Frankfurt a. M. - Altstadt - Dom-Römer-Areal

  • Vielleicht sind wir eines Tages so professionell, daß wir auch überall unsere Claqueure entsenden und Mehrheiten im Publikum beinflußen können.
    Ist zwar eine billige Schiene, die meiner Natur wiederstrebt, aber das scheint die einzige Sprache zu sein, die diese Mafia-Bünde verstehen.

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • Danke für den interessanten Bericht, Restitutor Orbis. Die Fronten zwischen Hornbrille-Rollkragen-Establishment und Bürgern scheinen sich ja eher zu verhärten.

  • Ach, und gerade fällt mir noch was ein:

    Schlossgespenst und ich waren danach noch mit Dominik Mangelmann, den Jungunionisten und einigen anderen einen trinken. Dominik hat erzählt, dass er der Architekt der Aschaffenburger Löwenapothekte auch noch gerne etwas gesagt hätte, aber nicht mehr drankam. Ihm (Dominik) gegenüber aber hätte er gemeint, dass sich hier in Frankfurt jetzt haargenau dieselbe Diskussion abspiele wie in den 90ern in Aschaffenburg beim Bau der Löwenapotheke.

    Dreysse hatte übrigens am Ende der Diskussion gemahnt, beide Seiten sollten offen sein für die Argumente der jeweiligen Gegenseite. Finde ich irgendwie lustig, denn sein Verhalten vorher ging eine ganz andere Richtung.

    Hübner hat mich nach der Veranstaltung nach meiner Telefonnummer gefragt (und ich habe sie ihm natürlich gegeben) und Schlossgespenst hat Dominik Mangelmann ins APH "eingeladen".

  • Danke, Restitutor.

    Zur Ergänzung:
    Mein Beitrag zielte auf die Aussage eines der "Experten", man müsse aufpassen, daß nach dem Abriß des TR nicht wieder eine kurzlebige Architektur komme, also etwas entstehe, was nach 30 Jahren keiner mehr haben will und dessen Abriß dann gefordert wird. Wir sollten uns und diese Versammlung einfach mal um 30 Jahre vorversetzt vorstellen (Zwischenruf eines älteren Herrn: "Dann leb' ich ja nicht mehr!" :zwinkern: ).

    Deshalb wies ich auf die Ostzeile hin, die seit über 20 Jahren am [lexicon='Römerberg'][/lexicon] steht und deren Abriß bestimmt niemand fordern wird. Resultat, wie schon erwähnt, ein Aufschrei des Widerspruchs, mit dem ich so nicht gerechnet hatte und ein dümmlicher Kommentar, der mich einen Moment aus der Fassung brachte. Ich habe dann der Expertenrunde noch vorgeworfen, daß sie den Vorschlag der Rekonstruktion mit einer unglaublichen Arroganz abschmettert (Applaus von etwa 15-20 Leuten) und außer "Blanker Populismus" überhaupt keine Argumente dagegen vorgebracht hat. Argumente gegen Rekos gab es nur aus den Reihen des Publikums, und die waren zum Teil akzeptabel, zum Teil eher lächerlich ("Die Ursache für die Zerstörung wurde bereits 1933 gesetzt, daher verbieten sich Rekonstruktionen ..."). Ein zweites Mal bekam ich das Mikro leider nicht mehr trotz Wortmeldung, weil die Veranstaltung dann beendet wurde.

    Ach ja, erwähnt werden sollte noch: Prof. Dreysse vom Städtebaubeirat, der so offen gegen Rekos plädiert hatte, sprach dann hinterher draußen vor der Tür in einem wesentlich kuscheligeren Ton mit Dominik Mangelmann. Er sagte, er habe dessen Diplomarbeit (also die Reko-Plänem, die Ihr aus dem DAF kennt) genau gelesen und habe damit aber noch ein Problem: Er wisse nicht, wohin die vorgeschriebenen Fluchtreppen sollten. Die Ostzeile habe nur deshalb gebaut werden können, weil die Fluchttreppen in den angrenzenden Anschlußbauten untergebracht wurden. Und Dominik erörterte das Problem und seine Lösung mit ihm, der interessiert schien.

    Seltsam, daß sich jemand, der öffentlich eine Reko in Bausch und Boge ablehnt, unter 4 Augen dann doch für solche Detailprobleme interessiert. Könnte Verwirr- und Hinhaltetaktik sein - oder er ist sich in Wahrheit gar nicht so sicher...

  • Vielen Dank für eure Beteiligung. Ich hoffe, dass ihr vielleicht ein klein wenig was bewirkt habt. Zumindest haben diese arroganten Herrn wohl mal gemerkt, dass Sachverstand und Argumente bei uns liegen.

  • Ich möchte euch für die Teilnahme und die Diskussionsbeiträge mein Lob aussprechen.

    Schade, daß wirkliche argumentative Auseinandersetzungen bei solchen Veranstaltungen kaum eine Chance haben, sondern hauptsächlich unter der Gürtellinie gegrölt wird. Da waren eure Beiträge ein echtes Highlight. Ich finde diese voreingenommene Rekonstruktionsfeindlichkeit reaktionär, ohne damit den Standpunkt der Gegenseite, ohne Rücksicht auf Vorbestehendes bauen zu dürfen, wie man will, grundsätzlich zu verneinen, aber das sollte doch dort stattfinden, wo es keinen kulturellen Schaden verursacht. Zudem zeigt sich hier doch eine Bankrotterklärung der modernen Architektur. Wahrscheinlich sind gerade die Rekogegner, die hier am lautesten brüllen, geil auf Altbauwohnungen.

    Zum Thema "modern bauen auf Ruinenerdgeschoß" möchte ich an das Nürnberger Pellerhaus erinnern, mit dem voreiligen, heute denkmalgeschützten 50er-Jahre-Aufbau. Obwohl jede Menge anderer Platz für Neubauten war, hat man den späteren Generationen ein Stück Hochkultur geraubt.

  • @ Schlossgespenst:

    Zitat

    Ich habe dann der Expertenrunde noch vorgeworfen, daß sie den Vorschlag der Rekonstruktion mit einer unglaublichen Arroganz abschmettern (Applaus von etwa 15-20 Leuten)

    Ich erinnere mich - ich glaube, das war der Zeitpunkt, als Dreysse sagte, er sei auch bereit, "Podiumsbeschimpfung" über sich ergehen zu lassen. :gg:

    @ baukunst-nbg:

    Zitat

    Wahrscheinlich sind gerade die Rekogegner, die hier am lautesten brüllen, geil auf Altbauwohnungen.

    Das erinnert mich daran, was einer der Teilnehmer anschließend in der Kneipe noch gesagt hatte: Er habe in seinem Bekanntenkreis haufenweise Architekten, die alle begeistert und kompromisslos modern bauen - aber auch alle in einem selbst sanierten Fachwerkhaus oder Gründerzeitler wohnen....

  • -

    Zitat

    ich glaube, das war der Zeitpunkt, als Dreysse sagte, er sei auch bereit, "Podiumsbeschimpfung" über sich ergehen zu lassen. :gg:

    Genau - dabei habe ich ihn keineswegs beschimpft, sondern nur darauf hingewiesen, daß ich die Argumente von Scheffler und Bartetzko ziemlich schwach finde. Das ist Kritik, da muß er durch.

    (Und bis dahin war auch wirklich nichts substantiiertes gekommen, nur das Schlagwort "Populismus", zu dem sich dann noch der "Disney" gesellte.)

  • Zitat

    Zum Thema "modern bauen auf Ruinenerdgeschoß" möchte ich an das Nürnberger Pellerhaus erinnern, mit dem voreiligen, heute denkmalgeschützten 50er-Jahre-Aufbau.

    Ich konnte den Gedanken von Bartetzko bis zu einem gewissen Grad durchaus was abgewinnen. Ich will es mal im Zusammenhang darstellen:

    Es gabe eine Wortmeldung von dem Denkmalpfleger Rusch, der neben dem dümmlichen Kostüm-Argument noch vorbrachte, man habe immer in der Geschichte, wenn eine Stadt zerstört wurde, modern wieder aufgebaut - modern in dem Sinne als das, was dann eben zu dem Zeitpunkt damals als modern galt.
    Dem hat Bartetzko widersprochen. Er sagt, man habe dabei aber auch immer - mit leichten Änderungen - den Stadtgrundriss gewahrt und Baumaterial der zerstörten Stadt weiter verwendet, auch vollständig erhaltene alte Bauelemente in die neuen Gebäude eingefügt. Aus dieser Argumentation heraus kommt Bartetzko auf "Modern bauen auf historischem Erdgeschoss".
    Bartetzko hat ja weitestgehend recht, bloß: Man hat aber auch immer versucht, bei einem solchen Vorgehen ein harmonisches Gebäude entstehen zu lassen. Aber seine Stahl/Glas-Vorstellungen auf Sandstein zielen nicht auf Harmonie, sondern auf Kontrast.

  • Es hat sich in den Architekturdebatten nichts verändert. Immer noch dieses überhebliche Getue, Disneyland-Argumente und Nazi-Keulen.
    Die brauchen ständig Gegenwind, bis er eines Tages Orkanstärke erreichen wird. :gg:

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • "So sei beispielsweise der Stadtkern von Breslau so rekonstruiert worden, dass er polnische Geschichte repräsentiere, d. h. um vorzugaukeln, Breslau sei von jeher eine polnische Stadt gewesen."

    Das mag auf Danzig zutreffen, aber bezogen auf Breslau ist es schlicht falsch - die Häuser am Ring hatten den Krieg weitestgehend überstanden und wurden auch weitgehend originalgetrau instandgesetzt.

    Außerdem verstehe ich den Sinn dieses "Arguments" nicht so recht - ähnlich wie Warschau als original polnische Stadt rekonstruiert wurde, soll jetzt ein kleiner Teil Frankfurts im originalen Stil rekonstruiert werden. Was soll also diese Bemerkung in diesem Kontext? Hier soll wohl kaum vorgegaukelt werden, daß Frankfurt eine andere Geschichte hatte als die eigene...

    "Hübner warf Dreysse vor, dies bewusst verschwiegen zu haben, um es so darzustellen, als hätten sich nur Nazis für die Altstadt interessiert und um so die Rekonstruktionsbefürworter zu diskreditieren."

    Wieder einmal typisch - wenn einem keine richtigen Argumente mehr einfallen, wird wieder einmal die NS-Zeit als "Argument" herangezogen, selbst wenn dieser Vorwurf objektiv falsch ist (nicht nur bezogen auf diesen Einzelfall, sondern auch generell mit Blick auf die groß angelegten Abrißpläne historischer Bausubstanz während der NS-Zeit zugunsten von Gauforen, Aufmarschstraßen, Monumentalgebäuden usw.).

    Ich würde mir dann aber auch wünschen, daß von den Leuten, die so argumentieren, konsequent auch alle anderen Initiativen abgelehnt werden, die nicht nur vermeintlich (wie die Rekonstruktionsthematik), sondern tatsächlich auf die NS-Zeit zurückgehen - vom Ehegattensplitting über die Kilometerpauschale bis hin zu den Steuerklassen I bis IV (aus der Reichsfinanzreform 1934) und den steuerfreien Zuschlägen für Nachtarbeit (1940 in der Rüstungsindustrie eingeführt) oder der Aufnahme der Rentner in die gesetzliche Krankenversicherung. Das müßte ja dann prinzipiell auch alles falsch sein, weil zur falschen Zeit eingeführt...

    Statt dessen pickt man sich wieder mal irgendeinen Einzelpunkt heraus, nur um Leute mit anderer Meinung zu diskreditieren...

  • ...und an diesem Tage trat ich ein in eine Geheimgesellschaft und siehe da, benebelt vom eigenen Rausche sprachen sie gar wunderlich Dinge über die Außenwelt.

    So kam mir das gestern vor...

    Hallo erstmal...und Danke für die massive Unterstützung!

    Ich bin Dominik Mangelmann und Student des Bauingenieurwesens, sowie persönlich sehr eingehend interessiert an historischen Bautechniken besonders des Mittelalters.

    Also kein Architekt. Bisher ist mir nur ein verschwindend geringer Prozentsatz dieser Berufsgruppe erschienen, welche ich als fachlich kompetent ansehen würde (doch es gibt sie!!!). Die große Vielzahl allerdings (bestätigte Vorurteile leider) sind meist vornehmlich schwarz angezogen, Rollkragenpulli, Schal locker um den Hals, schwarze Halbschuhe und fahren so in Begleitung ihres genauso gekleideten Praktikanten, welcher noch in einer Tasche oder Rolle, den (einen!) Plan, sowie ein Maßband hinterhertragen, mit dem BMW (hab nichts gegen diese Marke, ist halt so...) auf die Baustelle...
    ...wenn sie besonders wenig Autorität haben ziehen sie noch einen weißen Helm auf, welcher durch keinen Fleck/Kratzer in seinem gar himmlischen Glanze getrübt wird. Und fordern meist von dem Rest der Anwesenden, es ihnen aufgrund der Helmpflicht gleich zu tun, während sie selbst mit ihren Halbschuhen (durch das Glück des Einfältigen) gekommt die Bohlen mit herausstehenden Nägeln umtanzen.
    Wenn sie die Baustelle wieder verlassen und somit das Abhalten des Arbeiters von seiner Arbeit einstellen, geht ein Aufatmen, vielleicht in einer heiteren Atmosphäre auch mal ein Gelächter durch die Räume, die dann wieder von der Hand eines wirklich fachkompetenten Poliers gestaltet werden.

    Warum diese Zusammenfassung meiner Erfahrung?
    Gestern waren sie ALLE da!!!
    All die Künstler, die sich ein eigen Denkmal setzen wollen. Die ihre Vorväter übertrumpfen, die in die Geschichte eingehen wollen, als größte, wagemutigste, innovativste, anspruchvollste, schlicht genialste Baumeister ihrer Zeit! Ihre Namen sollen in einem Satz genannt werden mit Ramses und all den anderen, deren Bauten über Jahrtausende verehrt werden.

    Und wir?

    Wir nehmen ihnen durch unser einfältiges Verhalten, durch unseren mangelnden künstlerischen Intellekt den Platz, der Grundlage ihres Ruhmes werden soll.

    Und das ist meiner Meinung nach der wirkliche Grund, warum gestern wieder mit Halbwahrheiten, bis hin zu plumpen Falschbehauptungen und Beleidigungen gegen eine Rekonstruktion einer nach heutigem Verständnis voll nutzbaren, sicheren, bezahlbaren, gesunden und nicht zuletzt zeitlosen (weil inzwischen außerhalb der Zeit stehenden) Bauform gequakt wird (ich wollte eigentlich "argumentiert" schreiben, aber das hat man ja nicht).

    Eine Sache noch: Ich war persönlich auch sehr positiv überrascht vom Herrn Bartetzko, welcher sachlich argumentiert hat und eben auch falsche Aussagen der anderen Teilnehmer korrigiert.
    Das er die Rekostruktion ablehnt und Glas/Stahl bevorzugt, gebe ich mal als seinen persönlichen Geschmack hin und gestehe ihm dies dann auch zu. Das war eben eine Geschmacksfrage und darüber lässt sich schlecht streiten. Leider hat er den Disneylandvorwurf angeführt, welchen ich in seiner Beschreibung teile (aufgeklebte Fassaden, etc.), doch dies trifft für meine Planung auch gar nicht zu.
    Trotzdem, der Mann bei mir stark an Sympathie gewonnen. Obwohl er eine andere Ansicht vertritt als ich. Aber das macht wohl einen Demokraten aus.
    Manche der Architekten hatten ja da eher totalitäre Verhaltensweisen an den Tag gelegt, bis hin zur Absprache des Rechtes der Bevölkerung, in diesem Thema einen eigenen Beschluß zu erwirken (Herr Scheffler sagte das, von dem auch der "lupenreine Populismus" stammte).

    Bin jetzt erst mal bis Sonntag unterwegs, werde daher in dieser Zeit wohl nicht weiter kommentieren, mich aber danach wieder melden, bzw. Fragen gern beantworten und auch ein offenes Ohr für Anregungen/Kritik haben.

    Nochmals Danke für die Unterstützung...und wer kann, unterschreibt den Antrag zum Bürgerbegehren!

    Die Feder ist mächtiger als das Schwert...wenn das Schwert sehr stumpf ist und die Feder sehr spitz!

    -Terry Pratchett

  • Dein Beitrag gefällt mir! Kann man den Antrag zum Bürgerbegehen auch als Nicht-Frankfurter unterschreiben?

    Wenn du ein Haus baust, denke an die Stadt (Luigi Snozzi)

  • Willkommen im Forum, Kardinal! Schön, dass du ausser dem DAF jetzt auch uns gefunden hast (Vielleicht kannst du deine Pläne, die du dort veröffentlicht hast, hier noch mal kurz wiederholen?). Vielen Dank für deine Eindrücke. Leider kann man wohl als Nicht-Frankfurter bei dem Bürgerbegehren nicht mitmachen. Aber wenn ich demnächst mal wieder mehr Zeit hab, werd ich wohl noch nen paar Leserbriefe an Zeitungen verfassen.

  • Hallo Kardinal,

    schön, dass du jetzt auch hier bist. Ich würde bei späterer Gelegenheit auch gerne mal mit dir über die Bezeichnung Disneyland im Hinblick auf aufgeklebte Fassaden diskutieren.

    Jetzt muss ich euch aber erstmal von was anderem berichten. Ich erzählte das hier heute meinem Stiefvater:

    Zitat

    Ich schloss dann damit, dass ich ja kürzlich in Dresden war und dort nur begeisterte Menschen gesehen habe - daher ist die Diskrepanz in der Wahrnehmung der Laien und der Experten doch irgendwie erklärungsbedürftig. Vielleicht sollten sich die Experten angesichts dieser Tatsachen mal kritisch hinterfragen. Dreysses Antwort war, dass das die Laien vielleicht auch tun sollten.

    Mein Stiefvater brach in schallendes Gelächter aus und sagte: "Tja, offenbar haben wir Laien den falschen Geschmack. Die Experten sollten uns möglichst schnell umerziehen."

    Das erinnert mich daran, dass Bertolt Brecht ja der Regierung empfohlen hatte, sich ein neues Volk zu wählen. Das ist übertragbar: Vielleicht sollten gewisse Architekten sich auf Wanderschaft begeben, bis sie irgendwo eine Gesellschaft finden, wo ihre Vorstellungen mehrheitsfähig sind.

  • Herzlich willkommen im Forum, Kardinal.

    Ich habe ja bisweilen auch schon solche Veranstaltungen besucht (insbesondere die Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses betreffend) und es scheint doch immer wieder dasselbe Elend zu sein. Offensichtlich scheint eine niveauvolle Diskussion im gegebenen Rahmen unmöglich. Und offensichtlich finden sich dort auch immer wieder die selben Typen von Mensch ein, ganz gleich, ob auf dem Podium oder im Auditorium.

    Diese personale Tristesse spiegelt sich im Argumentativen. Neues? Fehlanzeige! Sachlichkeit? Wird nur bei den anderen gefordert! Anstand? Wird zu Hause gelassen! Und so geht es fort.

    Das einzige angebliche "Argument", das ich auf einer solchen Veranstaltung bislang noch nicht gehört habe, ist zugleich das abstruseste, nämlich die bereits widerlegte Kostümanalogie.

    Dann kommt immer in vorderster Front das Disneyland. Eine Worthülse par excellence. Weder definiert ein Redner, welche notwendigen Eigenschaften eine Disney-Architektur haben muss (Welche Verbindung besteht zwischen Fassade und Haus, welche nicht? Ist die Nutzung des Gebäudes beliebig? Muss eine Translokation stattfinden? Muss die Fassade stilistische Kriterien erfüllen (d.h. vorgehängte Glasfenster sind keine Kulisse)? Und tausend Dinge mehr...), noch wird erläutert, warum eine wie auch immer geartete solche nun eigentlich schlecht sein soll - worauf er hofft ist, dass der Gegenüber eine Per-Se-Schlechtigkeit akzeptiert und das "Argument" unreflektiert hinimmt.

    Was, erschreckenderweise immer wieder auch kommt, ist der ganze 3.-Reich-Käse. Wenn einem nichts mehr einfällt, dann konstruiert man irgendeinen Zusammenhang zwischen dem 3. Reich i.A. oder gezielter auf spezifische dort stattgefunde Verbrechen abgehoben, um damit einen scheinbar moralischen Vorteil zu erlangen und den anderen im Diskurs von der Rolle des Agierenden in die des Reagierenden zu drängen, muss er sich doch jetzt rechtfertigen und distanzieren, wobei sich der Angreifer in der Zwischenzeit nun zum einen neue Argumente ausdenken und zum anderen hoffen kann, dass sich der Angegriffene irgendwie verzettelt und damit der Diskurs vom Sachlichen ins Persönliche abdriftet.

    Auf ähnlich unterirdischem Niveau ist der Populismus-Vorwurf, geht er doch von der Prämisse aus, dass es kein Wert an sich ist, wenn eine Stadt ihren Bürgern, ein Haus den (meisten) Menschen gefällt, sondern dass ein Gefallen nur dann erlaubt ist, wenn das gefallende Produkt zufälligerweise auch Ergebnis der korrekten Ideologie resp. Mode ist. Ein anderweitiges Gefallen ist grundsätzlich abzulehnen.
    Dabei müsste ein Städtebau, der sich am Wohl der Bürger orientiert, doch im Gegenteil eigentlich immer Populismus in sich tragen.

    So könnte man endlos weitermachen. Immer wieder die gleiche Soße und man ermüdet quasi schon, bevor es überhaupt beginnt.

    Nun gut, wir, die wir uns nun schon seit Jahren immer mal wieder mit der Rekonstruktions-Problematik beschäftigen, wissen das ja alles, und wissen vor allem, dass weder Aufregung noch Resignation angebracht ist, sondern stetes Arbeiten für das, was richtig ist.
    Es geht nicht darum, Gott und die Welt zu rekonstruieren. Es kann aber auf Dauer auch nicht sein, dass sich ein kleiner, weltfremder, elitärer und hochgradig ideologisierter Zirkel immer wieder durchsetzt. Dieses Anti-Reko-Kartell muss man irgendwann mal durchbrechen.

    Es ist ja beinahe absurd, dass man immer wieder für jeden rekonstruierten Stein ewig kämpfen muss, das Ergebnis dann fast allen gefällt, und beim nächsten Vorhaben das gleiche Theater wieder von vorne losgeht.

    Wir brauchen eine solide ausgewogene Grundlage, auf der einerseits die Modernisten zu ihrem Recht kommen, ab und zu mal ihre Glas-Stahl-Sichtbeton-Bunker hinzuklotzen, und andererseits wichtige Gebäude und Ensembles, die wir verloren haben, wenn möglich Schritt für Schritt rekonstruiert werden.

    Das ist so trivial, dass man sich nur noch wundern kann.

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • @ Antiquitus:

    Zitat

    Was, erschreckenderweise immer wieder auch kommt, ist der ganze 3.-Reich-Käse. Wenn einem nichts mehr einfällt, dann konstruiert man irgendeinen Zusammenhang zwischen dem 3. Reich i.A. oder gezielter auf spezifische dort stattgefunde Verbrechen abgehoben, um damit einen scheinbar moralischen Vorteil zu erlangen und den anderen im Diskurs von der Rolle des Agierenden in die des Reagierenden zu drängen, muss er sich doch jetzt rechtfertigen und distanzieren, wobei sich der Angreifer in der Zwischenzeit nun zum einen neue Argumente ausdenken und zum anderen hoffen kann, dass sich der Angegriffene irgendwie verzettelt und damit der Diskurs vom Sachlichen ins Persönliche abdriftet.


    Ich muss zu dem Thema einfach mal eine Passage zitieren aus:

    Körner, Peter: Rekonstruktion - ein Tabu? In: Körner, Peter (Hrsg.): Die Löwenapotheke zu Aschaffenburg. Geschichte - Zerstörung - Rekonstruktion. Aschaffenburg 1996. S. 134-143.

    Hier das Zitat (S. 141f):


    Zitat

    Die frühere Enge der gewachsenen Städte war nun ideologisch verdächtig. Hier, in dumpfen und schlecht belichteten Quartieren, in alten und ungesunden Häusern soll der Ungeist seine Nahrung gefunden haben, der sich ohne Charakter und Widerspruch zu den Verbrechen des Dritten Reichs mißbrauchen ließ. Der Erfolg der Wirtschaft, der eine rationale Strategie unterstellt wurde, erhob die Funktionalität zum Vorbild. Die alten Gebäude, nicht zuletzt Fachwerk, konnten in diesem Sinne niemals als rationale Strukturen betrachtet werden, ob es sich um die Technik oder um die Kosten handelte.
    Erst die jüngere Architekturforschung der letzten Jahre hat dieses Selbstverständnis stark relativiert. Die Kontinuität von Architektur und Städtebau von der Vorkriegszeit bis in die fünfziger Jahre erweist sich als mächtiger als es bisher angenommen wurde. Die Zerstörung der deutschen Städte etwa wurde in Stäben von Hitlers Minister Albert Speer als Chance betrachtet, die notwendige Modernisierung und Aufweitung der Zentren in Angriff zu nehmen, nach ähnlichen Grundsätzen, wie sie nach dem Krieg wirksam wurden.

    D. h. die Tradionalisten und die Modernisten könnten sich nun gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben, wer der echte Nazi sei. Oder es aber lieber bleibenlassen und zu den Sachargumenten zurückkehren.

  • vielen dank für die vorigen,
    interessanten und inhaltsreichen beiträge.
    hier ist sehr gutes diskussionsmaterial
    zusammengekommen.

    merkwürdig (im eigentlichen sinn
    des wortes!) finde ich auch die
    auflistung von scheinargumenten
    der rekogegner und deren
    widerlegung, wie es antiquitus
    treffend herausstellt.

    tatsächlich fragt man
    nach den gründen, warum
    das ungleichgewicht zugunsten
    der modernisten ausfällt?

    die (noch) bestimmende
    lobby ist abhängig von
    der wirtschaft und ihrem
    geld, das sich in den
    'falschen' händen befindet.

    das sponsorenehepaar greve steckt
    beispielweise 30 mio euro in den bau
    der mit 186 mio euro veranschlagten
    elbphilharmonie in der hafencity hamburg,
    der senat beteilgt sich mit 77 mio euro
    und der restbetrag wird durch
    investorengelder abgedeckt .

    noch bestimmt eine modernistisch
    verkrustete, aber ökonomisch starke
    elite die einseitige ausrichtung.
    aber mit größeren rekoprojekten,
    die überzeugen, beginnt dieser elitäre
    haufen vermutlich zu schrumpfen.
    und davor haben die modernisten
    angst, was man daran erkennt mit
    welchen 'mitteln' sie um sich schlagen.

  • Zitat von "baukunst-nbg"

    Zum Thema "modern bauen auf Ruinenerdgeschoß" möchte ich an das Nürnberger Pellerhaus erinnern, mit dem voreiligen, heute denkmalgeschützten 50er-Jahre-Aufbau. Obwohl jede Menge anderer Platz für Neubauten war, hat man den späteren Generationen ein Stück Hochkultur geraubt.


    Ich denke, Bartetzko selbst denkt dabei an das Pellerhaus. Vgl. FAZ vom 30.12.1999, Das Wunder von Nürnberg. Auferstanden aus Ruinen: Ein Jahrhundertbauwerk Deutschlands - das verkannte und vergessene Pellerhaus von Dieter Bartetzko. Er macht sich darin übrigens keine Illusionen über die Meinung der Bürger:

    Zitat

    Die Nürnberger haben das wieder aufgebaute Pellerhaus gehasst, heute ignorieren sie es.