stellen und an den anderen Gebäuden enden lassen...Wir können auch Häuser direkt auf die Kurt-Schumacher-Straße stellen und auf die Berliner Straße ... was kümmert uns der Verkehr :D

    Und dann wundert man sich, das sich einige die früher hier gepostet haben und wirklich gute, inhaltsreiche Beiträge verfassten zurückziehen....

  • Klar braucht man Idealismus Stauffer.... und man soll auch Träume haben, alles gut und richtig!

    Aber bei allen von Dir angesprochenen Projekten -und weiteren Projekten- standen größere Flächen zur Verfügung die gar nicht bebaut waren, oder mit öffentlichen Großbauten, welche zur Disposition standen... (dieses gilt für Frankfurt, Potsdam, Berlin, Dresden, Lübeck, oder auch jetzt aktuell für Duisburg).

    In Frankfurt sind diese Flächen nicht vorhanden, da die Chancen sich leider teils erst in jüngster Vergangenheit alle zerschlagen haben.

    Diese vertane Chancen ganz konkret:

    Hirschgraben, Romantikmuseum, Römerberg, Historisches Museum, Römerberg, 2.0 (zumindest zum Römerberg hin) Degussa-Areal, Bundesrechnungshof-Areal

    Weiterhin kam/kommt es eben zu den bereits angesprochenen "Lückenschließungen", z.B. Große Fischerstraße (Mäckler), jetzt aktuell Fahrgasse, die eine Grundrisswiederherstellung unmöglich machen.

    Es wird auch sicher nicht zu einem Flächenabriss -der großteils sanierten- 50iger Blockbebauung kommen. Für einen Politiker käme es einem politischen Selbstmord gleich dies zu fordern und wäre auch großen Teilen der Bevölkerung nicht zu vermitteln. Ich weiß beim besten Willen nicht wo da eben in größerem Rahmen angesetzt werden könnte.

    Meine ganz persönliche Hoffnung -und ich finde da bin ich schon sehr optimistisch :wink: :

    Rathausdächer-/Türme, Paulskirchen-Dach, Haus zum Kranich, Wiederherstellung der Dachlandschaften an der Braubachstraße, Bankhaus Bethmann, Goethemuseum, Salzhaus- und Haus Frauenstein und -trotz erfolgter Ablehnung- die Garküchen

    Ich würde wirklich wünschen mit meiner Einschätzung falsch zu liegen.... kannst Du mir glauben....

  • Volle Zustimmung Götzenhainer.


    Ich bleibe bei meinem Vorschlag oder Idee: Die einzige Freifläche die Sinn ergibt ist der Paulsplatz, also die fehlende Westzeile der Neuen Kräme. Kein Eingriff in bestehende Bebauung. Es täten Wohn- und Gewerbeflächen entstehen und mit einer „Alten Börse“ sogar eine 1aNutzfläche.Die Zeile täte die „Baulücke“ schließen und den alten Straßenverlauf wieder herstellen. Es könnte komplett von privaten Investoren gebaut werden. Sollte dann irgendwann die Sandhofpassage fällig werden, könnte man das Haus Braunfels als Ergänzung zur Westzeile Neue Kräme vorschlagen.

  • Beim Paulsplatz müsste man vermitteln, dass eine wiederaufgebaute Alte Börse den Platz nicht so verschattet. Eventuell aber könnten die beliebten Eissalon-Tische stehen bleiben, wenn man auf die südliche Anschlussbebauung verzichtet und die Börse als Solitär errichtet. Das wäre dann sicherlich vermittelbar. Zumal, wenn man die Bäume transloziert.
    Ansonsten volle Zustimmung, "Götzenhainer". Wir müssen Realisten bleiben. Deine Auflistung ist noch ausgesprochen optimistisch. Frankfurt ist stark verbaut. Es handelt sich nicht um einen freien Dresdner Neumarkt. Verbesserungen müssen punktuell gemacht werden und wenn dort ohnehin eine Veränderung ansteht.

    Diese vertane Chancen ganz konkret:

    Hirschgraben, Romantikmuseum, Römerberg, Historisches Museum, Römerberg, 2.0 (zumindest zum Römerberg hin) Degussa-Areal, Bundesrechnungshof-Areal

    In den letzten Jahren wurde fast überall von der Stadtplanung gegen mögliche Rekonstruktionen gearbeitet. Besonders im Gedächtnis ist mir die Auseinandersetzung um das neue Historische Museum. Auch damals waren dort Rekonstruktionen im Gespräch. Sie wurden verworfen zugusten des Lederer-Entwurfs, der allerdings immerhin eine Verbesserung gegenüber dem Vor-Zustand darstellt. Die Rathaustürme und die Garküchen halte ich derzeit für realistisch. Ansonsten ist das Augenmerk eben derzeit in andere Bereiche zu werfen, z.B. Schauspielhaus oder Dach-Rekos am Platz des Hauptbahnhofs.

    P.S.: Was wird denn in der Fahrgasse gerade gebaut?

  • Die zukünftige Hausnummer weiss ich noch gar nicht?!

    Der Neubau entsteht hinter der Ecke Braubachstrasse/Fahrgasse, rückwärtig an die "Hainerhof- NS-Bauten" von 1938 angrenzend....

    Nachtrag...Schock, schlimmer als erwartet, ich hab's gefunden...Braubachstr.7 a ....David Lauth Immobilien...da siehst Du das "Schmuckstück"

  • Ich setze mal einen Link zu diesem Meisterwerk der Baukunst. "Erfahrung trifft Kreativität", laut Baubeschreibung. Mit Flachdach, also mal Contra zu den Gestaltungsbemühungen der letzten Jahre im Altstadt-Bereich. Endlich mal Architektur im Altstadtbereich also, die weder rechtsradikal noch Disneyland ist...

    http://www.domblick-frankfurt.de/architektur.html

    Glücklicher- oder unglücklicherweise (wie man es will) liegt dieser Neubau im Innenhofbereich, ist offenbar von der Fahrgasse oder Braubachstraße aus nicht zu sehen. Wenn ich falsch liegen sollte, bitte korrigieren.

    Bisher gab es allerdings bei diesem Projekt noch kein Gemoser, dass dort nur "Wohnungen für Reiche" entstünden. Dabei liegen die Quadratmeterpreise ab 7132 Euro ein Stück über denen des DomRömer-Areals, die für 5000 bis 7000 Euro weggingen. 930.000 Euro für eine 3-Zimmer-Wohnung von 109 Quadratmetern. Frankfurter Preise mittlerweile. Dafür darf man sich über eine Sichtbeton-Säule mitten im Wohnzimmer freuen, was vielleicht lobende Erwähnung in Architektur-Zeitschriften zu Folge haben könnte.
    :zwinkern:

    Also, danke für den Hinweis. Das ist nicht nur in Frankfurt, sondern auch vielen anderen Städten die Realität. Bisher sind die Freunde von Rekonstruktionen und traditionellem Bauen in einer kleinen Minderheiten-Position im Apparat, der über das Aussehen unserer Städte entscheidet. Der Weg ist steinig. Mit Kuschelkurs wird er nicht zu meistern sein. Zugleich braucht es eben eines rationalen Blicks, um Chancen zu erkennen und darauf zu reagieren.

  • Passend zur Debatte um die Realisierungsmöglichkeiten von Wiederaufbauprojekten und Rekonstruktionsvorhaben schrieb ein Stuttgarter Architekt kürzlich auf FB in der Gruppe 'Historisches Stuttgart':

    Zitat

    Ein Wiederaufbau der historischen Rathausfassade am Marktplatz und des Turms ist baulich jederzeit machbar und finanzierbar. Einen Rekonstruktionsentwurf mit Neugestaltung des Marktplatzes und Kostenschätzung habe ich neulich an die Stadtverantwortlichen eingereicht...


    ...Als ich daselbige vor fast 40 Jahren für die Frankfurter Altstadt vorgeschlagen habe, haben auch die Hühner, nämlich auf dem ehemaligen Areal des Hühnermarkts, gelacht. Denn dort stand damals der "Betonklotz" Technisches Rathaus, den abzureißen und die Altstadt darauf wiederaufzubauen ich 1980 in einem Wettbewerb mich angemaßt hatte.

    "Ihr damaliger Vorschlag mag weitsichtig gewesen sein, aber er hat keinen Widerhall gefunden, weil es Ihnen nicht gelungen zu sein scheint, hierfür einen parlamentarische Mehrheit zu gewinnen", so schrieb mir das Planungsdezernat IV der Stadt Frankfurt vor wenigen Tagen.

    So ist das, wenn Architekten aus der Zeit fallen und zur Unzeit Rekonstruktionen und Wiederaufbau fordern, es findet keinen Widerhall. Und kommt am Ende doch so. Wenn sich in Stuttgart, wie in Frankfurt, engagierte Bürger finden, die solche konkreten Forderungen unterstützen, wird der Wiederaufbau des Rathauses von 1905 und anderer historischer Bauwerke kommen, andernfalls nicht.

  • Wieder mal ein sehr irritierender Artikel der Frankfurter Rundschau. Ein Interview mit dem vormaligen Reko-Skeptiker Dreysse, der nun einige wohlwollende Worte zur Altstadt findet und in bemerkenswerter Weise, die Moderne kritisiert "...Es gab immer wieder den Vorwurf: Ihr habt die Stadt mit Gebäuden verschandelt, die kalte Architektur sind. Das kann man nicht von der Hand weisen. Da ist etwas dran. Und es geht heute immer noch weiter."

    Wer jetzt denken würde, die FR würde in ihrer Headline den Text zusammenfassen, oder auf die überraschende Moderne-Kritik von Dreysse eingehen, der irrt sich natürlich mal wieder. Bei dieser Headline "Kulissenarchitektur für Touristenmassen" muss man sich Fragen, ob es vielleicht eher die Meinung des FR-Autors wiederspiegelt, der keine Gelegenheit auslässt, völlig überzogene Altstadt-Kritik zu leisten
    http://www.fr.de/frankfurt/neue…assen-a-1511556

    ...

  • Hab mich mal ein bisschen schlau gemacht was die Nutzung angeht:

    so langsam ziehen ja die ersten ein.
    Was mich besonders freut ist dass im Haus Schildknecht wohl eine Braugasthaus einziehen soll mit Bier und Apfelwein.
    Kann dann auf dem Hühnermarkt gut Bestuhlung vorstellen.
    Anders als in den Visualisierungen zieht die Gärtnerei wohl in die Braubachstraße und nicht ins Haus Melber ein.

    Hier nochmal die bisher bekannten Bezüge. Mittlerweile dürfte sich aber noch das eine oder andere verändert haben, da ja auch die Gaststätte noch nicht in der Liste aufgetaucht ist. Hinter dem Lämmchen fehlt ja auch noch bis auf eines und der Glauburger Hof dürfte auch noch Geschäfte bekommen. Insgesamt eine bunte Mischung wie ich finde. (Mir persönlich zu wenig alltagstaugliches)
    Markt 2: Modegeschäft
    Braubachstr. 23: Reformhaus
    Braubachstr. 23: Interieur-Artikel mit Schwerpunkt handgemachtes Keramikgeschirr
    Braubachstr. 25b: Friseur
    Braubachstr. 27: Juwelier
    Braubachstr. 29: Blumen
    Braubachstr. 29: Abendmode
    Markt 9/11 "Kleiner Vogelsang": Töpferei
    Markt 10 "Schönau": Modegeschäft
    Markt 14 "Neues Paradies": Juwelier
    Markt 15 "Neues rotes Haus": Metzgerei
    Markt 30 "Altes Kaufhaus": Drogerie
    Markt 30 "Altes Kaufhaus": Vegane Backwaren
    Markt 32 "Goldene Schachtel": Frankfurt-Laden
    Markt 34 "Alter Burggraf": Papierwaren
    Markt 36 "Goldenes Haupt": Porzellan
    Markt 38 "Stadt Mailand": Hutsalon
    Hinter dem Lämmchen 6: Bürgerberatung Frankfurt
    Markt 12 "Vorderer Schildknecht": Italienische Café-Bar
    Markt 13 "Grüne Linde": Vinothek, Weinbar
    Markt 22 "Goldene Schere": Kaffee-Rösterei
    Markt 24 "Eichhorn": Spielwarengeschäft
    Markt 28 "Würzgarten": Schmuck-Design
    Natürlich fehlen auf der Übersicht noch einige da ich widersprüchliche Artikel gefunden habe. Also mal abwarten.

  • ......, ob es vielleicht eher die Meinung des FR-Autors wiederspiegelt, der keine Gelegenheit auslässt, völlig überzogene Altstadt-Kritik zu leisten

    http://www.fr.de/frankfurt/neue…assen-a-1511556

    Also diesen FR Göpfert muss man sich wirklich nicht mehr antun.

    Ich habe heute mal einen kurzen Abstecher in die Altstadt gemacht. Ich habe den Eindruck das mit dem Ladenbau in den letzten Wochen überhaupt nicht weitergegangen ist, oder täusche ich mich?


  • Ich habe heute mal einen kurzen Abstecher in die Altstadt gemacht. Ich habe den Eindruck das mit dem Ladenbau in den letzten Wochen überhaupt nicht weitergegangen ist, oder täusche ich mich?

    Keine Panik. Die meisten Ladenbesitzer hatten den September als Eröffnungstermin anvisiert. Bis dahin wird alles fertig sein.

    ...

  • Hab auch letztes Wochenende meine Erstbegehung als Familienbesuch zelebriert. Es war dermaßen voll, dass man es kaum genießen konnte, bin aber dennoch im Endfazit total begeistert.
    Ein deutlicher Dämpfer für mein Empfinden war aber der kleine Platz vor der Goldenen Waage.
    Wie auch auf dem letzten Bild hier zu sehen ist er extrem schattig und wirkt dadurch noch kleiner. Das Stadthaus erdrückt ihn nahezu und auch die Goldene Waage hätte auf jeden Fall einen nicht so mächtigen Nachbarn verdient gehabt. Man hätte natürlich viel mehr Aufenthaltsqualität allein durch Sonneneinstrahlung erhalten können - bedenkt man den Archäologischen Garten wäre wohl lediglich ein Verzicht des ersten Giebelsegments des Stadthauses möglich gewesen.
    Die historische Bebauung ist dort natürlich nicht mehr rekonstruierbar wegen des Archäologischen Gartens, dennoch fühlt sich eben dieser Platz nun geradezu wie ein dunkles Loch an. Hoffentlich kann der Eindruck etwas reduziert werden wenn die Bestuhlung vor der Goldenen Waage gut besucht wird.

    Die anderen baulichen Kopfschüttler im Viertel wurden ja schon ausgiebig diskutiert, mir geht es in meiner Kritik vor allem aber auch um das Raumempfinden.

    Gefallen hat mir die Situation vor dem Steinernen Haus, denn wer die Ecke kennt hat das Gebäude immer wie eine Art "Endstation" der Altstadt gewirkt. Jetzt hat es Nachbarn bekommen - und wie ich finde hier sogar recht gelungen.
    Hühnermarkt: auch Klasse; Hinter dem Lämmchen: Man nimmt irgendwie bei der Begehung nur die Nordfassaden wahr - der Eindruck bleibt auch im Kopf "Was war da nochmal gegenüber? - war eh nicht so wichtig!"- Amüsant war eine fette Taube die sich zwischem modernen Aufbau und dem historischen Sandsteinportal hier ganz schön eingequetscht hatte.

    Absoluter Blickfang natürlich Rotes Haus mit Domturm hintendran - absolut 10/10 Punkten für dieses Kleinensemble.

    Jetzt aber wieder zu einer unerwarteten Enttäuschung:
    Der "Klane Grand Canyon". Auch hier wird wieder ein beengendes Gefühl (gerade bei viel Besuchern) erzeugt: Die künstliche Schlucht an der Schirn mit den gegenüberliegenden Neuinterpretationen und dem "in jeder Ecke des Viertels muss modernes dominieren"-schreienden Buntsandsteinpergola. Schmälert den Blick auf das Rote Haus. Wie ein Fotobombing beim Abschlussfoto. Auch die Brüstungsmauer war gefühlt viel zu hoch .

    Generell ist mir jetzt erst beim begehen Aufgefallen dass ein Altstadt-Gassen-Gefühl kaum aufkommen mag weil selten zwei Rekonstruktionen gegenüber voneinander stehen, .. und das konkurrierende Dreierlei linksseitig zwischen Hühnermarkt und Domvorplätzchen hat mir jetzt auch nicht (obwohl die Entwürfe auf den Papier und den Fotos ganz okay aussahen) zugesagt. Irgendwie wirr...

    Ich werde nach Einzug der Geschäfte hoffentlich nochmal aufs neue begeistert sein, denn meine Besichtigung hatte eher was museales. Jetzt will ich Leben In den Häusern sehen :)

  • Nochmal ein Beitrag zur Debatte (der Artikel ist hinter einer Bezahlschranke):

    Zitat von faz.net

    „Traumwelt“ oder „peinlich“?:
    So finden die Architekten die neue Frankfurter Altstadt
    Ist das Viertel „retro“ und Ausdruck einer reaktionären Haltung? Oder vielleicht einfach nur schön? Architekten sagen, was sie von der Frankfurter Altstadt halten.

    Mit zweierlei Maß

    Anfangs war ich ein Gegner der neuen Altstadt, sie schien als Projekt finanziell irrsinnig und von der früheren Oberbürgermeisterin Petra Roth nur aus Populismus aufgesetzt. Neugierig habe ich ihre Entwicklung beobachtet und mir schien, dass die Projektleitung und die Generalplaner Schneider + Schumacher vieles richtig gemacht haben. Gerade das Herzblut, das bei Hunderten Planern und Handwerkern geflossen ist, war überzeugend. Und das Ergebnis habe ich auf meinem täglichen Weg zum Schaumainkai zu allen Uhrzeiten durchschritten. Die Rekonstruktionen wirken zwar wie etwas frische Renovierungen, aber selbstverständlich.

    Die Neubauten sind teils herausragend, wie das kleine Haus Markt 10 von Morger Dettli, teils banal wie einige Nachbarbauten. Es ist besonders städtebaulich gelungen. Daher habe ich auch den Aufruf nicht unterschrieben, der zur Solidarität mit meinem Freund Stephan Trüby aufrief, nachdem sein F.A.Z.-Artikel so großen Protest entfachte. Er hatte Fans der Altstadt politische Naivität unterstellt, weil unter anderen ein Rechtsradikaler bei der politischen Entstehung beteiligt war. Leider wird in unserer Szene mit zweierlei Maß gemessen. Da werden nur politisch korrekte Rekonstruktionen der Moderne, wie der Barcelona-Pavillon von Mies van der Rohe akzeptiert.
    [...]

    http://www.faz.net/aktuell/rhein-…t-15612205.html

    Allerdings ist Markt 10 nicht von Morger Dettli sondern von Ey Architektur. Markt 30 ist von Morger Dettli ("Hundehütte").

    Auch im Ausland wird berichtet (wer des Italienischen mächtig ist, möchte bitte kurz den Tenor des Artikels beschreiben):

    Zitat von lastampa

    Così falso da sembrare autentico. Rinasce il centro di Francoforte
    Dopo otto anni di lavori inaugurata la ricostruzione del quartiere medievale della città

    [...]

    http://www.lastampa.it/2018/05/11/soc…jhI/pagina.html

  • Auch wenn ich vorerst keine klassischen Galerien mehr mache, möchte ich trotzdem etwas zur Frankfurter Altstadt sagen, die ich mir am Wochenende vor Ort angeschaut habe und wo ich die Chance nutzen möchte, in der Folge einige Bauten nach unterschiedlichen Kriterien zu besprechen, denn es gibt extrem viele Themen, die man anhand der neuen Frankfurter Altstadt erörtern kann und wo es sich lohnt, auch mal in die Details zu gehen.
    Zunächst möchte ich sagen, dass der Ansturm so extrem krass war, dass man kaum drei Schritte gehen konnte. Es war also grenzwertig voll. Und das, obwohl noch kein einziger Laden geöffnet hatte. Also allein dahingehend ist die Altstadt ein unglaublicher Erfolg. Egal ob alt oder jung, die Altstadt war von allen Gruppen sehr stark besucht und interessant war, den Menschen zuzuhören, denn eins habe ich so noch nie erlebt, es wurde diskutiert und diskutiert und das in fast alles Fällen überwältigt positiv, viele konnten es nicht glauben, was her entstanden ist. Es gab hier kaum jemanden, der nicht fotografiert hat und gerade viele junge Leute, denen man es optisch nicht zutraute, waren hier fleißig beschäftigt.
    Egal wie man zu dem Projekt steht, es hat auf jeden Fall eines erreicht, dass Leben in der Innenstadt ist und dass die Menschen darüber reden und sich für Architektur interessieren. Und das ist doch wunderbar. :thumbup:

    Ich habe dann einige Zeit damit verbracht, das neue Quartier, was doch irgendwie kleiner ist als gedacht, zu studieren und man kommt zu wie ich finde sehr differenzierten Ansichten. Das Projekt ist auch ideal, um an ihm und mit ihm weiter zu lernen.

    Als erstes möchte ich die meiner Meinung nach besten Rekonstrutionen im Quartier würdigen. Ich bin kein Fachwerkexperte und meine Bewertung richtet sich folglich nicht danach, ob jedes Detail am richtigen Platz ist, sondern wie der Bau auf mich wirkte und als wie authentisch ich ihn gefühlsmäßg wahrgenommen habe.

    1. Platz: Es wird niemanden überraschen, aber trotzdem sei es eindeutig ausgesprochen, die Goldene Waage ist der mit Abstand gelungenste Rekonstruktionsbau auf dem Areal. Die besondere Stellung, die der Bau bereits in der Vergangenheit hatte, wurde zum Glück mit so viel Liebe, Expertise und Sachverstand, aber auch mit einer ganzen Menge Geld so umgesetzt, dass der Bau bereits heute nicht als Rekonstruktion wirkt (was nicht bei jedem der Bauten so war), sondern als vollwertiges, authentisch wirkendes Zeugnis einmaliger Handwerkskunst.

    Ja, das Problem mit der Verschattung ist etwas ärgerlich und ich finde, bei allen Qualitäten des Stadthauses ist der Einschub zum Dom mehr als überflüssig gewesen, weil er die Goldene Waage so unnötig im Gefüge des neu entstandenen Platzes bedrängt. Trotzdem bleibt die Qualität dieses Baus und die ästhetische Würde gerade durch das nebeneinander der beiden Bauten unberührt.

    Die Baudetails sind magisch, ich kann mich nicht entsinnen, wann so etwas in dieser Qualität zuletzt gebaut wurde. Man muss hier auch Herr Jourdan ein riesiges Kompliment machen, der seiner Aufgabe so gut nachgekommen ist, dass man sich wünscht, dass diese Expertise nun weiter genutzt wird.



    Die Goldene Waage, die nun endlich wieder den Weg zurück in die Altstadt gefunden hat.


    Im Vergleich zu den zwei erhaltenen Fachwerkbauten am Römer lässt sich kein qualitativer Unterschied im Vergleich zur Goldenen Waage feststellen. Obwohl sie nagelneu ist, wirkt sie organisch und nicht übertrieben "korrekt". Man kann sich den Bau stundenlang anschauen und entdeckt trotzdem immer wieder Neues. Der Bau ist ein ästhetischer Hochgenuss. Man weiß nun, warum die Goldene Waage bereits vor dem Krieg zu DEN Fotomotiven der Mainmetropole zählte. Aus meiner Sicht die beste Reko im gesamten Areal!

    APH - am Puls der Zeit

    Einmal editiert, zuletzt von Apollo (29. Mai 2018 um 16:11)