Frankfurt a. M. - Altstadt - Dom-Römer-Areal

  • Ich habe da auch keine wirklich aktuellen Informationen. Der letzte Stand war, dass bei Rebstock die Fachwerkwände nicht Teil des statischen Systems sein werden. Ich kann es, wie gesagt, bei diesem einen Gebäude nachvollziehen.

    Bei allen anderen sehe ich Defizite bei der Originaltreue des Systems leider oft schon am Willen und an der spezifischen Fachkenntnis. Diese Detailfragen sind trotz meiner frühzeitigen Hinweise viel zu spät und von den Verantwortlichen leider auch ohne einen Funken Enthusiasmus angegangen worden. Beides (spezifische Fachkenntnis und Enthusiasmus) braucht man aber, um so eine Aufgabe wirklich meistern zu können. Da ist es manchmal auch finanziell kaum relevant, wenn man von vorne weg direkt gewisse Ziele definieren kann und diese auch bemüht verfolgt. Ich sage ja nicht, dass man jede moderne Ertüchtigung strikt ablehnen soll. Das wird in manchen Fällen vielleicht gar nicht anders gehen und sicherlich auch bei rücksichts- und qualitätvoller Ausführung hinnehmbar sein. Man hätte es aber wenigstens mal überprüfen sollen.

    Die Genauigkeit der Begriffe ist ja leider immer schwankend gewesen. Da bei der zuständigen Gesellschaft schon hochbezahlte Kräfte teilweise erschreckend wenig Sachkenntnis haben und sogar ziemlich plumpe Fehler bei der Interpretation ihrer eigenen Pläne machen, sollte man auch bei der gut informierten Zeitung fairerweise nicht jeden übernommenen Fachbegriff auf die Goldwaage (an der Höllgasse... :tongue: ) legen.

    Die Feder ist mächtiger als das Schwert...wenn das Schwert sehr stumpf ist und die Feder sehr spitz!

    -Terry Pratchett

  • Ganz vielen Dank für die Berichterstattung und die beiden Artikel. Die Bilder werde ich mir herunterladen und sie werden mich ein Leben lang begleiten.
    So sehr ich die Berichterstattung der Bildzeitung respektiere, habe ich doch so meine Problemchen mit deren typischen Schreibslang. Man spricht einen Hammel an. Warum kann man den Lesern nicht erklären, daß er eine Allegorie auf Abraham van Hamel ist und wieso wird der Bauherr und auch das Lebensgefühl der Renaissance nicht etwas mit in die Berichterstattung eingebunden? Die Leute sollten nachvollziehen können, was rekonstruiert wird und warum man es rekonstruiert.

  • Ich bin auch regelmäßiger "Bild online"-Leser, ich oute mich hier mal und stehe dazu, denn das ist ja nicht meine einzige Lektüre. Man kann also davon ausgehen, dass Leute, die einen Artikel wie den über die Goldene Waage lesen, über dergleichen informiert sein möchten. Volle Zustimmung Weingeist!

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Die Goldene Waage ist ja ein richtiges Schmuckstück. Aber umso
    hässlicher sind die beiden Nachbarn links und rechts. Warum kann man nicht ein mal
    ein paar schöne Häuser ohne moderne Zutat rekonstruieren. Ich glaube, weil die
    Goldene Waage so dermaßen schön ist, musste etwas sehr tristes und unschönes
    direkt daneben gebaut werden, damit der Gesamteindruck wieder nur mittelmäßig
    ist.

    In dem rekonstruierten Dom -Römerbereich wird man auch nach der Fertigstellung
    keinen Film drehen können, der in der Vorkriegszeit oder im Frankfurt der Jahrhundertwende spielt. Überall stehen
    diese vereinzelten "Kotzbrocken" rum, damit man ja nicht vergisst,
    dass wir in der Neuzeit leben.

    Seltsam. In Polen hatte man nicht solche Probleme, als die Stadtkerne fast
    lückenlos von Danzig, Warschau, Breslau usw. rekonstruiert wurden.

    Das mit der Moderne, die in keinem rekonstruierten Straßenzug fehlen darf, ist
    ein typisch Deutsches Problem...

  • Seltsam. In Polen hatte man nicht solche Probleme, als die Stadtkerne fast
    lückenlos von Danzig, Warschau, Breslau usw. rekonstruiert wurden.

    Na ja, die Warschauer Altstadt ist winzig und wurde zudem nach dem Krieg als nationales Symbol rekonstruiert. Der immer wieder bejubelte Wiederaufbau von Danzig ist auch nur eine vage Annäherung an den Vorkriegszustand, in weiten Teilen jedenfalls, aber dennoch toll. Breslau hat nie die totale Zerstörung von Danzig oder Warschau erfahren. Dennoch hätte ich mir im Dom-Römer-Bereich auch weniger moderne Provokation gewünscht. Dass Füllbauten kommen ist in Ordnung, aber manche sind regelrecht provozierend, wie die Häuser unmittelbar an der Goldenen Waage, da stimme ich voll zu.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Ja, das Projekt wäre wesentlich besser gelungen, wenn zwar nicht mehr Gebäude rekonstruiert, aber dafür ausschließlich die zurückhaltenden und angepassten Wettbewerbsbeiträge, die es ja in ausreichender Zahl gab, realisiert worden wären. Sechs oder sieben Füllbauten gegen andere prämierte Entwürfe ausgetauscht, und man hätte ein homogenes Ensemble geschaffen. So wie es jetzt ausgeführt (und dank Urheberrecht auch die nächsten 100 Jahre Bestand haben) wird, entsteht gewissermaßen ein schönes Gesicht mit ein paar hässlichen Pickeln.

  • Ein 2 Tage alter Artikel, den ich gefunden habe:
    http://www.fr-online.de/stadtentwicklu…6,29954496.html

    Darin ist von angeblich vielen ungelösten Problemen die Rede. Ob das Rundschau-Gestänker ist oder ob wirklich Planungsfehler vorliegen, vermag ich nicht zu beurteilen. So wird die zukünftige Verkehrsanbindung kritisch hinterfragt. Geradezu ärgerlich und ohne Mehrwert die Galerie "Virtueller Rundgang" die gezeigten Entwürfe sind nicht aktuell und warum immer wieder die Situation mit und ohne Stadthaus gezeigt wird wo da längst Fakten geschaffen sind, vermag ich auch nicht ganz zu verstehen.

    Herrlich auch mal wieder die Kommentare einer gewissen "EvaK" die wieder mal gebetsmühlenhaft von Kitsch und angeblichem Haß der Frankfurter auf die Altstadt sprechen (wohlgemerkt vor dem Krieg).

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

    Einmal editiert, zuletzt von Pfälzer Bub (26. Februar 2015 um 13:38)

  • Das ist leider mal wieder typisch Rundschau.
    Ich will nun wirklich nichts in Schutz nehmen. Es wurden gravierende Fehler gemacht, gerade auch bei den Fachwerkkonstruktionen und der Art und Weise, wie man die Rekonstruktionsfrage angegangen ist.
    Allerdings wurde in der Sitzung NIE von FACHWERK vor Stahlbetonwänden geredet. Es ging NUR um die Erdgeschosse und vorgeblendeten Sandstein.
    Die Rundschauberichte allgemein sind leider wieder vermehrt durchsetzt von Voreingenommeneinheit und sachlicher Unkenntnis (nicht nur bei der Altstadt oder Architektur, sondern leider fast durchgehend).

    Die Feder ist mächtiger als das Schwert...wenn das Schwert sehr stumpf ist und die Feder sehr spitz!

    -Terry Pratchett

  • Ist die "Rundschau" Meinungsbildner in Frankfurt? Ich hoffe doch nicht! Dann lieber "BILD dir deine Meinung", die berichten nämlich immer durchweg positiv, man kann sogar Stolz auf die Frankfurter Leistung aus den Zeilen lesen :biggrin:

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Echt? na ich bin kein Frankfurter. Die FAZ berichtet auch immer ausgewogener und die WELT regelrecht rekonstruktionsfreundlich. Die große Ära der linken Blätter scheint wirklich vorbei zu sein.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Die Frankfurter Rundschau meldete tatsächlich schon 2012 Insolvenz an und ist inzwischen nur noch mit einem Mini-Team für die regionale Berichterstattung im Einsatz - und im Übrigen inzwischen tatsächlich mit der früher eher konservativen FAZ verbandelt:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Frankfurter_Rundschau

    Insgesamt gesehen aber eines der unangenehmsten und unobjektivsten Presseerzeugnisse überhaupt.

  • Der FAZ-Artikel zur Goldenen Waage aus der letzten Woche ist inzwischen online:

    Die „Goldene Waage“ kommt aus Lemgo

    Zitat

    Allein für das sichtbare Fachwerk werden 40 Kubikmeter Eichenholz benötigt, das bis zu 500 Jahre alt ist. Das hänge mit der historischen Patina zusammen, damit das Haus nicht wie ein Nachbau, sondern wirklich wie ein altes Gebäude wirke, sagt Ebert. Außerdem verliere Holz in den ersten 100 Jahren an Feuchtigkeit. Dabei schrumpfe es. Bei Fachwerkhäusern entstünden dadurch Risse, nach einigen Jahrzehnten sei eine Renovierung des Baus nötig. „Daher stellen wir an die äußeren Balken besondere Anforderungen“, sagt Ebert. Die Goldene Waage wird nur im Erdgeschoss einen Betonkern haben. „Ab dem ersten Stock wird alles Fachwerk“, betont er. Die Balken müssten das Gebäude tragen. Das mache eine statische Prüfung notwendig.

    Wenn das Holz für das Projekt geeignet sei, schneiden und schleifen die Mitarbeiter es in Form. In der Werkhalle stecken sie die verschiedenen Teile dann zusammen. „Wir arbeiten fast nur mit Holznägeln und Zapfen“, sagt Ebert. Die ersten Fachwerkkonstruktionen stehen schon in der Halle, dreieinhalb Meter hoch. Im Juni nehmen die Mitarbeiter alles auseinander und fahren nach Frankfurt. Bis November sollen die Einzelteile wieder zusammengesteckt und mit Lehmziegeln vermauert werden. Im Inneren kommt lediglich eine Isolierschicht dazu, für die Wärmedämmung. Die Innenwände und die Decken fertigt das Unternehmen aus Nadelhölzern. Bei der Decke müsse man vom historischen Original aus Brandschutzgründen abweichen, das Holz werde mit Beton kombiniert.

  • Allein für das sichtbare Fachwerk werden 40 Kubikmeter Eichenholz benötigt, das bis zu 500 Jahre alt ist.


    Woher bekommt man denn 500 Jahre alte Eichenbalken außer durch den Abriss historischer Häuser? :wie:

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Ich denke mal dass es sich um geschlagene Bäume mit einem Alter von 500 Jahren handelt. Ich kann mir nicht vorstellen dass gebrauchte 500 Jahre alte Balken in der benötigten Art und Weise, bzw. Anfertigung vorausschauend eingelagert oder aufgehoben wurden. Doch auch "frisches" Holz sollte, wie im Artikel erwähnt, ausreichend gelagert worden sein. Risse im Holz sind aber normal und führen nicht gleich zu erneuter Renovierung.

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Ich verstehe den Text anders - und zwar tatsächlich so, dass man vor 100 bis 500 Jahren geschlagenes Holz verwenden will - erstens um die Setzrisse bei der 100-jährigen Entfeuchtung zu vermeiden und zweitens, damit das Haus sofort alt aussieht. Ich glaube nicht, dass das frisch geschlagene Holz eines 500-jährigen Baumes anders aussieht als das eines 100-jährigen und irgendeine Art "Patina" aufweist. Zudem kann man 500 Jahre alte Bäume/Eichen in Deutschland bestimmt lange suchen - mal davon abgesehen, ob man dafür überhaupt eine Fällgenehmigung bekommen würde. Solche Bäume stehen im Normalfall unter Naturschutz.

    Ich meine, ich hätte auch irgendwo schon einmal gehört, dass es tatsächlich einen Handel mit derart alten Hölzern aus Abrissgebäuden gibt, da diese wegen ihrer besonderen Eigenschaften sehr begehrt seien.
    Aber es wäre natürlich schlimm zu wissen, dass für die Rekonstruktion andernorts ein historisches Haus hat dran glauben müssen...

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Ich meine, ich hätte auch irgendwo schon einmal gehört, dass es tatsächlich einen Handel mit derart alten Hölzern aus Abrissgebäuden gibt

    Das gibt´s in der Tat. Wenn man unter dem Stichwort "historische Baustoffe" oder Ähnlichem "googelt" gelangt man zu den Seiten von Holzhändlern mit entsprechenden Angeboten.

    Ob die angebotenen Balken aus Abbrüchen stammen oder etwa bei Umbauten oder Sanierungen ausgebaut wurden ist dem natürlich nicht zu entnehmen.