Offensichtliche Zweiteilung Deutschlands in baukultureller Hinsicht

  • Woher kommt diese offensichtliche Zweiteilung an Baukultur?

    Wo auch immer ich in letzter Zeit in der ehmaligen DDR war, überall werden Altstädte verschönert, saniert, wieder aufgebaut und teilweise mit schönen neuen Bauten ergänzt (sieht man vom Dresdner Altmarkt ab, der in übelste BRD-Tradition fällt).
    Sicher sind manche Neubauten eher enttäuschend (siehe Leipziger Westbebauung des Marktplatzes, jedoch keineswegs unerträglich), aber im Großen und Ganzen hat sich erstaunlicherweise ein erfrischend guter Geschmack durchgesetzt (siehe Neubauten in Postdam Neuer Markt, Chemnitz Neue Mitte, DD Neumarkt, Erfurt Anger, Mühlhausen Th
    Richtig skandalös sind nur der Kaufhof in Halle (Ignoranz hat in dieser Stadt Tradition!) und das Lokal Alex in Zwickau. Eine sehr kleine negativ-Bilanz, wenn man die übergroße Menge der Städte bedenkt, die völlig ohne Bausünden ausgekommen ist, ganz abgesehen von der beträchtlichen Rekoliste. die sich jedoch nur im ehem. Osten abzuspielen scheint.

    Im Westen hingegen geht alles in 60er- 70er-Jahr-Manier weiter, siehe Würzburg, Schweinfurt, Heidelberg uva, also ohne jeglichen Geschmack.
    Woher kommt das bloß?
    Früchte der Amerikanisierung des Westens?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Zitat

    ganz abgesehen von der beträchtlichen Rekoliste. die sich jedoch nur im ehem. Osten abzuspielen scheint.

    Das stimmt allerdings nicht ganz:

    [lexicon='Altes Rathaus Wesel'][/lexicon]
    Frankfurter Altstadt
    Schloss Herrenhausen in H
    Braunschweiger Schloss
    Zuckerhut in HI
    Thurn- und Taxi Palais in F
    Pellerhof in Nürnberg
    Maximilianstrasse in München


    Aber teilweise hast du recht. Das hat aber damit zu tun, dass die Ost-Städte später saniert wurden.
    [/code]

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Ich denke das hat verschiedene Ursachen, u.a. glaube ich, dass eine im Nachkriegswestdeutschland ausgebildete und sozialisierte Architektenschaft im Westen stärker mit den kommunalen Entscheidungsträgern verbandelt und verfilzt ist und deshalb fast jeder modernistische Quatsch durchsetzbar ist.

    Darüber hinaus wird im Westen eine Attitüde der Coolness und Pseudo-Weltläufigkeit gepflegt, was sich auch in architektonischem „Posing“ äußert. Jeder Kubus ist dann irgendwie „stylish“, meint man.

    Dann ist auch viel Ideologie im Spiel: Rekos im Osten werden auch von den westlichen Meinugsführern eher akzeptiert, gewisermaßen als Wiedergutmachung bzw. als späte Rache an der SED. Jede Ost-Platte war eine kommunistische Unrechtstat.
    Der westdeutsche Beton-Brutalismus dagegen war demokratisch und fortschrittlich.

  • Däne
    natürlich war s etwas polemisch und vereinfachend, keine Frage.
    Aber die Grundtendenz scheint mir tatsächlich deutlich vorhanden zu sein.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Heimdall

    Also auch den Osten zu verhunzen?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Zitat von "klingentor"

    Dann ist auch viel Ideologie im Spiel: Rekos im Osten werden auch von den westlichen Meinugsführern eher akzeptiert, gewisermaßen als Wiedergutmachung bzw. als späte Rache an der SED. Jede Ost-Platte war eine kommunistische Unrechtstat.
    Der westdeutsche Beton-Brutalismus dagegen war demokratisch und fortschrittlich.

    Eine interessante These, so habe ich das bisher noch gar nicht gesehen, aber da könnte wirklich etwas dran sein. :!: Die West-Moderne als "gute, freiheitliche" Moderne, die sich von ihren Sympathisanten entsprechend auch lautstärker und mit besserem Gewissen verteidigen lässt.

    In dubio pro reko

  • Vielleicht gibt s aber auch im Osten einfach klügere Bürgermeister. Ich kenn die Verhältnisse zu wenig, aber könnte es sein, dass durch die Wende sich so etwas wie eine politische Elite, die diesen Namen auch verdient, etabliert hat?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ich frage mich auch inwieweit die Bürger einer Stadt der eigenen Städtebaukultur gegenüberstehen. Hier in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] sind die Leute schon sensibilisiert und streiten vehement, wenn mal was schief geht (siehe Bildermuseum, Paulinerkirche). Insgesamt könnten sich zwar mehr beteiligen aber die Intensität der Echos ist schon sehr stark. Wie sieht das in anderen Städten aus?

  • Ursus, wer baut denn in den ostdeutschen Städten ? Kommen die vielleicht zufällig aus dem Westen ? :schlafenbett:

    Zitat von "ursus carpaticus"

    ..Im Westen hingegen geht alles in 60er- 70er-Jahr-Manier weiter, siehe Würzburg, Schweinfurt, Heidelberg uva, also ohne jeglichen Geschmack.
    Woher kommt das bloß?
    Früchte der Amerikanisierung des Westens?

    Das sind die Früchte des Sozialismus im Westen, sprich der (a)soziale Wohnungsbau !

  • Zitat

    wer baut denn in den ostdeutschen Städten ? Kommen die vielleicht zufällig aus dem Westen?


    Ich will, zurückhaltend, wie ich nun mal bin, gar nicht behaupten, dass hieraus eine typisch westdeutsche Arroganz spricht.
    Aber, im Ernst, die wirtschaftspolitische Lage im Auge, wer sollte denn im Osten sonst bauen? Die Wiedervereinigung war ja wohl kaum ein Zusammenschluss zweier politisch gleichberechtigter und wirtschaftlich gleich starker Partner und ging selbstverständlich schwer zu Lasten aller ostdt. Betriebe und Unternehmen (was die ostdt Menschen betrifft, ist die Lage natürlich diffiziler, da kann man natürlich streiten, und das will ich hier nicht. Erfreulicherweise ist anzumerken, dass diese eindeutig ZUGUNSTEN der ostdt. Städte erfolgte, was eben unser Thema ist).

    Außerdem ist das kein Argument, da im Westen zufällig auch eher west- als ostdeutsche Unternehmer bauen.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ist doch logisch das die meisten Investitionen aus dem Westen kommen. Da konnte man halt eben das finanzielle Potenzial aufbauen. Interessanter und wichtiger für die qualitativen Sanierungen in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] aber sind die in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] ansässigen Immobilien-Firmen, die mit eigenem Geld und der Refinanzierung über Verkauf Stück für Stück Juwelen wieder wach küssen.

    Wie westdeutsche Arroganz in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] aussieht sieht man an dem mfi-Projekt "Höfe am Brühl". Wobei hier seitens der mfi schon deutliche Zeichen gesetzt worden sind (z.Bsp. erstmalige Abkehr vom Standard "...-Arcaden"), dass man es auch anders kann. Schade nur, dass die Bemühungen bislang nach bürgerlichem Leipziger Verständnis eher nur lächerlich als innovativ sind.

  • Ein Grund ist sicherlich die Ideologie im Westen, grundsaetzlich hat sich doch in der westdeutschen Architektur seit den 50ern nichts geaendert. Am Geld kann es ganz klar nicht liegen, da im wirtschaftsstarken Muenchen im Moment die mit Abstand furchtbarsten Kisten hochgezogen werden.
    Erst seit ich Bilder von ostdeutscher Stadtreparatur gesehen habe, ist mir ueberhaupt klar geworden, was im Westen alles falsch gemacht wurde und wird und dass es so nicht sein muss. Ich hoffe instaendig, dass man sich irgendwann auch hier bewusst macht, dass man auch attraktive und zum Umfeld passende Architektur bauen kann anstatt immer nach der allerneusten Mode, die spaetestens nach ein paar Jahren nur noch schaebig ist. Ich bewundere die Ostdeutschen wirklich fuer ihre wunderschoenen Staedte und ich finde sie haben sie verdient. Im Westen gibt es hoffentlich bald mehr Stadtplaner, die ihrem Namen auch gerecht werden (es wird ja auch hier mancherorts schon besser).

  • Ein Argument ist mir noch eingefallen:
    Der Kommunismus ließ mehr Flächen brach, unbebaut.
    Man sieht auch am DDer Neumarkt die Grenzen des Möglichen: Nämlich bebaute, folglich abzureißende Grundstücke (von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, Polizeianbau, Berlin PdR -glücklicherweise asbestverseucht).

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Wenn ich nicht von Snorks Verschiebung verständigt worden wäre, hätte ich diesen Strang glatt vergessen.

    die Diskussion stammt aus dem Jahre 2008.

    Wie sieht es 15 Jahre später aus?

    Was gibt es Neues seitdem in W und O, von Potsdam bis Lübeck? Hat sich der (übrigens umstrittene) Grundtenor geändert? Oder geht die Entwicklung in beiden Teilen in Richtung Flaute oder Nivellierung?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Im Osten war nach und seit der Wende eben der Sanierungsbedarf deutlich höher. Und der Bedarf an Gestaltung von Brachflächen in den Innenstädten. Und dabei kam dann eben einiges an Rekonstruktionen heraus. Und an top wiederhergestellten Altbauten. Im Westen war das nur punktuell der Fall, weil der Sanierungsgrad höher war und es in der Regel keine Brachflächen in Innenstädten gab. Zudem ist der ästhetische Geschmack durch lange eingefahrene politische Strukturen und das dominierende Anliegen der Profitmaximierung stärker verloren gegangen. Ansonsten ist dazu eigentlich wenig zu sagen.

  • Was man auch nicht unterschlagen sollte ist die Identifikation mit dem Altbaubestand. Westdeutschland hat eine völlig andere Gesellschaftszusammensetzung. Der Effekt hat sich im Vergleich zu vor 15 Jahren nicht wirklich verändert. Ich denke, dass die Identifikation immer noch weitgehend schlecht ist. Ich könnte mir vorstellen, dass dieser Effekt auch im Osten zunimmt. Ein guter Hinweisgeber ist für mich da auch immer das Stadtmarketing. In der Vergangenheit haben sich oft die Städte auf historische Begebenheiten, auf historische Privilegien, auf ihre historischen Bauten bezogen, um sich herauszustellen. Heute nennt sich Erfurt und Tessin Blumenstadt, Braunschweig ist Bienenstadt, Aachen, Coburg, Darmstadt, Frankfurt am Main, Görlitz, Innsbruck, Mühlheim, Passau, Wiesbaden und Würzburg sind Europastadt, Rosenstadt nennen sich Baden-Baden, Dortmund, Freising, Hildesheim und Saarbrücken, Chemnitz war Stadt der Moderne, Kiel ist Sailing city.

    Vieles davon ist kein offizieller Beiname, der dann auf den Stadteingangsschildern steht. Aber ich denke es zeigt, wo heute Identifikation gesucht wird: positiv besetzte Trendbegriffe, ortsansässige Unternehmen und deren Produkte, Bildungseinrichtungen, Internationalität.

  • Was fällt mir 15 Jahre danach zu diesem Thema ein:

    Man fragt sich, warum maximieren alle immer ihre Profite, optimieren sich zu Tode und letztlich sieht man davon nichts.

    Ich würde deshalb mittlerweile von einer toten Leistungsgesellschaft sprechen mit Arbeits- und Autofetischismus.

    Dazu kommt eine Geschmacklosigkeit, die mit den Hollandtomaten ihren Höhepunkt in den 90igern erreicht hatte.

    Alles bis ins letzte durchoptimiert und was hat es gebracht - NICHTS. Man dreht sich im Kreis und ist in Ideologien gefangen.

    Neoliberalismus, grüne Ideologie, Modernisten ...

    Der Ostansatz ist das Gegenbild. Die letzte dort erlebte Ideologie ist gescheitert (DDR). Deshalb gibt es heute Zufriedenheit auch mit den kleinen Dingen statt Langeweile und Oberflächlichkeit. Trend: Hinwendung zur Familie und zur Lebensqualität. Weniger Vertrauen in Politik und deren Einzelinteressen. Mehr in den gesunden Menschenverstand und die eigenen Fähigkeiten (Stichwort Bauwirtschaft und Rekonstruktionen). Fremdenfeindlichkeit kann ich zudem nicht erkennen. Es wurden unzählige Ukrainerinnen in Familien aufgenommen. Nur Feindlichkeit gegenüber Menschen mit Dominanzanspruch ist sehr ausgeprägt. Darauf reagiert man im Osten ganz allgemein allergisch nach der DDR (arrogante Wessis, Kopftücher, Machos).