Dresden, Neumarkt - Allgemeines

  • Zu Ostern war ich auch für ganz kurze Zeit in Dresden, aber da das Wetter an diesem Tag sehr unangenehm war, bin ich schnell wieder in die sonnige Oberlausitz zurück...

    Dennoch habe ich mir es nicht nehmen lassen, wieder auf den wunderbaren Neumarkt zu gehen. Zum ersten Mal habe ich nun die gänzlich wiederaufgebaute Nordseite der Rampischen begutachten können - bis auf die Bausünde Innside einfach weltklasse. Auch eine bisher ungewohnte Perspektive aus dem Verkehrsmuseum auf das Q VII habe ich mitgebracht:


    Im Verkehrsmuseum hoffte ich endlich einmal einen echten Hecht zu finden....leider nein (gibt es in DD ein Stráßenbahnmuseum -so gerne hätte ich den Hecht besucht?!). Dafür habe ich diesen wunderbaren Wagen vorgefunden. Früher war nicht alles besser, aber alles schöner! Vor allem in Dresden :kuss:

  • @ Exilwiener

    Klar gibt es in Dresden ein Straßenbahnmuseum.

    http://www.strassenbahnmuseum-dresden.de/

    Verschiedene Sonderveranstaltungen (z.B. diesjährige Museumssommernacht am 12.07.2014) erlauben es sogar, "Stadtrundfahrten" mit den antiken Fahrzeugen zu unternehmen.

    Da wir gerade bei Veranstaltungen sind, möchte ich noch auf die Nacht der Kirchen am 24.05.2014 hinweisen.

    http://www.nacht-der-kirchen-dresden.de/index.html

    Sollte man sich nicht entgehen lassen!

    PS:

    Wo gibt's denn die bisher ungewohnte Perspektive auf das Quartier VII zu sehen?

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • bilderbuch

    Mit ungewohnter Perspektive meinte ich mein Foto von der Luftschiff-Raum-Galerie im Verkehrsmuseum in Richtung Quartier VII, aber Dir als Dresdner wird diese Perspektive eventuell nicht neu sein. Jedenfalls toll, wenn man in ein paar Jahren von dort auf das Regimentshaus daraufschauen kann.

    Danke auch für den Tipp mit dem Straßenbahnmuseum! Dort werde ich das nächste Mal fix hingehen und Hecht schauen!!!

  • Ein Missverständnis!
    Der Blick bezieht sich also auf das zukünftige Quartier VI der USD, die Südseite des Jüdenhofes, wo sich einmal wieder das Regimentshaus befinden wird. Das Quartier VII schließt hingegen die Westseite des Teilplatzes und wird ab dem nächsten Jahr durch die KIM bebaut.

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Heute, am 15.05.2014, befindet sich in den DNN ein interessantes Interview mit Herrn Stefan Szuggat, dem Leiter des Stadtplanungsamtes, das ich hier auszugsweise anführen möchte.

    Auf die Fragen nach Mängeln oder aber besonders gelungene Elementen äußerte Herr Szuggat:

    Zitat

    Die Wiederherstellung der Raumstruktur der historischen Straßen und Plätze um die Frauenkirche konnte mit sehr geringen Abweichungen umgesetzt werden. Die historischen Raumfolgen sind somit wieder erlebbar, das Verhältnis zwischen der Frauenkirche, den Plätzen und den umliegenden Quartieren ist wieder sichtbar. In der Tat tragen aber die Rekonstruktionen der historischen Straßen in ihrer geringen Bemessung sowie die Rekonstruktion von Gebäuden durch die notwendige Anwendung auf zeitgemäße Nutzungen Konflikte in sich. Heutige Erwartungen an Wohnkomfort, Mobilität, Konsum und Energiehaushalt führten immer wieder zu Widersprüchen in Bezug auf die engen Maße der historischen Straßenräume, Grundrisse, Fassadenrekonstruktionen, Öffnungsgrößen und Materialität der Fassaden sowie die Möglichkeit, historische Kellersubstanz in die neue Bebauung zu integrieren.

    Auf die Frage, warum am Neumarkt keine herausragende moderne Architektur entstehen konnte, antwortete Herr Szuggat:

    Zitat

    Das ist Ihre Behauptung, ich sehe das anders. Der Reiz des historischen Gebäudeensembles war nicht von der Einzigartigkeit jedes einzelnen Gebäudes bestimmt, sondern vielmehr von einem Zusammenspiel der einzelnen Gebäude durch gestalterische Bezüge untereinander zu einer Art "vielfältiger Einheit". Die Frauenkirche ist in dem Ensemble durch reine Größe herausragend und das ist so genau richtig. Die Maßstäblichkeit und die kleinteilige Vielfalt der Umgebung unterstreicht gerade diese Wirkung. Auch die modernen Gebäude ordnen sich gezielt in dieses Ensemble ein und ich bin der Meinung, dass wir inzwischen auch eine ganze Reihe moderner Fassaden im Gebiet finden, die sich, jede für sich, geschickt und innovativ zwischen den Leitbauten und Leitfassaden einordnen - aber ich gebe Ihnen insofern recht, hier zählen vielleicht nicht immer nur die großen Gesten.

    Zur Kellerproblematik sagte Herr Szuggat folgendes:

    Zitat

    Grundsätzlich sind die historischen Keller die wichtigste materielle Verbindung mit der Geschichte des Neumarkts vor 1945. Dennoch stellt sich auch hier die Frage für Bauherren und Nutzer, wie sich die Integration der historischen Bausubstanz mit den Erwartungen und Anforderungen an heutige Nutzungen, beispielsweise die Unterbringung von Pkw, verbinden lassen. Als Stadt unterstützen wir nach einer bautechnischen und finanziellen Überprüfung den Erhalt von denkmalgeschützten Kellern in Verbindung mit den Leitbauten durch die Übernahme der Mehrkosten (bis dato hat die Stadt hierfür 880 000 Euro eingesetzt). Nicht alle Keller sind aber im besonderen Maße erhaltenswert.

    Die Probleme der Anbindung des Neumarkts an bestehende Stadtteile kommentierte Herr Szuggat so:

    Zitat

    Mit der Bebauung der letzten Quartiere bin ich zuversichtlich, dass wir einen lebendigen und funktionierenden Stadtteil haben werden. Ich sehe auch einen großen Wert darin, dass das Ensemble tatsächlich als Wiederaufbau im gesamtstädtischen Zusammenhang ablesbar ist. Es bleibt eine Herausforderung, die Übergangsbereiche hinter dem Kulturpalast und entlang der Wohnbebauung an der Wilsdruffer Straße mit hoher Aufenthaltsqualität zu gestalten.

    Das Interview führte Genia Bleier von den DNN.

    DNN vom 15.05.2014, S. 12.

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Zitat

    Heutige Erwartungen an Wohnkomfort, Mobilität, Konsum und Energiehaushalt führten immer wieder zu Widersprüchen in Bezug auf die engen Maße der historischen Straßenräume, Grundrisse, Fassadenrekonstruktionen, Öffnungsgrößen und Materialität der Fassaden sowie die Möglichkeit, historische Kellersubstanz in die neue Bebauung zu integrieren.

    Ein Schwachsinn … Was hat z.B. Materialität der Fassade mit Wohnkomfort zu tun? Innen im Haus sieht man davon nichts. Auch Mobilität ist bescheuert. Wer in der Innenstadt wohnen will, der soll mal davon ausgehen, dass es da recht schwer ist, fette Garagen an die Häuser zu bauen. Wozu man in einer Innenstadt ein Auto, am besten ja einen SUV oder Monstertruck braucht, will mir auch nicht in den Sinn … Grundrisse sind auch so ein Ding. Wer ein riesiges, offenes Wohnzimmer will, der ist in einer Innenstadt sowieso falsch und sollte sich lieber ein Haus am Stadtrand bauen oder eines benutzen. Und ein paar Wände kann man immernoch hier und da durchbrechen und mehr Wegemöglichkkeiten schaffen. Oft ist das dem Bewohner sowieso relativ egal. Heute zählt oft nur, ob man denn auch schnelles Internet hat. Für den großen Monitor wird sich schon ne Wand finden.

  • Wenn man keine Ahnung hat und nur rumlabert, kann man das gerne als Schwachsinn titulieren.

    Oder hast du noch nie etwas von Parkraumverordnungen, Belichtungsvorschriften, Brandschutzverordnungen, Energieeinsparverordnungen usw. gehört?

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Heute befindet sich in der SZ ein kleiner Ausblick über die zukünftigen Projekte am Neumarkt, der auch erste Visualisierungen für das Quartier VII/1 der Baywobau enthält. Da es sich allerdings nur um Platzhalter handelt, spielt der architektonische Gehalt keine wirkliche Rolle.

    Hier der Link zum Artikel:

    http://www.sz-online.de/nachrichten/ne…kt-2840094.html

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Ich möchte mich heute nach längerer Pause wieder einmal zu Wort melden, und zwar mit einigen Anmerkungen zum Thema: Johanneum/Verkehrsmuseum/Gewehrgalerie. Den Interessenskonflikt bezüglich der Nutzung des Johanneums (Verkehrsmuseum versus Staatliche Kunstsammlungen) kann ich ja sicher als bekannt voraussetzen – was seinen Inhalt betrifft. Wie aber war es überhaupt dazu gekommen? Zur Entstehungsphase des Verkehrsmuseums finden sich bei wikipedia folgende Fakten:

    Die Geschichte des Verkehrsmuseums Dresden beginnt am 1. Mai 1952 in der Verhandlung zwischen der Hochschule für Verkehrswesen und dem Ministerium für Verkehr für den Aufbau eines Verkehrsmuseums in der DDR. Vordringlich sollten hier die während des Zweiten Weltkrieges ausgelagerten Ausstellungsstücke des Sächsischen Eisenbahnmuseums untergebracht werden. Nachdem Dresden als Standort festgelegt war, wurden die ersten Fahrzeuge in einem Lokschuppen in der Neustadt untergebracht. Sechs Mitarbeiter begannen mit dem Aufbau des Museums und schon 1953 konnten zwei kleine Ausstellungen präsentiert werden. Die eigentliche Eröffnung in einigen Räumen des Johanneums erfolgte am 3. Juni 1956 [Anm.: anlässlich der 750-Jahrfeier der Stadt Dresden].

    Um die Entscheidung, im Johanneum ein Verkehrsmuseum zu etablieren, nachvollziehen zu können, muss man sich die Situation im Dresden der frühen Nachkriegszeit verdeutlichen: Das Stadtzentrum auf einer Fläche von fast 15 km² weitgehend zerstört, die weltberühmten Kunstsammlungen – so der offizielle Tenor - unwiederbringlich verloren. Das Thema *Beutekunst* war zu jener Zeit in der DDR ein absolutes Tabu, aber selbst von den Wissensträgern ging wohl im Jahr 1952 niemand davon aus, dass die von der Roten Armee „eingesammelten“ Schätze jemals nach Dresden zurückkehren und schon gar nicht in wenigen Jahren. Aber die – kulturverwöhnten und nach den Kriegsjahren auch kulturhungrigen - Dresdner wollten wieder Opern und Theateraufführungen besuchen und in Museen gehen können. Nun ja, die schwer zerstörten Museumsgebäude konnte man wieder aufbauen, man konnte ggfs. auch neue Gebäude bauen – aber WAS sollte man ausstellen? Und hier kam nun die o. g. Sammlung des Sächsischen Eisenbahnmuseums ins Spiel, deren Exponate waren den Dresdnern nämlich erhalten geblieben. Dass das Johanneum als Ausstellungsort ausgewählt wurde, hatte meiner Meinung nach wohl pragmatische Gründe. Das Gebäude lag zentral in der Stadtmitte (die man ja wieder mit urbanem Leben füllen wollte) und vor allem – sein Wiederaufbau erschien im Hinblick auf den Zerstörungsgrad noch am ehestens machbar.

    Mit dem Verkehrsministerium hatte man einen sehr starken Partner an der Seite (wie das Miwori schon vor einiger Zeit dargelegt hatte). Das Verkehrswesen galt neben der Schwerindustrie als einer der Schlüsselzweige der DDR-Wirtschaft – entsprechend exponiert waren Einfluss und Mittelzuweisungen. Die rasche Erweiterung des Ausstellungsbestandes (darunter nicht wenige hochkarätige Exponate) lässt sich nur durch diese „connection“ erklären.

    Dann kam der Herbst 1958. Im September diesen Jahres begann die Rückführung der von der Roten Armee einkassierten Objekte der Rüstkammer (Vorkriegsbezeichnung: Historisches Museum). In deren traditioneller Heimstätte – eben dem Johanneum - residierte zu diesem Zeitpunkt aber bereits ein neuer Hausherr, den man jetzt nicht vor die Tür setzen konnte und/oder wollte. Eine befriedigende Alternativlösung für die Rüstkammer wurde in all den langen DDR-Jahren nie geschaffen. In einem 1982 gedruckten Buch [L1] von Max Seydewitz (erster Nachkriegsdirektor der SKD) heißt es dazu:

    Das Historische Museum ist am 12. Oktober 1959 in seiner vorläufigen neuen Unterkunft, der Osthalle der Sempergalerie, eröffnet worden. Das ist zwar auch nur ein Provisorium, aber eines, das gut ist und darum so lange genutzt werden kann, bis das Historische Museum eine seinem Umfang und seiner Bedeutung entsprechende Heimstatt erhalten wird. Quelle: L1

    Nach der politischen Wende in der DDR wurde das spezielle Problem Johanneum/Verkehsmuseum recht schnell auf die Tagesordnung gebracht. Und das war auch notwendig, denn für die bereits laufenden bzw. absehbaren baulichen Aktivitäten an den diversen Ausstellungsgebäuden brauchte man natürlich Planungssicherheit. Ende 1995 konnte man folgendes in der Lokalpresse lesen:

    Sächsische Zeitung vom 24.11.1995 - Auszug
    Titel: „Auf dem Reißbrett des Finanzministers – Zur möglichen Neuordnung der Museumslandschaft“ (von Birgit Grimm)

    Wunderbare Möglichkeiten für die Dresdner Museen, vor allem für die Staatlichen Kunstsammlungen tun sich auf, wenn erst das Dresdner Schloss rekonstruiert ist. Seit dem zweiten Weltkrieg sind die meisten der bedeutenden sächsischen Sammlungen provisorisch und beengt untergebracht. Längst nicht alle ausstellungswerten Exponate können gezeigt werden, zuviel schlummert noch in den Depots. Der Finanzminister hat nun als Gegenstück zu dem in DDR-Tagen erstellten … Nutzungskonzept eine Museumskonzeption anfertigen lassen.

    […]

    Wesentliche Veränderungen könnten sich daraus ergeben, dass die Rüstkammer zweifellos nicht alle ihre 10.500 Waffen, Kleider, Orientalika im Schloss präsentieren kann. Einst im Johanneum beheimatet, soll sie irgendwann dorthin zurück. Doch wohin dann mit dem Verkehrsmuseum? Dessen Leitung hat Bedarf an Freiflächen angemeldet, außerdem gibt es jede Menge Eisenbahnwaggons im Museum, was die Gutachter auf den Vorschlag kommen ließ, das Verkehrsmuseum in den Bahnbetriebswerken Dresden-Altstadt und Chemnitz-Hilbersdorf einzurichten.

    Mittlerweile (datiert 28.04.2009) gibt es eine aktualisierte Museumskonzeption (Museumskonzeption 2020 – Kulturland Sachsen), die federführend durch das Sächsische Ministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) erarbeitet worden ist. Zum Johanneum heißt es dort:

    Museumskonzeption 2020 – Kulturland Sachsen

    Das Johanneum als authentischer Ort der Dresdner Residenz und langjähriges Museumsgebäude der Kunstsammlungen – dies freilich als langfristige Vision nach dem Betrachtungszeitraum ab 2020 – kann diese Wirkung derzeit nur eingeschränkt entfalten. Mit der Nutzung als Verkehrsmuseum fehlt der – sich selbst erklärende – Zusammenhang zwischen Gebäude und Sammlung, der nur wieder gewonnen werden kann – beispielsweise für größere Sonderausstellungen der SKD – wenn für das Verkehrsmuseum ein anderer, für dieses Museum authentischer Ausstellungsort realisiert werden kann. (An ein solches für den Leipziger Bahnhof entwickeltes, jedoch nicht weiter verfolgtes Konzept kann als Ausgangspunkt künftiger Überlegungen angeknüpft werden.) Mittelfristig erscheint das noch nicht durchführbar, muss aber als eine Aufgabe sächsischer Kulturpolitik für die Zukunft benannt werden.

    [Unter dem Punkt *Vision der nach 2020 zu realisierenden Aufgaben“ findet sich (u. a.) folgende Aussage:]

    Auf längere Sicht strebt das SMWK an, die Nutzungskonzeption des Johanneums – unter besonderer Berücksichtigung des Langen Ganges (nach 2014) – den gewachsenen Bedarfen der SKD [Anm.: Staatliche Kunstsammlungen Dresden] anzupassen und zusammen mit der Stadt Dresden einen Alternativstandort für das Verkehrsmuseum zu suchen.

    Meine persönliche Meinung zu diesem Streitfall möchte ich Euch nicht vorenthalten (auch auf die Gefahr hin, dass mich die Dresdner jetzt symbolisch steinigen): Das Verkehrsmuseum ist außerordentlich wichtig für Dresden, keine Frage, aber es gehört nicht ins Johanneum. Wären die Objekte der Rüstkammer ein paar Jahre früher „nach Hause“ gekommen, hätte es diese Standortentscheidung niemals gegeben.

    Kommen wir nun aber zur Gewehrgalerie (heute Teil des Verkehrsmuseums) und zwar zu der spannenden Frage, in welchem Umfang originale Ausstattungsobjekte für den Wiedereinbau zur Verfügung stehen. In früheren Publikationen war immer davon die Rede, dass die Ausstattung der Gewehrgalerie teilweise erhalten geblieben ist. Den Terminus * teilweise erhalten* bitte mal merken. Denn an dieser Stelle möchte ich der besseren Verständlichkeit wegen erst noch einmal kurz darlegen, um was es dabei im einzelnen geht.

    - Bau des Langen Ganges ab 1586 unter Kurfürst Christian I., dabei Ausgestaltung des langen Raumes (100 m lang) im 1. OG als Ahnengalerie der Wettiner

    - Umfang der ursprünglichen Bildreihe: 46 lebensgroße Porträts (von fiktiven Herrschern aus grauer Vorzeit bis hin zu Christian I.)

    - sukzessive Ergänzung der Ahnenreihe durch Porträts von 7 nachgeborenen Fürsten, die Gesamtzahl der Porträts betrug folglich 53, jeweils Öl auf Leinwand

    - Zu jedem Porträt (außer dem letzten) gehörte ein kleines ovales Historienbild (Öl auf Holz), das jeweils Bezug auf das Leben des dargestellten Fürsten nahm. Auf dem Historienbild von Christian I. war beispielsweise der unter ihm neu gebaute kurfürstliche Stall incl. Langem Gang abgebildet (später mehrfach umgebaut, das heutige Johanneum)

    http://fotothek.slub-dresden.de/fotos/df/haupt…log_0140095.jpg

    - Zu jedem Porträt (außer dem letzten) gehörte weiterhin eine Inschrifttafel mit der Lebensbeschreibung des jeweiligen Fürsten, hier die von Kurfürst Johann Georg I.

    http://fotothek.slub-dresden.de/fotos/df/haupt…log_0140142.jpg

    Wie die Gemälde angeordnet waren (nämlich die kleinen unter den großen), verdeutlicht diese historische Innenaufnahme:

    http://fotothek.slub-dresden.de/fotos/df/haupt…log_0139953.jpg

    - Unter den Fenstern hingen insgesamt 29 Turnierbilder (Öl auf Holz), die die so genannten Scharfrennen des Kurfürsten August I. (Vater des Bauherren) zeigten. August galt als begnadeter Turnierkämpfer. Hier ein Beispiel:

    http://fotothek.slub-dresden.de/fotos/df/haupt…log_0132724.jpg

    - Weiterer Wandschmuck umfasste 19 kapitale Hirschgeweihe, Spannweite jeweils 160 cm.

    Vor einiger Zeit wurde das Thema *Zukunft des Verkehrsmuseums* wieder einmal intensiv diskutiert – auch im Landtag (das Johanneum ist eine Landesimmobilie, das Betreiben des Verkehrsmuseums obliegt hingegen der Stadt Dresden). In diesem Kontext bin ich nun auf folgende hochoffizielle Formulierung gestoßen:

    Antwort des Staatsministers auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, Drucksache Nr. 5/9621, datiert 2. August 2012

    (Auszug – wörtliches Zitat, Fettmarkierung von mir)

    Mit dem Innenausbau des Langen Ganges soll die historisch überlieferte Raumfassung weitgehend wiederhergestellt werden. In den Depots der SKD befinden sich die fast vollständigen und überwiegend gut erhaltenen originalen Raummöbel, Gemälde und Ausstattungen (Gewehre).

    Einige Monate später die analoge Aussage in der Lokalpresse, die Journalistin bezog sich dabei auf einen unmittelbar vorausgegangenen Kontakt mit der Pressestelle des Ministeriums (SMWK). (Anmerkung: Das Zeitungszitat hatte bilderbuch dazumal gepostet.): Quelle: DNN 07.03.2013

    Für den Langen Gang gibt es längst Pläne. Er soll wieder seine ursprüngliche Bestimmung als Ahnen- und Gewehrgalerie des Hauses Wettin erhalten. Mit dem Innenausbau, für den laut SMWK 7,55 Mio. Euro eingeplant sind, soll die historisch überlieferte Raumfassung wiederhergestellt werden. Die Staatlichen Kunstsammlungen hätten in ihren Depots die fast vollständigen und gut erhaltenen originalen Raummöbel, Gemälde und Ausstattungen gelagert, betonte das Wissenschaftsministerium.


    Halten wir fest: Auch in Bezug auf die Gemälde (die sind ja jeweils explizit mit aufgeführt) wird also von einer fast vollständigen Erhaltung gesprochen. Und das macht mich nun ziemlich ratlos. Im Jahr 1990 erschien nämlich ein Buch über die Kriegsverluste des Historischen Museums. Herausgeber waren die SKD, wobei die Ausführungen zur Gewehrgalerie von dem langjährig mit diesem Sammlungsteil beauftragten Kunsthistoriker stammten. Es handelt sich folglich um Informationen aus erster Quelle. Folgendes wird ausgeführt:

    - Von den 53 großformatigen Porträts gelten 33 als vermisst, im Depot lagern 20 Stück.

    - Von den 29 Turnierbildern gelten 20 als vermisst, wobei nur 7 Kartuschen (die „Umrahmung“ – siehe obiges Innenfoto) vorhanden sind. Und siehe da, genau 9 Turnierbilder sind aktuell im neu gestalteten Riesensaal aufgehängt (29 – 20 = 9).

    - Von den 19 Hirschgeweihen gelten 12 als vermisst.

    - Angaben zu den Historienbildern und den Inschrifttafeln enthält das Buch nicht.

    Haargenau dieser Wissensstand ist auch bei lostart dokumentiert (auch ganz aktuell noch), immerhin die offizielle Datenbank der Bundesrepublik zu kriegsbedingt verschollenen Kunstwerken.

    Die Geschichte geht aber noch weiter. Die erhaltenen 20 Porträts wiesen einen erbarmungswürdigen Zustand auf. Dank einer Spende der Getty-Stiftung konnten sie ab 2001 fachmännisch restauriert werden (sehen jetzt übrigens wieder aus wie neu). Dabei stellte sich heraus, dass es sich bei diesen Bildern um Kopien handelt, die vor 1728 im Auftrag von August den Starken für den so genannten Heldensaal auf der Festung Königstein angefertigt worden sind. 2006 wurden die 20 restaurierten Kopien in einer Sonderausstellung auf der Festung gezeigt: Im zugehörigen Ausstellungsführer heißt es:

    Die 53 Fürstenbildnisse aus der Ahnen- und Gewehrgalerie im Stallhof waren nach Naunhof gebracht worden und sind dort 1945 verschollen. Wurden sie geraubt oder zerstört? Ihr Schicksal ist weiterhin ungeklärt.

    Was man wohl vollständig rekonstruieren könnte sind die Renaissancemalereien, mit denen Decke und Wände verziert waren. Es erfolgte nämliche eine vollständige Dokumentation im Rahmen des Fardiaarchivs. Als verwaltende Institution dieser Aufnahmen fungiert das Zentralinstitut für Kunstgeschichte München. In deren Jahresbericht 2009 findet sich folgende verheißungsvolle Information:

    Für zahlreiche wissenschaftliche Publikationen, Forschungsprojekte und Restaurierungsvorhaben wurden die Materialien des Farbdiaarchivs auch 2009 zur Verfügung gestellt. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit der Deutschen Fotothek der SLUB Dresden zur Unterstützung verschiedener in Dresden anstehender Restaurierungsvorhaben. Nach den Projekten im Dresdner Residenzschloss (Thronsaal)…wurden 2009 erneut die Originale der Farbdias der sog. Gewehrgalerie im Residenzschloss zur Gewinnung messtechnisch exakter Daten für die geplante Rekonstruktion zur Verfügung gestellt.

    Erstaunlicherweise haben die Malereien im Bereich der Fensterbögen in relevanter Größenordnung das Inferno überlebt. Zur DDR-Zeit waren diese Stellen verkleidet, jetzt sind sie sichtbar. Wer sich das ansehen möchte, muss es bald tun – Ende 2015 endet der Mietvertrag für den Langen Gang:

    http://fotothek.slub-dresden.de/fotos/df/dat/0…dat_0007084.jpg


    Literaturquellen:

    L1 Max Seydewitz, Die unbesiegbare Stadt, 1982

  • BautzenFan
    Es ist sehr schön, wieder einmal etwas von Dir zu lesen. Deine Beiträge über das Residenzschloss verfolgte ich immer hochinteressiert und fand es schade, dass Du Dich etwas rar gemacht hast. Ich hoffe sehr, nun wieder häufiger von Dir zu hören.

    Meine Meinung zur Zukunft des Verkehrsmuseums / des Johanneums ist sehr gespalten: Auf der einen Seite bin ich regelmäßiger Besucher des Verkehrsmuseums (ich habe eine Dauerkarte, mein dreijähriger Sohn liebt die Loks im Museum). Ich finde es auch überaus faszinierend die Großexponate dieses Technikmuseums in den Renaissancehallen zu sehen. Die Flugzeug- und die Schiffsabteilungen sind großartig (letztere im Langen Gang) und auch die Wechselausstellungen sind zumeist sehenswert. Andererseits bin ich mir aber völlig darüber im Klaren, dass dieses Gebäude Teil des Schlosskomplexes ist und momentan von diesem abgekoppelt und quasi fremdgenutzt ist. Das Verkehrsmuseum ist in den Räumen des Johanneums auch extrem beengt untergebracht, weil zahlreiche Großexponate überhaupt nicht in das Haus hinein passen würden und deshalb dauerhaft verliehen sind oder in Depots herum stehen.
    Dringend erforderlich wäre eine Konzeption für die Zukunft des Verkehrsmuseums, wo die Stadt als Museumsträger aber auch das Land Sachsen nach einer Lösung suchen. Ich persönlich hätte nichts gegen ein neues Domizil für das Museum, es muss aber mindestens gleichwertig sein.
    Was ich im Endeffekt befürchte, ist eine Vertreibung des Verkehrsmuseums in eine Randlage, die dem hohen Besucherinteresse des Museums nicht gerecht wird. Im Moment sehe ich auch noch keinerlei Konzept, was statt des Verkehrsmuseums in das Johanneum wirklich einziehen könnte. Nichts gegen die alten Waffen in der wiederhergestellter Raumhülle, aber den Anlaufpunkt für die Dresdner Familien kann ich mir da nicht vorstellen.


    Abschließend kann ich noch mit einem Foto von einer rekonstruierten Nische im langen Gang aufwarten.

  • Wenn man keine Ahnung hat und nur rumlabert, kann man das gerne als Schwachsinn titulieren.

    Oder hast du noch nie etwas von Parkraumverordnungen, Belichtungsvorschriften, Brandschutzverordnungen, Energieeinsparverordnungen usw. gehört?


    Dann sag mir doch, warum es bei anderen Bauten z.B. in der Rampischen dennoch geht? Und mit „Schwachsinn“ hab ich nicht dich persönlich angegriffen, falls das so rüberkommt, sondern den Umstand, das Brandschutz und Lichtgeschichten und sowas auch ohne brutalen Modernismus zu bewerkstelligen sind. Sonst dürfte ja in der Stadt kein einziger Altbau mehr stehen …

    BautzenFan
    Hurra, du und dein Wissen endlich wieder da! =D

    @Verkehrsmuseum
    Tja, da wo jetzt der Globusmarkt hinkommen soll, wäre ideal Platz gewesen … Aber diese Stadt handelt ja immer und immer wieder äußerst unfähig.

    Einmal editiert, zuletzt von heiji (22. Mai 2014 um 23:09)

  • Dann sag mir doch, warum es bei anderen Bauten z.B. in der Rampischen dennoch geht? Und mit „Schwachsinn“ hab ich nicht dich persönlich angegriffen, falls das so rüberkommt, sondern den Umstand, das Brandschutz und Lichtgeschichten und sowas auch ohne brutalen Modernismus zu bewerkstelligen sind. Sonst dürfte ja in der Stadt kein einziger Altbau mehr stehen …

    Keine Sorge, ich habe deinen Kraftausdruck nicht auf mich bezogen.
    Dennoch leuchtet mir nicht ein, wie man die Benennung von Konflikten und Problemen als Schwachsinn bezeichnen kann. Es ist doch kein Geheimnis, dass heutige Bauvorschriften in Bezug auf Rekonstruktionsvorhaben, die nun einmal Neubauten sind und demnach keinen Anspruch auf Bestandsschutz erheben können, Probleme mit sich bringen. Das fängt beim Fassadenmaterial an und hört bei den Abstandsflächen auf. Oder warum glaubst du, dass die Stadt – wenn sie es nicht gerade verschläft – die Investoren zur Akzeptanz der Unterschreitung gesetzlich geforderter Mindestabstände zwingt?
    Im Übrigen hat Herr Szuggat mit keinem Wort behauptet, dass diese Konflikte Rekonstruktionen per se verhindern würden oder aber dadurch nur „brutaler Modernismus“ möglich wäre. Das zeigen ja nicht zuletzt die vielen Füllbauten am Neumarkt.

    Tja, da wo jetzt der Globusmarkt hinkommen soll, wäre ideal Platz gewesen … Aber diese Stadt handelt ja immer und immer wieder äußerst unfähig.

    Hier liegt die Schuld nicht bei der Stadt oder ihrer Verwaltung, die die Ansiedlung verhindern wollte, sondern vielmehr bei der Politik, bzw. einigen Fraktionen, die den Globus als „die Lösung“ für das Areal des alten Leipziger Bahnhofes ansehen. Traurig!

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Auch wenn es hier natürlich um den Neumarkt geht, muss ich doch ebenfalls nochmal zum Leipziger Bahnhof abschweifen. Dieses Gelände und seine Gebäude wären perfekt geeignet für ein zukunftsfähiges Verkehrsmuseum mit überregionaler Ausstrahlung! Hier gäbe es die optimalen Bedingungen: Sachbezug durch die verkehrsgeschichtliche Bedeutung des Bahnhofs, ausreichend Platz für jegliche spätere Erweiterungsabsicht, eine zentrale und stadtbildprägende Lage, eine direkte Anbindung an das Bahnnetz für Sonderfahrten usw. - kurz: es wäre ein absoluter Traum! Es wäre genau die Variante, die mich den Verlust des Johanneums locker verkraften ließen.
    Aber wie das mit dem Träumen eben so ist, wird da wohl nie etwas draus! Leider aber nicht nur das, sondern statt dessen entsteht hier das denkbar schlimmste Gegenteil dazu: ein Supermarkt, wie er sonst an Autobahnabfahrten steht. Ich möchte diese traurige Entwicklung aber nicht allein unserem Stadtrat zuschreiben. Die Stadt hätte m.E. niemals Träger des Verkehrsmuseums werden dürfen, sondern statt dessen der Freistaat. Zwar sind auch dessen Mittel nicht unbegrenzt, das Land ist aber wesentlich zahlungskräftiger bei Kulturbauten als die Kommune. Wenn man sich anschaut, wo Dresden gerade alles investieren will oder muss, kann ich schon verstehen, dass für das Verkehrsmuseum am Leipziger Bahnhof kein Geld da ist (abgesehen davon, dass der Stadt das Gelände gar nicht gehört).

  • Leider gibt es aber selbst seitens des VM keinerlei Anstrengung oder Willen aus dem Johanneum auszuziehen, geschweige denn ein neues Konzept in neuer Lage, defacto einen kompletten Neustart, zu entwickeln. Verstaendlicherweise, aber auch fatal engstirnig und zu kurz gedacht.

    Wenn das VM und der Freistaat und die SKD zusammen an einem Strang ziehen und mal ein Planungskonzept dazu entwickeln wuerden, bin ich der Meinung, dass sich dazu eine Loesung findet welche die Stadt ueberzeugt, em Johanneum seinem Ursprung zufuehrt und dem Leipziger Bahnhof seiner eigentlichen BESTIMMUNG.

  • RobBerg
    Ich denke, dass die Initiative zum Auszug auf keinen Fall primär aus dem Verkehrsmuseum heraus kommen müsste. Die Museumsmitarbeiter sind Angestellte der Stadt und werden wohl kaum Ihrem Brotherrn an den Karren fahren wollen. Außerdem sind die mit ihrer Kernbeschäftigung, d.h. der Organisation eines Museums, bestimmt gut beschäftigt. Die Museumsleute, zumindest eine Frau mit der ich vor einiger Zeit gesprochen habe, sind alles andere als glücklich mit dem baldigen Verlust des Langen Ganges und der folgenden Aufgabe einen neuen Platz für die Schiffe zu finden. Ich denke, die warten dort demütig ab, was das Schicksal (in Gestalt der Stadt als Arbeitgeber und des Landes als Besitzer des Johanneums) mit Ihnen machen wird.
    Nein, die Initiative für einen neuen Standort (welchen auch immer) könnte m.E. entweder aus der Kommunalpolitik oder von einer Bürgerinitiative kommen.
    Für das Areal des Leipziger Bahnhofs hat sich allerdings die aktuelle politische Mehrheit ja leider auf den Bau des Globus- Marktes festgelegt.

  • Na dann wirds ja spannend, wenn sich die politischen Mehrheiten ab morgen verschieben.

    Und eben dieses Abwarten ist es eigentlich, was mich so nervt. Statt initiativ Vorschlaege zu machen und auch durchaus schwierigere Wege zu gehen wird eben abgewartet, ob und wie was passiert. Und der Broterwerb wuerde nicht floeten gehen, wenn man konzeptionell und standortflexibel agiert. Das Museum wuerde ja nicht abgeschafft.

    Und spaetestens mit dem "Jammern" des Verlustes des langen Ganges sollte doch allen Beteiligten klar sein, dass das Johanneum als Standort fuer ein Museum des Verkehrs einfach unzureichend ist. Und die Initiative muss ja auch nicht aus dem VM kommen, aber kann unterstuetzt werden. Ich meine aber, dass dies sogar bekaempft wird. Grad weil der jetztige Standort doch so viel guenstiger und prominenter ist, als alles was alternativ kommen koennte. Da gehts doch eher um Praesenz und Prestige, sowie nen kleines bisschen Bequemlichkeit. Finde ich.

  • Klar ist zunächst nur, dass das Verkehrsmuseum das Johanneum definitiv noch bis ins Jahr 2025 wird nutzen können. Ob der Freistaat dann der Stadt den Stuhl vor die Tür stellt, ist in Anbetracht des eigentlich erfreulichen Engagements des Landes für die Dresdner Museumslandschaft, durchaus nicht unwahrscheinlich.
    Ich könnte mir zumindest gut vorstellen, dass etwa im Jahr 2020 entsprechende Signale aus dem Finanzministerium in Richtung der Stadtverwaltung ausgehen und zu panikartigen Reaktionen in der Kommunalpolitik führen werden. Ob sich die Stadt nach Kulturkraftwerk, Kulturpalast, überdimensionierten Straßenbauprojekten und Co. einen solchen Neubau – incl. des wahrscheinlich anzukaufenden Standortes – dann auch „wird leisten können“, dürfte eine spannende Frage werden.

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Ich kann heute wesentliche Ergänzungen zu meinem kürzlichen Beitrag über die Gewehrgalerie vornehmen (Strang Neumarkt II, Seite 65, Beitrag vom 21. Mai). Es ging dort um die Ungereimtheiten betreffs der erhaltenen Ausstattungsobjekte dieses Raumes, insbesondere der Gemälde. Ich hatte mich zeitgleich mit einer entsprechenden Anfrage an das SMWK (sächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur) gewendet. Die Antwort kam in Form einer sehr netten und detaillierten email mit folgenden Informationen (sinngemäße Wiedergabe):

    Die in der Gewehrgalerie ursprünglich ausgestellten Waffen (vorrangig Jagd- und Sportwaffen des 17. und 18. Jahrhunderts) sind nahezu vollständig erhalten (Zitat aus der email: „ein von seinem Umfang wie auch der Qualität einzigartiger Bestand“). Ergänzend dazu ein Zitat aus einem historischen Ausstellungsführer (ca. 1900): Bei den Ausstellungsexponaten handelt es sich demnach um ca. „2000 tadellos erhaltene Gegenstände, zumeist Handfeuerwaffen, die einen Überblick bieten über das Beste, was deutsche, französische, spanische, italienische, niederländische und andere Meister des 17. und 18. Jahrhunderts im Gewehrbau geleistet haben“.

    Von den 53 originalen Fürstenbildnissen (jeweils Öl auf Leinwand in lebensgroßer Darstellung) ist keins erhalten. Es existieren 20 Kopien, die vor 1728 im Auftrag von August dem Starken für den so genannten Heldensaal der Festung Königstein angefertigt worden sind. Von den zugehörigen, ehemals 52 Schrifttafeln (das zuletzt gemalte Fürstenbildnis hatte keine) hat sich nur eine erhalten, und zwar die für Friedrich den Streitbaren, erfreulicherweise mit Kartusche und Wappen. Ich habe mal die Abbildung in der fotothek rausgesucht (nach dem Öffnen kann man das Bild vergrößern – nur draufklicken):

    http://fotothek.slub-dresden.de/fotos/df/haupt…log_0140136.jpg

    Von den ehemals 52 Historienbildern hat sich keins erhalten (kleine ovale Ölgemälde auf Holz). Diese waren jeweils unmittelbar unter dem zugehörigen Fürstenbildnis angeordnet, wie diese Raumaufnahme verdeutlicht (siehe linken Bildrand):

    http://fotothek.slub-dresden.de/fotos/df/haupt…log_0139953.jpg


    Von den 29 Turnierbildern haben sich 10 erhalten, davon hängen aktuell 8 im neu gestalteten Riesensaal (ich hatte in meinem Beitrag die Zahl 9 statt 8 genannt, da habe ich mich bei meinem Besuch im Riesensaal wohl verzählt).

    Meine Anfrage war vom SMWK zuständigkeitshalber an die SKD weiter geleitet worden, geantwortet hatte ein sehr, sehr hochrangiger Vertreter. Dies schreibe ich nicht, um die verehrte Forumsgemeinde zu beeindrucken, sondern damit der nachstehend wörtlich zitierte Passus aus dem Antwortschreiben (quasi das Fazit zum Sachverhalt) als das wahrgenommen wird was er ist – nämlich der hochoffizielle aktuelle Entscheidungsstand über das – eben leider nur mögliche – Rekonstruktionsziel:


    Eine Rekonstruktion der Gewehrgalerie wird damit kaum möglich sein. Wir werden allerdings einen Teil des Raumes - soweit dies noch möglich ist - so wiedereinrichten, dass er die ursprüngliche Struktur der Gewehrgalerie den Besuchern vermittelt.


    Unter Verwendung des Ausstellungsführers zur Präsentation der restaurierten Kopien auf der Festung Königstein habe ich mal eine Liste erstellt, welche der Fürstenbildnisse (also wie gesagt die Kopien) erhalten sind (das von Friedrich dem Streitbaren, von dem ja als einziges Bild die zugehörige Inschriftentafel vorhanden ist, gehört erfreulicherweise dazu). Die Gemälde waren chronologisch aufgehängt, ihr könnt also anhand der angegebenen Nummern ungefähr erkennen, wie sich Bestand bzw. Fehlbestand räumlich verteilen.


    Harderich (fiktive Gestalt, Nr. 1 der Ahnenreihe)

    Wiedekind I. (fiktive Gestalt, Nr. 7 der Ahnenreihe)

    Willekin (fiktive Gestalt, Nr. 8 der Ahnenreihe)

    Bode (fiktive Gestalt, Nr. 10 der Ahnenreihe)

    Wit (fiktive Gestalt, Nr. 12 der Ahnenreihe)

    Witgiesel (fiktive Gestalt, Nr. 13 der Ahnenreihe)

    Hengst (fiktive Gestalt, Nr. 14 der Ahnenreihe)

    Hattwacker (fiktive Gestalt, Nr. 15 der Ahnenreihe)

    Hattwigatta (fiktive Gestalt, Nr. 16 der Ahnenreihe)

    Hilderich (fiktive Gestalt, Nr. 17 der Ahnenreihe)

    Bodicke (fiktive Gestalt, Nr. 18 der Ahnenreihe)

    Bertholdt (fiktive Gestalt, Nr. 19 der Ahnenreihe)

    Sighard (fiktive Gestalt, Nr. 20 der Ahnenreihe)

    Dedo (Nr. 29 der Ahnenreihe)

    Otto der Reiche (Nr. 33 der Ahnenreihe)

    Ditterich (Nr. 34 der Ahnenreihe)

    Albrecht (Nr. 36 der Ahnenreihe)

    Friedrich der Strenge (Nr. 39 der Ahnenreihe)

    Friedrich der Streitbare (Nr. 40 der Ahnenreihe)

    Friedrich der Gütige (Nr. 41 der Ahnenreihe)


    Einen Aspekt zum Thema möchte ich unbedingt noch anschneiden. Sowohl in meiner Anfrage als auch in der Antwort wurden die missverständlichen Statements des SMWK nicht angesprochen (dass nämlich die ursprünglichen Ausstattungsstücke der Gewehrgalerie – unter expliziter Nennung der Gemälde) weitgehend vollständig erhalten seien und in den Depots der SKD lagern). Was mich betrifft, so liegt mir wirklich nichts daran, jemandem „genüsslich“ in der Öffentlichkeit einen Fehler nachzuweisen. Ich hatte nur die vage Hoffnung, dass sich vielleicht doch noch Ausstattungsstücke angefunden haben – deshalb meine Anfrage. Ich vermute mal, dass der Autor der betreffenden Zeilen (solche Schriftstücke werden ja zugearbeitet) die vollständige Erhaltung der Gewehre gemeint hatte, dann aber beim Ausformulieren halt ein in diesem konkreten Fall nicht zutreffender Textbaustein verwendet wurde. So was passiert nun mal im täglichen Arbeitsstress, also bitte keine „hämischen“ Kommentare.


    Wie bereits im vorangegangenen Beitrag erwähnt, muss das Verkehrsmuseum zum 31.12.2015 aus dem Langen Gang ausziehen (Ende des Mietvertrages). Zu der spannenden Frage, wann denn nun mit den Rekonstruktionsarbeiten zu rechnen ist, gibt es eine ganz heiße Neuigkeit: Am 1.7.2014 war Abgabetermin für folgende Ausschreibung (auszugsweise zitiert):


    Dienstleistungen von Architekturbüros

    Kurze Beschreibung des Auftrags oder Beschaffungsvorhabens

    Leistungen aus der Gebäudeplanung, inkl. Leistungen der Ausstellungskonzeption für musealen Ausbau Langer Gang, Schlossplatz 1, Dresden. I;

    Inhalt ist der Ausbau des Langen Ganges im 1. Obergeschoss inkl. Ausstellungsmobiliar (Vitrinen) zur Nutzung als Dauerausstellung der Rüstkammer/Gewehrgalerie sowie der barrierefreie Umbau des die beiden Gebäudeteile "Langer Gang" und "Georgenbau" verbindenden Treppenhauses.

    Angaben zum Gebäude: Der Lange Gang ist das Verbindungsgebäude zwischen Johanneum und Georgenbau und bildet eine Längsseite des Stallhofes. Auf der Nordostseite der Fassade befindet sich der Fürstenzug. Die Ausstellungsfläche im Langen Gang wird durch einen Raum im 1. OG mit den Abmessungen von ca. 5 m x 100 m gebildet. Das umzubauende Treppenhaus schließt an der westlichen Stirnseite an.

    Besondere Anforderungen: Integration Klimatechnik, besondere bauphysikalische Bedingungen, moderne technische Ausstattung, technische und gestalterische Vitrinenkonzeption, Lichtführung, Tageslichtnutzung, Integration und Koordination der Leistungen der Fachplanungen für Fenster sowie der historischen Raumfassung, raumlufttechnische Anlagen inkl. Technikbereichen.

    Gesamtmenge bzw. -umfang:
    Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) § 34 bzw. Anlage 10,
    Leistungsphasen 3-8, ggf. Leistungsphase 2;
    Veranschlagte Baukosten:
    Gesamtkosten ca. 7 500 000 EUR;
    für die auszuschreibenden Leistungen: KG300 ca. 1 600 000 EUR (incl. Vitrinen), KG400 ca. 1 000 000 EUR;
    Die Fensterplanung, sowie Planungen für die historische Raumfassung sind nicht Bestandteil der Ausschreibung und werden anderweitig vergeben. Deren Planungen sind im Sinne von Fachplanungen zu koordinieren. Die Fertigstellung ist in 2017 geplant.

    Da ich vermute, dass sich nicht jeder mit der HOAI auskennt, hier zur Erläuterung der Inhalt der abgefragten Leistungsphasen:
    (2. Vorplanung mit Kostenschätzung) wie oben genannt Eventual-Position
    3. Entwurfsplanung und Kostenberechnung
    4. Genehmigungsplanung
    5. Ausführungsplanung
    6. Vorbereitung der Vergabe der Bauleistungen incl. Aufstellung von Leistungsverzeichnissen
    7. Mitwirkung bei der Vergabe
    8. Bauüberwachung und Dokumentation

    Es geht also nicht nur um die bauvorbereitenden Planungsleistungen, sondern auch schon um die Architektenleistungen bei der Bauausführung bis hin zur Dokumentation. Und daraus schlussfolgere ich: Wir können wohl schon in wenigen Jahren die fertige Gewehrgalerie besichtigen.