Dresden, Neumarkt - Allgemeines

  • Das ist ziemlich interessant, weil man genau die weiter oben schon diskutierten Effekte beobachten kann. So ist die Eremitage, also der Winterpalast in St. Petersburg zwischenzeitlich Grün, weil offenbar ein Azuritpigment verwendet wurde, dagegen das Türkisblau des Katharinenpalast sehr wahrscheinlich auf Cobaltbasis erstellt wurde.

    Oh, da bist du ja schön reingefallen.

    Denn das hier

    Alle Rastrellibauten in Russland sind blau.

    war Quatsch mit Soße.

    Weder sind alle meine Bauten blau, noch sind alle blauen Bauten im Stile des russischen Barock von mir. Das Winterpalais erhielt den grünen Anstrich erst im 20. Jahrhundert. In der späten Zarenzeit war seine Grundfarbe Rot. Ursprünglich, im 18. Jahrhundert, hatte das Winterpalais einen gelben Anstrich. Ton in Ton, in Anlehnung an Versailles.

    Fassadenanstriche halten nicht ewig. Und eine ausgeblichene Fassade sieht in jedem Falle unansehnlich aus. Allein daraus hätte man schließen können, dass die derzeitige Farbe des Winterpalais nicht durch Alterung des Anstrichs zustande gekommen sein kann.

  • Zumindest wäre der Effekt verbessert. Denn eigentlich bedarf es noch einer plastischen Modellierung der Füllung, durch welche die Rocaille mit dem Wandspiegel erst richtig verbunden wird.

    Interessant, was du schreibst. Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht. Das wird aber wohl heute niemand mehr machen....

    Ob es nicht ausreichen würde, einfach das Innere der Rocaillen nicht wandfarben (bläulich oder rosé oder wie auch immer) zu streichen, sondern rocaillefarben zu belassen?

    Die gesamte Farbabwicklung der historischen Häuser im Q 1 geht auf einen kolorierten Kupferstich aus der Zeit um 1820 zurück.

  • Jedenfalls bleibt es beim Katharinenpalast und bei Dürnstein.

    Zitat:

    "Bei der Restaurierung in den 1980er-Jahren stieß man auf eine blaue Färbelung. Aufgrund der zahlreichen Rechnungen unter Propst Hieronymus über smalte-blaue Farbstoffe wird angenommen, dass der Turm der Stiftskirche zu der Zeit diese Farbe bekam. Daher entschloss man sich, dem Kirchturm diese als ursprünglich angesehene Farbe zu geben."

    Quelle: Stift Dürnstein – Wikipedia


  • Das Problem mit Berliner Blau ist, dass es ein organisches Pigment ist. Dazu nicht alkalisch stabil, sprich jeder Kalkputz wäre ein Problem. Daher nahm ich an, dass dieses nicht zur Fassadenfärbung dienen kann.

    Es kann natürlich sein, dass immer wieder darübergestrichen wurde. Aber Smalte scheint mir grundsätzlich auch das Naheliegendste.

  • Der "blaue Turm" in Dürnstein ist so eine Sache...

    Zitat von Wiki

    Bei der Restaurierung in den 1980er-Jahren stieß man auf eine blaue Färbelung. Aufgrund der zahlreichen Rechnungen unter Propst Hieronymus über smalte-blaue Farbstoffe wird angenommen, dass der Turm der Stiftskirche zu der Zeit diese Farbe bekam. Daher entschloss man sich, dem Kirchturm diese als ursprünglich angesehene Farbe zu geben. Zur Zeit der Restaurierung war die Farbgebung stark umstritten. Erst in den Folgejahren entwickelte sich der Turm in dieser Farbe zu einem Wahrzeichen in der Wachau.[3] Durch die markanten Farben und das Material, das ihn keramisch wirken lässt, wird er als Architektursignal in der Landschaft wahrgenommen.

    Das ist eher euphemistisch formuliert. Dieses intensive Blau ist wirklich als extrem unpassend, aufdringlich und kitschig empfunden worden, überhaupt nach der Fertigstellung.

    mir kommt er bis heute unpassend vor. Bei alten Bildern wird einem weh ums Herz:

    Turm Dürnstein: Einst Streitobjekt, jetzt Wahrzeichen - noe.ORF.at


    Turm Dürnstein: Einst Streitobjekt, jetzt Wahrzeichen - noe.ORF.at

    So ein Quatsch auch. Der Turm war immer Wahrzeichen, egal in welcher Farbe. Architektonisch anspruchsvolle Bauten bedürfen keiner aufdringlichen Färbelung, die zerstört nur viel.

    Mit Blau muss man überhaupt sehr aufpassen. Eines der wenigen schönen Beispiele findet sich am Neutitscheiner Ring:

    article preview

    Nový Jičín

    Was rekonstruierte Häuser betrifft, so würde ich von dieser riskanten Farbe entschieden abraten .

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Es gab im 18. Jh. tatsächlich Farbgebungen, die für uns sehr gewöhnungsbedürftig sind, weil unsere Wahrnehmung eben doch noch stark durch das ausgehende 19. Jh. geprägt ist. Dürnstein ist ja nicht das einzige Beispiel, es lassen sich auch Melk, die Trierer Residenz, das Rastatter Schloss und das Berliner Zeughaus anführen. Manche Farbfassungen wurden v.a. in den 1970er Jahren zu knallig restauriert und gerade das obere Beispiel finde ich auch etwas krass. Dürnstein dagegen hat mich begeistert, weil die Barockbaumeister ja wirklich Keramik oder Porzellan imitiert haben und die Formensprache so viel nachvollziehbarer wirkt. In diesem Sinne hätte ich auch nichts gegen eine entsprechende Farbfassung des Dresdner Zwingers :).

    Ein weiterer Aspekt ist freilich der Ensemblegedanke. Irgendwie müssen barocke Fassaden sich auch in den Kontext einfügen, in Dresden z.B. in die Nachbarschaft der Alten Wache, der Semperoper und des Schlosses.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Es gab im 18. Jh. tatsächlich Farbgebungen, die für uns sehr gewöhnungsbedürftig sind, weil unsere Wahrnehmung eben doch noch stark durch das ausgehende 19. Jh. geprägt ist.

    Wie unterschiedlich die Wahrnehmung auch sein kann zeigt sich im Extrembeispiel, dass Jäger- und Sammlerkulturen keine Differenzierung zwischen Blau und Grün häufig kennen bzw. mitunter sogar vollkommen die Begrifflichkeiten für diese Farben fehlen, im Gegensatz zu beispielsweise Rottönen. Blau kommt ja eben in der Natur kaum vor, die Erklärung dafür führt aber zu weit.

  • Naja , das "bleu morant" das ein user hier auf der vorigen Seite benutzte (Sorry Namen vergessen), scheint aber ein ganz anderes Blau zu sein als das zugegebenermaßen sehr kräftige und tatsächlich zu intensive auf diesem Marktplatz. Es gibt doch unzählige Farbnuancen, Blau ist doch nicht gleich Blau.

    Dazu kommt, dass die Landhausstrasse in Dresden auch formensprachlich ein völlig anderer Context ist als dieser Marktplatz. Ich fand, dass das Blau in der Landhausstrasse fantastisch aussah. Dieses hier, wie bereits erwähnt, tatsächlich etwas zu kräftig für das Marktplatzensensemble.

    ABER, in Frankfurt sage mir: "Geschmacksach" hat de Aff' gesacht und in die Seif gebisse......

    .oder, wie der berühmte preussische König: Chacun à sa façon.....

    "Die Modernisten sollten sich endlich eingestehen, dass sich die Qualität einer Stadt konventioneller Architektur verdankt" - (H. Kollhoff).

  • Übrigens ist das Belvedere im Park von Schloss Charlottenburg auch in hellblauer/zartblauer und weißer Farbe gefasst und macht so einen ganz bezaubernden Eindruck. So selten scheint die blaue Farbe als Gebäudeanstrich im 18. Jahrhundert nicht gewesen zu sein. Dies schreibt der User, dessen Namen Petersburg vergessen hat und der so frei war, dass er am Dienstag, den 13.07.2021, auf das bleu mourant und die Verwendung von blauer Farbe an Fassaden im 18. Jh. hingewiesen hatte.

  • In der belebten Natur vielleicht nicht. Aber dafür umso massiver in der unbelebten: Himmel, Meer, Eis ...

    Ich habe mir das damals auch schon nicht erklären können, warum der überall sichtbare Himmel hier keinen Einfluss nahm. Vielleicht waren die Menschen einfach viel mehr Gegenständlicher geprägt. Da ist das Abstrakte des Himmels und auch des kollektiven Meers nicht greifbar. Wasser im Eimer ist schließlich nicht blau :wink:

    Übrigens ist das Belvedere im Park von Schloss Charlottenburg auch in hellblauer/zartblauer und weißer Farbe gefasst und macht so einen ganz bezaubernden Eindruck. So selten scheint als die blaue Farbe als Gebüdeanstrich im 18. Jahrhundert nicht gewesen zu sein.

    Wir hatten bisher aber überwiegend nur Beispiele von Schlössern oder Kirchen, beides mit finanzmächtigen Akteuren dahinterstehend. Vielleicht ist kein Zufall, dass das Haus direkt an der Frauenkirche blau ist, weil es so unterstelle ich ein sehr, sehr exklusiver Spaß war.

  • Es heisst übrigens "bleu mourant", das sterbende Blau. (mourir = sterben)

    (Kein schöner Name, aber hübsch anzusehen).

    "Die Modernisten sollten sich endlich eingestehen, dass sich die Qualität einer Stadt konventioneller Architektur verdankt" - (H. Kollhoff).

  • Wie ich bei einem heutigen Spaziergang feststellte, wurden die restaurierten Trophäengruppen auf den beiden Torhäusern des Coselpalais wieder aufgesetzt. Nun fehlt nur noch eine Puttenfigur auf einem der Torpfeiler.

  • Das Coselpalais im Jahr 1949,

    Andere Städte sollten sich an der Landeshauptstadt Dresden ein Beispiel nehmen. So wie das Coselpalais sollten viel mehr Neubauten aussehen. Der Kern kann ruhig in Beton errichtet werden. Hauptsache die Fassade stimmt.

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    Es wird ja immer gesagt, daß man einem Bau das Alter und die Entstehungszeit ansehen können soll. Deshalb wird, beispielsweise, der alte barocke Stil, oder die Gründerzeit, ... nicht kopiert und heute nicht mehr verwendet. Angeblich werde damit ein höheres Alter vorgegaukelt und sei unehrlich. - Komischerweise greift man aber im Jahre 2021 immer wieder auf den Bauhaus-Stil, oder den Brutalismus der 1960er und 1970er Jahre zurück. Besonders bei Bürogebäuden. In diesen Fällen drückt man allgemein beide Augen zu und kopiert waagerechte Fensterbänder ohne Ende. Da ist es dann plötzlich wurscht, ob man die Entstehungszeit zuordnen kann.

  • "daß man einem Bau das Alter und die Entstehungszeit ansehen können soll": wer behauptet denn so etwas????

    Unsinn um dann keine Gründerzeit Bauten neu zu schaffen im Stil 1890-1918.

    Es kann nicht wahr sein dass in der BRD deswegen keine Bauten aus dieser Zeit neu geschaffen werden können.