Frankfurt a. M. - Alte Börse am Paulsplatz

  • Ich gebe mal hier die Antwort auf eine Frage von Schloßgespenst, um nicht jörg's Thread mit OT-Antworten vollzumüllen.

    Zitat von "Schloßgespenst"

    Gibt es Bilder von der Alten Börse nach 1944? Wenn das Gebäude "nur" ausgebrannt war, warum wurde es dann abgerissen? (Weil geschichtslose Idioten damals das Sagen hatten, ich weiß, aber gab es vielleicht noch einen anderen Grund; schließlich wurden ja sehr einige sehr stark zerstörte Häuser wie das Steinerne Haus wiederaufgebaut, aber eine Logik ist da wohl nicht zu erkennen)

    Zunächst ein Bild des corpus delicti:


    Paulsplatz mit östlicher Randbebauung: alte Börse, Paulsplatz 8, "südwestliches" Eckhaus; 1938 oder 1939 (Quelle: Private Sammlung des Forums-Mitglieds Riegel)

    Die Abrissgründe sind mir in der Tat nicht bekannt. Ich habe schonmal vermutet, dass sie wegen der Nähe zur Paulskirche als Steinbruch zweckentfremdet wurde, doch gegenwärtig keine Beweise dafür. Das Gebäude war zumindest 1945 noch sehr gut erhalten, stand jedoch wie viele Baudenkmäler in den folgenden sehr harten Wintern ungesichert herum und ist offenbar mehr und mehr verfallen. Dennoch war selbst beim Wiederaufbau der Paulskirche noch die ganze Hauptfassade zum Paulsplatz mit dem vollplastischen Figurenschmuck erhalten.

    Zumindest Mini-Bilder gibt es, die den Skandal des Abbruchs bzw. nicht erfolgten Wiederaufbaus erahnen lassen, es folgt eine Schritt für Schritt-Anleitung:

    1) Auf http://www.ifaust.de/isg/\r
    http://www.ifaust.de/isg/ gehen
    2) Auf " ISGBild" klicken
    3) Oben auf "Suche" klicken
    4) Im Feld "Stichworte" "alte* börse" (ohne die Anführungszeichen) eingeben und mit Enter oder unten rechts "Start" die Suche starten
    5) Links bei "Anzeige" auf "Bildergalerie" klicken
    6) Es werden Miniatur-Bildchen angezeigt, die man durch Draufklicken teils mehr, teils weniger vergrößern kann
    7) Unter "im Ergebnis springen" kommen unter "45" und "60" Fotos, die den Zustand der Börse nach dem Krieg zeigen

  • Die schmale Gasse ist die "Neue Kräme", und die beiden (es sind zwei) Häuser links stehen heute noch. Das schmale Haus mit dem Erker hat zwar immer noch ein Notdach. Das Haus im Mittelgrund, von dem die beiden Obergeschosse leider abgetragen wurden, ist das Eckhaus "zum Kranich" zwischen der Braubachstrasse und dem Römerberg. Die Situation sieht heute so aus (deine Aufnahme zeigt gegen Süden, die Google-Ansicht gegen Osten):

    https://goo.gl/maps/6SnTWNr2whKM95qd7

    Einmal editiert, zuletzt von Riegel (18. August 2018 um 00:16)

  • Danke Riegel! Das zu sehende Bild stammt von der bekannten Fotografien Ursula Edelmann. Diese hat über 50 Jahre Frankfurter Architektur fotografiert. Eine Auswahl, u.a. mit seltenen Nachkriegsfotos der Stadt, ist zur Zeit in einer Ausstellung im Stadtmuseum Bensheim zu sehen.

    ...

  • Leider nicht online, aber am 21.9.2019 in der FAZ und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erwähnt. Die Architektin Anne Christin Scheiblauer plädierte in einem Vortrag vor dem Kuratorium Kulturelles Frankfurt für eine Rekonstruktion der Alten Börse als Solitär östlich der Paulskirche. Es könnte dort ein Café oder auch das von OB Feldmann gewünschte "Demokratiezentrum" untergebracht werden.

  • Ein anderer Aspekt aber ist viel interessanter. Der Antrag der "Bürger Für Frankfurt" (BFF) vom Juli hat es ja bereits formuliert. Der Oberbürgermeister möchte ein "Demokratiezentrum" neben der Paulskirche errichten. Hierfür böte sich eine Rekonstruktion der Alten Börse an der Neuen Kräme an. Ein Projekt, das mehr Chancen hätte, und für das auch viele Sympathien existieren. Die Fläche wäre frei.

    Wieder einmal ein sehr gutes Engagement der BFF! Sollte es erfolgreich sein, wird man sich überlegen müssen, wie man die Alte Börse südlich abschließt. Die südlich anschließende Bebauung kann wegen der Braubachstraße nicht komplett rekonstruiert werden, oder? Das Original hatte dort eine Brandmauer, an die das Haus Neue Kräme 7 anschloß.
    Frankfurt, Alte Börse, aus: Frankfurt am Main und seine Bauten, Architekten- & Ingenieur-Verein (Hrsg.), Frankfurt a. M., 1886
    Quelle: Wikimedia Commons, Lizenz: CC-PD

  • Doch, die beiden südlich anstossenden Gründerzeithäuser blieben nach dem Braubachstrassendurchbruch stehen:

    http://www.sg-hausgeschichten.ch/frankfurt/pauls1.jpg
    (Fotografie aus meiner Sammlung, 1938 oder 1939).

    Südlich sollte unbedingt auch wieder etwas gebaut werden, wenn auch nicht diese beiden Bauten aus der Gründerzeit. Sollte nur die Börse allein mit neugestalteter Südfassade wiedererrichtet werden, stünden mit der Paulskirche zwei Solitäre an einem gemeinsamen Vorplatz da, was städtebaulich gar nicht geht. Durch die Realisierung einer Bebauung im Süden erhielte die Paulskirche wieder einen auf drei Seiten (anstatt wie heute nur auf zwei Seiten) geschlossenen Vorplatz.

  • Da stimme ich Dir voll und ganz zu, Riegel. Nur ist nicht mehr für alle vier anschließende Häuser Platz, glaube ich. Man müßte für Haus Nr. 5 oder 3 eine neue Südfassade gestalten. Gibt es Bilder der vorgründerzeitlichen Bebauung? Ich fand bisher nur diesen Stich, der die Häuser südöstlich der Barfüßerkirche zeigt:


    Quelle: Wikimedia Commons, Plan von 1770 nach Merian von 1628


  • Südlich sollte unbedingt auch wieder etwas gebaut werden, wenn auch nicht diese beiden Bauten aus der Gründerzeit. Sollte nur die Börse allein mit neugestalteter Südfassade wiedererrichtet werden, stünden mit der Paulskirche zwei Solitäre an einem gemeinsamen Vorplatz da, was städtebaulich gar nicht geht. Durch die Realisierung einer Bebauung im Süden erhielte die Paulskirche wieder einen auf drei Seiten (anstatt wie heute nur auf zwei Seiten) geschlossenen Vorplatz.

    Das finde ich in diesem Falle aber nicht so schlimm, die Paulskirche kann ruhig ein wenig Platz vertragen, damit sie besser wirkt, gerade die Eingangsseite mit Turm, siehe hier. Man könnte die Südseite der alten Börse analog zur Nord- bzw. Ostseite gestalten und in dem dadurch gewonnenen Innenraum z.B den Eingangsbereich mit Kasse/Garderobe unterbringen (oder die ganze Alte Börse als Cafe/Restaurant nutzen). Die frei gebliebene Fläche auf der Südseite könnte man weiterhin für Außengastronomie nutzen bzw. für den Weihnachtsmarkt. Außerdem müsste man die unterirdische Toilette nicht ändern.

  • Die Paulskirche ist aber als ovaler Zentralbau mit eindeutiger Mittelaxe konzipiert worden. Deshalb sollte sich auch ihr Vorplatz dieser Prämisse einordnen. Der Platz würde viel intimer als die jetzt unförmige, undefinierte Fläche vor und neben der Paulskirche. Die heutige Schragansicht durch die Bäume hindurch wirkt auf mich diffus. Heute ist die Freifläche so halbwegs Kirchenvorplatz, Allewäldchen und einseitige Einkaufsflaniermeile.

    Gibt es Bilder der vorgründerzeitlichen Bebauung?

    Ja, zwei Bilder gibt es auf der Wikipediaseite zum Salzhaus. Dort ist auf einer Fotografie das 1866 abgebrochene Haus Nr. 1, zum Wedel, abgebildet. Auf der nächsten Fotografie ist der Nachfolgebau Nr. 3 abgebildet. Ob dieser auch bereits 1866 errichtet wurde, weiss ich nicht.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Salzhaus_(Frankfurt_am_Main)
    Leider sieht man auf dem 1944er-Stadtplan die Situation dort nicht genau, weil ein Teil 'ausradiert' ist. Aber gemäss Flugaufnahmen waren es auf der Seite Neue Kräme drei Bauten (3, 5 und 7), auf der Seite der Paulskirche aber nur zwei; diejenigen, die man auf meiner Fotografie von 1938/39 sieht.

    Auf der ersten Fotografie im Strang Frankfurt in alten Ansichten ist die Situation auch erkennbar, wenn man sie maximal vergrössert. Wunderschön, wie man auf dieser Flugaufnahme den geschlossenen Paulskirchenplatz sieht!

  • Südlich sollte unbedingt auch wieder etwas gebaut werden

    Das widerum dürfte schwer werden. Die Außengastronomie (Eiscafés) dort sind sehr beliebt. Sollte diese Fläche bebaut werden, würden die Widerstände enorm anwachsen. Ich habe selbst schon mit Bürgern darüber gesprochen, die sich gegen eine Bebauung aussprachen. Frankfurt bräuchte auch weiter Plätze, es solle nicht alles vollgebaut werden. Von der Alten Börse konnte ich sie gerade noch so überzeugen, indem ich erklärte, dass viele Bäume und Gastronomietische erhalten bleiben könnten.

    Ich denke eine Alte Börse mit angepasst gestalteter Südfassade würde noch vermittelbar sein. Mit etwas Müh und Not. Eine angrenzende Südbebauung hingegen würde keine Mehrheit finden. Maximalismus schadet. Ein solcher Plan würde das Projekt in toto verhindern.

    Deshalb bin ich nur für die Alte Börse, aber ohne anschließende Bebauung zur Braubachstraße.

  • Ja, natürlich! Die Braubachstraße ist ja selbst gründerzeitlich. Das hatte ich nicht bedacht. Man könnte also nach der Rekonstruktion der Alten Börse die Situation wie auf der 1887er-Aufnahme und dem Luftbild von 1938 wiederherstellen, allerdings bevorzugt mit niedrigeren Gebäuden zum Paulsplatz hin. Auf das alte Haus zum Wedel müßte man leider verzichten. Die Häuser Neue Kräme 5 und wohl auch 7 waren 1938 offenbar noch alte Fachwerkhäuser. Anders als auf dem Merianstich waren sie aber traufständig. Meinst Du, man hat einfach die Firstrichtung irgendwann geändert?

    Edit: Ja, Heimdall, den Einwand kann ich angesichts Deiner persönlichen Erfahrungen nachvollziehen.

  • Heimdall hat völlig recht - eine angrenzende Südbebauung ist undenkbar, denn sie würde in dem Fall den Bürgerwillen übergehen. Die Frankfurter lieben diese gastronomisch geprägte Freifläche.

    ...

  • Das ist natürlich ein gewichtiges Argument, das nicht einfach unberücksichtigt bleiben darf. Meine Meinung ist vor allem aus städtebaulicher Sicht her begründet.

    Einmal editiert, zuletzt von Riegel (16. Oktober 2019 um 19:47)

  • Die Frankfurter lieben diese gastronomisch geprägte Freifläche.

    Die "Frankfurter" lieben diese öden Flächen, mit ein paar Bäumchen.

    Platz für einen Wiederaufbau des ganzen Blocks ist ja vorhanden und es gab ja auch mal eine BI die den "freien" Domblick erhalten wollte.

  • Ein schönes Luftbild, pietffm! Hier habe ich nun einen alten Beitrag von RMA gefunden, der eine beeindruckende Fotografie der beiden Barockhäuser Neue Kräme 5 ("Zur Stadt Antwerpen") und 7 ("Großes Kaufhaus") zeigt. Wer dem ein Café und eine unterirdische Toilette vorzieht, dem ist eigentlich nicht zu helfen. Hier sind drei weitere Beiträge, in denen über das Haus "zur Stadt Antwerpen") diskutiert wurde.

    (Klicken zum Vergrößern)

    P.S.: In RMAs Original-Beitrag ist die Fotografie in besserer Auflösung zu sehen!

    Edit: Ansicht mit Alter Börse.

    2 Mal editiert, zuletzt von Citoyen (23. Oktober 2019 um 17:28)