• Neußer

    In diesem Ausmaß vermutlich nicht, aber wenn, dann vermutlich nur in [lexicon='Leipzig'][/lexicon]. Wenn es Dich tröstet: So ein hervorragend erhaltenes und geschlossenes großbürgerliches Wohnviertel wie das Waldstraßenviertel in L wirst Du in Wien maximal rund um das Wiener Rathaus finden, wobei es aber heute nur noch ein einziges Gründerzeitpalais rund um das Rathaus einigermaßen mit den Treppenhäusern in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] mithalten wird können (nach dem krieg ist einfach sehr viel kaputt saniert worden). Was den Sanierungs- und Erhaltungsgrad im Innern anbelangt, da kann Wien mit [lexicon='Leipzig'][/lexicon] nicht einmal annähernd mithalten! Das liegt aber hauptsächlich an drei weiteren oder sogar mehr Gründen: 1. Dass es in Wien keine Denkmal-Afa gibt, die es für Bauherren in L fast schon zur Pflicht macht, möglichst originalgetreu zu rekonstruieren, 2. am Leipiziger Landesdenkmalamt und hier vor allem an A.K. Merrem, die den bauhistorischen Wert der Gründerzeitarchitektur schätzt und mit Enthusiasmus die Bauherren berät, die selbst schon zu Experten dieser Bauepoche geworden sind, 3. daran dass in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] fast alle Gebäude von vor 1945 unter Denkmalschutz stehen, wobei in Wien so gut wie kaum ein Gründerzeithaus unter Denkmalschutz steht (auch heuer sind schon wieder zwei große Gründerzeithäuser im Zentrum abgerissen worden...).

    @Der Herzog

    Leider sogar exzessiv, aber zum Glück weniger im Zentrum. Auch in Wien wirst Du eine Menge Straßenzüge vorfinden, wo kaum ein Gründerzeithaus noch mit seinen ursprünglichen Schmuck behalten durfte. In der Nachkriegszeit gab es sogar "Wiederaufbauförderungen", wo man das Abschlagen der Fassaden großzügig unterstützt hat! Ein Freund aus dem Saarland (Hallo, wenn Du mitliest), der mich vor einiger Zeit in Wien besuchte, war regelrecht beruhigt, dass es bei uns in Wien genauso schlimm aussieht wie bei ihm zu Hause. Wir sind aber damals auch viel in den "durchschnittlichen" Gegenden Wiens unterwegs gewesen.

  • Ich erinnere mich, wie deprimierend bei einem Wienbesuch vor langer Zeit die zahllosen entstuckten Wiener Straßenzüge auf mich wirkten, wobei damals noch die Tristesse schmutzig-grauer Rauputzfassaden ihr Teil dazu gab, durchaus vergleichbar mit dem Berliner Stadtbild. Aber - wenigstens die Innenstadt und auch die nördlich daran anschließenden Quartiere blieben von dieser Barbarei verschont und strahlten schon damals eine Eleganz und einen Reichtum an historischer Substanz aus, die alles Vergleichbare in Deutschland überstrahlte, während man in Berlin selbst in Zentrumsbereichen auf den ästhetischen Garaus versessen war.

  • Für mich ist Wien die schönste Millionenstadt Europas. Die Prachtentfaltung der Ringstraße ist geradezu atemberaubend, die angrenzenden Stadtteile wie Neubau, Spittelberg oder Josephstadt besitzen viel Altstadt- und Alternativ-Flair. Banale Einkaufsstraßen mit Allerweltsangebot wie die Mariahilfer Straße geraten in Wien zu Prachtstraßen, von den noblen Meilen der Inneren Stadt ganz zu schweigen. Es gibt in keiner Millionenstadt die ich kenne keinen Platz, der sich mit dem Kaiserforum vergleichen läßt, nicht mal in Paris, das mir zu gleichförmig daherkommt. Als ich in Wien war hab ich auf der Wieden gewohnt und auch dieser Stadtteil kann sich sehen lassen, ebenso wie das angrenzende Margareten oder Landstraße. Richtig brutale Bausünden , wie in deutschen Städten allgegenwärtig, konnte ich in Wien eigentlich nicht ausmachen und der ein oder andere Kasten fällt bei all der Pracht und Schönheit nicht weiter ins Gewicht. Erstaunt war ich, als ich Zerstörungsbilder der Stadt sah über das Ausmaß der Bombenschäden, das teilweise an Berlin oder Hamburg erinnerte.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Zitat

    das Ausmaß der Bombenschäden, das teilweise an Berlin oder Hamburg erinnerte

    Nein. Bei allem Respekt vor der Wiederaufbauleistung, die nicht so übel war, wie Exilwiener es glauben will (das sozialistische Wien ist so seine Sache nicht, aber die heutigen Verhältnisse waren nicht immer so trostlos), das geht den doch zu weit.
    Insbesonders fehlten den Zerstörungen letztlich die Flächigkeit. Wien ist als solches stehengeblieben, trotz aller Schäden. Gerade die von dir erwähnten Bezirke 7 und 8 haben nicht so viel abgekriegt.
    In den härter getroffenen Gegenden um die Bahnhöfe, und nördlich des Donaukanals (wie leider auch südlich desselbigen) sieht es auch entsprechend trostlos aus.

    Schön, dass dir Wien so gefällt. Ja, Paris ist sehr gleichförmig, hat keine so bunten und faszinierenden Platz- und Gassenfolgen zu bieten, dafür alles in allem schon mehr Sehenswürdigkeiten. Heute muss man natürlich über die Trostlosigkeit gewisser Entwicklungen hinwegsehen, die mehr als bloß das "Flair" betreffen.
    Allerdings hast due bei deiner superlativischen Einschätzung Prag vergessen. Und mit dem nicht ganz unerheblichen Bereich südlich der Alpen ist's halt ohnehin schwer, Vergleiche anzustellen...

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • (...) Erstaunt war ich, als ich Zerstörungsbilder der Stadt sah über das Ausmaß der Bombenschäden, das teilweise an Berlin oder Hamburg erinnerte.

    Ich habe mal gelesen, daß Wien zu etwa 30% zerstört war. Das ist natürlich nicht viel. Und möglicherweise war man in Österreich nicht so krank, nach dem Krieg alle beschädigten Häuser zu beseitigen und hat deutlich mehr repariert. - In Deutschland musste alles neu und anders werden. :thumbdown:
    Außerdem hatte Berlin noch das Pech die Nazi-Hauptstadt zu sein. Hätte man sich für Wien entschieden, wäre jetzt vielleicht Berlin sehenswerter.

  • Glücklicherweise war aber Berlin die Hauptstadt. Mit Wien konnte sich Berlin ohnehin nie messen. Außerdem war Berlin nicht stärker zerstört als Hamburg. Dass Berlin so aussieht wie es aussieht und fast nichts vom historischen Zentrum erhalten ist, hat ja bekanntlich andere Gründe. In keiner anderen deutschen Stadt wurdesoviel erhaltene Bausubstanz plattgemacht und die entstuckungshyterie tat dann noch ihr übriges.


    Ja, Prag habe ich vergessen. In Prag fehlt halt aber die Ringstraße und Prag wirkt auch viel kleiner als Wien. Der Wenzelsplatz ist soweit ich mich erinnern kann, die einzige echte Prachtstraße, wie ein Platz sieht er ja nicht aus.

    30% Zerstörungsrate erscheinen in der Tat nicht viel, wenn es aber hauptsächlich die Innere Stadt mit der Ringstraße getroffen hätte, wäre das fatal gewesen. Am Beispiel Nürnberg kann man das gut nachvollziehen. Hier war die Altstadt zu 90 % zerstört, der Gesamtzerstörungsgrad dürfte höchstens die Hälfte betragen haben.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

    Einmal editiert, zuletzt von Pfälzer Bub (9. September 2014 um 10:23)

  • Wien wurde als Frontstadt arg verwüstet. Aber alles in allem ist das nichts gegen die segensreiche Katharsis von oben durch die allierten Friedenstauben (so tatsächlich ein gewisser Jakov Lind):

    https://www.youtube.com/watch?v=SLtbYgWBx0U

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Von meinen ca 5000 Wien-Bildern hier auch einmal eine kleine, erste Auswahl...

    Zum Thema "mit Städten südlich der Alpen schwer vergleichbar"..., ich finde Wien ist schon sehr südeuropäisch und hat viele Ähnlichkeiten mit südeuropäischen Städten, die Plätze, die Gassen, etc.






    Auf dem Dach der Parlamentsrückseite

    Seiteneingang




    Bilder von mir, ©Ludolf

  • Judenplatz



    Links Gazprom rechts SPÖ-Zentrale

    Rathaus




    Rathausturm

    Rathausmann


    Die Sagrada Familia in Barcelona hat sich wohl die Spitzen hier abgeguckt. :wink:



    Dieser Eckbau hat es mir besonders angetan, alter Schwede! eye:)

    Bilder von mir, ©Ludolf





  • Justizpalast


    Naturhistorisches und Kunsthistorisches Museum am Maria-Theresien-Platz



    Naturhistorisches Museum mit Sonnengott Helios als Krönung

    Und das Kunsthistorische Museum wird gekrönt von Athene

    Deutsche Botschaft

    Akademie der Bildenden Künste


    Bilder von mir, ©Ludolf

  • Ach, herrlich! Diese ganze imperiale Pracht ist immer wieder schön anzuschauen! Durch die beim Wiener Historismus vorherrschende Neo-Renaissance entsteht auch fast nie der Eindruck von Überlegenheit. Die Fassaden wirken immer gut durchkomponiert und edel, nie einfach zugeklebt.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Bei den derzeitigen Unstimmigkeiten zwischen RUS und EU könnte sich dieses Denkmal vieleicht von selbst ereldigen...die Balten haben es schon vorgemacht und haben ihre sowejtischen Siegermäler in die Pamap transferriert. Wie bei allen Denkmälern wird auch dieses wieder einmal verschwinden. für den Schwarzenbergplatz wäre es natürlich schön, wenn es bald geschehe.

  • Ich würde Wien und Paris fast auf eine Ebene stellen, wobei Wien nochmal beschaulicher ist. London kann da lange nicht mithalten, andere deutsche Städte leider auch nicht wirklich, Rom wirkt auf mich sehr "ruinig" und nicht so prachtvoll. Madrid auch ganz nett, aber längst nicht so großzügig und prachtvoll. Barcelona ist sehr abwechslungsreich, was die Architekturstile angeht und durch die Lage am Mittelmeer kann Barcelona bei mir persönlich auch nochmal punkten. Prag ist auch längst nicht so prachtvoll, Budapest fehlt mir noch, aber angeblich halten selbst einige Wiener Budapest für noch schöner. eye:)

    Durch einen Wien-Besuch kann man teilweise die Ansicht besser nachvollziehen, dass z.b. Berlin durch seine Brüche so interessant ist, mit Stalin-Bauten, AlexanderPlatz DDR-moderne und dann wieder Altbautquartiere rund um die Innenstadt, dazwischen UdL und Museumsinsel und das moderne Regierungsviertel mit altem Reichstag und neuer Glaskuppel.

    Wien ist so schön, dass es schon fast langweilig ist. razz:)

  • Den letzten Satz kann ich erstaunlicherweise unterschreiben, ich war 1996 mal in Berlin und in Wien, und Berlin fand ich um ein Vielfaches aufregender, weil viel großräumiger und heterogener, so gegenwärtig und doch so voller geschichtlicher Spuren. Wien erschien mir dagegen als im klassischen Sinn sicherlich weit schönere, aber geradezu verschlafene Stadt mit eher morbidem Charme. Das hat sich allerdings nach meinem letzten Besuch vor ein paar Jahren wieder relativiert, hier habe ich Wien als eine vielfältige und sehr lebhafte Stadt erlebt. Aber auch heute noch ist Berlin in meinen Augen wesentlich spannender, weil die Stadt in diesem permanenten Umbruch ist und langsam wieder zur echten großen Metropole wird.

    In dubio pro reko

    6 Mal editiert, zuletzt von reklov2708 (11. September 2014 um 14:36)

  • Zitat

    Ach, herrlich! Diese ganze imperiale Pracht ist immer wieder schön anzuschauen! Durch die beim Wiener Historismus vorherrschende Neo-Renaissance entsteht auch fast nie der Eindruck von Überlegenheit. Die Fassaden wirken immer gut durchkomponiert und edel, nie einfach zugeklebt.

    Wirklich? Architektur, die kreativ und einfallsreich ist, gelingt logischerweise oft nicht. Um dieses Risiko zu vermeiden, kann man sich auch ganz streng an alte, erprobte Regeln halten, nichts riskieren und alles ganz streng so machen, wie es anderswo schon gut angekommen ist. In Wien wird letztere Machart zwischen 1850 und 1880 zur Perfektion getrieben und dann als Neorenaissance bezeichnet. Ich habe ja wirklich nichts gegen dir Bauten der Gründerzeit, aber diese Wiener Neorenaissance steht ganz oben auf der Liste der ödesten Spielarten historistischer Architektur. Wirkt zwar einheitlich und es kann bei einem derartigen Bau quasi nichts schiefgehen, aber das Straßenbild wird fad und eintönig. Überall das Gleiche, jede Fassade wie die andere, kein Hauch von Kreativität! Nur monumental ist die Neurenaissance, wie kein anderer Stil der dieser Zeit, das muss man ihr lassen.
    Aber die späthistoristischen, secessionistischen Bauten, die der Neuen Sachlichkeit - das gibt doch alles 1000mal mehr her!

  • Tobias sehe ich ähnlich. Wien hat mich überwältigt! Diese Gründerzeit,überall und immer wieder, einfach Wahnsinn. Aber nach einigen Tagen kam mir das etwas verstaubt vor. Das meine ich jetzt nicht negativ, aber irgend etwas fehlte doch.
    Interessanterweise habe ich zwei jahre später in Budapest dieses gefühl nicht gehabt. Obwohl die Stadt ebenso fast reine Gründerzeit ist, und ich noch länger dort war, kam dieses "Fad"-Gefühl bei mir nicht auf. Die Stadt ist als Stadt des Jugendstils, der Secession und des Eklektizistischen dermaßen abwechlunsgreich in den Spielarten und den Details, dass sie für mich die schönste der drei großen Gründerzeitmetropolen ist: Budapest - Prag - Wien. Ein Besuch kann ich wirklich nur empfehlen! Die *Übergänge zwischen Historismus zum Jugendstil und weiter zum Art deco lassen sich dort im Stadtbild einen stufenlos nachvollziehen.
    Appetizer: Bildergalerie im DAF: http://www.deutsches-architektur-forum.de/forum/showthread.php?t=5471

    Einmal editiert, zuletzt von nothor (11. September 2014 um 21:21)

  • Hier ein weiterer abendlicher Beitrag, Auswahl Nummer fünf. :harfe:

    Griechische Kirche



    Karlsplatz mit Karlskirche, die Säulen sollen für das mächtige Kaiserreich stehen..., für meinen Geschmack eindeutig zu viel des Guten. :blink:



    Französische Botschaft


    Schloss Schönbrunn





    Schloss Belvedere




    Bilder von mir, ©Ludolf