Frankfurt a. M. - Altstadt - Dom-Römer-Areal

  • Der Fairness halber zum Jetzt-Gebauten möchte ich noch eine Innenaufnahme der ursprünglichen Stuckdecke hier gegenüberstellen (Fotografie von C. F. Mylius oder Carl Abt um 1900 aus dem sehr lesenswerten Wikipedia-Artikel:(
    https://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…ger-Inneres.jpg
    Auch sie besass keine speziellen Randabschlüsse, und der Unterzug war ebenfalls ohne jegliches Profil versehen. Wenn ich die Fotografie interpretiere, deutet nichts darauf hin, dass in früherer Zeit solche bestanden und später entfernt wurden. Mein Schluss (wie so oft): auch früher war nicht alles perfekt!

    Ich frage mich aber, ob solch minimalen Verbesserungen bei einer Rekonstruktion nicht zulässig wären; ich denke schon. Weiter kann man dann aber einwenden, dass man die spätgotischen Knaggen geradeso gut auch weglassen könnte, weil sie das Bild der Decke stören. Hier sage ich aber entschieden 'nein', weil sie für die Statik der ursprünglichen Fachwerkkonstruktion aus dem 15./16. Jahrhundert notwendig sind und zum Kernbestand gehören. Aber um das barocke Bild nicht zu beeinträchtigen, hätten sie unbedingt weiss angestrichen oder mit einem Gipsüberzug versehen werden müssen. Ich finde, dass gerade solche spitzfindigen Diskussionen das Wesen einer Rekonstruktion spannend machen!

    @Heimdall
    Die grün leuchtenden Notausgangsleuchten müssen zwingend bei den Ausgangstüren angeordnet sein! In einem Brandfall oder Stromausfall bei Dunkelheit dienen sie zur Kennzeichnung des ganzen Fluchtwegs bis zum unmittelbaren Ausgang; nicht nur im Hausinnern. Nur ist ihre Position direkt unterhalb der Decke ästhetisch und von der Funktionalität her nicht richtig. In der Anfangsphase eines Brandes sammelt sich der Rauch zuerst direkt unterhalb der Decke an, und nicht gleichmässig im Raum verteilt. Von daher wäre die korrekte Platzierung auf der Fläche zwischen den Türen und Oblichtern, also in der Zone unterhalb der ersten Rauchentwicklung. So hätte man also zwei Fliegen auf einen Strecih geschlagen. Und in Panik sind die Augen sicher nicht nach oben gerichtet, sondern geradeaus oder auf den Boden.

    Ein bisschen off-topic: der rote Feueralarmkasten ist falsch platziert. Wenn nur schon eine der Türen offen steht, ist er nicht mehr leicht auffind- und bedienbar. Also ein grober Fehler! Steckdosen: man kann nie genug davon haben, aber man kann es auch übertreiben. Jedenfalls gehören solche dorthin, wo sie auch gebraucht werden, also sicher nicht neben den Türen. Funktionell sind sie in den Raumecken und an den Seitenwänden am besten angeordnet, wo sie dem Besucher zudem nicht so ins Auge stechen. Deckenspots: ich hasse sie, weil es überall Punkte gibt, wo sie einem in die Augen blenden! Weshalb nicht eine dezente indirekte Raumbeleuchtung an den Seitenwänden? Und brennt eine solche nicht den ganzen Tag über, sodass keine Bewegungsmelder notwendig sind? Energiesparlampen sind zudem erst dann energiesparend, wenn sie nicht dauernd ein- und ausgeschaltet werden.

    Ich schreibe hier ein bisschen aus der Praxis, denn mit dieser Thematik beschäftigt sich der Verantwortliche der Behördenaufsicht und der Elektro-Planer. Beide haben aus Erfahrung kein ästhetisches Verständnis; mit ersterem kann man im allgemeinen gut diskutieren, und der zweite hat sich einfach zu fügen, weshalb ich die Primärplanung (vor allem die Platzierung) gerne selber in die Hand nehme und mich nicht nur mit den alten Holzbalken beschäftige.

    Einmal editiert, zuletzt von Riegel (12. Oktober 2019 um 12:46)

  • Vielen Dank, "Riegel".

    Dass die Stuckdecke auch im Original so "fehlerhaft" war, wusste ich bislang nicht. Hier hätte ich gegen eine leichte "Verschönerung" nichts einzuwenden gehabt.

    Bezüglich der Notausgangsleuchten ist mir schon klar, dass das Vorschrift ist (die falsche Platzierung mal außer Acht gelassen), dennoch finde ich, dass man es hierzulande mit den Vorschriften teils übertreibt. Eventuell könnten zumindest dezenter gestaltete Leuchten entwickelt werden, die auch in historische Gebäude passen.
    Wie wäre es zum Beispiel, wenn man von der Norm abweichen könnte und den grünen Leuchten eine historisch anmutene Einfassung geben würde? (Z.B. in Form einer alten Zuglaterne oder einer Kutscherleuchte oder einer historischen Wandleuchte, hinter deren Glas es ja grün mit dem Strichmännchen leuchten könnte?

    Bei den Steckdosen bin ich, wie gesagt, etwas toleranter. Ich weiß nicht, was die dort mit dem Raum im Konkreten konzeptionell vorhaben. Insofern könnte es auch nutzerspezifische Gründe haben, dass die Dosen so platziert wurden. Schließlich wollen die keinen Verlängerungskabel-Salat über dem Fußboden haben.

  • Ich finde auch, dass der Innenraum und besonders die Stuckdecke im neuen Haus zum Esslinger in dieser Form sehr puppenstubig und unvorteilhaft wirkt. Es sieht auf den ersten Blick für mich sogar so aus, als wäre die Decke aus Kunststoff und irgendwie angepappt! Da würde mir im Innenraum eine schlichte moderne Gestaltung ohne Stilbrüche, aber in edlen Materialien besser gefallen.

  • Ich habe mir, seit ich in Frankfurt gewesen bin, meine Gedanken dazu gemacht: Disneyworld! Was ist Disneyworld? Disneyworld ist eine Fantasiewelt; es ist Goofy, Donald Duck, Schneewitchen und Dornröschen, also eine Welt die nie existiert hat. Ist dann das Berliner Schloss Disneyworld? Oder die Alte Waage in Braunschweig, oder die Löwenapotheke in Aschaffenburg, oder das Dom/Römer Areal in Frankfurt? Wenn eine Stadt ihr Gesicht wiederbekommt, ist das dann Disneyworld?
    Als ich vor etwa fünf Wochen in Frankfurt war, war ich von meiner eigenen Reaktion stark irritiert. Als ich durch die neue Frankfurter Altstadt flanierte und mir die (teilweise) liebevoll entworfenen Häuser mir ansah, war in mir drin etwas das sagte: sowas macht man doch nicht! Und da konnte ich auf einmal die Argumentation Disneyworld nachvollziehen und ich kann euch auch sagen warum: ein 1:1 rekonstruiertes "Neues Rotes Haus" in Kombination mit dem geleckten "Haus zur Goldenen Waage" mit dem bezaubernden "Haus Esslinger" oder "Haus Würzgarten" reichen nicht. Es ist die extrem dürftige Rekonstruktion des Hühnermarktes nach Norden, also die Ecksituation rechts neben "Haus Esslinger", also die kleinteiligen Neubauten die nur angelehnt ihre historischen Vorbilder entsprechen die alles zunichte machen, also zur Disneyworld.
    Wenn ich vor der rekonstruierten Ostzeile des Römerberges stehe und mir das Haus "Großer Engel" ansehe, dann IST das für mich das Haus "Großer Engel". Es ist zwar gut vierzig Jahre nicht da gewesen, aber jetzt steht es wieder dort, als ob nichts gewesen wäre, es IST das Haus "Großer Engel". Und ich kann euch auch sagen warum: es ist GUT gemacht, die komplette Ostzeile einschließlich "Schwarzer Stern" ist so dermaßen liebevoll geplant und gebaut worden, dass es einfach nur überzeugen kann (trotz übertriebener Fachwerkkonstruktion).
    Und das hat das Dom/Römer Areal leider nicht.
    Was hinzu kommt, ist dass die Ostzeile mittlerweile fast vierzig Jahre alt ist, das Fachwerk wird schief, die Fassaden setzen Patina an, es hat schon mehrere Sanierungen gegeben. Wenn die neue Frankfurter Altstadt vierzig Jahre alt wird (werde ich bestimmt nicht mehr erleben) wird sie auch Patina ansetzen und dann auch überzeugen.
    Die neue Frankfurter Altstadt ist am Anfang, im Laufe der Zeit werden hoffentlich weitere Rekonstruktionen hinzukommen und somit die kleinteiligen Neubauten ablösen und dann wird auch sie ihr Disney World Image ablegen.

    Heilen ist besser als Wunden offenhalten!

  • Ich halte nichts von dem Begriff Disneyland oder Disneyworld. Das ist modernistisches "hate speech". Gleichwohl hast du richtig erkannt, dass das Dom-Römer-Areal eben ein Kompromiss ist. Eine 100%-ige Rekonstruktion war politisch nicht durchsetzbar. Was heute steht, ist schon mehr, als es sich die Anhänger der Rekonstruktion am Anfang erträumt haben. Ich gebe Dir recht, dass das Viertel noch etwas steril wirkt. Es hat einen gewissen Neubaucharakter. Nicht unerheblich liegt das auch an dem unglücklich gewählten Straßenpflaster.
    Hier siehst Du das Kopfsteinpflaster am Römerberg (mit der Gedenktafel für die Bücherverbrennung): https://images.app.goo.gl/QToiE1bX67ka5KSL7
    Hier erkennst Du vielleicht das sehr viel glatter wirkende Pflaster des Dom-Römer-Areals:
    https://images.app.goo.gl/ruWm9jn5CC1SqQFW6
    Dieser Bodenbelag vermittelt einen gewissen künstlichen Eindruck.
    Ich denke aber auch, dass mit der Patina der Neubaucharakter langsam etwas verschwindet. Mit der Zeit dürfte es dann wie ein Altstadtareal wirken, in dem im Laufe der Zeit (Kriegs-)Lücken eben mit Neubauten gefüllt worden sind.

  • Da kann man nur sagen, unterschätzt nicht die Wirkung von Pflastersteinen. In der Tat, wurde leider beim DomRömer-Projekt ein zu glatter und heller Pflasterstein verlegt, der eine gewisse Künstlichkeit erzeugt. In Berlin-Mitte wurde in den letzen Jahren bei einigen stimmigen Straßen die Pflastersteine mit einer glatten Teerschicht überzogen. Die Anmutung in diesen Straßen hat sich drastisch verschlechtert.

    ...

  • Ich halte nichts von dem Begriff Disneyland oder Disneyworld. Das ist modernistisches "hate speech". Gleichwohl hast du richtig erkannt, dass das Dom-Römer-Areal eben ein Kompromiss ist. Eine 100%-ige Rekonstruktion war politisch nicht durchsetzbar. Was heute steht, ist schon mehr, als es sich die Anhänger der Rekonstruktion am Anfang erträumt haben. Ich gebe Dir recht, dass das Viertel noch etwas steril wirkt. Es hat einen gewissen Neubaucharakter. Nicht unerheblich liegt das auch an dem unglücklich gewählten Straßenpflaster.
    Hier siehst Du das Kopfsteinpflaster am Römerberg (mit der Gedenktafel für die Bücherverbrennung): https://images.app.goo.gl/QToiE1bX67ka5KSL7
    Hier erkennst Du vielleicht das sehr viel glatter wirkende Pflaster des Dom-Römer-Areals:
    https://images.app.goo.gl/ruWm9jn5CC1SqQFW6
    Dieser Bodenbelag vermittelt einen gewissen künstlichen Eindruck.
    Ich denke aber auch, dass mit der Patina der Neubaucharakter langsam etwas verschwindet. Mit der Zeit dürfte es dann wie ein Altstadtareal wirken, in dem im Laufe der Zeit (Kriegs-)Lücken eben mit Neubauten gefüllt worden sind.

    Ich halte auch nichts von dem nur negativ konnotierten Plattmacher-Begriff "Disneyland", aber ich finde genauso wie Olympic 1911, dass die Anfang der 1980er Jahre rekonstruierte Ostzeile des Römerbergs authentischeres Altstadtflair vermittelt als die "Neue Altstadt", auch weil sämtliche Häuser Rekonstruktionen sind und die äußere Anmutung der einzelnen Häuser in schlichteren Farben dezenter wirkt. Die beste Rekonstruktion in Fankfurt insgesamt - innen wie außen - bleibt aber meiner Überzeugung nach das Goethehaus im Hirschgraben, das ich vor kurzem besichtigen konnte.

  • Straßennamen

    Hat es eigentlich in Frankfurt bei der Neuanlage des Dom-Römer-Areals nach dem Abriß des technischen Rathauses auch eine Straßennamendebatte gegeben? Die alten Straßen wurden ja neu angelegt und man hätte sie auch nach völlig neuen Namen benennen können ...

  • Nein. Jedenfalls ist mir solches nicht bekannt.

    Es wäre auch ausgesprochen albern gewesen. Das aktuelle Potsdamer Beispiel ist deshalb schon recht befremdlich und abschreckend.

  • Heimdall, bist Du Frankfurter? Daß es Dir nicht bekannt ist ist für Dritte keine nenneswerte Information und war auch nicht die Frage. Dass Du es für albern hälst macht mich auch nicht klüger, die Frage war ja ob es darüber auch in Frankfurt eine Diskussion gegeben hat.

  • Ich habe eine Antwort gegeben.

    Ich lasse mich aber nicht insoweit festnageln, dass mir irgendjemand vorwerfen könnte, hier "Fake News" zu verbreiten. Vielleicht hat es in irgendeiner Sitzung des Dom-Römer-Ausschusses, an der ich nicht anwesend war, wirklich einmal eine Diskussion über Straßennamen gegeben. Mir ist das aber nicht bekannt. Ich habe nie erlebt, dass die Benennung der neuen Gassen nach den alten Namen jemals in Frage gestellt worden wäre.

    Soweit von mir. Ansonsten musst Du auf jemand anderen warten. Vielleicht antwortet ja ein freundlicher Forums-Kollege mit mehr Informationen.

    Wenn nicht, bleibt Dir die Möglichkeit, direkt bei der DomRömer GmbH nachzufragen: https://www.domroemer.de/kontakt

  • Ich habe das ganze Projekt von Anfang an aufmerksam mitverfolgt, auch aktiv. Mir ist aber nie was zu Ohren gekommen, dass man jemals über die Namensgebung der neuen Gassen diskutiert hat. Ich hatte immer den Eindruck, dass von Anfang an die historischen Namen wie selbstverständlich waren. In allen Berichten und Visualisierungen wurde immer vom Alten Markt, Hinter dem Lämmchen und dem Hühnermarkt gesprochen. In den Projektwettbewerben für die einzelnen Häuser trugen diese immer diese Adressen.

    Ich kann mir höchstens vorstellen, dass vielleicht Vorschläge von einzelnen Personen kamen, die Strassen anders zu benennen. Falls ja, dann sind solche wohl im Sande verlaufen und nie ernsthaft diskutiert worden.

  • Potsdam hat sowieso ein besondere Verhältnis zu seinen Rekonstruktionen. Die Benennung von Straßen mit Namen von SED Mitgliedern sagt da alles. Aus Frankfurt ist mir so etwas nicht bekannt. Im Gegenteil, die alten Straßennamen und Häusernamen wurden propagiert, weil mit ihnen die Altstadt, ihre Straßen und Plätze fest verbunden sind.
    Der Hühnermarkt weckt bei den Frankfurtern ähnlich starke Assoziationen wie etwa der Römerberg.

  • Dass es in Hessen auch anders geht zeigt unter anderem der Steinweg in Marburg, der Anfang des Straßenzugs zwischen Elisabethkirche und Oberstadt. Da kommt auch keine Feuerwehr mehr durch, aber trotzdem dürfen Tische, Stühle und Schirme ganztags draussen bleiben.
    Wirklich, ein Schelm der dabei Böses denkt. :kopfschuetteln:

  • Der in Frankfurt neuerbaute Gebäudekomplex zwischen Dom und Römer sieht zwar aus wie eine Altstadt, ist aber baurechtlich gesehen ein Neubau. Damit genießt er auch nicht dieselben Bestandsschutzrechte wie "echte" Altstädte. Daher ist es wohlfeil, Frankfurt mit solchen "echten" Altstädten zu vergleichen...
    Mir kommt es vor, als hätten wir all das schon mal gehabt...